Es ist schon erstaunlich: In gleich zwei großen Artikeln setzt sich die Wochenzeitung DIE ZEIT mit der Entfesselung radikaler Extremisten und Populisten auseinander – und das unter dem Titelbild einer entschlossen dreinblickenden Alice Weidel (AfD): „Entfesselt radikal“. Doch wer nun auf eine fundierte Analyse der Propaganda der Trumps, Kickls und Weidels hofft, sieht sich enttäuscht. Da wird zum einen von Heinrich Wefing unter der Überschrift „Die Hoffnung wechselt die Seite“ dargelegt, dass in vielen Ländern dieser Erde voller Hoffnung auf die Trump-Administration geblickt wird. Gleichzeitig wird die These vertreten, dass das radikal woke Auftreten der Demokraten in den USA Schuld an der Wiederwahl Trumps sei – so als seien die Wähler:innen Trumps arme Opfer verfehlter Politik der Demokraten. Man fragt sich, was Wefing uns damit signalisieren will … vielleicht die in inzwischen dutzendfachen Variationen vorgebrachte Beruhigungsfloskel: Habt euch nicht so, alles nicht so schlimm? Zum andern scheint Jochen Bittner in seinem Artikel „Die Rechts-links-Schwäche“ dem Narrativ der international organisierten und vernetzten Rechten vom angeblich rot-grün-versifften Mainstream auf den Leim zu gehen. Er meint den „engagierten Demokraten“ einen Balken aus den Augen ziehen zu müssen mit seiner Kernthese: „Denn zu einer ehrlichen Bilanz gehört, dass der furchtlose Ideenaustausch und der intellektuelle Wettbewerb immer stärker verdrängt wurden von vermeintlich einzig wahren progressiven Lehren.“ Ich weiß nicht, in welcher Welt sich Jochen Bittner bewegt. Aber ich gehe einmal davon aus, dass er sich sicher nicht unterstellen lassen möchte, ein angepasster, verängstigter, der Kritik ausweichender Journalist zu sein. Des Weiteren gehe ich davon aus, dass er als kritischer Journalist es nicht nur ertragen kann, sondern auch für erforderlich hält, Widerspruch zu erfahren – und nicht jeden sog. Shitstorm als unanständigen, den Meinungskorridor einschränkenden Angriff empfindet. Geradezu entlarvend mutet die Zeichnung über seinen Artikel an: eine als Pistole geformte Hand, deren rot gefärbter Zeigefinger den Schusslauf abbilden soll; darunter die Zeile: „Und raus bist du: Wer nicht nach linker Doktrin lebt, denkt und handelt, ist kein guter Mensch?“ Was soll diese Reminiszens an seit Jahren ständig wiederholter Propaganda angeblich eingeschränkter Meinungsfreiheit – die vor allem von Leuten permanent wiederholt wird, die nicht nur frei ihre Meinung äußern können, sondern auch denen den Weg bereiten, die den Freiraum für die Verbreitung von Lügen schaffen wollen?
Beide Artikel sind ein durchaus erschreckendes Beispiel dafür, wie schnell sich auch Journalisten einer angesehenen Zeitung beeinflussen lassen von durch Wahlen und Umfragen festgestellten Stimmungen in der Bevölkerung – und das nur ein Jahr nach dem millionenfachen Aufschrei vieler Menschen angesichts der unverhohlenen Absicht rechtsradikaler Kreise, an allen Grundrechten vorbei Deutschland/Europa von Migrant:innen zu säubern. Da kann es nicht verwundern, dass in den Artikeln mit keinem Wort kritisch reflektiert wird, warum gerade die Ampel-Parteien nach den Demonstrationen im Januar und Februar 2024 nicht den Impuls zur Stärkung der repräsentativen Demokratie aufgegriffen und politisch umgesetzt haben. Ich frage mich, warum werden in beiden Artikeln null Überlegungen darüber angestellt, wie es gelingen kann, Menschen von dem grundsätzlichen Vorteil demokratischer Prozesse in Wirtschaft und Gesellschaft zu überzeugen? Warum kein Kopfzerbrechen darüber, wie es sein kann, dass Dauerlügen, menschenunwürdiges Niedermachen des politischen Gegners, unverhohlene Rechtfertigung von Gewalt, rassistische Rhetorik und Anzettelung eines Staatsstreiches am 6. Januar 2021 unter Bürger:innen so viel Zustimmung finden können? Sehen Bittner und Wefing in AfD-Wähler:innen nur unmündige Trottel, die leider gezwungen sind, sich den Metzgern der Demokratie und der Menschenwürde auszuliefern? Oder wächst sich inzwischen nicht zu einem riesigen Problem aus, dass A-Moralität gepredigt wird, um menschenwürdige Maßstäbe aus dem politischen Raum zu verbannen? Warum also wird vor der Gefahr gewarnt, „Moralvorstellungen absolut zu setzen“, wo doch das eigentliche Problem ist, dass die radikale Entfesselung rechtsextremer Politik jegliche, die menschliche Hybris steuernde Moralvorstellungen systematisch zerstört? Das Problem ist doch nicht, dass diejenigen, die das umstrittene Selbstbestimmungsgesetz verteidigen, sich dabei „Schmähbegriffe“ bedienen. Das Problem ist, dass inzwischen viele Bürger:innen in einer demokratischen Partei, die wie die CDU gegen das Selbstbestimmungsgesetz ist, keine Alternative mehr sehen.
Für mich ist nur schwer nachzuvollziehen, dass eine Wochenzeitung wie DIE ZEIT eine solche Wende vollziehen kann. Polemisch gesagt: Auf Gott sei Dank noch niedrigem Niveau, aber von der Struktur ganz ähnlich, scheint sich auch in Hamburger Redaktionsstuben etwas abzuspielen, was mit unvergleichbarer Wucht von Musk, Zuckerberg, Bezos in ihren Meinungskonzernen und Zeitungen derzeit vollzogen wird. Deren Bücklinge vor Donald J. Trump, der – im vollen Wissen darum, dass er ein proletenhafter Dauerlügner, ein Putsch-Initiator und verurteilter Straftäter, ein Rassist, ein raff- und rachsüchtiger Abzocker, ein Verachter der Menschenwürde und des demokratischen Rechtsstaates ist, von der Mehrheit der Wähler:innen zum 47. Präsidenten der USA gewählt wurde, offenbaren in atemberaubender Weise, wie ein autoritär-demokratiefeindlicher Mainstream einer Gesellschaft brutal implementiert werden kann. Grundwerte eines menschlichen, demokratischen Zusammenlebens werden systematisch abgeräumt. Dafür wird von Mark Zuckerberg „maskuline Energie“ beschworen und die „Aggression“ als wesentliches Element der neuen Firmenkultur eingeklagt. Das nun wieder schönzureden als schier unausweisliche Konsequenz angeblich linker, woker Ideologie, ist mehr als lächerlich. So wird leider mit beiden Artikel in der aktuellen Ausgabe der ZEIT kein Balken aus den Augen der Leser:innen gezogen, sondern ein klarer Blick auf die Gefahren des rechtsextremen Autokratismus und seiner Claqueure vernebelt. Hoffentlich regt sich auch in der ZEIT-Redaktion kräftiger Widerspruch gegen diese ZEITenWENDE.
