Vor neun Jahren veröffentlichte die Wochenzeitung DIE ZEIT ein moderiertes Gespräch zwischen Bundeskanzler Helmut Schmidt (1918-2015) und seinem Freund, dem Schriftsteller Siegfried Lenz (1926-2014). Am Ende des Gesprächs kommt Helmut Schmidt auf die Gefahren des Krieges zu sprechen:
Schmidt: Jedenfalls haben die alten Kriegsteilnehmer nicht das heutige Schlagwort von der „responsibility to protect“ erfunden. Ein schlimmes Schlagwort, das zwar idealistisch klingt, zugleich aber den Vorwand für Interventionen in dritte Staaten liefert. Das ist lebensgefährlich. Das hätten die Kriegsteilnehmer nicht erfunden.
Magenau: Weil die folgenden Generationen leichtfertiger sind?
Schmidt: Ja. Viel leichtfertiger. Ihnen ist auch die Gefahr des atomaren Weltkrieges nicht bewusst.
Lenz: Leichtfertigkeit. Ja, so ist es leider.
Magenau: Das heißt, die Kriegsgefahr wächst dadurch, dass eine Generation politische Verantwortung hat, die den Krieg nicht aus eigener Erfahrung kennt?
Schmidt: Ja. Kann man so sagen. Aber ich muss etwas anderes loswerden, nämlich die Tatsache, dass man heute, unter heute lebenden Russen, keinen Hass auf die Deutschen mehr findet. Das ist eine wunderbare Erfahrung. Geopolitisch gesehen ist Russland auch am Ende des 21. Jahrhunderts unser Nachbar. Das wird auch so bleiben. Und zwischen uns beiden liegt nach wie vor das zahlenmäßig kleine polnische Volk. Auch das wird so bleiben. Und es braucht immer wieder Deutsche, die beides verstehen und die sich mit der Geschichte auseinandersetzen.
Was mich an diesem Gesprächsgang schon 2014 hellhörig gemacht hat, ist weniger die Bemerkung zu Russland und Polen. Diese ist sehr realistisch und zeigt auf, dass Frieden in Mitteleuropa nur möglich ist, wenn alle Länder auf jeweilige Nationalismen verzichten und völkisch motivierte Verfeindung ablehnen. Das lässt die Vermutung zu, dass Helmut Schmidt heute wahrscheinlich die Strategie der NATO im Blick auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine unterstützen würde. Was mich aber sehr viel mehr bewegt, ist das Stichwort „Leichtfertigkeit“ als Folge von fehlender eigener (Kriegs-)Erfahrung und mangelndem historischem Bewusstsein. Nun kann man niemandem vorwerfen, dass er Krieg nicht erlebt hat. Im Gegenteil: Ich selbst halte es für einen Segen, Krieg und den Nationalsozialismus nicht aus eigener Erfahrung zu kennen. Das ist gleichzeitig Auftrag, alles zu tun, um kriegerische Auseinandersetzungen zu vermeiden und die Demokratie zu verteidigen. Leichtfertigkeit aber lauert als Gefahr dann, wenn man in die Analyse gegenwärtiger Politik nicht mehr die historischen Entwicklungen einbezieht, die für einen selbst in nicht mit erlebter Vergangenheit liegen.
