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#FridaysforFuture und der Freitag des Todes

Gegensätzlicher konnte dieser Freitag nicht verlaufen:

  • In Christchurch/Neuseeland ein verheerender Terroranschlag von rechtsradikalen Rassisten auf zwei Moscheen, bei dem während des Freitaggebetes 49 Menschen ermordet und Dutzende zum Teil schwer verletzt wurden. Das menschliche Leid, das die Terroristen angerichtet haben, ist unermesslich.
  • In über 100 Staaten, in Deutschland in über 200 Städten junge Menschen, vor allem Schüler/innen, demonstrierend auf der Straße, die um ihre, um unsere gemeinsame lebenswerte Zukunft kämpfen und von der an den politischen Schalthebeln sitzenden Generation ein sofortiges Ende der kollektiven Verantwortungslosigkeit fordern.

Auf der einen Seite also die schreckliche Botschaft einer Tod bringenden Zerstörungswut, auf der anderen Seite der hoffnungsvolle Schrei nach Zukunft. Spätestens seit dem grauenhaften Geschehen in Christchurch kann jede/r erkennen, was Nationalismus, Waffengewalt, Rassenhass erzeugen: Zukunft wird zerstört, wenn Menschen sich anmaßen, das Lebensrecht anderer willkürlich und gewalttätig zu beschneiden. Wo aber der Mensch sich zum gottähnlichen Rächer aufschwingt, ist kein Platz mehr für Menschlichkeit, Empathie, Vielfalt, Solidarität. Nun kann jeder sehen, wohin das Gerede von der „Umvolkung“, vom „Bevölkerungsaustausch“, von den „Invasoren“ und der „Islamisierung des Abendlandes“, das auch bei uns die Rechtsnationalisten (und leider nicht nur sie) Tag für Tag durch das Netz jagen, führt: zu blasphemisch-hybrider terroristischer Gewalt gegen die, die man dafür meint verantwortlich machen zu müssen, aber vor allem gegen Muslime selbst. Das „Manifest“ des Brenton Tarrant ist in der brutalisierten Pegida-Diktion gehalten: „Der große Austausch“, so die Überschrift. Gehört das nicht so seit Jahren zur Standardpropaganda der Rechtsnationalisten von Pegida/AfD? Wir sollten uns keinen Illusionen hingeben: Am Ende des Rechtsnationalismus steht fast zwangsläufig der Terror gegen alle, die dem Rassismus nicht folgen wollen. Das allerdings ist keine neue Erkenntnis. Das ist die bittere Lehre aus dem real existierenden Faschismus im 20. Jahrhundert in Mitteleuropa, vor allem in Deutschland. Der Furor des Nationalismus endet im Kugelhagel der Terroristen.

Darum ist es so wichtig, dass wir entschlossen, klar und ohne jeden falschen Kompromiss allen entgegentreten, die die Mär von der „Umvolkung“ verbreiten, die den Islam als Religion verteufeln, die allein auf nationale Identität setzen, sich darin verirren und sich bei uns ausschließlich in Deutschtümelei ergehen, wenn es um die Grundwerte des Zusammenlebens geht. Das ist das Meta-Programm von Pegida/AfD. Björn Höcke hat es schon zu Papier gebracht. Das Massaker von Christchurch ist ein Fanal. Die ideologischen Rückbindungen der mutmaßlichen Täter zeigen an: die gewalttätige, rechtsradikale Szene hat sich international längst vernetzt. Am anderen Ende der Welt wird die Ermordung von Angela Merkel gefordert, und der Terrorist Anders Behring Breivik wird als Held und Vorbild gefeiert.

