Immer wieder wird denen, die gegen den Rechtsnationalismus auf die Straße gehen, entgegengehalten: die AfD sei doch eine legitime, demokratische Partei. Als Grund wird angeführt: Sie ist bis heute nicht verboten und sie wird in demokratischen Wahlen gewählt. Doch beide Gründe machen aus der AfD keine normale, demokratische Partei:
- Wohl kann die AfD, solange sie nicht verboten ist, als politische Partei agieren. Aber damit wird ihr Programm nicht demokratisch.
- Wohl kann die AfD an demokratischen Wahlen teilnehmen, aber deswegen wird aus ihr keine demokratische Partei.
Beide Gründe entheben uns aber nicht von der Aufgabe, genau auf das zu hören, was AfD-Politiker:innen so von sich geben. Ende Juli und Anfang August 2023 fand die Europawahlversammlung der AfD in Magdeburg statt. Auf dieser wurde die AfD-Liste für die Europawahl am 9. Juni 2024 aufgestellt. Mit einer Rede bewarb sich der Vorsitzende des AfD-Kreisverbandes Leipzig Siegbert Droese, seines Zeichens auch AfD-Stadtrat in Leipzig und stellvertretender Vorsitzender der AfD Sachsen, um den Listenplatz 11. Man kann sich die Rede auf der Homepage der AfD Leipzig ansehen und anhören: „Siegbert Droeses Hammer-Bewerbungsrede um den Listenplatz 11“. Hier einige Auszüge:
Ich hatte gestern hier aus dem Saal von einem Kollegen gehört, er sei Europäer. Da möchte ich zunächst mal bekennen: Ich stehe hier oben als Deutscher – und gerade in Bezug auf die Europäische Union bin ich da auch stolz drauf. …
Wir werden unseren Weg zur Macht gehen bis zum Ende. …
Ich bewerbe mich in dem Bewusstsein für ein Parlament, was eigentlich kein Parlament ist. …
Diese EU … muss in der heutigen Verfassung verschwinden. …
Wir wollen eine Außenpolitik, die national bestimmt ist. …
Andreas Mölzer (FPÖ) sagte einmal, die EU müsse sich fragen lassen, „ob sie ein Negerkonglomerat sei, beherrscht von einer Bande von Globalisten“. Das möchte ich mir nicht zu eigen machen, aber: Die heutige EU ist disfunktional, übergriffig und undemokratisch und ist verkommen zum Zentrum des Regenbogenimperiums. …
Die heutige EU ist – und da sind wir uns einig – nicht reformierbar. …
Die heutige EU braucht die Abrissbirne. Ich kandidiere auch dafür, um mit den Abrissarbeiten in Zukunft zu beginnen. …
Nach der Rede wurde Droese mit fast 80 % auf den Listenplatz 11 gewählt. Droese fuhr jahrelang einen Mercedes-Combi mit dem Kennzeichen L-AH 1818. In seinem Lokal „Apothekenmuseum“, das er vor knapp 10 Jahren hochverschuldet in die Insolvenz führte, hing der Stadtplan Leipzigs aus dem Jahr 1937. Warum wohl? Da gab es noch die „Adolf-Hitler-Straße“ (heutige Karl-Liebknecht-Straße). Keine Frage: Siegbert Droese ist ein typischer Vertreter der rechtsextremistischen AfD: Opportunistisch gibt er den Biedermann, im Ernstfall erweist er sich als Brandstifter – deutlich zu erkennen an dem rassistischen Zitat des deutschnationalistischen FPÖ-Politikers Mölzer. Droese greift nicht darauf zurück, um sich davon inhaltlich zu distanzieren. Vielmehr setzt er noch eines drauf: die EU sei das „Zentrum des Regenbogenimperiums“. Damit wird deutlich, wie die Propaganda der AfD funktioniert: Keine Partei benutzt so oft das Attribut „bürgerlich“ wie die AfD, um ihre eigentlichen Ziele zu verharmlosen. Aber wenn es darauf ankommt, dann fällt sehr schnell die Maske und zum Vorschein kommt die Fratze einer antidemokratischen, antieuropäischen, nationalistischen Partei, die sich nicht lange bei den Grundwerten der Verfassung aufhält. Da fallen dann verräterische Sätze wie „Wir werden unseren Weg zur Macht gehen bis zum Ende“. Da wird nicht ein demokratischer Wechsel auf Zeit angestrebt, sondern die endgültige Machtergreifung propagiert. Es geht nicht um demokratische Mitgestaltung im EU-Parlament, sondern um die Zerstörung der parlamentarischen Demokratie. Dass aber das „vereinte Europa“ nach der Präambel und Art. 23 Abs. 1 des Grundgesetzes Staatsziel ist, um „dem Frieden der Welt zu dienen“, interessiert einen Siegbert Droese, interessiert die AfD nicht. Warum auch? Sie haben den Hammer schon in der Hand, um all das zu zertrümmern, was uns ein friedliches, demokratisches, vielfältiges Zusammenleben in Europa ermöglicht. Und solchen Leuten sollen/wollen Bürger:innen per Wahl auch noch die Möglichkeit geben loszuhämmern? Niemals, niemals dürfen die Droeses, Höckes, Weidels in unserem Land und in Europa das Sagen bekommen!