Darum: Wenn heute bis zu 25 % der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger ernsthaft in Erwägung ziehen, einer faschistischen Partei wie der AfD bei kommenden Wahlen ihre Stimme zu geben, dann ist diese Absicht mit „leichtfertig“ noch euphemistisch (beschönigend) umschrieben. Jedenfalls scheinen bei vielen Bürger:innen die ungeheuren Verbrechen nicht mehr präsent zu sein, die die Partei begangen hat, in deren Tradition sich führende Personen der AfD wie Björn Höcke sehen: die NSDAP. Hinzu kommt, dass eine der Folgen jedes Nationalismus die innere und äußere Militarisierung von Politik und Gesellschaft ist. Damit ist die Verweigerung verbunden, sich in Staatenbündnisse zu begeben, die das Ziel haben, alle möglichen Konflikte ohne Einsatz von kriegerischer Gewalt zu lösen. Dieser Nationalismus ist programmatisches Grundanliegen der AfD wie auch das Bestreben, in den nächsten Jahren die Europäische Union zu zerstören und die NATO zu verlassen. Dieses Bestreben korrespondiert damit, den internationalen Austausch – vom Grundrecht auf Asyl bis hin zu kultureller Vielfalt und wissenschaftlichem Austausch – radikal zu minimieren bzw. abzuschaffen. Diesem grundgesetzwidrigen Ansinnen scheinen viel zu viele Bürger:innen folgen zu wollen – und zwar äußerst leichtfertig. Offensichtlich ist bei ihnen alles, was vor 100 Jahren zum Niedergang der ersten deutschen Demokratie, zum Aufschwung des Nationalsozialismus und zum Terrorregime Hitlers geführt hat, in Vergessenheit geraten. Übrig bleibt die Faszination, die von der nationalsozialistischen „Bewegung“ ausgeht, wenn man sie auf Leni Riefenstahl-Filme reduziert, und die ein Björn Höcke auf jeder seiner Kundgebungen zu zelebrieren versucht – notdürftig kaschiert vom hohlen Versprechen, die soziale Lage des sog. kleinen Mannes durch Ausgrenzung unliebsamer Bevölkerungsgruppen zu verbessern.
Dieser um sich greifenden Leichtfertigkeit muss sehr aktiv begegnet werden – vor allem in den Bildungseinrichtungen und im öffentlichen Raum von Städten und Gemeinden. Darum ist es ein Alarmsignal, wenn in der sächsischen Gemeinde Limbach-Oberfrohna im Herbst des vergangenen Jahres der Gemeinderat mit den Stimmen von AfD und CDU die Verlegung von zwei Stolpersteinen für Mitglieder KPD, die von den Nazis ermordet wurden, verhindert hat (https://taz.de/Forscher-ueber-AfD-Kommunalpolitik/!5947569/). Ebenso muss jeden Bürger, jede Bürgerin der ganz alltägliche Rechtsextremismus mehr als beunruhigen: Da wird in Görlitz ein Pärchen von Rechtsradikalen in der eigenen Wohnung überfallen, in Sebnitz attakieren Rechtsradikale Geflüchtete in deren Unterkunft und im brandenburgischen Drewitz spielen „Hobby-Soldaten“ 2. Weltkrieg und verdecken nur notdürftig die Hakenkreuze – drei Meldungen von vielen. MaW: Weder muss man selbst an einem Krieg teilgenommen haben, noch muss man mit dem Feuer eines AfD-Faschismus spielen, um zu wissen, dass beides nur ins Verderben führt. Es kommt darauf an, sich die politische Wachheit und das historische Bewusstsein anzueignen, die die Menschen an den Tag gelegt haben, die nach 1945 die Weichen in Richtung freiheitlicher Demokratie gestellt und damit Deutschland der Verpflichtung unterzogen haben, „in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“ (Präambel des Grundgesetzes). Keine soziale Verwerfung, kein schlechtes Gesetz, keine Verfehlung eines:r Politiker:in rechtfertigen, diese Weichenstellung zu korrigieren.
