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Leben in Coronazeiten: zu viel Mehltau, zu wenig Aufbruch

Jeden Morgen dasselbe: die neuesten Zahlen des Robert-Koch-Institutes (RKI) in den Nachrichten und auf den ersten Seiten der Zeitungen. Jeden Morgen eine Zahlenbotschaft – heute: 1.500 Menschen haben sich neu infiziert, insgesamt 238.000 Menschen; über 9.300 Menschen sind an oder mit Covid 19 gestorben, ca. 211.000 Menschen sind genesen. Dann folgen die Überlegungen derer, die Regierungsverantwortung tragen: Masken tragen auch am Arbeitsplatz, keine Karnevalsveranstaltungen ab dem 11.11.2020, um jeden Preis einen erneuten Shutdown verhindern. Was diese täglichen Ansagen mit der immer selben warnenden Botschaft, es könnte alles noch schlimmer werden, auslöst, ist wenig verwunderlich: Lethargie auf der einen, Verdrängung auf der anderen Seite. Bis jetzt hat es noch keine politische Kraft vermocht, aus dem Alarmmodus in einen die Bürgerinnen und Bürger aktivierenden, zum gesellschaftlichen Wandel ermutigenden Modus umzuschalten. Das aber ist überfällig. Denn wir werden nicht mehr lange den Zahlenalarmismus durchhalten. Er legt sich wie Mehltau auf die Seele zu vieler Menschen und verstellt den klaren Blick auf die Wirklichkeit.

Deswegen ist es höchste Zeit, dass vor allem die Parteien neue gesellschaftliche Zielvorstellungen ihrer Politik entwickeln, die den Erfordernissen des Klimawandels, des sozialen Zusammenhalts in der Gesellschaft, der europäischen Einigung und der freiheitlichen Demokratie gerecht werden. Es gilt, neue Ideen freizusetzen, um auf der einen Seite die soziale Abschottungsmentalität zu überwinden und ein hohles, rechtsgewirktes Freiheitspathos der Verschwörungsideologen auf der anderen Seite erst gar nicht aufkommen zu lassen. Das wird aber nur gelingen, wenn erstrebenswerte Veränderungen im gesellschaftlichen Leben als Vision angeboten werden. Es ist hilfreich, sich kurz an den Sommer 2015 zu erinnern. Da kippte die Stimmungslage gegenüber den Geflüchteten und der Politik der damaligen Bundesregierung, als diejenigen in den Medien und in den Parteien die Oberhand gewonnen hatten, die Geflüchtete nur als Bedrohung und Gefahr angesehen haben, als plötzlich die Rede von den „geöffneten Grenzen“ die Runde machte und Fluchtursachen im gesellschaftlichen Diskurs keine Rolle mehr spielten. Das geschah in einem Moment, in dem ein erheblicher Teil der Bevölkerung die gesellschaftspolitische, auch moralische Herausforderung als eine neue, wichtige, lohnende Aufgabe begriffen und angenommen hatte. Das mediale und politische Trommelfeuer führte dann dazu, dass das Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger für Geflüchtete in der öffentlichen Debatte systematisch zerredet wurde. Mir ist sehr wohl bewusst, dass dieser Blick auf die sog. Flüchtlingskrise von vielen nicht geteilt wird. Aber ich möchte den Publizisten Georg Diez zitieren, der in seinem Buch „Das andere Land. Wie unsere Demokratie beschädigt wurde und was wir tun können sie zu reparieren“ (München 2018) im Rückblick auf den Sommer 2015 schreibt:

Darum war das, was im Sommer 2015 geschah, die Grenzen, die offen blieben für die, die nach Deutschland wollten, kein Staatsversagen, wie so oft beschworen – es war vielmehr ein Staatsgelingen, es war Demokratie ohne Anleitung, es war ein Bürgertriumph, weil die Menschen von selbst das Richtige taten, ohne zu warten, was gewünscht oder gefordert war, es war etwas, das in der deutschen Geschichte, die so obrigkeitsstaatlich von Abwarten und Argwohn und Angst geprägt ist, eher rar ist.