12 Antworten
Da hat einer eine andere Meinung als Herr Wolff und wie kommentiert dieser? „Wer so … redet, … der geht – wenn’s drauf ankommt – über Leichen und will dabei nicht gestört werden.“ Das schreibt jemand, der „Barmherzigkeit“ fordert und Beleidigungen ablehnt! Toll!
Dies, Herr Breuer, war das Zitat und mein Kommentar dazu. Es ist wohl kaum bestreitbar, dass Wolff damit seine eigenen Maßstäbe und Kriterien gebrochen hat. Er hätte dies aus der Welt schaffen können. Er wurde dabei unterstützt durch einen Claqueur, der sich als Anstandsreferee aufbaut, und diese Anmerkung rechtfertigte mit dem bemerkenswerten Argument, gegenüber bestimmten Leuten (also Meinungen) sei dies vertretbar. Wir beklagen die Verrohung der Sprache in politischen und anderen Auseinandersetzungen – und Sie bezeichnen diese Klage und Korrektur als „sie nervte“. Interessant!
Und was das Lesen und Mitdenken angeht, so mögen Sie ja beklagen, dass ich vielen Leuten die Bereitschaft zum Denken abspreche – wohlgemerkt die Bereitschaft –, aber wie erklärt sich sonst die jeweils sofortige, zunehmend gleichlautende, aufgeregte und hektische Bewertung bestimmter Vorgänge oder Äußerungen über alle parteilichen / gesellschaftlichen Grenzen hinweg, ohne – eben – die Bereitschaft, sich erstmal inhaltlich damit vertraut zu machen.
Das augenblickliche Beispiel: Äußerungen des Papstes / des SPD-Fraktionsvorsitzenden zur Frage, inwiefern ein ausschließlich militärischer Lösungsversuch des UKR-Konfliktes zielführend ist, wobei ja bisher gar kein Ziel formuliert wurde. Der ungeschickt formulierte, dennoch richtige Ansatz zur Hinzufügung eines diplomatischen Ansatzes wird ungeprüft, unreflektiert und unbegründet, reflexhaft abgelehnt. Das ist kein wirklich überzeugendes „Denken“.
Nehmen Sie unser Problem „AfD“ und deren Haltung zu Europa, die Wolff hier zu Recht kritisiert. Mein Vorschlag, darüber nachzudenken, ob es nicht sinnvoll sei, neben Kritik an der AfD-Haltung auch über Möglichkeiten zur Abstellung der berechtigten und von vielen auch außerhalb der AfD geäußerten Kritik nachzudenken, wird nicht mal aufgenommen – AfD-Bashing scheint also ausreichend zu sein.
Und nochmal zu Haspelmath: Seine monothematische Kritik war, so meine Ansicht, unberechtigt und nachträgliche Besserwisserei. Ich habe das begründet, u.a. mit seinem lückenhafter Gedächtnis und seiner Egomanie. Was ändern Ihre Hinweise auf einen Bergamo-Artikel an dieser Kritik?
Andreas Schwerdtfeger
„Eine moralisch getriebene Überzeichnung der Lage als Existenzkampf zwischen Demokratie und Autokratie, zwischen Freiheit und Unterjochung, zwischen Gut und Böse, verstellt den Blick für Realpolitik, die im eigenen Sicherheitsinteresse notwendig bleibt“ – schreibt Wolfgang Richter, mit dem ich einige Zeit zusammengearbeitet habe, in dem von Ihnen, Herr Plätzsch, neulich erwähnten längeren Artikel zum Ukrainekrieg, der vielen in mehrfacher Hinsicht Geduld abfordern würde, wenn er gelesen würde: Man braucht Zeit (42 hochkonzentrierte Seiten) und Verstand und man braucht diejenige Bereitschaft zum Mitdenken, die heute den meisten fehlt (in der Politik, in der Gesellschaft und bei Lesern, die über sich selbst eingestehen, dass sie gerne eine Meinung ohne Faktenkenntnis haben).