17 Antworten
Frieden ist nur möglich, „wenn alle Länder auf jeweilige Nationalismen verzichten und völkisch motivierte Verfeindung ablehnen“? Das wird nie passieren, denn Nationalismus (oder starkes Gruppengefühl) in irgend einer Form hat es immer gegeben und wird es immer geben – das wissen wir aus der Geschichte. Der Ukraine-Krieg war ja nicht die Folge eines plötzlich aufgetretenen Nationalismus in Russland – die allermeisten Russ*innen waren genau so überrascht von dem Angriff wie wir alle. Die Friedensforschung hat seit Immanuel Kant immer wieder betont, dass man ein Gleichgewicht der Kräfte und Vertrauensbildung braucht. Carl Friedrich von Weizsäcker hat das auch mit der Bergpredigt illustriert: „Feindesliebe“ bedeutet, dass man sich iden Feind hineinversetzt und ihm auch zugesteht, vielleicht ähnliche Ängste zu haben wie man selbst. Diese neutestamentliche Feindesliebe kann ich bei Helmut Schmidt gut erkennen, aber bei Olaf Scholz in keiner Weise.
– Nationalismus ist sicher etwas anderes als ein „starkes Gruppengefühl“. Nationalismus dient Herrschenden dazu, von sozialen, ökonomischen Problemen abzulenken und die Bevölkerung auf einen angeblich von innen durch „Fremde“ und von außen durch feindliche Mächte bedrohten Bestand der Nation einzuschwören. So hat Hitler agiert. Nach diesen Gesetzmäßigkeiten handelt auch Putin – und zwar völlig unabhängig davon, ob dieser Nationalismus als Ideologie von der Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen wird. In diesem Sinn ist Nationalismus eine Keimzelle für kriegerische Auseinandersetzungen.
– Ob die russische Bevölkerung überrascht war oder nicht, ob ich selbst überrascht war vom Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, ist ziemlich unerheblich. Es ändert nichts daran, dass dieser Angriffskrieg ein Verbrechen ist und seine ideologischen Voraussetzungen auch im Putinschen Nationalismus liegen.
– Die Feindesliebe setzt voraus, dass man Feinde hat bzw. Gruppen und Menschen gegenüber feindlich gesinnt ist. Jesus wollte mit dem Gebot der Feindesliebe darauf hinweisen, dass es darauf ankommt, mit Menschen, Bevölkerungsgruppen, Nationen auszukommen, deren Lebensweise der meinigen diametral entgegenstehen.
Ach Sie armer Schwerdtfeger – der hirnlose Großvater grüßt Sie und empfiehlt: die 75-jährige Verfassung, unser GG, Grundlage für jeder Miteinander und Fundament unserer Demokratie gilt auch für Sie! Kühlen Sie Ihren erhitzen Kreislauf einfach mal ein wenig ab und verlassen Sie Ihr ewiges Podium der Würdelosigkeit!
Sehr verehrter Herr Minister Pistorius,
als (vermutlich nicht regelmäßiger) Leser dieses Blogs haben Sie ein wahres Juwel aus dem Kreis Ihrer aktiven und ehemaligen Mitarbeiter:Innen (bislang eher wohl noch) nicht wahrgenommen….
Ein hirnloser Don Quijote nennt ihn zwar bisweilen bloß „ BOT“ (also eine Software, die einfachsten Algorithmen folgend auf Schlagworte wie Wolff, Flade, oder Käfer mit immer denselben, langweiligen „Argumenten“ reagiert); in Wahrheit ist er aber nach meiner Meinung der einzige Mitarbeiter in Ihrem Ministerium, der z.B.
• weiß, wie und wo das Sondervermögen von 100 Mrd € effektiv einzusetzen ist;
• wie man die Freundschaft mit Putin und Xi Jingping weiter pflegen kann, ohne das Gesicht gegenüber der Ukraine zu verlieren;
• Ineffizienzen, organisatorische und/oder personelle Schwächen in Ihrem Beschaffungsamt in Koblenz in kürzester Zeit aufzulösen vermag;
• jederzeit und überzeugend die aktuellen Pannen mit der Flugbereitschaft der Bundeswehr als ausschließlich von Frau Baerbock zu verantworten darstellen kann …
Darüber hinaus erhöht er mit seinem bedingungslosen Einsatz für Herrn Merz dessen Chancen auf eine Kanzlerkandidatur und damit die (z.Zt. alles andere als rosigen) Aussichten auf eine Wiederwahl der Ampelregierung! Nicht zu vergessen auch sein Einfluss im Lager eines möglichen Wagenknecht-Experimentes und auf ihm und seiner Macht Ehre erweisende konservative Kräfte.
