Nach zwei Jahren eine gute Nachricht: Der Pegida-Ableger „Legida“ wird vorerst montags nicht mehr aufmarschieren (http://www.lvz.de/Specials/Themenspecials/Legida-und-Proteste/Legida/Liveticker-Legida-in-Leipzig-am-9.1.2017) . Damit können die Demonstrationen und Kundgebungen des Bündnisses „Willkommen in Leipzig – eine weltoffene Stadt der Vielfalt“, von „Leipzig nimmt Platz“, von „NoLegida“ und anderen Gruppen in den vergangenen zwei Jahren einen hoffentlich nachhaltigen Erfolg vorweisen. Denn unser Ziel war nicht nur, der unerträglichen Hetze und dem widerlichen Hass, dem offen propagierten Rassismus und der Demokratiefeindlichkeit direkt entgegenzutreten. Wir wollten auch in der Stadtgesellschaft dafür werben, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger aktiv, friedlich und ohne Gewalt für ein freiheitliches und demokratisches Zusammenleben, für eine menschenwürdige Aufnahme von Flüchtlingen, für Integration auf Augenhöhe, für gelebte Vielfalt einsetzen. Denn die Grundwerte unserer Verfassung sind keine Selbstläufer. Sie müssen täglich gelebt, eingesetzt, verwirklicht werden – insbesondere dann, wenn sie durch Fremdenhass und Terror bedroht sind. Darum ist es besonders erfreulich, dass nach den schrecklichen Terroranschlägen in Paris, in Brüssel, in Berlin die Beteiligung an unseren Demonstrationen besonders gut war. Denn immer mehr Menschen spüren, dass fundamentalistisch verankerte Terror-Verbrechen die gleichen Ziele verfolgen wie der sog. Rechtspopulismus: die Demokratie, das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion, den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft zu zerstören.
Die gestrige eindrucksvolle Demonstration und Kundgebung mit fast 3.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern haben auch gezeigt, wie wichtig und notwendig es war, dass wir in den vergangenen zwei Jahren Legida sich nicht selbst überlassen haben, sondern direkt entgegen getreten sind. Ohne diese deutlichen Zeichen wäre die Entwicklung anders verlaufen. In Dresden, aber nicht nur dort, kann jeder sehen, was geschieht, wenn über Jahrzehnte rechtsradikale Umtriebe ohne Widerspruch aus dem Bürgertum bleiben und wenn die unterschiedlichen Gruppen einer Stadtgesellschaft nicht in der Lage sind, sich bei aller sonstigen Unterschiedlichkeit für wichtige Demokratieziele zusammenzuschließen. Auf diesem Hintergrund ist das Verhalten der CDU Leipzig besonders peinlich, ja jämmerlich (http://wolff-christian.de/cdu-leipzig-im-abseits/) . Sie hat sich – von einigen Mitgliedern abgesehen – in den vergangenen zwei Jahren aus allem herausgehalten und sich dem Diskurs entzogen. Sie hat nicht etwa eine politische Gegenposition zu Legida und AfD entwickelt. Vielmehr ist sie in zahlreichen Erklärungen den Bürgerinnen und Bürgern Leipzigs in den Rücken gefallen, die sich unerschrocken und unermüdlich Legida in den Weg gestellt haben, und hat versucht, deren demokratische Wachheit zu diskreditieren. Das allerdings ist kläglich gescheitert.
Auch wenn Legida zunächst montags nicht mehr aufmarschiert – wir sollten uns keinen selbstzufriedenen Täuschungen hingeben. Denn das gefährlich-verquere Gedankengut von Pegida/Legida hat inzwischen eine Partei zum Programm erhoben: die AfD. In den kommenden Monaten wird es darauf ankommen, das Wähler/innen-Potential der AfD drastisch zu senken. Das kann nicht dadurch gelingen, dass man sich auf den programmatischen Grundlagen der AfD bewegt – die sind nationalistisch, fremdenfeindlich, antipluralistisch, demokratiefeindlich, unsozial. Das wird nur Erfolg haben, wenn wir die AfD sozial austrocknen, d.h. die Menschen, die sich – aus welchen Gründen auch immer – benachteiligt sehen oder ungerecht behandelt fühlen, davon überzeugen, dass ihre Anliegen von rechtspopulistischen Parteien nur benutzt, aber nicht ernsthaft aufgegriffen werden. Wir sollten sie auch davon überzeugen, dass soziale Probleme nicht auf dem Rücken des noch Schwächeren gelöst werden können, sondern nur unter den Bedingungen der Demokratie. Dafür ist das Motto des gestrigen Tages ein guter Wegweiser: „2017: demokratisch.gerecht.vielfältig – Gesellschaft gestalten, statt Ängste verbreiten“. Auch ohne Legida bleibt genug zu tun.