Heute dazu und zeitversetzt der absolute Kontrast: Zehntausende junger Menschen, vor allem Schülerinnen und Schüler, klagen ihre Zukunft ein – allein in Leipzig über 2.000. Sie setzen nicht auf Zerstörung, sondern auf Bewahrung der Schöpfung. Sie lassen sich nicht national verblenden, sondern sehen den Klimaschutz als globale Aufgabe. Sie gehen nicht den bequemen Weg folgenloser Gespräche in gepflegter Atmosphäre, sondern zeigen den Leugnern des Klimawandels die rote Karte. Sie mischen mit ihrem Schulstreik das politische Alltagsgeschäft auf und wenden damit die Strategie an, die am Anfang jeder Reformbewegung stehen (muss): die begrenzte Regelverletzung ohne jede Gewalt. Sie provozieren damit eine Güterabwägung zwischen preußischer Gesetzestreue und Leben erhaltender Aktion. Früher sagte man: Deutschland hat deswegen keine erfolgreiche Revolution zustande gebracht, weil der Deutsche keinen Bahnsteig betritt, ohne die Bahnsteigkarte zu lösen. Jedoch: Ohne den Schulstreik, keine Aufmerksamkeit, keine Bewegung. Die Schüler/innen haben es geschafft, die Klimapolitik zum zentralen Thema werden zu lassen. Sie halten uns den Spiegel vor. Auf einem Plakat war zu lesen: „Würde das Klima ‚Banken‘ heißen, wäre es schon längst gerettet.“ Die Schüler/innen wehren sich gegen die politische Verlangsamung der notwendigen Interventionen. Sie fordern jetzt Entscheidungen – insbesondere den Kohleausstieg und das Ende der Braunkohleförderung. Die Botschaft des erzwungenen Unterrichtsausfall ist deutlich: Was nutzt uns Bildung, wenn sie heute von den schon Ausgebildeten nicht angewendet und damit unsere Zukunft verbaut wird? Sie lenken den Blick weg von den Standardentschuldigungen wie den Arbeitsplätzen, die erhalten werden müssen, hin zu dem, was für die Zukunft verheißt: Ausstieg der Kohleverstromung und -förderung, Ausbau der erneuerbaren Energiegewinnung, Entwicklung des ländlichen Raums unter Einschluss autonomer Energieversorgung,  Mobilität auf ÖVNP- und E-Basis.

An diesem Freitag ist deutlich geworden, worum es bei den Wahlentscheidungen in diesem Jahr geht: Zukunftszerstörung durch nationalistische Abschottung, durch Leugnung des Klimawandels und Kampf gegen kulturelle Vielfalt und demokratische Freiheiten; oder Zukunftsgestaltung durch demokratische Prozesse im gesellschaftspolitischen Diskurs, um so den politischen Entscheidungsträger Druck zu machen und sie zu verantwortlichem Handeln zu drängen. Jeder ist aufgerufen, sich nicht nur an den Wahlen zu beteiligen, sondern schon jetzt und durchaus bewusst Grenzen überschreitend an der Erneuerung politisch-demokratischer Prozesse zu beteiligen. Dass dabei jeder Einzelne aufgerufen ist, seinen persönlichen Beitrag zum Klimaschutz beizutragen und dass wir uns dabei oft genug in eigenen Widersprüchen verheddern, ist kein Grund zur Häme, sondern allenfalls Schutz vor Überheblichkeit und Ansporn, nicht nachzulassen. Jedenfalls pochen die Schüler/innen zu recht darauf, dass jetzt die Zeit für Entscheidungen ist.

6 Antworten

  1. Es ist schön, daß Herr (oder Frau) Dresel uns ein wenig aus der SZ vorliest – eine eigene Meinung scheint er/sie nicht zu haben (auch das vielleicht entlarvend). Und es ist bemerkenswert, wie der Appell, bei aller Polemik die inhaltlichen Positionen des Gegenübers auch dann ernst zu nehmen und sich damit auseinanderzusetzen, wenn man sie nicht teilt, jedesmal zu persönlichen Ausfällen führt. Wenn ein solcher Appell „bizarr“ ist, dann zeigt das, daß der Schreiber nicht begreift, wie dicht er an dem von ihm so selbstgerecht kritisierten Trump ist. Trump zeigt uns, wie sehr Intoleranz und überheblicher Dogmatismus die Demokratie schädigen – Dresel auch!
    Ich grüße Sie,
    Andreas Schwerdtfeger