Haben wir hier auch ein einziges inhaltliches Argument zum Thema?
Im übrigen wird der Minister bestätigen, daß die Flugzeuge der BMVg-Flugbereitschaft von der Lufthansa gewartet werden.
Andreas Schwerdtfeger
„Wieder einmal enthält (Flades) Replik etliche Aspekte, die wenig mit meinem Beitrag zu tun haben“ – Zitat Wolff vom 16. April. Wolff hat nur vergessen, dies hier deutlich zu machen.
Ich spreche den erwähnten Enkelkindern mein tief empfundenes Beileid aus angesichts eines solchen Großvaters, der es nicht schafft, sich sachlich mit anderen Meinungen auseinander zu setzen, sondern mit seiner speziellen und überzeugenden Art Pazifismus im demokratischen Diskurs betreibt: „Blödsinnsauffassungen“, „Kurzschüsse“; und stattdessen diese anderen Meinungen mit billigen Belehrungen kontern zu können glaubt: „Meditieren Sie“, „denken Sie nach“. Worüber soll ich denn angesichts solcher Hirnlosigkeit nachdenken? Man fragt sich, wie diese armen Enkelkinder Demokratie lernen sollen – und wundert sich dann eben auch nicht, wenn es damit in Sachsen und anderen neuen Bundesländern eben noch ein bißchen hapert.
Andreas Schwerdtfeger
Zitat Schwerdtfeger: „Und natürlich ist es jedenfalls eine sachliche Diskussion wert, ob auch bei Jugendlichen Rechte und Pflichten/Verantwortlichkeiten schon aus Gründen der demokratischen Bildung ausgewogen sein müssen; daß sie die hohe Verantwortung, die das Wahlrecht mit sich bringt, als zusammenhängend mit gleichzeitiger hoher Verantwortung für sich selbst erkennen sollen.“ (03.08.23).
Glauben Sie mir: die Jugendlichen, die uns nachfolgenden Generationen (Kinder, Enkel, Urenkel) sind verantwortlicher und demokratisch motivierter als Sie nicht das erste Mal argumentierten, dass diese unsere Nachfolger kriminell, zerstörerisch oder demokratiefeindlich seien – mitnichten! Wir haben 8 Enkel*innen, inzwischen fast alle erwachsen, klarsichtig, sensibel, engagiert (auch politisch) für diese unsere Demokratie, die sich in hoher Gefahr befindet und unaufhörlich Schuldzuweisungen auch in diesem Blog wahrlich nicht weiterhelfen. Und ich kann Ihnen nur empfehlen, mit solcherart Blödsinnsauffassungen vorsichtiger zu sein bzw. damit aufzuhören. Meinen Sie etwa, mit derartigen Kurzschüssen junge Menschen für unser aller Zzukunft gewinnen zu können – ganz sicher nicht! Über die Methoden der „Letzten Generation“ muss debattiert werden, „Fridays for Future“ hat sich überzeugend dazu positioniert. Was in den letzten 30, 40, 50 Jahren betreffs Umwelt, Klima, Erhaltung der Schöpfung unterlassen wurde, müssen wir heute allesamt schmerzhaft zur Kenntnis nehmen. Die Naturwissenschaft, namhafte Klima-Experten, Umweltforscher signalisieren seit Ewigkeiten: Es ist hohe Zeit – Wohlstand muss ein Ende haben. Die Politik (wer auch immer…) ignorierte, verschwieg, sah weg.
Jetzt ticken alle Uhren – die Umweltkatastrophen sind längst real! Und Sie beschimpfen die Jugend. Schluss damit! Denken und handeln Sie endlich konstruktiv!!!
