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Faber, die Zweite – einige Anmerkungen zur Wahl des/der neuen Kulturbürgermeister/in

22. April 2009: Ohne jede Aussprache wurde Michael Faber als Kandidat der Fraktion DIE LINKE zum neuen Kulturbürgermeister gewählt – damals mit den Stimmen der SPD. Im Vorfeld der Wahl hatte die gesamte Kulturszene Leipzigs vor dieser fatalen Fehlentscheidung gewarnt – nicht weil Faber von der Partei DIE LINKE vorgeschlagen wurde; nein: er hatte sich in einem von der Leipziger Volkszeitung (LVZ ) initiierten Podiumsgespräch mit den beiden Kandidaten Michael Kölsch (Bündnis 90/Die Grünen) und ihm selbst als erschreckend inkompetent erwiesen. Doch die Wahl wurde allen Einsprüchen zum Trotz vom Stadtrat durchgezogen – eine Machtdemonstration der besonderen Art. Die SPD Leipzig bekam auch dafür die Quittung bei den Kommunalwahlen im gleichen Jahr. Sie sackte von 26,9 auf 20,4 Prozent ab. Schon nach 17 Monaten, im November 2010, startete OBM Burkhard Jung den Versuch, sich des zunächst von ihm selbst unterstützten Kandidaten zu entledigen. Doch das scheiterte im Januar 2011. Lange Zeit entzog Jung seinem Kulturbürgermeister die Kompetenzen für die sog. Hochkultur. Doch diese musste er ihm 2014 wieder zurückgeben. Es ist nur konsequent, dass Faber nicht zur Wiederwahl vorgeschlagen worden ist. Denn er hat nicht einen Versuch unternommen, seine Kritiker zu widerlegen. So blickt die Kulturszene Leipzigs auf sieben verlorene Jahre zurück – verantwortet von den gleichen Fraktionen, die sich nun anschicken, wiederum eine Kandidatin der Fraktion DIE LINKE zur Kulturbürgermeisterin zu wählen: Skadi Jennicke, seit 2009 Stadträtin und Mitglied im Kulturausschuss. Wiederum scheint die SPD-Fraktion gewillt zu sein, diesem Vorschlag zu folgen. Wiederum mangelt es an einer öffentlichen Diskussion. Irgendwie scheinen die Würfel schon gefallen zu sein, ohne dass die Parteien wenigstens in ihren eigenen Gremien die für Leipzig wichtige Personalie breit diskutieren – von der FDP abgesehen. Wie will man so Menschen für eine lebendige Demokratie gewinnen und bürgerschaftliches Engagement fördern?

Der Kulturbürgermeister ist in Leipzig neben dem Oberbürgermeister das wichtigste politische Amt, das zu vergeben ist. Schließlich ist die Kultur nicht nur das unverwechselbare Markenzeichen Leipzigs. Die Stadtgeschichte ist wesentlich von einer herausragenden Kulturtradition geprägt: Musik, Kunst, Literatur. Sie ist der entscheidende Standortfaktor und unerlässlich für die soziale Entwicklung in einer multikulturellen und multireligiösen Stadtgesellschaft. Darum sollte die parteipolitische Bindung des zukünftigen Kulturbürgermeisters keine Rolle spielen, dafür umso mehr seine kulturelle, gesellschaftspolitische und administrative Kompetenz. Da nimmt es sich sehr mager aus, dass Skadi Jennicke außer ihrer Mitgliedschaft zu der Partei, der man das Vorschlagsrecht zubilligt, die Zugehörigkeit zum Kulturausschuss des Stadtrates vorzuweisen hat. Doch reicht das?

Nun wird der/die nächste Kulturbürgermeister/in die Aufgabe haben, nach sieben Jahren Stillstand die Kulturpolitik neu aufzustellen und die sehr unterschiedlichen Kulturinstitutionen und deren Interessen auf der Verwaltungsebene zu moderieren. Dabei kommt ihr/ihm die wichtige Aufgabe zu, neben der für Leipzig so wichtigen Hochkultur und der Freien Szene die interkulturelle Arbeit der Stadt Leipzig aufzubauen und zu gestalten. Bringt Skadi Jennicke dafür die ausreichenden Qualifikationen mit? Sie ist gelernte Dramaturgin. Aber hat sie ein Verhältnis zur in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Musikszene Leipzigs? Da ist eher ein großer weißer Fleck. Wie steht es um ihre internationale Erfahrung? Auch da hat sie wenig aufzuweisen. Wie soll jemand, der ideologisch der Partei DIE LINKE verhaftet ist, die Freie Szene betreuen, die sich vor allem durch Eigeninitiative auszeichnet und sich mit Recht jeder Gängelung entzieht? Wie will sie das Erbe der Friedlichen Revolution bewahren und entwickeln und das Reformationsjubiläum begleiten? Auch da ist wenig zu erwarten. Mehrfach wurde Skadi Jennicke auf den Bildungscampus forum thomanum eingeladen, um ihre im Kulturausschuss geäußerten Vorbehalte zu überprüfen. Nie ist sie erschienen – aber hat 2013 kräftig daran mitgewirkt, den Bau der Grundschule für die Nachwuchsarbeit des Thomanerchores zu verhindern, weil das Projekt offensichtlich zu kirchlich und zu „privat“, d.h. von bürgerschaftlichem Engagement, geprägt ist. Gelungen ist dies Gott sei Dank nicht. Aber ein Blick in Richtung Dresden lässt Schlimmes befürchten. Wie dort der Kreuzchor im Jubiläumsjahr der Trias von Kreuzkirche, Kreuzchor und Kreuzschule seines Markenkerns beraubt wurde, sollte jede/n Leipziger/in im Blick auf den Thomanerchor aufschrecken lassen. Ebenso war es mehr als merkwürdig, in welcher Weise Skadi Jennicke sich vor drei Jahren in eine abstruse Debatte innerhalb der Leipziger SPD eingeschaltet hat. Da meinten einige, vor einer islamistischen Unterwanderung der SPD warnen zu müssen, nur weil etliche junge Sozialdemokraten muslimischen Glaubens sind. Skadi Jennicke sekundierte in der LVZ und unterstellte dem ins Visier geratenen Sächsischen Bildungszentrum e.V. islamistische Tendenzen. Diese Frau soll nun die Verantwortung für die Kulturpolitik Leipzigs übernehmen – mit der Unterstützung der SPD und der Partei Bündnis 90/Die Grünen? Das alles riecht nach Leipziger Selbstgenügsamkeit: „Wir Leipziger“ bleiben unter uns. Obwohl also aller Anlass zur Diskussion besteht, ist es derzeit ratlos-still um die Wahl des Kulturbürgermeisters. Am 18. Mai 2016 soll im Stadtrat die Wahl erfolgen. Wieso vorher keine öffentliche Debatte mit den drei Kandidaten? Wieso kaum eine öffentliche Positionierung der Kulturinstitutionen? Glauben die Stadträte wirklich, dass das so funktioniert: Wir einigen uns einmal schnell hinter verschlossenen Türen, entziehen uns jeder Debatte und wählen die, die wir kennen? Oder ist das Ganze ein Reflex auf sieben Jahre Stillstand: Geht doch auch ohne … und man findet sich bequem mit einer „hausinternen“ Lösung ab? Doch dazu ist die Kultur Leipzigs viel zu wichtig. Der Stadtrat besetzt mit dem Kulturbürgermeister nicht einen Ruhestandsposten, sondern das wichtigste Bürgermeisteramt. Es wird höchste Zeit, dass sich etwas regt. Faber, die Zweite – das geht eigentlich gar nicht!

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