  2. Dann fassen wir jetzt mal Ihre „Argumente“ zusammen, lieber Herr Wolff.
    – Die Beschreibung der Schülerdemonstrationen mit einem historischen Begriff sei eine „mittelalterliche Vorführung“ mit „Todeskommando“-Charakter. Das ist also die Auseinandersetzung mit einem Begriff, nicht mit der Sache. Inhaltlich bringt diese Einlassung nichts. Und „peinlich“ sei sie – auf Peinlichkeit komme ich noch zurück; sie sollte aber inhaltlich begründet werden.
    – Die Einseitgkeit der Schüler und ihrer Demonstrationen wird aufgepeppt zu „Engagement“ mit „Zukunftshoffnung“. (Wo ist das Engagement? Ich habe dazu einiges geschrieben). Die Schüler verlangten von den „Verantwortungsträgern Entscheidungen“. Vielleicht ist es Ihnen, lieber Herr Wolff, – den Schülern nach dieser Beschreibung offensichtlich nicht – aufgefallen, daß die Verantwortungsträger seit Jahrzehnten verantwortungsvoll nach Lösungen suchen, die zugleich mit den Gegebenheiten und konfliktierenden Ansprüchen in Einklang zu bringen sind. Diese Argumentation, auf die Sie nicht eingehen, beschreiben Sie als „didaktische Spielchen“, „bösartige Unterstellungen“ und „läppische Zoten“ – Super-Argumente!
    – Die Äusserungen des Chrustchurch-Täters erinnern Sie, lieber Herr Wolff, an Pegida. Da ist was dran, wenngleich es vermessen wäre, alle Pegida-Demonstranten und -Mitläufer mit dem Täter zu vergleichen. Aber gerade deshalb ist es ja – sehen Sie die bewegenden Reaktionen in Christchurch – so wichtig, sich zusammenzuschliessen, sich zuzuhören, sich gegenseitig zu zeigen wie wichtig die Suche nach Kompromiß und Übereinstimmung ist. Ihre ewige Hetze gegen Pegida, so nachvollziehbar sie ja ist, ist schlicht deswegen kontraproduktiv, weil sie Mitläufer / Unterstützer auf dieser Welle bestärkt. Auf dieses Argument gehen Sie nicht ein – es würde ja auch Ihren „Kreuzzug“ begraben.
    – Und dann, lieber Herr Wolff, Ihr Mega-Satz: “Was Herr Schwerdtfeger zur manipulierenden Funktion des Netzes sagt, ist irgendwie niedlich: Es sollen Gesetze her, die dieses „kontrollieren“. Wie soll das gehen? Ich kann und darf auch nicht kontrollieren, wer welches Buch liest. Die sog. sozialen Medien sind eben Medien, aber nicht der Inhalt. Für den sind wir Menschen verantwortlich.“ Jeder Experte in Sachen Gewalt beschreibt die Gefahr des internets in Sachen Verbreitung von und Verführung zur Gewalt. Daß eine Kontrolle des internets – so sie überhaupt machbar ist – mit unseren Regeln freier Meinungsäusserung konfliktiert, ist so offensichtlich, daß es nicht erwähnenswert ist – ich schreibe ja die ganze Zeit darüber, daß wir es in unserer Politik und Gesellschaft zunehmend mit komplexen und konfliktierenden Zielen zu tun haben. Ein einseitig gestrickter Ideologe allerdings, das ist es eben, hat Probleme, diese simple Logik zu sehen – und da liegt die Peinlichkeit.
    – Und doch müssen wir Wege finden, das internet zu begrenzen und zu kontrollieren. „Niedlich“ ist nicht diese Vorstellung einer offensichtlichen sozialen Notwendigkeit. „Niedlich“ ist aber Ihre Formulierung, lieber Herr Wolff, Medien seien Medien und für die Inhalte sei der Mensch verantwortlich. Ich formuliere den Satz um und werde also sicherlich auf Ihre volle Übereinstimmung stoßen: Waffen sind Waffen und für Ihren Einsatz ist der Mensch verantwortlich. Das Problem Ihrer Beiträge bleibt: Sie ideologisieren mal so mal so, stringente Logik ist Ihnen nicht gegeben. Diese aber braucht Politik, der politisch-demokratische Diskurs und natürlich auch der überzeugende Argumentierer.
    Dilettieren Sie weiter! Ich grüße Sie.
    Andreas Schwerdtfeger