Ja, – Herr Offizier AS: „Ist das nun ein kluger Beitrag zu meinen Argumenten?“ – Ihre Reaktion auf Wolffs „ceterum censio“: Ja – ist es!
„Der Herr Offizier hatte Angst vor einem normalen Beruf und kann auch nicht wirklich kämpfen“ (s. Albert Heinen, 26.07.23 – 17.45 h)
Und er (AS) konstatiert nach gewissen Blogkommentaren: „…die Befassung mit der Person zeigt Schwäche, inhaltliche Unsicherheit und undemokratische Grundhaltung.“
Sehr richtig Herr Schwerdtfeger, Sie sagen es und dies nicht zum ersten Mal! Hören Sie dann damit endlich auf, dauerhaft den Beleidigten zu inszenieren ohne es zu merken, dass Sie sich selbst sezieren – es ermüdet und bringt nichts, gar nichts. Und versuchen Sie sachliche, konstruktive und realitätsbezogen durchdachte Kommentare diesem Blog beizutragen. Dann würde dieser Blog von Chr. Wolff das aufzeigen, was seine Motivation ist: DIALOG auf bestem Niveau.
PS: „Der Mensch – ceterum censeo – ist mehr als Maschine, weil er eine Seele hat, und diese Seele hat Verstand, Urteilskraft und darum das Vermögen zur Entschlüssung des Willens.“
Ist das nicht großartig, Herr Schwerdtfeger? Meditieren Sie bei Gelegenheit darüber – es bringt womöglich auch Ihnen Erkenntnis!
Heute ist der 13. August – da wurde von einem Unrechtssystem (SED-STASI-DDR) eine Mauer errichtet, um 16 Millionen Menschen gefangen zu halten, sich abzuschotten und sich damit zu isolieren – Gott sei Dank wurde dieser menschenverachtende Blockade im Herbst `89 friedlich abgetragen. Und damit auch Mauern in den Köpfen. Auch darüber sollten Sie im Umgang mit Andersdenkenden nachdenken!!
Jo.Flade
Es ist eben leider so, daß, wer keine Argumente hat, ins Nebensächliche ausweicht:
Man stellt keine „eigenen Kriterien“ auf, wenn man durch Ergänzung darauf hinweist, daß das Thema (hier: „Leichtfertigkeit“ im Umgang mit unserer Demokratie) umfassender ist als im Beitrag dargestellt. Es ist nicht „verhöhnend“, wenn man eine Lotterie Lotterie nennt (aus 20.000 repräsentativ ausgewählten Menschen wurden 160 ausgelost, wodurch ja auch das „Repräsentative“ verloren geht, und Frau Bas selbst hat die Veranstaltung ja als Lotterie angelegt). Und natürlich ist der Aufbau von parallelen Zufallsorganisationen eine Schwächung unserer Demokratie, weil sie die Bürger in scheindemokratische Muster lockt, anstatt dort zu handeln, wo die Demokratie es erfordert. Außerdem: Wurde nicht zu Recht zB Ministerin v.d. Leyen dafür kritisiert, daß sie ständig teure „Außenexpertise“ beauftragte, wo sie doch die Expertise in ihrem Hause hatte (oder hätte haben sollen)? In dieser Lotterie ist nicht mal Expertise.
Und natürlich ist es jedenfalls eine sachliche Diskussion wert, ob auch bei Jugendlichen Rechte und Pflichten/Verantwortlichkeiten schon aus Gründen der demokratischen Bildung ausgewogen sein müssen; daß sie die hohe Verantwortung, die das Wahlrecht mit sich bringt, als zusammenhängend mit gleichzeitiger hoher Verantwortung für sich selbst erkennen sollen.