35 Antworten
Obwohl ich leider seit Langem keinen Blog-Beitrag von Christan Wolff mehr gelesen habe, aber inzwischen dennoch Augen und Ohren für Nachrichten aus aller Welt offen gehalten habe, muss ich eingestehen, dass ich mich seiner obigen Einschätzung voll und ganz anschließe.
Auch mich erschreckt es zutiefst, das auf den heutigen Tag – seit Monaten – zunehmende wendehälserische Verhalten diverser Journalisten zu bemerken.
Kommt es aus deren eigenem Antrieb und Überlebenstrieb heraus, oder wird das gesteuert, dass man vermehrt noch gehört, gekauft, gesendet wird, wenn man „wohlfeile“ Artikel verfasst?
Journalismus wird leider zu oft nur über Werbeeinnahmen verkauft. Will man denn so Werbekunden gewinnen, oder wenigstens nicht verlieren, indem man in dieser Richtung Einfluss auf Journalisten nimmt?
Wie kann man es verhindern, sollte das so sein?
Müssen wir uns daran gewöhnen- à la „Wessen Brot ich ess´, dessen Lied ich sing“?
Für mich iste es auch unfassbar, wie nicht nur die reichsten Leute der Welt einer nach dem anderen nun plötzlich von ihrer zuvor durchaus auch demokratischen Haltung auf die ekelhafte trumpsche imperiale Doktrin aufspringen.
Mir wird angst und bange vor der Zukunft. Deshalb sollten wir zusammenhalten, nach innen, wie nach außen.
MfG Claus
Weder bin ich „Jünger“ von Chr. Wolff noch von M. Käfer (wie der Blog-Ewig-Wütende AS in dauerhafter Reprise seine Unendlichkeitskommentare prologisiert). Ich teile aber Haltungen, bin ich von deren Substanz überzeugt. In diesem Falle klare Zustimmung zu M. Käfers Resümee. Er zeigt auf, wo die tatsächlichen Probleme unserer gesellschaftspolitischen Gegenwart liegen und wo es bis dato keine gehaltvollen Lösungsansätze seitens der momentan heftig streitenden Parteien erkennbar sind. Allein das nebulös agierende Duo Merz/Söder, flankiert vom ehemaligen Verkehrsminister Dobrindt (allein dessen Sonntagsinterview im DLF von gestern offenbarte Wahrnehmungslücken von erschreckendem Ausmaß) öffnet für jede, jeden mehr Fragen als realpolitische Antworten. O. Scholz und seine nicht gerade Vehemenz versprühende Frau Esken sind in der Realität noch immer nicht angekommen und deren Wahrnehmungsverlust macht mich verzagt. Dass CDUCSU, FDP; SPD, LINkE tagtäglich verstärkend an Frustration sich gegen R. Habeck , also DIE GRÜNEN positionieren, ja um lediglich von eigenen Schwächen (und versprochene Lokalitäten ignorierend!) abzulenken (den Wähler mehr und mehr in die Ecke der Verdummten zu schieben) spricht nicht für Souveränität und grundgesetzlicher Substanz im eigenen Tun (oder auch Lassen).
Trump wird ab heute Präsident der USA sein, gewählt von einer überwiegenden Mehrheit eines Landes, eines Staates, welcher bisher (zumeist jedenfalls) die Qualität eine unumstößlichen scheinenden Fundamental-Demokratie nie antastete. Biden – Ischinger formulierte es gestern auf ARD bei C. Miosga fast gleichlautend mit dem aus den USA zugeschalteten Kenneth Weinstein (Politologe) – war kein entscheidend wirkender Präsident der Demokraten, vor allem, was den Krieg in der Ukraine anbelangt. Und dass er viel, viel zu spät den Weg frei machte für mögliche, ja nötige Nachfolger*innen bezeichnet eine Altersstarrheit, wie si in der Politik leider nicht selten vorkommt. Lt. Ischinger muss jetzt dringende Priorität haben, die EU selbstbewusst und stark zu machen – politisch, geopolitisch, sicherheitstechnisch, wirtschaftlich und überhaupt. Lange wurde es auch seitens DEU verschlafen; jetzt reagiert man auf jeden Schreckschuss eines Trump, was zudem teilweise ziemlich dürftig wirkt und unbeholfen.
Und was Herrn Precht, den Philosophen und Schriftsteller anbelangt: Kennen Sie, lieber Joh. Lerchner, realpolitische Lösungsideen für das, was er lautstark wie folgt in div. Talk-Shows kritisiert: „ „Auf allen Ebenen müssen Instrumente wirksam werden, welche die Spielräume für Fahrlässigkeit, Gier und Missbrauch verkleinern und soziale Verantwortung fördern.“ – Ja, und was nun?
Und ein Letztes, Herr Lerchner: Könnten wir uns darauf einigen, dass Putin ein Diktator, ein Kriegsverbrecher mit internationalem Haftbefehl, ein Poststalinist und ein Beispiel für menschenverachtende Autokratie ist, der die elementaren Menschenrechte wie in der UN-Charta: Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte beschrieben seit Jahren missbraucht, obwohl Russland Unterzeichner diese Erklärung ist. Zudem werden die Rechte und Freiheiten der Bürger der Russischen Föderation formal in Kapitel 2 der russischen Verfassung von 1993 fixiert.
Ich kann Ihre Affinität zu diesem Herrn nicht verstehen!
Und es wird ab morgen interessant, wie sich beide Autokraten (Trump versus Putin) begegnen werden; schaun wir mal. Es geht immerhin um die Beendigung eines von Putin betriebenen Krieges gegen ein Land wie das der Ukraine – seit 3 Jahren!
Und schaun wir auch etwas genauer hin, wie das heftig stolpernde BSW mit diesem Konflikt demnächst umgehen wird; Frau Wagenknechts Auftritte wirken wie eine überpersonalisierte Selbstdarstellung, aber was konkret soll ab 23.02. werden???
Guten Tag
„Furchtlosen Ideen-Austausch“ gab es in der Corona-Krise jedenfalls nicht – Minderheitenmeinungen wurden von Politikern und Medien gnadenlos abgekanzelt (oder gar zensiert, wie bei Facebook und YouTube). Der schwedische Epidemiologe Anders Tegnell wurde von Karl Lauterbach übel verunglimpft, und wer den schwedischen Weg verteidigte (der sich im Nachhinein noch als viel zu restriktiv herausstellte), wurde als „Verschwörungstheoretiker“ bezeichnet. Marginale Medien wie „Multipolar“ oder „Nachdenkseiten“ wurden immer wieder verunglimpft, leider auch hier. Dass die ZEIT sich jetzt opportunistisch in Richtung Trump und seiner Milliardäre bewegt, ist in keiner Weise überraschend – denn in den Jahren 2020-22 war sie opportunistisch auf der Seite der Lockdown-Befürwortenden. Auch in der ZEIT kamen Lockdown-Kritiker wie Ioannidis oder Ballweg praktisch nicht vor, oder nur negativ. Genau das rächt sich jetzt, aber es gab Leute (wie mich), die immer wieder vor diesem Szenario gewarnt hatten. Es ist sehr deprimierend, sich jetzt bestätigt sehen zu müssen… (Es würde mich nicht überraschen, wenn die ZEIT nach der Bundestagswahl, wo die AfD 25% der Stimmen erwarten kann, plötzlich auch die AfD eigentlich ganz Okay findet; denn diese Partei ist zumindest beim Militärbudget auf derselben Seite wie Pistorius, Habeck und Co.)