Der Papst hat sich unglücklich geäußert. In der Sache aber muss man sich wohl mehr mit ihm auseinandersetzen – und also auch mit Kretschmer – als mal eben „ab in den Briefkasten“. Der Ukrainekrieg ist mit militärischen Mitteln gegen Russland nicht gewinnbar – oder nur mit nach Zeit, Raum und Opfern unerträglichen Lasten. Politische Lösungen – also Lösungen, die neben der militärischen Komponente auch (schwerpunktmäßig) eine diplomatische enthalten – müssen also her und ihre vollständige Abwesenheit derzeit zeigt sowohl die völlige Absage unserer Politiker an die „Politik“ (also an ihren Job) als auch ihre absolute Phantasielosigkeit. Diese zeigt sich ja auch in dem unsinnig beschriebenen sogenannten Kriegsziel „die Ukraine muss gewinnen“ – einer einseitig militärischen Zielformulierung. Die Ukraine gewänne auch, wenn sie zB den Lösungsansatz des Istanbuler Protokolls akzeptierte, nach dem Krim und Donbas (ähnlich dem Saarstatut von 1955) unter internationale Kontrolle gestellt würden, Gegenstand von bi- und multilateralen Verhandlungen blieben und nach angemessener Zeit durch Referenden selbst entscheiden könnten – ein Ansatz, den laut Richter, westliche Politiker im Verbund mit ukrainischen Hardlinern torpediert haben. Die vom Papst angesprochene „weiße Flagge“ war unglücklich gewählt, die Nichterwähnung Russlands als Aggressor war politisch ungeschickt – inhaltlich aber zeigt der Papst, dass er bei aller christlichen Nächstenliebe realpolitisch denkt und dem obersten Ziel der Beendigung des Elends dienen will. Kretschmer ist mutig, dass er bei der augenblicklich emotionalen – im Gegensatz zu rationalen – Stimmung in Deutschland und anderswo, diesem Ansatz folgt. Es ist schwer nachvollziehbar, was „prorussisch“ ist, wenn man nach politischen Lösungen, die immer Kompromisse sind, sucht, weil der militärische Weg alleine weder erfolgversprechend noch wirklich moralisch vertretbar ist. Erneut hat Kretschmer seine Wählbarkeit unter Beweis gestellt.
Andreas Schwerdtfeger
Lieber Herr Schwerdtfeger,
ich antworte hier auf Ihren Beitrag vom 15.März . 17:14 – dort fehlt der Reply Button:
Ich ändere meinen Beitrag von „Entschuldigungsmanie“ in „Rücknahmemanie“. Diese kleine Ungenauigkeit mögen Sie mir verzeihen. Das abgewandelte Cato Zitat dürfen Sie selbst ändern. (+ nachfolgende Ableitungen +Zuschreibungen).
Natürlich habe ich nicht „gefühlt“ gelesen – Braileschrift behersche ich (trotz Neun-mal-klug) nicht – sondern Ihre , nun hoffentlich korrekt, „Rücknahmemanie“ nervte dermaßen, dass es sich so anfühlte, als ob Sie sich 150X statt korrekt 10X – 15X diesbezüglich zu Wort meldeten.
Lustig ist es nun wieder , dass Sie zwar in Ihrem Beitrag vom 13. März 17:46 eine längere Passage über das Lesen („Man braucht Zeit ……… und Verstand und man braucht diejenige Bereitschaft zum Mitdenken, die heute den meisten fehlt….“) von sich geben,wobei Sie wohl selbstverständlich davon ausgehen dies alles zu besitzen,
dann aber aus dem recht kurzen von mir verlinkten Text nicht das folgene extrahieren können:
„Ein Bild aus den ersten Monaten der Pandemie in Europa hat sich bereits eingegraben. Kaum jemand, der nicht weiß was gemeint ist, wenn „die Bilder aus Bergamo“ erwähnt werden – gern im Plural, dabei war es von Anfang an nur ein Bild: Das Handyfoto vom 18. April 2020 ….“
oder
„In Wahrheit war das Militär nicht etwa eingesetzt worden, weil Berge von Leichen nicht anders hätten transportiert werden können. Die Anzahl der Verstorbenen war damals nicht höher als bei manchen Grippewellen in Italien …..“
Hochachtungsvoll
ErwinBreuer
Lieber Herr Wolff,
ich beglückwünsche Sie zu Ihrem engagierten und unermüdlichen Kampf gegen die AfD, sozusagen „auf allen Kanälen“. Oder sollte ich sagen: Gegen Rechts?