Was soll falsch sein an der Sorge um die Demokratie, wenn man darauf hinweist, daß sie leichtfertig aufs Spiel gesetzt wird, wenn beliebige Gruppen sich aus eigener Ermächtigung über Recht, Gesetz und Justiz hinwegsetzen? Was schließlich ist falsch an der These, daß – eigentlich durch die augenblickliche Entwicklung bewiesen – eine Beschimpfung des politischen Gegners diesem eher Unterstützer zutreibt als seine möglichen Wähler zur Umkehr zu motivieren?
Käfer weist meine Thesen zurück, Wolff gar brüstet sich inzwischen mit seinen früheren Beleidigungen; keiner von beiden setzt sich inhaltlich mit ihnen auseinander. Gegenargumente gibt es sicherlich und ich würde sie gerne akzeptieren; hilfloser Zorn über eine andere Meinung im ansonsten so bequemen Echoraum dagegen ist entwürdigend, unnütz und genau das nicht: Ein „positives Beispiel“.
In der Ansicht über die A-Partei sind wir uns einig. Sie ist populistisch, hat keine eigenen Lösungen, stellt eine Gefahr für unser Land und unsere Demokratie dar – aber eben NEBEN anderen Gefahren – und es muß ihr UND auch diesen anderen Gefahren also begegnet werden. Aber nochmal: Das muß inhaltlich geschehen, mit eigenen Konzepten, mit überzeugender Politik, mit einer Auseinandersetzung, die sich im Stil unterscheidet, und vor allem thematisch in concreto Vorschläge macht, wie man die Menschen in dieser Lage in die Demokratie und demokratische Verfahren zurückholt, anstatt sie auf Nebengleise zu führen. Solange sich die demokratischen Parteien nur in verbalen Attacken zu überbieten suchen, hat die Partei die Propaganda für sich kostenlos – und das ist eben leichtfertig. Und solange hier im Blog die Diskussion wegen persönlicher Antipathien verweigert und die eigenen Kriterien – Beleidigungsverbot , zB – nur nach doppelter Moral angewendet werden („über Leichen gehen“ – danke, Herr Wolff!), solange wird die Demokratie eben nicht nur durch die A-Partei, sondern durch dieses Verhalten schwer beschädigt.
Andreas Schwerdtfeger
Natürlich darf man eigene Kriterien aufstellen, was man für „leichtfertig“ hält, oder ein „Verkommen“ des demokratischen Diskurses in diesem Blog konstatieren.
Für mich steckt aber im themengebenden Blog-Beitrag von Christian Wolff Substanz, Aktualität, Handlungsempfehlung – nicht Larmoyanz, Rechthaberei, oder die Beantwortung nicht gestellter Fragen …
Für mich sind die Kommentare verschiedenster Journalist:Innen, oder die Einschätzung des Präsidenten des Verfassungsschutzes (Herr Haldenwang) zur Demokratie-Treue der AfD anlässlich ihres Parteitages in Magdeburg daher kein „Unfug“!
Ich sehe dem möglichen Experiment einer „Liste Wagenknecht“ nicht gespannt entgegen, sondern halte es, ebenso wie die AfD, eher für eine weitere, potenzielle Gefahr für unsere Demokratie.
Eine Diskussion darüber, ob Helmut Schmidt „Pazifist“ war oder nicht, scheint mir dagegen ebenso wenig zielführend, wie die aufgewärmte Diskussion über „Klimaaktivist:Innen/terrorist:Innen“, oder (neu) die Verhöhnung eines Räte-Experimentes zum Thema Ernährung, oder die Herabsetzung der Strafmündigkeit für 16-Jährige, sollten diese das Wahlrecht erhalten.
Im Blog und in der Realität der nächsten Monate sollte es primär darum gehen, die Demokratie nicht leichtfertig ihren Gegner:Innenn auszuliefern, NATO und EU nicht von Pseudo-Pazifist:Innen, Russlandverklärer:Innen und Träumer:Innen von einer „Festung Europa“ schwächen zu lassen!