  3. Wenn irgendwo in Deutschland (oder der Welt) ein islamistischer Anschlag gegen normale Bürger, wenn ein hier Eingewanderter eine Frau vergewaltigt, dann sind Sie, Herr Wolff, zu Recht unter den ersten die sagen, dies sei eine Straftat, man müsse sie verurteilen und verfolgen, dürfe sie (die Straftat) aber nicht in Richtung Ausländer-sind-Verbrecher verallgemeinern. Wenn, wie nun hier, ein Rechtsradikaler das gleiche tut, dann sind Sie, Herr Wollf, gegenteilig unterwegs und versuchen uns einzureden, daß alle Rechten dieser Welt ja offensichtlich auf gleicher Welle schwimmen und die Wurzel allen Übels sind. Die Opfer des Verbrechens von Christchurch haben es eigentlich nicht verdient, zum Propagandafall für die Ängste eines deutschen Pfarrers zu werden – zu traurig, zu ernsthaft auch sind die ungelösten Fragen, denen wir uns heutzutage gegenübersehen, daß nämlich
    – durch ständige Ideologie und überheblichen Dogmatismus in allen Diskussionen Sprachlosigkeit unter den Menschen entstanden ist, die immer radikaler werden und die einseitige Demonstrationen der eigenen Meinung dem Dialog über die Grenzen hinweg vorziehen, weil sie Angst haben vor dem Diskurs; daß diese Ideologie darüber hinaus auch noch (Herr Wolff ist das Idealbeispiel) nur zur Verneinung und zur Ablehnung fähig ist, nicht aber dazu, eine positive und alle inspirierende Vision konkret zu entwickeln, die über ein paar Allgemeinschlagworte hinausgeht;
    – durch das Fehlen einer Methode zur effektiven Kontrolle des internet bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung seiner Ausdrucks- und Freiheitsmöglichkeiten die unbegrenzte Möglichkeit besteht, Menschen aufzuhetzen, sie zu beeinflussen, ihnen mit Teilwahrheiten, polemischen Überspitzungen, Vereinfachungen, etc, eine Richtung zu geben, die den primitiveren Teil der Menschheit dann in die Selbstjustiz als so verstandene „Heldentat“ führt;
    – durch die Sensationalisierung von Vorgängen unsere elektronischen Medien zur erheblichen Verschärfung solcher Probleme beitragen, indem sie, anstatt sachlich zu melden und sich dann anderen Themen zuzuwenden, eine solch‘ schreckliche Tat bis ins Allerkleinste und über Stunden ausschlachten, ohne dadurch wirklich neue Erkenntnisse beizutragen, dafür aber die niedrigsten Instinkte der Zuschauer wecken und gleichzeitig das Ego der Täter fördern – einige Sender haben gestern ganze Stunden damit verbracht, stets dieselben Bilder und dieselben Interviews zu bringen, ohne auch nur einen kleinsten zusätzlichen Nachrichtengewinn zu produzieren – öffentliches Interesse?
    – durch die Tatsache, daß Waffen und Sprengstoffe in einer Welt des offenen Handels, des (zT verborgenen) internet, der Herstellungsmöglichkeit in Hinterhöfen und natürlich auch in einigen Staaten der fehlenden Waffenkontrolle wegen eben nicht mehr der Aufsicht des jeweiligen Gewaltmonopolisten – das sollte der Staat sein – unterliegen und allgemein zugänglich sind.
    Gewalt in der Art von Christchurch geschieht inzwischen fast täglich, nur nicht in diesem schrecklichen Ausmaß. Sie ist nicht auf rechts begrenzt oder links, sie unterliegt – wie Herr Wolff uns sonst gerne schreibt und diesmal vergessen hat zu erwähnen – dem Strafgesetzbuch und nicht der Logik einseitiger ideologischer Politpropaganda. Und schade auch, daß es Herrn Wolff reicht, den Vorfall zur Wiederholung seiner bekannten Standpunkte auszuschlachten anstatt sich mal mit Problemen wie oben angesprochen auseinanderzusetzen. DAS wäre „Analyse“!