3 Antworten
Das Triumphgeschrei erscheint dem nüchternen Beobachter eher unangebracht. Legida demonstriert also nicht mehr – toll! Ist damit deren politische Sichtweise der Dinge weg? Sind damit die Besorgnisse dieser Menschen aus der Welt? Ist damit die Überheblichkeit derjenigen beseitigt, die diese Besorgnisse nicht anerkennen und solche Menschen schlicht als „Rechtspopulisten“ abtun – was für ein praktischer Begriff, um alle ins Abseits zu stellen, deren politische Meinung man argumentativ zu bekämpfen sich nicht zutraut? Ist damit die „Bewegung“ am Ende, deren Vertreter in bisher 10 Landesparlamenten sitzen und in diesem Jahr wohl auch drei weitere und das Bundesparlament besetzen werden? Alles nein!
Das ist ja das Problem dieser sinnlosen Demonstriererei – sie gaukelt uns vor, sie hätte eine Lösung gebracht und man müsse jetzt nur „wachsam“ bleiben. Das will uns Herr Wolff doch wohl sagen. In Wirklichkeit aber haben er und seine Unterstützer zwar vielleicht erreicht, daß sie die Straße (vorübergehend?) jetzt wieder für sich allein haben – schön für Leipzig, ich gestehe es zu –, aber das politische Phänomen bleibt bestehen und kann auch nur politisch, d.h. durch Gespräch, durch Überzeugung, durch gegenseitiges Anerkennen auch dessen, was man selbst anders sieht, durch Nüchtern- anstelle von Aufgeregtheit, etc, gelöst und beigelegt werden. Und hier zeigen sich dann die Defizite von Herrn Wolff, der vieles kann, aber nicht im demokratischen Diskurs bestehen, weil ihm dazu die Bereitschaft fehlt, mit einer gewissen Demut auch auf andere zu hören – zuzuhören eben.
Ob er nun „sozialdemokratischer Chefideologe“ ist oder nicht – daß Herr Wolff dem eigenen Ruhm häufig mehr dienen will als der Sache und seinem inhaltlichen Anliegen – siehe auch seinen „offenen Brief“ an den Landesbischof –, das kann eigentlich keinem objektiven Betrachter entgehen. „Wachsam bleiben“ wird als Motto ausgegeben – ich übersetze das mal: wenn die wieder kommen, demonstrieren wir wieder und beschimpfen sie auch wieder als „Populisten“ und „braunen Sumpf“. Aber mit ihnen reden, sie ernst nehmen, den Ausgleich suchen – dies alles tun wir nicht: Demokratie pur!
Andreas Schwerdtfeger
Sie setzen Legida und deren Anhänger mit der AfD gleich – interessant!
Ich fand die heutige Analyse in der LVZ des Politikwissenschaftlers Hendrik Träger bemerkenswert. Er hält die Gegenproteste mit zahlenmäßiger Überlegenheit der Teilnehmer für ursächlich dafür, dass Legida aufgibt. Propagandistisch und sachlich falsch dagegen die in gleicher LVZ-Ausgabe veröffentlichte Stellungnahme des Leipziger CDU-Fraktionsgeschäftsführers Ansbert Maciejewski, wonach die Gegendemonstranten „die Öffentlichkeitsarbeit“ von Legida übernommen habe und Sie, Herr Wolff, „als sozialdemokratischer Chefideologe der Bekämpfung der CDU Leipzig in den letzten Tagen ein größeres Augenmerk gewidmet hat als der Bekämpfung von Legida.“