Alleine schon von daher gibt es keinen Zweifel, dass dies einer tiefen Sorge um die Demokratie und Europa entspringt. Der von Ihnen zitierte Herr Droese und dessen Aussage lassen schreckliche Erinnerungen hochkommen, die wir alle nicht wieder aufleben lassen wollen. Da kann es keinen Zweifel geben.
A) Haben wir wirklich Grund zur Sorge um die Demokratie?
1)Wenn ich die Diskussion um das Parteienverbot bedenke, so scheint doch die Mehrheit dafür zu sein, diesen Verbotsweg für die AfD jetzt nicht zu begehen, wenigstens nicht jetzt. Aussicht ungewiss!
2)Was die Frage der Handlung gegen einzelne Personen betrifft, so werden wir sehen, ob nach einer Petition von 1,6 Mio. Menschen ein Verfahren nach Art. 18 GG eingeleitet werden wird.
3)Verschärfung/Änderungen des GG dergestalt, um unser GG gegen (Rechts)-radikalismus besser zu schützen, z.B. hinsichtlich des Einflusses auf die Besetzung des Bundesverfassungsgerichts: Fehlanzeige. Die CDU/CSU u.a. sehen keine Notwendigkeit.
Wenn man das bedenkt, drängt sich die Frage auf:
1)Wieso fällt uns das alles jetzt er auf, wo die vorgebrachten Dinge (incl. Remigration, bekannt seit 2020/21) wirklich nicht neu sind. Was dann wirklich bei der AfD dazu gekommen ist: Man weiß es nicht genau.
2) Wenn ich die vorstehenden Punkte 1-3 bedenke, dann meine ich doch einen Widerspruch klar ausmachen zu können, zwischen der Gefährdungen der Demokratie über die landauf landab berichtet wird und dem Verhalten der „demokratischen Parteien“ (Sorry: wie hätte ich CDU/CSU, SPD, Die Grünen, FDP sonst bezeichnen sollen, hätte ich die LINKE dazufügen sollen, auch die BSW? Ich weiß es nicht, was der Political Correctness besser entsprochen hätte). Wieso ist da so ein großer Problem, wo uns doch die Fachleute sagen: Rechtlich ist alles in trockenen Tüchern, keine Notwendigkeit des Handelns, wenn, dann Ungewiss…?
Zu dem rechtlichen Möglichkeiten 1-3 gibt es wie bekannt noch Möglichkeiten den wehrhaften Rechtsstatt in Anschlag zu bringen, durch Mittel der Exekutive, das Finanzquellen stilllegen, u.a. Schulungen, Mittel der Öffentlichkeit…Sie werden genutzt oder sind in Vorbereitung. In die gleiche Richtung geht es, wenn das Bundesamt für den Verfassungsschutz in Kürze- wie gerüchteweise verbreitet – die AfD als bundesweit „gesichert rechtsradikal“ klassifizieren sollte. Dann erweitern sich die Möglichkeiten.
„Der Inlandsgeheimdienst kann die AfD dann unter volle Beobachtung nehmen. Dafür stehen ihm alle Instrumente zur Verfügung. Der Verfassungsschutz kann dann zum Beispiel Informanten aus der Partei anwerben, Personen observieren, die Kommunikation abhören oder die Finanzströme nachverfolgen. Vieles davon ist schon früher möglich. Die Hürden für so eine Überwachung sind dann aber nicht mehr so hoch wie bei einem Verdachtsfall.“ (BR).
All das hat zum Vorteil: Die AfD ist in der Defensive. Die AfD muss den Rechtsweg beschreiten und erstreiten, dass Rechtswidrigkeit besteht. Zudem: Das würde ein Verbotsverfahren später einfacher und aussichtsreicher machen.
Wie das alles auf das Wahlverhalten der Bürger sich auswirken wird? Man wird sehen.
B) EUROPA zerstören
Ich habe mir die Rede angehört. Man kann das nun als „Zurück zur Macht“ definieren, wie es bei Ihnen angekommen zu sein scheint. Man kann es aber auch emotionslos tiefer hängen und ist dann im Inhalt weniger oder nicht geschockt. Jedenfalls scheint die Rede recht unbedarft und laienhaft, so wie Klein-Fritzchen sich das vorstellt, mit allen Vorurteilen gepflastert:
Sein Hinweis, stolz zu sein sagen zu können, dass er dort im EUParlament nicht als Europäer auftritt, sondern als Deutscher, soll klar zum Ausdruck bringen, dass er zunächst die Interessen Deutschlands dort vertreten will. Das muss er falsch verstanden zu haben. Er vertritt dann nicht mehr D, sondern die EU. Als Mitglied des EU-Parlaments hat er die Interessen der Gesamt EU zu vertreten. Auf Fraktionsebene sind die gewählten Parteien nach Parteiengruppierungen organisiert (also international), erst unterhalb der Fraktion nach Nationen. Dort fließen dann de facto nationale Interessen ein. Abgestimmt wird aber nicht nach Nationen, sondern nach Fraktionen..