So kann man die Ereignisse von vor fünf Jahren auch werten: als Staatsgelingen und Bürgertriumph. Das sollte uns ermutigen, einen tiefen gesellschaftlichen Einschnitt wie die Coronakrise als Aufruf zum Umdenken zu verstehen, Menschen positiv an der Verwirklichung von Visionen zu beteiligen und sie zu aktivieren, das Richtige tun. Die Bereitschaft dazu ist vorhanden. Wir sollten sie nur nicht wie 2015 zerreden, um sie zu zerstören. Zu dem Richtigen gehört an erster Stelle und vor allem der Klimaschutz. Er muss viel entschlossener angegangen werden, als es derzeit in Aussicht gestellt wird. Denn es geht beim Klimaschutz nicht darum, das gesellschaftliche Leben mit Verboten zu überziehen, sondern neue Lebensaussichten und damit Freiheit zu gewinnen. Nach drei Dürresommern dürfte auch dem Letzten dämmern, dass der dramatische Klimawandel das Leben auf dieser Erde in ganz anderer Weise bedroht, als es das Coronavirus derzeit vermag – einmal ganz abgesehen davon, dass die Entwicklung von gefährlichen Pandemien durch die Erderwärmung gefördert wird. Darum kommt es jetzt darauf an, dass alles, was dem Klimaschutz dient, auch politisch umgesetzt wird – und zwar so, dass die Bürgerinnen und Bürger die Maßnahmen als ein Mehr an sozialer und ökologischer Lebensqualität in einer offenen, demokratischen Gesellschaft erfahren. Klimaschutz ist kein Programm gegen wirtschaftliches Wachstum und Arbeitsplätze, sondern für den Erhalt umfassender Lebensmöglichkeiten auf diesem Erdball. Man kann nur hoffen, dass mit Beginn des neuen Schuljahres die „FridaysForFuture“-Bewegung neue Fahrt aufnimmt und den politischen Entscheidungsprozess befördert: Ausstieg aus der Braunkohleverstromung sehr viel früher als 2038, neue Investitionen in die Nutzung der Wind- und Sonnenenergie, Umbau der Landwirtschaft einschließlich Abschied von der Massentierhaltung, gesunde Ernährung, Mobilität ohne fossile Brennstoffe. Am Anfang aller Überlegungen, den wirtschaftlichen Stillstand zu überwinden, müssten die genannten Punkte zum Maßstab und Leitfaden für alle zu treffenden Maßnahmen werden. Wer hier zögert, sägt nicht nur an dem Ast, auf dem er sitzt – er öffnet auch dem nächsten Virus Tür und Tor. Darum gilt auch in Sachen Klimaschutz: nicht warten, bis die nächsten Zahlen über Naturkatastrophen jedes Engagement erdrücken. Jetzt anfangen, zum Staatsgelingen und Bürgertriumph aktiv einen Beitrag leisten.

11 Antworten

  1. Die Einschätzung von “zu viel Mehltau“ teile ich nicht. Auch die Formulierung „zu wenig Aufbruch“ spiegelt meines Erachtens die Problemlage nur ungenau wider. Lethargie und Angst wegen Corona kann ich in meinem Bekannten- und Freundeskreis kaum feststellen. Es gibt dafür auch keinen Grund. Der Anteil täglich positiv Corona-Getesteten liegt unter einem Prozent und steigt z. Z nur langsam. Die Gefahr einer Überlastung des Gesundheitswesens ist im Vergleich zu März/April marginal. Die Sterblichkeitsrate für 20- bis 50-Jährige (macht einen Großteil der Neuinfektionen aus) liegt zwischen 0,0002% und 0,0035%, bei den 60- bis 69-Jährigen ohne Vorerkrankung zwischen 0,044% und 0,11% und lediglich bei Männern über 80 mit Vorerkrankungen liegt der Wert bei kritischen 20,1% (https://www.nachdenkseiten.de/?p=63898). Diese niedrigen Werte sind sicherlich ein positiver Effekt der vergleichsweise moderaten staatlich verordneten Schutzmaßnahmen. Von Zahlenalarmismus kann wohl kaum die Rede sein, wenn man sich nicht zu sehr von bestimmten Medien beeinflussen lässt.