Es ist einfach nur traurig zu sehen, wie ein Wissenschaftler so abdriften so verblendet sein kann. Ja, in der Corona-Zeit wurden viele Fehler gemacht. Ich selbst habe in diesem Blog genug davon angesprochen. Nur hat mich das zu keinem Zeitpunkt dazu veranlasst, Leuten wie Ballweg oder den Nachdenkseiten auf den Leim zu gehen. Offensichtlich ist bei Herrn Haspelmath irgendwann Differenzierungvermögen verlorengegangen. Sehr bedauerlich!
In der Tat, es gehört ein erheblicher ideologischer Tunnelblick dazu und es ist geradezu lächerlich, die in den letzten Jahren stattgefundene Einengung des öffentlichen Meinungskorridors zu bestreiten, nicht nur Corona betreffend. Eine Elite-Selbstzuschreibung ändert daran nichts. Lang ist z. B. die Liste der Kündigungen von Veranstaltungsräumlichkeiten, um politisch unliebsamen Personen öffentliche Auftritte zu erschweren, oder von Druck auf Veranstalter, solche Veranstaltungen von vornherein zu unterbinden. Oft wird das fadenscheinig mit Antisemitismusvorwürfen oder Putin-Nähe begründet. Die Ausgrenzung von Anti-Mainstream-Meinungen erfolgt dabei subtil, nicht wie in einer Diktatur. Prof. Johannes Varwick von der Martin-Luther-Universität hatte seinerzeit beschrieben, wie es funktioniert, einen kalt zu stellen, sobald man eine differenzierte Sicht auf die Auseinandersetzungen mit Putin-Russland zeigt (https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/gastbeitrag-politikwissenschaftler-johannes-varwick-warum-realpolitik-im-ukraine-krieg-mich-ins-abseits-manoevriert-hat-li.303282). Außerdem sei allen Apologeten der herrschenden Zustände an der Meinungsfront die Lektüre des Buches „Die vierte Gewalt“ von Precht und Welzer (S. Fischer 2022) empfohlen, in dem die Mechanismen der fortschreitende Deformierung der Medienlandschaft ausführlich diskutiert werden.
Witzig ist, dass gerade ein Herr Bittner sich über eine Einengung der Meinungsvielfalt beschwert. Hatte er doch seinerzeit gemeinsam mit Joffe, dem damaligen Herausgeber der Zeit, eine einstweilige Verfügung gegen die ZDF-Sendung „Die Anstalt“ erwirkt, weil diese im April 2014 die enge Verquickung von Politik und diversen Medien (ZEIT, Bild, Süddeutsche) nachgewiesen hatte. Der spätere Gerichtsprozess ging übrigens zugunsten des ZDF aus. Vielleicht zeigt Bittner jetzt Lernfähigkeit, im Gegensatz zu anderen.
Natürlich kann man die Gender-, Eliten- oder Wokeness-Debatte wieder aufwärmen. Das ist auf alle Fälle bequemer (und vermutlich mehrheitsfähiger), als sich mit den Gefahren für die Demokratie, Chancengleichheit, Klimawandel und Nachhaltigkeit, des gegenwärtigen deutschen Wirtschaftsmodells und der internationalen Rolle Deutschlands und Europas in der Welt auseinanderzusetzen, angesichts der unmittelbar bevorstehenden Inauguration von Trump und der zu befürchtenden Wahlerfolge der unsäglichen AfD.
Fakten für mich sind:
Deutschland hat mit dem GG ein tragfähiges Wertefundament, die Gewaltenteilung funktioniert (noch) und wird (bislang) nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Jede:r potenzielle:r Wähler:in der AfD muss sich jedoch darüber im Klaren sein, was er/sie mit seinem/ihrem Kreuz am 23.2. anrichten kann!
Der wichtigste und tragfähigste Rohstoff für Deutschland ist die (Aus- und Weiter-) Bildung, nicht Bodenschätze oder Land. Wir dürfen uns nicht weiter leisten, dass berufliche Qualifizierung primär vom Elternhaus, der Herkunft oder dem Wohnort abhängt.
Die Grundideen unseres Renten- und Steuersystems passen nicht mehr ins Jahr 2025 und folgende.
In der Gleichberechtigung von Mann und Frau haben wir zwar ein paar Fortschritte erzielt, es bleibt aber noch immens viel Luft nach oben (leider haben wir uns im Zuge der Wiedervereinigung eine genauere Analyse der in der DDR durchaus auch vorhandenen Vorteile geschenkt).
Der Klimawandel schreitet immer schneller voran, das Erreichen von „Kipppunkten“ könnte durchaus in den nächsten Jahren passieren, mit schwer abzuschätzenden Folgen (und Kosten!). Das erfordert neben einem bloßen Umdenken auch persönliche Einschränkungen (mehr ÖPNV, weniger CO2-emittierender Energieeinsatz, z.B. durch Tempolimit, feste Termine für ein Verbrenner-Aus, weniger Flugreisen, insbesondere für Kurz- und Zubringerstrecken, weniger Kreuzfahrten, Müll-Vermeidung und vieles mehr). Und man sollte sich ernsthaft überlegen, ob da das populistische „Grünen-Bashing“ (Öko-Diktatur, „die wollen uns vorschreiben, wie wir zu leben/was wir zu essen haben“) weiterhilft.
Deutschland hat Jahrzehnte auf die Automobilindustrie und Chemie gesetzt, vom billigen (russischen) Gas und Öl und der „Friedensdividende“ (USA bezahlt für unsere Verteidigung, das Putin-Russland und China spielten allenfalls als Exportmärkte eine Rolle) profitiert; einflussreiche Lobby-Gruppen haben den rechtzeitigen Umstieg auf E-Mobilität und den Auf-/Ausbau der erneuerbaren Energien verzögert; eine Privatisierungs-Euphorie im Verkehrs-, Wohnungs- und Gesundheitswesen war angesagt.
Wir haben uns lange als Lehrmeister für Fragen der Staatsverschuldung verstanden, das Migrationsthema, die europäische Zusammenarbeit und den Klimawandel vernachlässigt.
Am 23.2.25 stehen all diese Themen für ein grundlegendes Umdenken an; wir können damit auch nicht bis zur nächsten Wahl warten (Gorbatschow: Wer zu spät kommt…)!