Dass Droese den Begriff „Regenbogenimperium“ übernimmt, der zu beseitigen ist, sollte sie nicht überraschen. Dass der Green-Deal und die weichen Themen der EU nicht nur Freunde haben, bei denen , die es umsetzen sollen (Industrie, aber auch Private) , sollte keinen überraschen. Nicht zuletzt wird der Bürokratismus beklagt. Das hat die AfD aufgegriffen. Und trifft einen Nerv der Bevölkerung und Industrie, insbesondere Mittelstand . Damit lässt sich leicht punkten. Die demokratischen Parteien greifen es nicht auf, da sie beteiligt sind am Dilemma.
Die Anmerkungen zu EU, Ihrer aktuellen Verfasstheit sind und nicht neu, sondern weitgehend unter Kritikern der EU, üblich. Bedenken wir, dass das EU- Parlament kein Initiativrecht hat, in bestimmten Politik-Bereichen nur am Rande mit befasst ist, und im normalen Gesetzgebungsverfahren eine deutlich schwächere Stelle als der Bundestag z.B. hat. Er muss nämlich zu einer Einigung mit Rat des EU (Ministerrat) kommen, der gleichberechtigt ist. Über allem schwebt dann noch der Europäische Rat (Gremium der Regierungschefs), der ohne eigentliche demokratische Kontrolle die WICHTIGEN politischen Entscheidungen trifft. Wie wir kennenlernte, wurde der Präsident der EU nicht vom Parlament gewählt, sondern im kleinen Kreis bestimmt und dann bestimmt. Das kann man sehr wohl als den Personalausschuss des AR in der Privatwirtschaft ansehen (wenn man es so definiert und erklärt).
Sie bringen Ihre Sorge zum Ausdruck, die AfD wolle die EU und deren Struktur zerstören. Das hat Droese auch gesagt, weil nach seiner Auffassung die EU in der jetzigen Form nicht reformierbar ist. Da bin ich aber relaxt: Die Wortwahl des beschriebenen Herrn Droese wird sich ändern, wenn er überhaupt etwas bewegen will im Parlament und mit anderen. Zudem sind die finanziellen Verflechtungen innerhalb der EU derart, dass eine Rückabwicklung mir unmöglich und zu Lasten D erfolgen würde. Die wirtschaftliche Verbundenheit ist bekannt…
Es wird ganz darauf ankommen, welche Rolle die AfD überhaupt im EU-Parlament bekommen kann, ob sie Teil der rechten Fraktion zusammen mit der RN Le Pens z.B. wird. Das ist keineswegs ausgemacht.
Aber: Es ist auch kein Zweifel, dass die Struktur der EU seit Beginn umkämpft ist. Die Idee „Europa der Vaterländer“ von de Gaulle in den diversen Varianten sind keineswegs tot. Die Verfechter eines großen europäischen Zentralstaates (dazu würde ich D zählen, dort mit starker atlantischer Anbindung) sind keineswegs auf der Siegerstraße. Das hat nichts mit Nationalismus alleine zu tun. Es ist auch eine Frage, wie das Prinzip der Subsidiarität am besten berücksichtigt wird.
Wegen des seit Jahren schwelenden Konfliktes hat bereits Claude Juncker in 2017 den Ländern sein „Weißbuch zur Zukunft Europas „ veröffentlicht und 5 Strukturvarianten vorgelegt, über das bis heute aber nicht entschieden ist.
https://commission.europa.eu/publications/white-paper-future-europe_de
Sehr schade, dass man da nicht weitergekommen ist. Das rächt sich jetzt.
Also improvisiert man weiter und arbeitet aber dennoch an einer Erweiterung.
C) Wie Vorgehen gegen die AfD?
Der ehemalige Richter des Bundesverfassungsgerichts Peter Müller antwortet in der Rheinischen Posten vom 9.3.24 auf die Frage, was man gegen die AfD tun sollte:
Erstens geht es darum, den Menschen deutlich zu machen, dass die AfD keine Lösungen für die Probleme unserer Zeit hat. Zweitens muss man die Themen ernsthaft bearbeiten, die dazu führen, dass Menschen sich veranlasst sehen, über eine Wahl der AfD nachzudenken. Die beste Strategie gegen die AfD ist eine problembewusste und überzeugende Politik. Ein zentrales Thema dabei ist die Migration.