    Ganz sicher wird die Welt nach Corona nur unwesentlich anders aussehen als zuvor. Und wieso sollte es neuer gesellschaftlicher Zielvorstellungen bedürfen? An den bestehenden Konfliktlinien hat sich nichts geändert. Die bestehenden Konflikte haben sich durch Corona eher verschärft. So sind sich formal alle relevanten gesellschaftlichen Kräfte in Deutschland und auch Europa einig, dass bis 2050 die Netto-CO2-Emission auf null zu reduzieren ist. Praktische Schritte dahin werden aber von interessierten Gruppen torpediert. Mit dem Klima-Manifest2020 (https://konservativer-aufbruch.bayern/klima-manifest-2020/) versucht die Werteunion in der CDU, Zweifel am Klimawandel zu säen. Die Unternehmer-Lobbyorganisation „Initiative neue soziale Marktwirtschaft“ bekämpft seit Jahren erbittert die Energiewende (https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/klimawandel-die-deutsche-industrie-ist-verzweifelt-a-a1eb1070-4914-4a0f-8aff-ac38b3db31fc). Von Hans-Werner Sinn und anderen wird die Sinnfälligkeit beschlossener Klimaschutzmaßnahmen angezweifelt. Natürlich ist zu diskutieren, inwieweit dem Elektroantrieb die Zukunft gehört und in welchen Bereichen des Verkehrswesens Wasserstoffantrieb günstiger ist. Auch muss die Abwägung CO2-Steuer oder –Zertifikate Gegenstand von Sachdiskussionen sein (ist es seit langem auch). Die Vermutung liegt aber nahe, dass manche Debatten als Klimaschutzbremse herhalten.

    Es bedarf auch keiner überirdischen Fähigkeiten, die soziale Spaltung unserer Gesellschaft als wesentliches Problem zu erkennen, auch wenn diese Einsicht von rechten konservativen Kräften bekämpft wird. In zwei neueren, fundamentalen Arbeiten (Th. Piketty, Kapital und Ideologie; Ch. Butterwegge, Die zerrissene Republik) ist dazu so immens viel Material zusammengetragen, dass auch dem letzten, ideologisch verbohrten Zeitgenossen eigentlich keine Gegenargumente mehr einfallen sollten. Was wir aber aktuell erleben, sind verschärfte Angriffe auf die Sozialsysteme. So kursiert seit kurzem der Vorschlag, eine Sozialabgabenbremse in die Verfassung aufzunehmen (https://www.zeit.de/news/2019-10/01/altmaier-will-sozialabgaben-bei-40-prozent-deckeln). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die ökonomischen Folgeschäden der Corona-Krise besonders die Sozialschwachen treffen werden.

    Die gewaltigen finanziellen Belastungen unserer Volkswirtschaft durch die ökonomischen Hilfsmaßnahmen der letzten Monate dienen häufig als Begründung für ein langsameres Vorgehen beim Klimaschutz und für die weitere Einschränkung der Sozialsysteme. Deshalb scheint mir eher die Verhinderung eines „Roll backs“ die adäquate Forderung der Stunde zu sein als der Appell für einen Aufbruch ins Nebulöse. Und wenn Michael Käfer fragt, was uns abhält, ein den sozialen Verhältnissen angemessenes Steuersystem zu etablieren und ökologisch reale Preise durchzusetzen, muss man wahrscheinlich sagen, es ist das gegenwärtige politische Kräfteverhältnis, was dieses verhindert. Versuchen wir es zu verändern.