Lieber Herr Wolff,
Ich möchte Ihnen unbedingt zustimmen, in der Beurteilung der beiden Artikel in Zeit und Spiegel. Ich finde auch, dass sie kläglich sind und einer beschämende Art Selbstaufgabe ähneln.
Aber man kann natürlich über strategische Fehler der amerikanischen, wahrscheinlich auch der europäischen linken Demokraten nachdenken. Und darüber gibt es in Amerika schon lange eine sehr differenzierte und kluge Diskussion. Besonders möchte ich da den Namen Sam Harris nennen, einen Youtuber, der diese Problematik seit langem reflektiert. Und die Geschichte dieses Nachdenkens geht zurück bis Richard Rorty, dem großen amerikanischen Philosophen des Pragmatismus, der einige Jahre vor seinem Tod schon über strategischen Fehler der amerikanischen Demokraten geschrieben hat. Ganz kurz zusammengefasst wird der Fehler so benannt: Zu lange habe die Identitätsfrage im Mittelpunkt gestanden (also die sexuelle, die geschlechtliche die ethnische Identität). Natürlich bezweifelt kein vernünftiger Mensch, die grundsätzliche Berechtigung von deren Anliegen. Aber wenn diese Problematik alle anderen Fragen überwölbt, wird es problematisch. In diesem Fall wurde die zentrale soziale Frage, die Interessen der Arbeiter, der Lohnabhängigen, der Minijobber, kurz aller derer die in diesem modernen Kapitalismus weiterhin ausgebeutet werden an den Rand gedrängt worden – mit schrecklichen Folgen. Wenn deren Gemeinsamkeiten und deren gemeinsamen Interessen nicht mehr im Zentrum einer linken demokratischen Politik stehen, verliert sich das Gefühl der Solidarität. Die Arbeiter fühlen sich nicht mehr als politisches Subjekt und waren deshalb oft offen für die Propaganda der Rechten. Die dramatischen Folgen sehen wir in dem Wahlverhalten der so genannten kleinen Leute. Über diese strategischen Fehler sollte man schon nachdenken.
Aber die Linke für die Siege der Rechten verantwortlich zu machen, ist dann auch wieder pervers. Die Rechten haben systematisch für ihre Siege gesorgt. Da gibt es mittlerweile viele Untersuchungen darüber. Seit der Teaparty Bewegung und schon davor gibt es systematische Anstrengungen von rechten Thinktanks die Meinung der Menschen zu beeinflussen. Besonders wichtig waren im Fall in Amerika reaktionäre lokale Radiosender, später dann Murdochs Fernsehsender. Und die waren gut vorbereitet auf die Epoche der sozialen Medien. Sie hatten in dieser Radio Vorbereitungszeit sehr gut gelernt, wie man Hetzkampagnen organisiert, wie man Fake News produziert, wie man die Gegenseite verunglimpft, Verschwörungstheorien produziert usw. Das soll man nicht unterschätzen. Es war eine gründliches systematisch geplantes Vorhaben, das wesentlich mit zu den beklagenswerten Folgen beigetragen hat.
Die inkriminierten Artikel sind im Grunde nichts anderes als ein Erfolg dieser rechten Propaganda und Manipulation Genau solche Ergebnisse werden angestrebt. Die mainstream Diskussion wird systematisch unterlaufen und den Zwecken der Rechten dienstbar gemacht
Ich schlage vor:
Nehmen wir als gute Demokraten den Sieg Trumps einfach mal hin ohne zu hadern und jetzt schon den Kampf zu beginnen. Der Souverän hat entschieden.
Im übrigen gibt es einen Rechtsrahmen, auf den wir vertrauen sollten (A). Darüber hinaus funktioniert das Prinzip „ Macht erzeugt Gegenmacht“ immer. Manchmal dauert es.
Folgen wir dem Hannah Arendt zugeschriebenen Satz: „Hoffen Sie auf das Beste, seien Sie auf das Schlimmste gefasst und nehmen Sie es, wie es kommt.“. Kämpfen Sie für Beste, würde ich hinzufügen.
Diejenigen, die politisch anderer Ansicht sind, sollten den letzten Satz im Artikel von Welfing verinnerlichen und ernst nehmen.
„Kann sein, dass Trump alle Hoffnungen, die in ihn gesetzt werden, in kürzester Zeit zunichte macht. Darauf zu hoffen, aber ist keine politische Alternative. Eher müssten seine Gegner und Kritiker dringend darüber nachdenken, wie sie selbst wieder Hoffnung stiften können.“
NICHT KLAGEN UND NIEDERMACHEN IST GEFRAGT, sondern das Aufzeigen und Umsetzen von alternativen Lösungen für den Souverän und Führungsstärke zur Findung eines gemeinsamen Zieles.
( Das gilt natürlich auch für die politische Auseinandersetzung in unserem Land)
Für christlich fundierte Menschen gehört dazu: Das christliche Menschenbild gilt immer, auch bei Menschen, deren Ansichten ich nicht teile. Auch ein Trump und eine Frau Weidel sind ein Ebenbild Gottes und verdienen menschlichen Respekt.
Vor allem verdienen sie es, täglich daran erinnert zu werden … Im Übrigen: Niemand bestreitet, dass Trump in einer demokratischen Wahl zum Präsidenten der USA gewählt worden ist (im Gegensatz zu ihm selbst im Jahr 2020/21 und bis heute!). Das aber macht aus Donald Trump keinen Demokraten. Vor allem hindert ihn das nicht daran, die Demokratie zu zerstören. Das einfach hinzunehmen, ist äußerst gefährlich. Nur, dass hier wichtige Glaubensüberzeugungen nicht zum süßlichen Brei vermatscht werden: Das biblische Menschenbild geht davon, dass jeder Mensch – unabhängig von seiner Lebensweise – Anspruch auf Menschenwürde hat. Dieser Anspruch schließt aber nicht aus, dass Menschen, die selbst die Menschenwürde mit Füßen treten und anderen vorenthalten, entsprechend kritisiert und – falls strafrechtlich relevant – auch durch Gerichte belangt werden. Also: das biblische Menschenbild macht aus Trump und Weidel keine besseren Menschen. Im Gegenteil: Ihre verwerfliche Politik tritt in ihrer Menschenverachtung noch klarer zum Vorschein.
Bitte keine Blendgranaten: Natürlich schließt der christliche Glauben keine Kritik am Anderen aus. Darum geht es ja nicht. Es geht um das Wie und um den Geist, in dem es geschieht.
Die Bestrafung nach weltlichen Gesetzen hat damit nichts zu tun.
Zudem muß man bei der Verallgemeinerung Vorsicht walten lassen und differenzieren.
Es stimmt, dass Trump wegen der Schmiergeldaffäre – es ging um den Vertuschungsversuch einer Schweigegeldzahlung von 130t$ 34-mal nach Aufgliederung in die einzelnen rechtsrelevanten Schritte verurteilt worden ist. Keine Frage. Er ist also vorbestraft. Gleiches gilt für einen Vorfall aus 1990, bei der es um sexuelle Belästigung ging.