    Und was die Schüler angeht und ihren Kinderkreuzzug im Gefolge der fehlgeleiteten Greta und einiger ihrer deutschen Imitatorinnen, dem sich jetzt die Erwachsenen anschließen, weil sie überwiegend der vernünftigen Diskussionen sich zu stellen nicht den Mut haben:
    – der Staat nimmt es hin – die Hilflosigkeit unserer Politiker angesicht starker öffentlicher Unterstützung der Schüler zeigt es –, daß dauerhaft und wiederholt das Gesetz gebrochen wird. Man darf das nicht übertreiben, denn es gibt schlimmere Gesetzesbrechereien als Schule schwänzen – aber das Signal an die Jugendlichen in einer Phase, wo ihnen eigentlich Rechtsstaat als demokratisches Ideal vorgelebt werden sollte, ist eben das falsche; und die Eltern in einknickendem Gehorsam vor ihren Kindern und der Gruppendynamik solcher Aktionen unterstützen diesen Unsinn auch noch; es wäre schon interessant zu wissen, wieviele der ach so stolzen Eltern mit dem SUV zum Einkaufen und in die Ferien fahren, ihren Kindern stets die neueste Mode kaufen, am Computer, handy, MP3-Spieler und beim Fernseher täglich viel Strom verbrauchen, etc. Es wäre auch interessant zu erfahren, welches nächste Ziel es rechtfertigt, daß jeder seine eigene Gesetzesinterpretation zum einzigen Maßstab macht;
    – es ist bezeichnend, daß die Schüler meinen, sie müßten die Schule schwänzen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Wenn sie an ihr Ziel glaubten, dann käme man nicht auf diese Abwegigkeit;
    – die Öffentlichkeit ist nach Umfragen zu rund 70% auf der Seite der Schüler und bestärkt sie also. Das Argument dafür ist, daß politisches Engagement doch positiv sei. Daß aber eine Demonstration, auch deren regelmäßige Wiederholung, nur Symbol ist und keinerlei Beitrag zur Problemlösung, wird nicht nur vergessen sondern eben völlig übertüncht; daß das Problem überdies nicht so eindimensional ist, wie es diesen verführten Schülern erscheint und eingeredet wird, ist dann noch eine weitere und wichtige Frage; daß schließlich die Gefahr besteht, daß auch andere für sich in Anspruch nehmen könnten, für ihre jeweiligen Ziele sich ungestraft über staatliche Vorschriften hinwegsetzen zu dürfen, wird wohl auch übersehen.
    – Die Schüler werden je nach Enthusiasmus des kommentierenden Mediums in unterschiedlichen Graden zu „Widerständlern“, zu „Demokraten“, zu „Verteidigern ihrer Zukunft“ hochstilisiert, die den Politikern den Weg aufzeichneten und sie auf ihre Verantwortung hinwiesen. Das alles sind bzw tun sie nicht: Im Rechtsstaat ist Demonstration kein Ausweis von Zivilcourage oder Widerstand – man sieht es ja: Staat und Eltern nehmen den Gesetzesbruch sanktionslos hin; eine Demonstration ist ein nur unbedeutender Ausdruck demokratischen Verhaltens, wenn man glaubt, damit sein großartiges Engagement belegt zu haben – tätiges Engagement in der Sache ist Beitrag zur Lösung, nicht aber nur „demonstrativer“ Hinweis auf das sowieso schon bekannte Problem; und „Verteidigung der Zukunft“? Warum gehen die Schüler dann nicht an anderen Tagen auch für andere Zukunftsbedrohungen auf die Straße: Ihre Renten, die die ältere Generation schon aufgefressen hat; die unbeugsame Polarisierung und den Dogmatismus unserer Gesellschaften und also das schlechte Beispiel der älteren Generation, das zu zunehmender Demokratiebeschädigung führt; die Unfähigkeit zur Begrenzung des internets, die Verbrechen, mobbing, Gewalt und Manipulation in steigendem Maße ermöglicht und diese Jugend verführt und verunsichert? Demnächst also, wenn die Schüler konsequent sind, demonstrieren sie an allen Tagen für ihre Zukunft, denn Grund dazu gäb’s ja.