  2. Zum Thema: „Leben in Coronazeiten: zu viel Mehltau, zu wenig Aufbruch“ (Chr. Wolff) und zu beiden Kommentaren von A. Schwerdtfeger und Chr. Wolff vielleicht doch noch eine Ergänzung bzw. ein Verweis auf aktuelle DIE ZEIT (27.08.; Nr.: 36):
    „Was soll das heißen, Ein kritisches Corona-Klossar“ + „Irgendwie offen bleiben“ offenbart genau das, was Chr. Wolff beschreibt und Herr Schwerdtfeger sehr positiv bestätigt; danke für beides!
    Die Demonstrationswucht der Unwilligen sehe ich als höchst kritisch und befürchte Auseinandersetzungen, die die gegenwärtigen Unsicherheiten verstärken und vor allem noch mehr Chaos anrichten als Klärung.
    Die Demonstranten bestätigen, wie gern sie alles am liebsten so weiter haben wollen wie vor Covid-19; die Hoffnung auf Veränderungen im weitesten Sinne der bekannten Probleme (Klima…) werden damit geschmälert. Warum nur diese Destruktion und das unbedenkliche Mitläufertum ?
    Trotzdem ein gutes, waches Wochenende; Jo.Flade

  3. Ergänzen möchte ich diesen sehr lesens- und bedenkenswerten Beitrag von Christian Wolff lediglich dahingehend, dass neben den Parteien z.B. auch Kirchen und Gewerkschaften in der Verantwortung stehen (sollten), den „Mehltau“ zu überwinden und neue Konzepte zu denken und zu formulieren.
    Dem (menschengemachten) Klimawandel schnell und wirksam zu begegnen, ist vermutlich unsere „Jahrhundertaufgabe“ – ungleich schwieriger zu lösen als die Bekämpfung der Covid19-Pandemie.
    Mir scheint, derzeit haben Lobby-Interessen den stärksten Einfluss auf politische Zielsetzungen und behindern diese Aufgabe eher; gesamtgesellschaftliche und geopolitische „Visionen“ (nein, die sind kein Fall für den Arzt!) fehlen ebenso, wie Personen, die diese repräsentieren (können).
    Aus meiner Sicht hat eine christlich geprägte Ethik (Nächstenliebe, Toleranz) die besten Voraussetzungen, uns hier auf einen anderen, besseren Weg zu bringen.
    Tatsächlich herrschen jedoch vielfach Intoleranz bis hin zu Hass vor (speziell in und durch die sog. sozialen Netzwerke); es steht uns vermutlich ein schlimmes Wochenende in Berlin und womöglich weiteren Städten bevor.
    Polizisten und andere Ordnungskräfte, die zumindest in Deutschland einen sehr guten Job erledigen und (in den allermeisten Fällen) deeskalieren, werden als „Bastards“ oder „Bullenschweine“ beschimpft; das ist widerlich. Und auch in diesem Blog stehen mitunter persönliche Angriffe, Diffamierungen und Eigenlob vor konstruktiver Kritik und konzeptionellen Vorschlägen. Der Präsident einer lange führenden Weltmacht schürt zunehmend Spaltung, Rassismus und wirtschaftlichen Nationalismus.

    Was hält uns davon ab, durch „ehrliche“ Kostenrechnung (und damit verbunden Preisbildung) den Ausstieg aus fossiler und atomarer Energieerzeugung mit marktwirtschaftlichen Mitteln deutlich zu beschleunigen?
    Was hält uns davon ab, durch „gerechte“ Besteuerung von Einkommen, Vermögen und Umsätzen, der zunehmenden Schere zwischen „Arm“ und „Reich“ entgegen zu wirken?
    Was hält jeden einzelnen von uns davon ab, statt andauernder (digitaler) Kommunikation, wieder mehr (analoge) persönliche Gespräche mit dem „Nächsten“ zu führen?
    Was hält uns davon ab, Mobilität, Wohnsituation oder Kleidung weniger mit Status-Denken und wieder mehr nach dem Gebrauchswert zu betrachten?