In Deutschland wäre ein Steuerstraffall eines Prominenten wie Trump vermutlich nicht vor Gericht gelandet. Man hätte Wege gefunden einen Prozeß zu vermeiden. Selbst Prozesse, bei denen es um einen Schaden für den Staat von ca. 280Mio.€ ging, wurden jüngst wegen Rücksicht auf die Gesundheit des Angeklagten eingestellt.
Lassen wir also die Kirche im Dorf und stellen wir nüchtern fest, daß die US andere Kriterien für die Wahl zu Ihrem Präsidenten anwenden als wir uns das idealerweise denken. Es geht uns schlicht nichts an.
Was die Frage anbelangt, ob Trump ein Demokrat ist, würde ich gerne hören, wieso Sie sagen, er sei kein Demokrat. Alles, was bisher geschehen ist, erfolgte im Rahmen der Gesetze eines Staates, den wir bisher als demokratisch definierten. Klagen sind nicht bekannt. In wieweit seine zukünftigen Handlungen mit der Verfassung der USA im Einklang stehen werden, werden wir abwarten müssen. Entscheiden darüber tun letztlich die US-Gerichte.
Wenn vielen in Deutschland oder Europa die Person Trump und die Richtung auch gegen den Strich gehen mag, so müssen wir die Fakten doch anerkennen und zu einem vernünftigen Miteinander finden. Die Strategie der Ausgrenzung und der Brandmauer funktioniert nicht über den Teich. Sie wird auf Dauer bei uns auch nicht funktionieren. Sorgen wir für ein starkes Deutschland und ein starkes Europa mit eigenen Zielen. Das ist mein Anliegen. Nicht nur im Hinblick auf Trumps Amerika.
Ach ja, Trump ist so ein ganz normaler Politiker … Ich möchte jetzt nicht alles aufzählen, was Trump vorgeworfen wird. Eigentlich reicht es, dass er am 06. Januar 2021 einen Putsch initiiert hat und bis heute im Blick auf die Präsidentschafswahl 2020 von einer „gestohlenen Wahl“ spricht. Leider hat es die amerikanische Justiz nicht geschafft, in vier Jahren Trump hinter Gittern zu bringen. Und: Was wäre eigentlich gewesen, wenn die Demokraten die Präsidentschaftswahlen gewonnen hätten? Dann würde sich derzeit die USA in einer Art Bürgerkrieg befinden. Denn Trump hat wie 2020 angekündigt, dass er nur bei Wahlfälschung verlieren kann. Nein, lieber Herr Dr. Tesche, es ist mir nicht gleichgültig, ob Amerika von einem Kriminellen regiert wird, der in kurzer Zeit das System von „Check and Balance“ zerstören wird. Und es ist mir auch nicht gleichgültig, wenn ab Montag die freiheitliche Demokratie in der Ukraine verteidigt werden soll – durch ein autokratisches System. Darum in aller Deutlichkeit: Dass mit Trump ein Dauerlügner und Menschenverachter Präsident der USA wird, geht uns alle sehr viel an!
Da formuliert einer wie der Abschaum, den er kritisiert und bezeichnet sich selbst an anderer Stelle als „Elite“. Man kann sich nur wundern über dieses vollständige Versagen des Anstandes bei unserem Pfarrer und seinen Jüngern, die zunehmend das beschädigen, was sie zu verteidigen vorgeben. Wo unterscheidet sich eigentlich noch Wolffs Sprache von Pegida und Trump? Und Käfer zB kritisiert, dass Merz seinen Partner nicht Söder „nicht einhegen“ könne und übersieht, dass Volksparteien logischerweise ein großes Meinungsspektrum haben und haben sollten – die SPD hat das längst aufgegeben, weswegen sie ja auch keine Volkspartei mehr ist – und dass gemeinsame Grundrichtung bei unterschiedlichen Konzepten und Ideen eine STÄRKE demokratischen Verhaltens und eben nicht eine Schwäche ist. Aber jemand, der sich immer freut, wenn die Gegenmeinung bisweilen aus Langeweile vor dem ganzen emotionalen Geschwätz mal pausiert, zeigt ja schon, wes demokratischen Geistes Kind er ist.
Der Blog ist dank Wolff und Co auf seinem Tiefpunkt angekommen, sicherlich auch wahlkampfbedingt. Wolff rechtfertigt sein Abgleiten in die sprachlich unterste Kiste damit, dass, wenn er es schreibt, es nur „harsche Kritik“ sei und nur bei anderen würdeverletzend. Wenn das seine Definition von „Elite“ und „Würde“ ist, dann ist man ja dankbar, dass man andere Maßstäbe hat.
Es wäre wichtig – gerade auch im Wahlkampf, der ja der Wettbewerb der besseren Ideen und nicht der des besten Schmutzwerfers ist -, sich wieder praktikablen Lösungen für die tatsächlich vorhandenen Probleme zu widmen (Politik ist dazu da, Lösungen anzubieten, im Gegensatz zu Leuten, die dieses Wort nicht mögen), Kompromiss und Toleranz nicht nur von anderen zu fordern, die gleichen Maßstäbe auf sich selbst und die anderen anzuwenden – und abzulassen von der penetranten Rechthaberei und vermeintlichen intellektuellen Wortklauberei, als „Elite“ getarnt, die dem Klima, dem Mietenspiegel, der Sicherheit und und und nicht dienlich sind.
Andreas Schwerdtfeger
Schön, dass Herr Schwerdtfeger wieder einmal Anlass findet, sein Lieblingsthema zu reiten: „das vollständige Versagen bei unserem Pfarrer und seinen Jüngern“. Offensichtlich ist das für ihn ein größeres Problem als die Tatsache, dass ein verurteilter Straftäter, ein Putsch-Initiator, einer, der die Lüge zum Prinzip seiner Politik gemacht hat, einer, der rücksichtslos den Staat plündert und damit die öffentliche Verwaltung, Infrastruktur und Demokratie zerstört, ab Montag Präsident der Vereinigten Staaten sein wird. Das erklärt auch, dass Herr Schwerdtfeger in seinem Kommentar eine Litanei wiederholt, die gar nicht Gegenstand des Blog-Beitrages war.
Ja, wer halt keine besseren Ideen hat, der antwortet so.
Andreas Schwerdtfeger
„intellektuellen Wortklauberei, als „Elite“ getarnt“
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Wie bemisst man, ob jemand zur geistigen Elite zählt? Indem dieser konsequent „gendert“ und sich damit vom „gemeinen Volk“ abhebt? Diesen Leuten ist das so lange egal solange sie die politischen Eliten auf ihrer Seite wissen. Wenn aber das Pendel umschlägt, ist das Geschrei groß.
Da wirft Herr Schwerdtfeger also diesem Blog vor, wegen des Wahlkampfs auf seinem Tiefpunkt angekommen zu sein. Gleichzeitig schreibt er unverdrossen:
Wer „sich immer freut, wenn die Gegenmeinung … mal pausiert, zeigt, wes demokratischen Geistes Kind er ist“.