Sie , lieber Herr Wolff, benutzen hier noch ein weiteres Tool: Sie bringen uns einzelne Personen der AfD in Ihrer Verwirrtheit und Laienhaftigkeit nahe (Ihre Rede vom 21.2.24) und kämpfen an allen Fronten.
E) Niemals niemals..
Nachdem die Deutsche Bischofskonferenz die Sorge um die Demokratie auch umtreibt, hat sie bekannterweise mit der Erklärung vom 22.2.24 klargemacht: Wer Parteien wählt, die mindestens in Teilen vom Verfassungsschutz als „erwiesen rechtsextremistisch“ eingeschätzt werden*), der stellt sich gegen die Grundwerte des menschlichen Zusammenlebens und der Demokratie in unserem Land. (* Landesverband Sachsen).
Hinzu kommt, dass die EVP für Europa als Ziel im Zusammenhang mit der Migration das Ruanda Modell favorisiert. Von der Leyen erklärt, wir entscheiden, wer nach Europa kommt. Schließlich gibt es Demos und die Ministerpäsidentsitzung in Sachen Migration war auch erfolgreich, wie man hört.
Es sollte alles Gut werden, lieber Herr Wolff.
D) Nicht nur Gefahr von Rechts und ganz Rechts
Bei aller Sorge um Rechts in der verfassungswidrigen Form, müssen wir feststellen, dass die Demokratie und die Zukunft Deutschlands ganz sicher auch von Links bedroht ist (Angriff auf Tesla z.B.). Komischerweise geht man hier schnell zur Tagesordnung .
Für manche ist eine Aushöhlung im Innern im vollen Gange, von links-grün , so wird es jedenfalls auch Vielen empfunden. Mal gut, sich die andere Seite anzuhören. Einige Aspekte dazu trägt das ein Berufskollege, Peter Hahne vor, u.a. ehemaliger Theologe vor:
https://youtu.be/GbmqTL4oeLY?si=cseu095xTOOx_3Bc
Schwere Entscheidungen , vor denen der Wähler steht, wenn er zur Wahl geht.
Ganz nebenbei müssen wir noch eine Strategie in Sachen Ukraine entwickeln. Schwere Zeiten.
„Schwere Entscheidungen , vor denen der Wähler steht, wenn er zur Wahl geht.“
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Ich wähle seit 34 Jahren die gleiche Partei. Dabei ärgere ich mich über einen Teil ihrer handelnden Personen genauso wie über bestimmte inhaltliche Positionen. Es wird mir sehr schwer fallen, die Partei MP Kretschmers wiederzuwählen, insbesondere wegen seiner prorussischen Haltung – jetzt erst wieder Beifall für den Papst. Deshalb immer Briefwahl – ab in den Briefkasten und vorbei ist es.
Ob man für die „Zerstörung Europas“ die AfD braucht? In Finnland und Lettland gibt es längst Pushbacks gegen Geflüchtete, die nach EU-Recht verboten sind – aber der Krieg gegen Russland rechtfertigt solche Rechtsbrüche. Jetzt wollen auch die EU-Konservativen eine Art von „Ruanda“-Lösung für Asylbewerber:innen, so wie Sunak und Meloni sie sich wünschen (jüngst von Jean Asselborn beklagt: https://www.spiegel.de/ausland/jean-asselborn-zur-migrationspolitik-die-selbstentwertung-der-eu-a-67ac3c49-e7b8-4ee3-a8c3-2ca956da231b). Und als das neue Virus im Februar 2020 kam, hat die AfD natürlich sofort Grenzschließungen gefordert – und Merkel/Spahn/Lauterbach haben geliefert. Unvergessen ist die Rede von Christian Wolff am 23. Mai 2020 auf dem Leipziger Marktplatz, als das Grundgesetz gefeiert werden sollte, wo aber mit keinem Wort über die menschenrechtswidrigen Grenzschließungen geredet wurde, die zu dem Zeitpunkt noch in Kraft waren. Viele Wochen lang durfte ich meine Schwester in Österreich nicht besuchen! Das war nationalistische/rechtsextreme Politik aus Berlin, wie ich sie mir in meinen schlimmsten Alpträumen nicht vorgestellt hätte. Wo war da der EuG für Menschenrechte? Warum gab es keine Rücktritte, als der Irrsinn dieser Politik offensichtlich wurde? Warum haben sich Gesine Oltmanns und ihre Freunde noch nicht für ihre verbalen Übergriffe auf friedliche Demonstrierende entschuldigt? Diese Fragen warten noch auf ihre Antwort. Vielleicht kopmmt jetzt ja die Enquête-Kommission des Bundestages, nachdem sich Seehofer nun für seine falsche Politik entschuldigt hat. Und ganz am Schluss vielleicht auch die Entschuldigung von Burkhard Jung („Wir brauchen mehr 2G“)?