    Die wirtschaftliche Situation in Deutschland und Europa und die Zäsur infolge der aktuellen Pandemie lassen ein Innehalten, Nachdenken und Neu-Bewerten der weiteren Entwicklung unserer Gesellschaft als dringend geboten erscheinen.

  4. Ich finde, wir Christinnen und Christen (z. B. in den beiden „noch großen“ Kirchen) hätten derart viele Motti aus der „Schrift“, aber auch aus der „Tradition“, aus und mit denen wir Visionen gegen den Mehltau entwickeln könnten. Inspiriert durch den Spiritus Sanctus. „Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde“ ins Gemeindeleben reflektieren und praktizieren. Da werden im Rheinland die ersten Martinszüge abgesagt und alle jammern. Ich denke, Laternen basteln und am Martinstag um 19.00 Uhr aus den Fenstern und Türen der Häuser halten/hängen, Fenster und Türen aufreißen und die Martinslieder singen. Gerne auch die Kirchenglocken läuten lassen. Aber solange wir uns bei „Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist und Gott was Gottes ist“ nur – nicht selten unprotestantisch-devot – an der Erfüllung der Gebote des Kaisers abarbeiten, und den lieben Gott mit seinem Geist vernachlässigen, dann wird der Mehltau sich verfestigen. Solange uns unbewußt immer mit „Wann wird es wieder normal?“ (was ist schon „normal“?) bzw. „Wir wollen wieder Normalität!“ der „alte Himmel und die alte Erde“ als erstrebenswert verkündet wird, solange sind wir Kirche in der Welt wie die Welt! Welch ein Motivationsschub zum „Vertraut den neuen Wegen“ steckt für mich in Bonhoeffers schlichtem Bekenntnis „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.
    Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen.“ Das ist ein Bekenntnis und Ansporn wie für die Pandemie gesprochen. Aber ich höre überwiegend „Gejammer und Depression“ aus den Gemeinden darüber, was alles nicht mehr geht. Auch die Kirchenleitungen praktizieren in meiner Wahrnehmung kaum Ermunterung und visionären Eifer. Jes 35 könnte hilfreich und Vorbild sein. Welch gesellschaftliche Visionen für die von von Vielen als Wüstenwanderung erlebte Pandemie mit ihren wirtschaftlichen und sozialen Folgen könnte die Orientierung und konzeptionelle Ausrichtung an „Ein jeder sammle, soviel er zum Essen braucht, einen Krug voll für jeden nach der Zahl der Leute in seinem Zelte“ (Ex 2) generieren? Ich jedoch erlebe vielmehr die Sehnsucht nach den „Fleischtöpfen Ägyptens“, sprich der „Normalität“. Dabei könnte es bei allem, was notwendig wird und lebendig hält hilfreich sein, den Choral „In allen meinen Taten lass ich den Höchsten raten“ im Hinterkopf zu haben.. Nicht in „Idyllen-Spiritualität samt elitärer Introvertiertheit“, sondern in dem ich das Wort der Schrift ernst nehme, mit Hilfe des heiligen Geistes und Mitchristinnen und -christen und Interessierten neue Normalitäten für die Erde erdenke und ausprobiere. Der ewige Himmel wird sie segnen oder segnend korrigieren. 🙂 Buße, sprich Richtungsänderung, ist angesagt. Mein Konfirmationsspruch Jes 40, 31 „Die auf den Herren Harren kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht müde werden, dass sie wandeln und nicht matt werden!“ hat mir immer wieder – auf meine reale Existenz durchgekaut und bezogen, zum Weitermachen geholfen und mich Frustrationstoleranz entwickeln lassen :-). Für mich ist „auf den Herren harren“ die z. B. auch materialistische Auslegung biblischer Texte. Was würde wohl mit materialistischer Brille „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ gelesen für Arbeitgeber*innen bei Tarifverhandlungen konkret bedeuten ;-)?. Ich glaube, Gottes Wort gibt sehr viel her für den Alltag – für neuen Alltag – nicht nur für idyllische Sonntagsreden. Nur Mut. Unsere Gemeinden können Labore veränderte Himmel und Erden sein, wenn wir beim „Dem-Kaiser-Geben“ unsere Priorität „Gottes Wort“ nicht auf dem Blick verlieren.
    Norbert Sinofzik, Rheinsadt Uerdingen