Mit Christian Wolff bin ich fest davon überzeugt: „Dieser um sich greifenden Leichtfertigkeit muss sehr aktiv begegnet werden – vor allem in den Bildungseinrichtungen und im öffentlichen Raum von Städten und Gemeinden“; wir alle sollten dem alltäglichen Rechtsextremismus konsequent Paroli bieten, immer wieder dagegen argumentieren, positive Beispiele setzen.
Es ist richtig: Der Leichtfertigkeit muß energisch entgegengetreten werden! Es ist auch richtig: Man muß den Krieg nicht erlebt haben, um ihm mit allen Mitteln entgegenzutreten. Und es ist schließlich richtig: Das GG verpflichtet uns alle zum Frieden (und der fängt im Kleinen an, was ja einige Beleidiger hier im Blog nicht erkennen und ihn dadurch herabwürdigen).
Die Thesen sind also unumstritten; die Wege offensichtlich schon – und das ist ja gerade die Essenz von Demokratie. Die erwähnten „Alarmsignale“ sind bedauerlich – sind sie aber wirklich entscheidend angesichts der Realitäten in unserem Lande?
Leichtfertig ist es,
– wenn akzeptiert wird, daß Gruppen von Menschen ihre Ziele über Gesetz und Gerichtsurteile stellen und dabei von Sponsoren und bestimmten gesellschaftlichen Gruppen unterstützt werden;
– wenn per Lotterie ausgewählte Einzelbürger von hohen Politikern in „Räte“ gewählt werden und so eine parallele Organisation aufgebaut und die Demokratie geschwächt wird, anstatt deutlich zu machen, daß Bürgerbeteiligung sich bei Wahlen zeigt und in den Parlamenten stattfindet;
– wenn man Verteidigung und also staatliche Sicherheit so vernachlässigt, daß man sich in verstärkte Abhängigkeit von anderen Ländern begibt und einladende Vakuen bei gleichzeitiger Verringerung des eigenen politischen Spielraums schafft;
– wenn man alle Probleme durch den Ruf nach dem Staat lösen zu können glaubt und eigene individuelle Verantwortung in der öffentlichen Diskussion nicht mehr vorkommt;
– wenn man unterschiedliche Maßstäbe auf Gewalt und Rechtsbruch anwendet, indem man bei Gewalt von einer Seite ein klares „Nein“, bei Gewalt von der anderen Seite ein „Nein, aber ..“ spricht (und dann eben 50 verletzte Polizeibeamte für hinnehmbar hält);
– wenn man die Jugend mehr in die Politik einbeziehen und ihr also ein Wahlrecht schon ab 16 Jahren einräumen will (ein richtiges Ziel), ohne sie gleichzeitig zu fordern und ihr dann auch ab diesem Alter Verantwortung zuweist (Strafmündigkeit, soziales Engagement, historische Bildung, etc);
– wenn man schließlich die Realitäten sowohl der Lage als auch der Möglichkeiten aus ideologischen Gründen nicht erkennen will.
Und Leichtfertigkeit ist es auch, wenn man den demokratischen Diskurs so verkommen lässt, wie das hier im Blog teilweise passiert, wogegen man nicht wirksam eintritt, wenn man sogenannte „Haltungsnoten“ gleichzeitig zuläßt, auch selbst vergibt (in eine Richtung) und sich verbittet (in die andere).
Das Grundgesetz verpflichtet Deutschland zu einer Politik des Friedens. Es legt nicht fest, welche Wege die Politik zu diesem Ziel einzuschlagen hat. Unbestritten ist, daß historische Verläufe EIN Entscheidungskriterium sein können. Aber dazu darf die Geschichte nicht zur ideologischen Waffe umfunktioniert werden, die der Realität nicht standhält. Und die Realität ist: Die Politik eines Helmut Schmidt (vorher übrigens auch schon eines Willy Brandt), Frieden und Ausgleich anzubieten und dies aber auf einer starken Basis bezüglich eigener Abschreckung und Verteidigungsfähigkeit zu machen, ist das Rezept für Stabilität und Frieden: Rüstungskontrolle und Abrüstung sind nur möglich auf der Basis überzeugender militärischer Verteidigungsfähigkeit. Und analog bedeutet dies auch, daß in der Innenpolitik bestimmte Grenzen nicht überschritten werden dürfen, zB im Gegensatz zwischen Demonstration und Rechtsbruch.