Irgendwie scheinen Sie sich in einer Entschuldigungs-Endlosschleife verirrt zu haben.
Die Demokratie erträgt einen Haspelmath locker, auch wenn er nicht nur etwas monothematisch, sondern auch noch eher albern ist mit seiner Entschuldigungsmanie. Er scheint ein nachträglicher Besserwisser zu sein, der die Bilder aus Bergamo, die Zahlen aus Großbritannien und den USA, aus Spanien und vielen anderen Ländern vergessen hat, weil sie nicht in seine nachträgliche Schlaumeierei passen. Welch ein Drama, dass er in Zeiten von zoom, von Internet und Whatsapp, etc, seine Schwester nicht besuchen konnte, und wir alle haben sicher Verständnis dafür, dass dies prioritär hätte sein müssen gegenüber der Bekämpfung einer Pandemie, die Hunderttausende das Leben kostete. Dass die damaligen Politiker nicht erkannt haben, dass Haspelmaths Bewegungsfreiheit und seine abstruse Meinung zum den im GG garantierten Rechten wichtiger sind, als die Wahrnehmung der beeideten Verantwortung, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, ist wirklich entschuldigungsbedürftig. Dies alles MIT der Erfahrung aufzuarbeiten, ist richtig und notwendig; dass man das heutige Wissen den damals Verantwortlichen rechthaberisch und besserwisserisch unterstellt und sich auch noch persönlich als Opfer darstellt, zeigt nur, dass – wie es in einem Donna-Leon-Film heißt – sich in manchen Köpfen nur das Kaugummi bewegt. Aber dafür muss man sich ja nicht entschuldigen.
Andreas Schwerdtfeger
Lieber Herr Schwerdtfeger,
von Ihnen das Wort „Entschuldigungsmanie“ (+ nachfolgende Ableitungen und Zu-schreibungen) ist doch recht erstaunlich, ja belustigend.
Vor nicht all zu langer Zeit war ja noch zu befürchten, dass uns mit Ihnen ein neuer Cato entstehen würde: Gefühlt 150X war von Ihnen zu lesen:
Im übrigen bin ich der Meinung, dass sich Herr Wolff entschuldigen sollte!
(irgendwas mit über Leichen gehen)
Hinsichtlich Bilder aus Bergamo sind Sie schlecht informiert – das war eine Zeitungsente:
https://www.br.de/nachrichten/kultur/der-militaerkonvoi-aus-bergamo-wie-eine-foto-legende-entsteht,TJZE6AQ
Ruhig einmal die Mühe machen bis zum Ende zu lesen.
Ja, da haben wir wieder einen Neun-mal-Klugen: Sie irren, Herr Breuer. Bringen Sie ein Zitat von mir, in dem ich Wolff aufgefordert hätte, sich zu entschuldigen! Ich habe ihm eine Äußerung vorgeworfen, die seinen eigenen Prinzipien nicht entsprach und ihn aufgefordert, diese Äußerung zurückzunehmen oder sich von ihr zu distanzieren. Eine Entschuldigung habe ich nicht gefordert – ich halte nicht sehr viel von Entschuldigungen als Floskeln. Aber Sie haben ja auch nur „gefühlt“ gelesen.
Und die Bilder von Bergamo beschränken sich nicht auf einen Lkw-Konvoi – also auch hier nicht viel Substantielles von Ihnen.
Andreas Schwerdtfeger
Immer wieder das gleiche Problem, Herr Wolff, das ich jedenfalls an Ihren Beiträgen so bedauere: Dass Sie nämlich etwas durchaus Richtiges schreiben und anmahnen, aber rein gar nichts vorschlagen, um dieses Richtige auch zu erreichen. Ihr Schlußsatz jetzt ist dafür Beispiel: „Niemals, niemals dürfen (diese Leute) in unserem Land und in Europa das Sagen bekommen!“ Ja, und? Derzeit haben sie 20%, im Osten noch mehr, und das ist alles, was Ihnen einfällt?
In diesem Beitrag geht es um Europa, das die AfD nach eigener Aussage (nicht nur Droeses) zerstören will. Also schreiben Sie uns doch mal, wie man das verhindern könnte. Reicht ein Hinweis auf unser Grundgesetz aus, als wäre ein solcher Text – so wichtig und richtig er ist – schon genug, um der AfD entgegengehalten zu werden? So lange Ihnen nichts einfällt, als uns immer irgendwelche Weisheiten zu liefern, die keinerlei konkreten politischen Lösungsansatz enthalten – „Friedenstrategie“, „Soziale Gerechtigkeit“, „ein möglichst niedriges Maß“, „die Debatte der Kriegsspirale verlassen“ -, werden Sie nicht überzeugen können.