    – Und weiter: Die verantwortlichen Eliten in unserem Lande – Politiker, Medien, Kirchen, Lehrer und Erzieher, auch die Eltern – gaukeln durch ihre Unterstützung den Kindern vor, daß die „Show“, das „Symbol“ schon Ausdruck politischen Verhaltens sei; sie gaukeln ihnen vor, daß man ein komplexes Problem mit vielschichtigen, sich widersprechenden Dimensionen, mit sowohl moralischen wie technischen Aspekten, in einem globalisierten Umfeld mit legitimen, sich aber widersprechenden Interessen dadurch lösen könne, daß man nur einen Blickwinkel öffnet und in diesem unter Mißachtung aller anderen demonstriert; sie akzeptieren, daß die Kinder lernen, ein „Zeichen setzen“ mit der Tat, dem Beitrag, dem Engagement in der Sache zu verwechseln und also die wirkliche Verantwortung nicht anzunehmen sondern anderen zuzuschieben und sich dann auf dem Lorbeer auszuruhen und großartig vorzukommen – das nennt man gemeinhin Populismus. Auch Sie, lieber Herr Wolff, schwimmen ja hier auf dieser Welle.
    – Dabei gibt es natürlich Möglichkeiten, etwas Sinnvolles zu tun, anstatt sich auf der Straße zu amüsieren: Man kann bei „Jugend forscht“ mitmachen; man kann sich in Jugendorganisationen der Parteien – viel besser als bei NGOs – engagieren; man kann seinen eigenen Beitrag im täglichen Verhalten leisten (Verkehr, Sport, Freizeitverhalten, Gesundheit und Essen, Reisen, etc). Man könnte auch im Gemeinschaftskundeunterricht (heute heißt das anders) das Thema Klima mit Fachleuten aus Parlamenten, Industrie, Gewerkschaften, Kirchen, ja auch mit Eltern diskutieren, was Lehrer und Schüler gemeinsam organisieren könnten und was den Schülern die Augen öffnete für die Komplexität dieses und aller heutigen Probleme. Man könnte Info-Besuche bei der Industrie, insonderlich bei Energieunternehmen, durchführen. Man könnte sogar Bäume pflanzen gehen. Aber das alles erfordert Phantasie und es erfordert Einsatz, der teilweise auch unbequem ist – vor allem aber ist es ein Beitrag, der sich nicht so gut vermarkten läßt. Und wer will schon ein Held im Stillen sein!
    – Scherzhaft schließlich: Die Bundesländer sollten schleunigst ihre Ski-Ferien abschaffen: Es gäbe den Schülern weitere Freitage zum Demonstrieren (denn in den Ferien oder in der Freizeit haben sie ja schon, siehe oben, abgewunken); es würde sie daran hindern, auf den Autobahnen CO2 zu generieren und die Alpenwelt zu belasten; es brächte die zusätzlichen Schultage, um das Geschwänzte wieder aufzuholen.
    Fazit: Die Menschen sind zu dumm, den Unterschied zwischen Aktionismus und Aktion zu verstehen; sie heucheln sich und den Kindern etwas vor, was die Realität nicht spiegelt; und sie nehmen dafür noch in Anspruch, besonders hohe Moralstandards zu offenbaren, wo sie doch in Wirklichkeit nur Verantwortung von sich wegschieben und alles anonym bei „der Politik“ abladen.
    Dieses alles geschrieben habend erkenne ich aber das Dilemma der Eltern an: Würden sie ihre Kinder von solchen schwachsinnigen Demonstrationen mit ihren Argumenten abhalten (können), so würden sie sie dem mobbing der Klassenkameraden unter der Überschrift „Streikbrecher“ aussetzen; umgekehrt also: selbst wenn man sein Kind auf einen vernünftigen Weg brächte, müsste man es laufen lassen, um es nicht zu isolieren. Schlimme Zustände!
    Lieber Herr Wolff, ich erwarte ja von Ihnen nur wieder Allgemeinheiten durchmischt mit ein paar Knigge-Hinweisen („geschmacklos“, „Entschuldigung“, „unterirdisch“ – ganz neu – und Einschätzungen zum jeweiligen „Niveau“). Ich entschuldige mich auch in der Tat – für die Länge dieses Beitrages. Aber er ist voller Sachargumente zu beiden Themen. Hier also ist Ihre Gelegenheit zum demokratischen Diskurs.
    Mit freundlichem Gruß,
    Andreas Schwerdtfeger