Und dies gilt auch für diesen Blog: Demokratischer Diskurs ist nur möglich auf der Basis starker und überzeugter inhaltlicher Argumente und der durchaus kontroversen Auseinandersetzung darüber – die Befassung mit der Person zeigt Schwäche, inhaltliche Unsicherheit und undemokratische Grundhaltung.
Andreas Schwerdtfeger
Es fehlt eigentlich nur noch Ihr „ceterum censio“: über Leichen gehen …
Ist das nun ein kluger Beitrag zu meinen Argumenten?
Abgesehen davon, dass die Offiziere der Waffen-SS keine Profis wie die der Wehrmacht waren, was Schmidt sicher wusste, zeugt seine Anbiederung an die HIAG immerhin noch 12 Jahre nach Kriegsende wie skrupellos er um Wählerstimmen buhlte.
„Nach Gründung der Bundeswehr wurde Schmidt im März 1958 zum Hauptmann der Reserve befördert. Im Oktober/November 1958 nahm er an einer Wehrübung in der damaligen Iserbrook-Kaserne in Hamburg-Iserbrook teil; noch während der Übung wurde er mit der Begründung, er sei ein Militarist, aus dem Vorstand der SPD-Bundestagsfraktion abgewählt.“ – Wikipedia https://ogy.de/oe6q
Auch die Posse um die zeitweilige Entfernung des Schmidt-Porträts in der Bundeswehr-Universität kommt nicht von ungefähr.
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/helmut-schmidt-in-wehrmachtsuniform-darf-wieder-an-die-wand-a-1152162.html
Schmidts hartnäckiges Eintreten für den NATO-Doppelbeschluss kostete ihn letztlich den Job als Bundeskanzler.
Diese Anmerkungen nur, weil man nach dem oben zitierten Interview annehmen könnte, Schmidt sei noch zum Pazifisten geworden.
Ach, lieber Herr Plätzsch, in den 70er Jahren hätte ich viel Anlass gehabt, wegen Helmut Schmidt aus der SPD auszutreten. Aber das ändert nichts daran, dass ich die Lebensleistung dieses außergewöhnlichen Politikers und Publizisten sehr achte – auch wenn ich nicht alle Positionen teile, die er publiziert hat. Nur: Auch aus dem Gesprächsausschnitt in meinem Blog-Beitrag kann nur schwerlich schließen, dass Helmut Schmidt Pazifist ist. Wer das vermutet, der hat entweder von Schmidt keine Ahnung oder ist mit einer Pazifismusphobie infiziert. Beste Grüße, Christian Wolff
Helmut Schmidt sprach auch anders:
Im Jahr 1957 erklärte Helmut Schmidt auf einer Großveranstaltung der »Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Waffen SS« (HIAG), die circa 20.000 Mitglieder hatte, er »habe selbst den Krieg im Osten als Oberleutnant in einer Heeresdivision mitgemacht«, und er müsse »Ihnen, meinen Kameraden von der Waffen-SS«, ja nun nicht erklären, »wenn wir damals in Russland wussten, rechts oder links von uns, oder vor uns, liegt eine Division der Waffen-SS, dann konnten wir ruhig schlafen.« Von einem empörten Sozialdemokraten mit dieser fürchterlichen Aussage konfrontiert, notierte Helmut Schmidt 1965: »Nach wie vor meine Meinung«.
https://www.juedische-allgemeine.de/politik/knacks-im-vertrauen-zum-fuehrer/
Und was soll uns das sagen?