  5. Lieber Herr Wolff,
    Ihre Überschrift finde ich gut und richtig ist sie wohl auch: Wir kommen in der C-Frage nicht so wirklich weiter, wenn auch viele in der Welt uns gleichzeitig beneiden angesichts unseres nach wie vor zahlenmäßig geringen Krankheitsstandes. Wir sind in der Tat mit der Gegenwart beschäftigt. Aber es liegt natürlich auch daran, daß es mit diesem Problem kaum Erfahrungen gibt, kaum Präzedenzfälle (HIV? Ebola?), daß es scheinbar auch wirklich keine ausreichende Basis an Erkenntnissen gibt, um wirklich zukunftsorientiert zu entscheiden. Man muß die ungewöhnliche Dimension dieser disziplinübergreifenden Pandemie in medizinischer und politisch-wirtschaftlicher Hinsicht anerkennen und versteht dann vielleicht besser, daß die Gesellschaft und die Politiker vielleicht auch manchmal im Zickzackkurs reagieren.
    Ihr Hinweis auf das Diez-Zitat ist gut und richtig – es war damals ohne Zweifel ein Höhepunkt von Bürgerengagement und Bürgerverständnis, auf den wohl jeder stolz war und deshalb mitgemacht hat. Aber man darf bei dieser wie auch bei allen anderen Fragen nicht vergessen, daß spotanes Mitmachen und Helfen der Bürger im Augenblick der Krise nicht die langfristige politische Lösung ersetzt. Es ist vielmehr – wie in internationalen Gewaltexzessen à la Syrien auch in Bezug auf den Einsatz von Streitkräften – nur ein Mittel der Zeitgewinnung, bis das Problem politisch in den Griff kommt. Insofern hat Diez, haben Sie jetzt eben nur den ersten Teil des „Staatsgelingens“ beschrieben – der zweite und kompliziertere Teil wird dadurch nicht ersetzt, nicht in seiner Notwendigkeit gemindert, nicht in seiner politischen Umstrittenheit zwischen unterschiedlichen Lösungsansätzen gemildert. Es ist ja dies die Schwierigkeit, der sich unsere Politiker / Parlamente und auch die Gesellschaft gegenübersehen, daß man durch spontanes Engagement Spitzen abbauen kann aber eben nicht das Problem grundsätzlich löst – hier sind demokratisch herbeigeführte, konsensuale (das bedeutet Kompromiß!) politisch-gesetzliche Regelungen erforderlich, die im nationalen und zunehmend internationalen Rahmen erarbeitet werden müssen. Diez ist also ermutigend – aber keine Lösung!
    Und was Ihre Verknüpfung von Corona und Umwelt angeht, die ich für legitim halte, so bleibt eben doch die immer wiederkehrende Frage, daß eine gute Absicht und ein richtiges Ziel auch durch „Machbarkeit“ abgesichert werden müssen. Noch vor kurzem schrieben viele, nach Corona werde nichts mehr so sein wie vorher. Jetzt schauen alle auf das wieder erhoffte Wachstum, um unsere Wirtschaft und damit unser Leben wieder in Schwung zu bringen. Kein großer Unterschied zwischen vor- und nachher, will mir scheinen. Und Ihre Vorschläge – ich kritisiere sie nicht, denn ich habe keine besseren – kratzen eben nur an der Peripherie. Wenn „Klimaschutz … kein Programm gegen wirtschaftliches Wachstum und Arbeitsplätze“ sein soll, dann brauchen wir keine Demonstrationen sondern kluge Köpfe, die innovativ neue Wege entwickeln. Bei FfF könnte es teilweise das Potential dazu geben – man muß es aber in die richtigen Bahnen leiten und die liegen nicht auf der Strasse.
    Wir haben neulich die bizarre Bemerkung eines Mitbloggers lesen dürfen (24.08.20) „ … seine (sprich: meine) Kommentierungen bekunden sein unaufhaltsam starkes Interesse, auf Meinungen Anderer gern eingehen zu müssen“. Der gute Mann (der an anderer Stelle ja auch schreibt, daß einiges „entzieht sich meinem Auffassungsvermögen“ – da stimme ich zu) scheint nicht begriffen zu haben, was Sie immer schreiben: Daß nämlich Ihr Blog dem Austausch von Meinungen dienen soll. Ich wünsche mir sehr, daß er auch „auf Meinungen Anderer gern“ eingehen möchte.
    Und ich wünsche mir, daß wir alle einig sind in der Unterstützung der Polizeikräfte, die morgen in Berlin wieder einen schweren Einsatz zu bestehen haben werden unabhängig von den noch ausstehenden Gerichtsentscheidungen. Berlin morgen droht erneut zu einem schlimmen Beispiel der Zerstörung unserer Demokratie zu werden: Ochlokratie im Tarnmäntelchen der Demokratie – und die Polizei trägt die schwere Pflicht, uns alle vor diesen uneinsichtigen und intoleranten Egoisten und Rechthabern zu schützen, die für sich auch noch fälschlich in Anspruch nehmen zu „denken“.
    Ich grüße Sie und wünsche ein hoffentlich friedliches Wochenende.
    Andreas Schwerdtfeger