Und „Käfer zB kritisiert, dass Merz seinen Partner Söder „nicht einhegen“ könne und übersieht, dass Volksparteien logischerweise ein großes Meinungsspektrum haben und haben sollten – die SPD hat das längst aufgegeben, weswegen sie ja auch keine Volkspartei mehr ist…“
Okay, Sie sind überzeugter CDU-Wähler, bewundern Merz und Kretschmer – das ist auch völlig in Ordnung.
Christian Wolff ist überzeugter SPD-Wähler; ich mache aktiv Wahlkampf für B90/Grüne in Leipzig. Vertreten wir dadurch Gegenmeinungen? Bin ich für Sie denn nicht immer nur ein hirn- und würdeloser Bückling?
Meine „Freude“ bezog sich nicht auf die vierwöchige Pause einer „Gegenmeinung“, sondern auf die temporäre Ruhe vor Ihren Verhöhnungen und Herabwürdigungen.
Ihr Recht auf freie Meinungsäußerung beinhaltet selbstverständlich, dass Sie mir mangelnden demokratischen Geist unterstellen dürfen.
Nach meinem Verständnis kritisiere ich auch Merz nicht so pauschal, wie Sie das z.B. bei Frau Merkel tun („Totengräberin der CDU“).
Ich übersehe auch nicht, dass Volksparteien ein großes Meinungsspektrum haben; ganz im Gegenteil erkenne ich es tatsächlich in allen (demokratischen) Parteien. Sie dagegen behaupten, die SPD hätte es aufgegeben! Ist das die von Ihnen stets für sich reklamierte „sachliche Argumentation“?
Die Intervention Käfers (18.01.,18:07) klingt ein wenig versöhnlich und ich freue mich darüber. Als „hirnlos“ habe ich ihn nicht bezeichnet, den Vorwurf der Würdelosigkeit hat er sich selbst zugezogen durch sehr einseitige Maßstäbe und Äußerungen an der „Anstandsfront“ – aber das kann ja noch werden. Wolff wirft mir vor (18.01.,10:09), ich wiederholte „eine Litanei, die gar nicht Gegenstand des Beitrages war“. Wo ist denn da Käfers Protest: Wolffs „Gegenstand“ ist – als ewig gleiche „Litanei“ – die Würde des Menschen nach Art 1 GG. Ich schreibe einen Beitrag zu eben diesem Thema und wie er, Wolff, seine eigenen Maßstäbe zu diesem Thema verletzt und damit die Menschenwürde generell beschädigt – zumal wenn man es unter dem Anspruch tut, „Elite“ zu sein – und hinterher mit billigen Ausreden nicht dazu steht. Also, Herr Käfer, hier haben Sie die Möglichkeit, sich mal voller Würde zur Würde zu äußern und wie ich bei Herrn Wolff die Standards einzufordern, die er selbst an alle anderen, nur nicht an sich selbst stellt. Wer Heuchelei im Wolff’schen Stil anprangert, der verletzt wohl kaum das Gebot der Sachlichkeit.
Ich „bewundere“ Merz oder Kretschmer nicht – außer wenn man unter Bewunderung versteht, dass es überhaupt noch Menschen gibt, die sich für ein öffentliches Amt den konstanten Beleidigungen eines Wolff (zB AfD-Nähe der CDU) und anderer stellen. Ich halte Merz und Kretschmer, auch Söder, Günther oder Wüst für realistische Politiker mit besseren Konzepten als ihre politischen Gegner und für ehrlicher als zB Politiker einer Partei, die zwei Jahrzehnte mitregiert hat und hinterher, selbst in der Verantwortung, dieses Mitregieren schlicht vergessen hat. Ich halte Merz und seine Truppe für entschlossener, leistungsstärker, kenntnisreicher und international (EU, Nato, UNO) durchsetzungsfähiger als Scholz und seine Truppe, die sich hinter dem „Versprechen“ verstecken (siehe jetzt die aufkommenden Plakate („mehr Netto“), man könne die Schere zwischen konkurrierenden Zielen problemlos lösen, ohne dass die Bevölkerung Einschränkungen hinnehmen, mehr leisten und die eigenen Postulate (Umwelt, Moral) mit mehr Hingabe erfüllen müsse. Und was die Bezeichnung „Volkspartei“ angeht – wie bewerten Sie, Herr Käfer, denn eine Partei, die bei zwischen 7 und 15% rumkrebst, die ihre „Meinungsprobleme“ durch Ausschlussverfahren (Sarrazin, Schröder, immerhin mal Kanzler) zu lösen sucht oder in Form von Abspaltungen (Lafontaine, immerhin mal Vorsitzender) verkraften muss und der selbst ihre traditionelle Klientel aus mangelndem Vertrauen davonläuft? Ich habe immerhin, und aus Überzeugung, den Niedergang der SPD bedauert, aber wer sich von Esken vertreten lässt und sich nicht traut, das einzige wirkliche „Zugpferd“ der Partei zum Kandidaten zu machen, stattdessen der erinnerungslosen Unentschlossenheit folgt, der ist eben nicht mehr „Volkspartei“. Und Merkel? Was ist falsch an der Feststellung, dass sie die CDU als „Totengräberin“ von ihrem Kern so weit (zur Mitte hin und teilweise sehr opportunistisch: Atomkraft, Wehrpflicht, Ehe) entfernt hat, dass das alte (und gute) Unionsmotto („rechts von uns darf es nichts geben“) Makulatur wurde? Die Ampel hat’s dann verstärkt, indem sie generell das Vertrauen in „die Politik“ untergraben hat.
Und damit Wolff noch auf seine Kosten kommt – ganz zum Thema: Schreibt jemand einigermaßen objektiv zur Person Trump (und zu dessen oligarchischen Mitläufern) – sprachlich wie inhaltlich -, dann ist Wolff an der Grenze seiner Toleranz und im Duktus seiner Rechthaberei angekommen, denn Trump gehört unflätig beschimpft (er ist nicht „Mensch“ nach Wolffs Rau’scher Definition) – man kann der gleichen Meinung wie Wolff zu Trump sein (ich bin es), ohne seine eigenen sprachlichen und moralischen Maßstäbe so offensichtlich auf den Misthaufen zu werfen, wie er das tut. Kann ja sein, dass mir Käfer hier vielleicht zustimmt? Und ich wünsche Ihrem Wahlkampf für die Grünen in Leipzig den ihnen gebührenden Erfolg, denn Koalitionen werden notwendig sein – leider, und dies sage ich nicht, weil ich mir „meine“ Partei wünsche, sondern weil Koalitionen immer teuer sind und weniger effektiv!