    1. ad Schwerdtfeger:
      „…daß nämlich durch ständige Ideologie und überheblichen Dogmatismus in allen Diskussionen Sprachlosigkeit unter den Menschen entstanden ist,…“

      Ihre Wahrnehmung und Feststellungen nach diesem Terroranschlag sind bizzar.
      Die Feindbilder der Rechten sind global. Im Manifest des Attentäters – in Form eines Selbstinterviews – kommt zentral Angela Merkel vor:“ Die Mutter all dessen, was anti-weiß und anti-germanisch ist ,,, Kaum jemand hat mehr getan, Europa zu schaden und ethnisch zu säubern“ (so der Attentäter laut Süddeutscher Zeitung Online unter dem Titel „Wie rechte Terroristen sich weltweit vernetzen). Donald Trump wird – so berichtet die SZ – von dem Attentäter gelobt als „Symbol erneuerter weißer Identität“.
      Eine Theorie, die die rechtsextreme Szene über Grenzen zusammenhält, ist – so die SZ – das was die neue Rechte in Deutschland „Umvolkung“ nennt. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

      Schwerdtfeger – vor sich hin schwurbelnd über „Ideologie“ und „Dogmatismus“ – entlarvt sich vor dem aktuellen Hintergrund. (Und das ist gut so.)