Die EU ist eine der wichtigsten Friedensideen des letzten Jahrhunderts. Es ging (und geht?) ihr um Internationalisierung von kriegswichtigen Industrien, um Jugendaustausch und gemeinsame Jugendbildung, um gegenseitiges Kennenlernen von Geschichte und Kulturen, um Verständnis, Toleranz und die Selbstverständlichkeit von Begegnungen über Grenzen. Es ging ihr auch um die Verschmelzung von Handel und Gewerbe, über Zusammenarbeit in Technik und Forschung und um eine gemeinsame europäische Sicherheit in Partnerschaft mit der amerikanischen Gegenküste. Viele dieser Ziele sind erreicht, ja, sie sind den heutigen EU-Bürgern so selbstverständlich, dass ihre Erreichung kaum noch wahrgenommen, vielmehr als selbstverständlich angesehen wird.
Ein solcher Zustand birgt Gefahren, denn er verschleiert die Tatsachen, dass Selbstverständliches nicht (mehr ) geschätzt wird und dass das Erreichte vielen als genug erscheint und Initiative, Impulse und Interesse an und Mut zu Neuem ausbleiben. In diesem Zustand ist die EU heute, die also zu Recht in der Kritik steht: Wegen ihrer Bürokratie und starren Richtlinien in der Zusammenarbeit (richtig für den Urzustand von sechs Mitgliedern, akzeptabel für den Zwischenstand von zwölf Mitgliedern, hinderlich und schädlich seitdem für den jetzigen Stand von 27 Mitgliedern), wegen der divergierenden politischen Interpretationen rechtlicher, sozialer, innen- und außenpolitischer Fragen sowie erheblicher wirtschaftlicher Divergenzen und vielleicht auch wegen bestimmter Gefällelagen und klar erkennbarer Egoismen (auch deutscher!), die zu Vorwürfen und Forderungen führen und sie häufig als ein Bündnis der faulen Kompromisse, der gegenseitigen Erpressung und der bürokratischen Verschwendung erscheinen lassen. Dies alles nutzt die und nutzt der AfD.
Die EU braucht dringend ein neues Konzept. Den deutschen Politikern fällt dazu nicht viel ein, außer dass sie immer mal wieder – in Krisenlagen – eine verstärkte militärische und rüstungspolitische Zusammenarbeit ins Spiel bringen, die sie dann selbst gleich wieder torpedieren. Denn militärische Kooperation (eine „europäische Armee“) – Strack-Z, auch die Grünen haben das nicht begriffen – setzt einiges voraus: „Eine“ Außenpolitik, „eine“ Sicherheitskonzeption, „eine“ Rüstungs- und Rüstungsexportpolitik und also auch „einen“ jeweiligen Minister für diese Ressorts und nicht nur hilflose Kommissare. Das neue EU-Konzept – und das würde die AfD zum Schwur zwingen – muss ein Parlament enthalten, das eine Regierung kontrolliert, und nicht eines, das ein bisschen mitentscheiden darf, das keine wirkliche Exekutive als Gegenpol und Partner hat, keinen eigenen Haushalt, keine Visionen außer kleinkarierter Bürokratie und allzu hohen Diäten, Reisekosten, Parlamentssitzen und das zu vielen abgeflogenen nationalen politischen Größen (Strack-Z, Bütikofer zB) als Refugium dient.
Solange die EU derart angreifbar ist wie derzeit, darf man sich über populistische AfD-Attacken nicht wundern, denn sie bedienen tatsächliche (und tatsächlich richtige) Vorurteile eines großen Teils der Bevölkerung(en). Das Bauen eines neuen Europa ist das beste Gegenmittel und wohl wirksamer als ein Aufschrei „niemals, niemals“! Die EU, augenblicks, zerstört sich selbst durch Absinken in Kleinkrämerei mangels Muts zu neuen Ufern – die AfD hats leider leicht.
Andreas Schwerdtfeger
“ Droese fuhr jahrelang einen Mercedes-Combi mit dem Kennzeichen L-AH 1818.“
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Es gibt ein Foto von seinem Besuch des „Führerhauptquartiers Wolfsschanze“ im ehemaligen Ostpreußen.
„Seine rechte Hand hält der Bundestagsabgeordnete auf Höhe des Herzens; die Mütze hat er abgenommen.“
© Leipziger Zeitung https://ogy.de/eas7