    1. Lieber Herr Schwerdtfeger, vielen Dank für Ihren Kommentar. Gestern wäre die Gelegenheit gewesen für Bundeskanzlerin Merkel und die Ministerpräsident/innen neben den Corona-Regeln den Fokus der Bürger/innen auf die jetzt wichtigen Fragen des Klimaschutzes zu lenken und für eine breite politische Debatte zu werben. Stattdessen wieder nur der Alarmmodus. Das ist verheerend – und Wasser auf den Mühlen derer, die ganz anderes im Sinn haben – nämlich zunehmenden Frust und Unzufriedenheit ins rechte Fahrwasser zu leiten. Dem sollen ja auch die Demos am kommenden Wochenende dienen. Sie zu verbieten – und dann auch noch mit der entsprechenden Begleitmusik – ist ziemlich dumm. Stattdessen hätte man die Auflagen so gestalten müssen, dass sie a) den Bestimmungen gerecht werden, b) die Durchführung der Demos erheblich verändert hätten. Nun ist ein ziemliches Chaos entstanden, das dann die Polizei ausbaden muss. Man kann nur hoffen, dass die Gerichte noch eine vernünftige Lösung finden. Auf der politischen Ebene allerdings muss sehr klar sein: Wer an solchen Demos teilnimmt, macht sich selbst zum Teil der rechtsradikalen Szene. Beste Grüße Christian Wolff

      1. Lieber Herr Wolff,
        es ist schön, daß wir auch bezüglich Ihrer Anmerkungen zu meinem Beitrag übereinstimmen.
        Gruß,
        Schwerdtfeger