    2. Eigentlich weiß man gar nicht, ob und wenn ja wie man auf diesen Kommentar reagieren soll und kann. Da fordert einer „Sachargumente“. Doch wie soll man sachlich antworten, wenn jemand die Demonstrationen und Kundgebungen von Schüler/innen als „Kinderkreuzzug im Gefolge der fehlgeleiteten Greta“ bezeichnet, als ob es sich bei den Aktionen der Jugendlichen um eine mittelalterliche Verführung in ein Todeskommando handelt. Da fällt mir auß0er Sarkasmus nur noch wenig ein, weil das Ganze so abseits der Wirklichkeit und nur noch peinlich ist. Wer erlebt, mit wie viel Sachkenntnis, Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit die Schüler/innen selbstständig agieren, spürt sofort: Hier handelt es sich um ein Engagement, dass vor allem von einer Zukunftshoffnung getragen ist, die die jungen Menschen aber bedroht sehen. Dem ist nicht beizukommen mit didaktischen Spielchen. Die Schüler/innen verlangen von den Verantwortungsträgern jetzt Entscheidungen für den Klimaschutz. Läppische Zoten (werden von den Eltern im SUV zur Schule gebracht, benutzen den Flieger von München nach Hamburg) und bösartige Unterstellungen („schwachsinnige Demonstrationen“, „Mobbing“ der Klassenkameraden, die nicht mit demonstrieren) sagen nur etwas über die Geisteshaltung desjenigen aus, der so etwas schreibt.
      Dass es innerhalb der Forderungen der Schüler/innen noch ganz viel unterschiedliche Alternativen und Handlungsmöglichkeiten gibt, über man reden und streiten muss, steht auf einem ganz anderen Blatt, ebenso die Tatsache, dass Gesetze allein nicht den Klimaschutz voranbringen, sondern vor allem das eigene Tun. Aber zu diesem Tun gehört auch, Druck zu machen.
      Zum rechtsradikalen Terroranschlag in Christchurch nur so viel: der Vergleichspunkt stimmt eben nicht. So falsch es ist, vom islamistischen Terror auf den Islam im Allgemeinen zu schließen und alle Moslems unter Generalverdacht zu stellen, so falsch wäre es, diesen Terroranschlag zum Anlass zu nehmen, alle christlichen Europäer zu potentiellen Straftätern zu erklären – nur weil der Täter das „Christliche Abendland“ bewahren will. Nein, der Punkt ist einfach der: alles, was in dem schrecklichen „Manifest“ des Brenton T. steht, kommt mir von Pegida/AfD-Kundgebungen sehr bekannt vor, beginnend bei der Überschrift: „Der große Austausch“. Am Ende dieser identitären Propaganda kann nur stehen: Sieg oder Vernichtung.
      Was Herr Schwerdtfeger zur manipulierenden Funktion des Netzes sagt, ist irgendwie niedlich: Es sollen Gesetze her, die dieses „kontrollieren“. Wie soll das gehen? Ich kann und darf auch nicht kontrollieren, wer welches Buch liest. Die sog. sozialen Medien sind eben Medien, aber nicht der Inhalt. Für den sind wir Menschen verantwortlich. Es kommt also darauf an, dass wir uns klar werden über die Grundwerte des Lebens und dass wir darüber mit offenem Visier streiten. Die Schüler/innen tun dies mit einem absolut positiven, hoffnungsvollen Grundton. Den zu verstärken ist unser aller Aufgabe.
      Christian Wolff
      P.S. Siehe zum Ganzen meine Predigt vom heutigen Sonntag und den Vortrag „Geistesgegenwärtig handeln – Kirche in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsnationalismus“ (Link Veröffentlichungen)

  4. Lesenswerter Leitartikel von Matthias Koch in der LVZ vom heutigen Tag:
    „(…) Die Botschaft islamischer Fundamentalisten an ihre Follower ist dieselbe wie die der weißen Rassisten an ihresgeichen: „Du gehörst zu einer Gruppe, die in Gefahr ist. Ein historischer Kampf muss jetzt endlich ausgefochten werden zwischen uns und denen, die anders sind.“ Wenn dieses letztlich mittelalterliche Denken sich ausgerechnet per Internet ausbreitet, ist die Welt verloren. Die modernen Gesellschaften müssen die maßgebende Trennlinie zwischen denen ziehen, die sich an die Gesetze halten und denen, die das nicht tun – unabhängig von Herkunft, Rasse und Religion. Daran festzuhalten ist keine überkommene Law-and-Order-Mentalität. Es ist auch kein multikultureller Spleen. Es ist eine zivilisatorische Notwendigkeit. Wenn Terror im Namen der Identität diesen Grundsatz zerbröseln lässt, fallen wir historisch zurück – nicht nur in die Zeit ohne EU, sondern gleich ein paar Jahrhunderte weiter, hinter den westfälischen Frieden von 1648.“

    Mal abgesehen davon, dass der Rückfall bis in die Zeit vor Geburt Jesu fallen würde, ist bemerkenswert, was der Landesparteichef der AfD, Jörg Urban, just in denselbem Moment zu sagen hat (lt. heutiger LVZ-Ausgabe, Seite 4):
    „Vor 30 Jahren haben wir schon einmal die Herrschaft des Unrechtsstaates besiegt – lasst uns das wieder tun“.

    Mal sehen, wie vielen Sachsen vor dem Gang zur Wahlurne noch auffällt, wes identitären Geistes Kind Herr Urban ist und wohin es führt, den Identitären aller Gesellschaften dieser Erde nachzurennen! Mal sehen, wann die jungen Menschen diese beileibe nicht weniger existentielle Frage im Vergleich zum Klimaschutz auch in ihren weltumspannenden „Fridays for Future“ Protesten thematisiert.

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