Andreas Schwerdtfeger
Manfred Lütz, Bestsellerautor, Psychiater, Psychotherapeut und Theologe in der „Welt am Sonntag“ vom
19. 1. 25 über Friedrich Merz (auch an Herrn Käfer gerichtet):
„Von Wirtschaft versteht er was, aber er sei kein „Frauentyp“ sagen Männer, die sich selbst für „cooler“ halten. Doch Deutschland braucht als Kanzler jetzt keinen Frauentyp, was immer das sein soll, sondern jemanden, den Putin ernst nimmt. Er wirke nicht warmherzig genug, sagen andere. Doch Donald Trump dürfte nicht auf „Warmherzigkeit“ reagieren, sondern auf einen 1,98 Meter großen Mann, der in
der Wirtschaft gearbeitet hat, sogar in einem großen US-amerikanischen Unternehmen, der weltläufig ist, gut Englisch spricht und nicht im Verdacht steht, ein „Merkelianer“ zu sein. Das mag oberflächlich
klingen, aber es könnten die entscheidenden psychologischen Wirkfaktoren sein, die unser Land vor den verheerenden Wirkungen der bisherigen Trumpschen Aversion gegenüber Deutschland bewahren könnten.“
Eine Erwiderung ist wohl müßig, trotzdem so viel:
Als „hirnlos“ haben Sie direkt und persönlich (vermutlich) nur Herrn Flade diffamiert (ich bin nicht bereit, Zeit für die Suche nach Originaltexten Ihrer ewig gleichen Tiraden zu verschwenden), den Sie ansonsten häufig auch als das „kindliche Gemüt aus DD“ verspotten.
Ich habe Herrn Flade (noch) nicht persönlich getroffen, fühle mich ihm aber sehr verbunden, nicht zuletzt, weil Sie uns ja immer wieder als Wolff‘s Jünger oder Bücklinge bezeichnen. Insofern mache ich mir Ihre unanständigen Zuschreibungen ihm gegenüber aus Überzeugung zu eigen!
Sie haben ihm (und damit mir) vorgeworfen, der deutschen Sprache nicht mächtig zu sein (u.a. als er einmal ein „d“ in Ihrem Namen unterschlagen hat; erinnern Sie sich noch, was Sie aus Herrn Fersterra und Frau Esken gemacht haben?).
Herrn Wolff und seinen Blog (in dem Sie ja die am längsten veröffentlichende und lauteste Stimme sind) sehen Sie auf einem Tiefpunkt angekommen, bezichtigen ihn des Abgleitens in die sprachlich unterste Kiste und fordern von mir, um „Würde“ zu erlangen, Kritik an ihm und seiner Wortwahl zu üben…
Das werde ich nicht tun; ganz im Gegenteil empfinde ich Hochachtung für seine Toleranz, unermüdliche Argumentation und Themenvielfalt angesichts häufiger (und leider weiter zunehmender) auch persönlich verletzender Kritik!
Wie wohltuend dagegen für meine Frau und mich, gestern gemeinsam mit Christian Wolff einen wunderbaren Abend in der katholischen Propsteigemeinde Leipzig bei Musik, Gesang und anregenden, intelligenten Texten zum Überwinden gegensätzlicher Meinungen erleben zu dürfen.
Sogar über ZEIT-Redakteure muss man sich mitunter zwar wundern, ja ziemlich ärgern. In den Artikeln von Henrich Wefing und Jochen Bittner sehe ich aber eher den Versuch einer Erklärung für die Wahlerfolge der Rechten, denn ein Einknicken vor einem „autoritär-demokratiefeindlichen Mainstream“.
Diese Erklärung zu finden ist schwer bereits im Kleinen, ist doch der (mutmaßliche) AfD-Wähler im eigenen Bekanntenkreis meist weder böse noch dumm – warum bloß findet er diese Leute trotzdem gut? Als Opfer verfehlter Woken-Politik würde ich den AfD-Wähler allerdings auch nicht sehen.
Wefings Einteilung in übergewichtige Highschool- und wohlhabende College-Absolventen finde ich allzu holzschnittartig. Aber es ist etwas dran an seinem Befund, dass der Trump’sche Grobianismus manchen überzeugen wird durch Effizienz. Aktuelles Beispiel: Die plötzliche Zustimmung der israelischen Regierung zum Abkommen mit der Hamas. Möglicherweise sollten auch werteorientierte Demokraten sich ein Beispiel nehmen an dem Autokraten Trump, wenn es darum geht, dass ein politisches Ziel am besten zu erreichen ist mit eindeutiger Ansage, und, so ist für den Hausgebrauch zu ergänzen, mit eindeutiger – und einleuchtender – Haltung. Da besteht in Deutschland Nachbesserungsbedarf.
Das überzogene Linken-Bashing von Jochen Bittner erklärt gar nichts. Wenn er meint, zu viel rigoros-grüne Klimapolitik habe den Backlash nach rechts begünstigt, dann ist das wie CDU-Verbrenner-Propaganda. Opportunistisch die (Klima-) Wahrheit zu verschweigen, ist schlechte Politik. Jedoch hat Bittners These vom Pendel, das jetzt mal in die andere Richtung ausschlägt, weg von „eigentlich guten Anliegen, (die) in Glaubenseifer kippen“ (Bittner), für sich, dass dieser Pendelbewegung Vorschub geleistet wird von denjenigen Parteien der demokratischen Mitte, die die vernünftigen „guten Anliegen“ in Misskredit bringen, anstatt sie „vielstimmig“ (Bittner) mit zu vertreten. Da trifft Christian Wolffs Kritik an mangelndem „Kopfzerbrechen“ wieder ins Schwarze.
„Aber es ist etwas dran an seinem Befund, dass der Trump’sche Grobianismus manchen überzeugen wird durch Effizienz. “
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„Möglicherweise kann man von diesem Mann doch etwas lernen.“ schreibt der Leitartikler Tobias Rapp im aktuellen „Spiegel“ unter der Überschrift „Wer zurückzieht, hat verloren“. Ich bin gespannt, ob es Trump gelingen wird, den Ukrainekrieg zu beenden – wenn auch unter schmerzlichen Verlusten für die Ukraine. Denn nur diesen US-Präsidenten erkennt Putin als Verhandlungspartner an. Wenn Biden im Kreml aufgetaucht wäre, hätte Putin wieder seine Hündin hereingeholt.
Auch von einem Bankräuber kann man etwas lernen … Es dauert nicht mehr lange, dann sind wir beim Autobahn-Argument!
🙂
Ich habe nur den Wefing Artikel gelesen und bin entsetzt (wenn auch nicht überrascht) darüber. Ich werde morgen folgenden Leserbrief an die Zeit schreiben.
Und was, wenn alles ganz anders ist?
Was, wenn Demokraten weltweit das machen, was sie immer getan haben und womit sie uns über Jahrzehnte Freiheit, Wohlstand und Sicherheit gesichert haben: Kleinteilige Politik, mühsame Diskurse, Verhandlungen, die schließlich Kompromisse hervorbringen, die nie einem Ideal entsprechen, aber ziemlich genau das Menschenmögliche umschreiben?
Was, wenn sich die Demokraten der Welt, die Ampel in Deutschland, die Biden-Regierung in den USA, sich genau dieser Aufgabe sehr gewissenhaft und durchaus erfolgreich gewidmet haben? Auch wenn sie nicht für alles „Lösungen“ hervorgebracht haben, weil es die für die großen Fragen unserer Zeit so gar nicht gibt?
Was, wenn dann Medien wie „die Zeit“, die die Kernerarbeit der Demokratie einfach nicht mehr verstehen und den Menschen erklären können, besserwisserisch und unfair alles schlecht machen, was Demokraten mit Mühe erarbeitet haben?