      2. Sie, sehr geehrter Herr Wolff, bemängeln, dass die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten bei der gestrigen Videoschaltkonferenz nicht den „Fokus der Bürger/innen auf die jetzt wichtigen Fragen des Klimaschutzes“ gelenkt hätten. Auf den Webseiten der Bundesregierung können Sie sich das Protokoll der Konferenz herunterladen – https://www.bundesregierung.de/breg-de
        Um zu einem Ergebnis einer Beratung zu kommen, muss die Tagesordnung strikt eingehalten werden. Für die von von Ihnen zu Recht angemahnten Initiativen war auf dieser Konferenz kein Platz.Vielleicht sagt Frau BK Dr. Merkel auf ihrer heute stattfindenden traditionellen Sommer-PK dazu etwas.

      3. Die Berliner Demos zu verbieten war überhaupt nicht dumm, denn es ist genau das eingetreten, was Innensenator Geisel (SPD) vorausgesagt hat: Die Auflagen betr. Corona wurden nicht eingehalten, die Polizei musste Demos auflösen. Demonstranten gelangten bis zur Tür des Reichstags, da waren noch drei Polizisten.
        Polizeisprecher Thilo Cablitz erklärte dazu: „Wir können nicht immer überall präsent sein, genau diese Lücke wurde genutzt, um hier die Absperrung zu übersteigen, zu durchbrechen, um dann auf die Treppe vor dem Reichstag zu kommen.“

        Außenminister Maas twitterte: „Reichsflaggen vorm Parlament sind beschämend.“.
        Hier trifft der Spruch des ehemaligen BVerfG-Chefs Voßkuhle von den „liberalen Eliten“ auf seine Richterkollegen bis zum OVG Berlin-Brandenburg zu. Ein Trauerspiel!

  6. @ Martin Haspelmath, unter https://dejure.org/corona-pandemie können Sie eine Vielzahl von Gesetzen finden, die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie von deutschen Parlamenten bzw. dem europäischen Parlament geschaffen bzw. geändert wurden.
    Die konkreten Einzelmaßnahmen werden auf dem Verordnungsweg von den Landesregierungen bzw. der Bundesregierung erlassen. Der Föderalismus der Bundesrepublik erfordert darüber hinaus eine enge Zusammenarbeit von Bund und den Ländern wie heute erst wieder durch eine Konferenz der Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin dokumentiert. Ferner wurden eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen von Gerichten aller Ebenen gefällt. Es finden Demonstrationen statt. Ich halte damit die Möglichkeiten der Mitwirkung der Bevölkerung an den Entscheidungsprozessen füt ausreichend gegeben.

  7. Leider verharrt die Gesellschaft in einer Angststarre, und man fragt sich, woher die Befreiung für den Aufbruch kommen sollte. Im Gegensatz zur Bedrohung durch die Erderhitzung scheint die Virus-Bedrohung ganz nahe, und deshalb fahren wir jetzt mehr mit dem Auto und verwenden mehr Plastikverpackungen als zuvor. Überhaupt scheint es so, als gäbe es keine politischen Diskussionen mehr – wir erwarten alle paar Wochen neue Vorgaben („Lockerungen“, oder „Anziehen der Zügel“) von oben, aber in den Parlamenten wird nicht diskutiert, weil das Problem ein rein medizinisches zu sein scheint. Aber es ist auch ein ethisches Problem, und ebenso wie wir ohne Fraktionszwang demokratisch über Fragen wie Organspende oder Ehe für alle diskutieren und abstimmen, sollten auch Verbote oder Begrenzungen von Veranstaltungen, Beschränkungen der Reisefreiheit, Beschränkungen des Rechts auf Schule usw. demokratisch in den Parlamenten diskutiert werden. Dann würde man die Gesellschaft wieder als handlungsfähig erleben, und man würde sich nicht so hilflos den Anweisungen von oben ausgeliefert fühlen. Eine solche Demokratisierung der Bewältigung der größten Krise unseres Zeitalters könnte vielleicht auch andere Kräfte freisetzen.

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