Was, wenn dann auch noch als „intellektuelle und programmatische Erstarrung der Demokraten“ diffamiert wird, was in Wahrheit die mühsame und noch nicht zu einem Ergebnis gekommene Suche nach Antworten auf die gigantischen Herausforderungen der Gegenwart ist?
Was, wenn dann Populisten wider besseres Wissen einfache Lösungen versprechen, Sündenböcke verantwortlich machen oder die Probleme einfach leugnen (wie es Trump und die AfD z.B. mit dem Klimawandel tun)?
Was, wenn Journalisten wie Wefing diesen Populisten auf den Leim gehen und als „Hoffnung“ bezeichnen, was in Wahrheit manipulierte bots- und blasenerzeugte Desinformation und Lüge ist?
Kann sich Hoffnung in Wut kleiden, in Disruption, mit politischem Rowdytum verbinden? Und wo sind eigentlich abgesehen von dumpfem Chauvinismus und Nationalismus die intellektuellen Entwürfe der Populisten? Was also, wenn das, was Herr Wefing als Hoffnung bezeichnet, gar keine Hoffnung ist? Was, wenn Herr Wefing selbst – vom Populismus verwirrt – als Hoffnung bezeichnet, was im Kern nur zerstörerische Wut ist?
Danke für diesen trefflichen Leserbrief!
„Was, wenn dann Medien wie „die Zeit“, die die Kernerarbeit der Demokratie einfach nicht mehr verstehen und den Menschen erklären können, besserwisserisch und unfair alles schlecht machen, was Demokraten mit Mühe erarbeitet haben?“
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Ich habe eine solche Tendenz in dem Artikel von Heinrich Wefing nicht herausgelesen; es handelt sich vielmehr um eine nüchterne Analyse.
„Was, wenn dann auch noch als „intellektuelle und programmatische Erstarrung der Demokraten“ diffamiert wird, was in Wahrheit die mühsame und noch nicht zu einem Ergebnis gekommene Suche nach Antworten auf die gigantischen Herausforderungen der Gegenwart ist?“
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Hier ist von Wefing die Demokratische Partei der USA gemeint, nicht etwa Demokraten allgemein. Er zitiert anschließend in diesem Sinn einen ehemaligen stellvertretenden Sicherheitsberater der Demokratischen Partei, der seine Partei kritisiert. Und es stimmt: Die Programmatik von Kamala Harris ließ stark zu wünschen übrig.
Das stimmt so nicht. Wefing zieht durchaus weltweite Linien. Er stellt die „Demokraten“, die angeblich überall versagt haben, den Populisten gegenüber. Er fordert von den Demokraten (so von Harris) überzeugende Programme und Konzepte und lässt durchgehen, dass die Populisten außer Nationalismus, Chauvinismus programmatisch nichts zu bieten haben. Von einer nüchternen Analyse ist sein Artikel weit entfernt. Der Text bietet einen Rundumschlag, in dem er alle möglichen Themen anreißt und nichts zu Ende denkt. Am meisten aber stört mich, dass er als „Hoffnung“ bezeichnet (die Hinwendung zu Trump, AfD und Co.), was in Wirklichkeit nur ein Ausdruck von Verzweiflung und Angst ist.
„lässt durchgehen, dass die Populisten außer Nationalismus, Chauvinismus programmatisch nichts zu bieten haben“
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Wefing lässt das nicht durchgehen, sondern er benennt es:
„Sie kennen ihn jetzt, sie sind sich darüber im Klaren, dass er permanent Chaos stiftet und lügt. Sie wissen vom Sturm auf das Kapitol, sie verstehen, wie sehr Trump die Institutionen der Verfassung verachtet – und sie haben ihn dennoch wieder gewählt. Oder eben genau deshalb.“
Wefing analysiert hier die Motive der amerikanischen Wähler, ohne sich diese Motive zu eigen zu machen. Ihr Fehler besteht darin, dass Sie die von Wefing angesprochene Hoffnung (meinetwegen auch „Ausdruck von Verzweiflung und Angst“) ihm wieder als seine Auffassung zuschreiben. Dabei versucht er auch hier nur, das Wahlverhalten der Mehrheit der Amerikaner zu ergründen.
„Kann sein, dass Trump alle Hoffnungen, die in ihn gesetzt werden, in kürzester Zeit zunichte macht. Darauf zu hoffen, aber ist keine politische Alternative. Eher müssten seine Gegner und Kritiker dringend darüber nachdenken, wie sie selbst wieder Hoffnung stiften können.“
Das Problem ist doch, dass der Begriff „Hoffnung“ völlig fehl am Platz ist. Was soll für eine Hoffnung davon ausgehen, dass ich einem Trump (oder ehemals Hitler) meine Stimme gebe und damit ganz bewusst all das gutheiße, was man mit Donald Trump verbinden muss. Oder anders gesagt: die Wähler:innen Trumps, die all das befürworten, wofür er steht, sind für das verantwortlich, was er anrichtet. Es besteht überhaupt kein Anlass, die Wähler:innen Trumps in irgendeiner Weise zu schonen.
Ich widerspreche: Wefing beschreibt nicht nur die Motive der Wähler und analysiert sie neutral. Er gibt den Wählern in ihrer Wahrnehmung ausdrücklich recht und nimmt deren Postion ein. Folgender Satz zum Beispiel ist ein Urteil, das über neutrale Analyse weit hinausgeht: „Wer mit den Verhältnissen unzufrieden ist, wer radikale Veränderungen will, hat von den Demokraten nicht mehr viel zu erwarten.“ Oder wenn er von der „intellektuellen und programmatischen Erstarrung der Demokraten“ spricht. Das ist genau die Behauptung, die Trump und seine Leute aufstellen, obwohl die Biden-Regierung sehr wirksame Programme beschlossen hat, die die Trump Republikaner bis zuletzt hintertrieben haben. Aber es geht eben nicht mehr um die mühsamen aber wirksamen Schritte demokratischer Politik, sondern um die Vision „radikaler Veränderungen“, um Disruption. Diese sind für mich bei Trump nur in nationalistischen und chauvinistischen politischen Optionen erkennbar. Und das ist es, was Wefing nicht zum Ausdruck bringt, weil er selber gebannt ist von der Potenz und Wirksamkeit, die Trump weltweit entfaltet. Die sozialen und wirtschaftlichen Disparitäten der amerikanischen Gesellschaft schreibt er dann ausschließlich den Demokraten ins Stammbuch, obwohl dafür republikanische Regierungen genauso verantwortlich sind. Dieser Artikel hat für mich einen deutlich vernehmbaren Unterton der Zustimmung zu Trump und seiner Politik. Hier will es ein Journalist den ganzen verirrten Linken und Demokraten in Europa mal so richtig ins Stammbuch schreiben, dass sie weltweit daneben liegen.
„Es besteht überhaupt kein Anlass, die Wähler:innen Trumps in irgendeiner Weise zu schonen.“
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Das haben beide Autoren nicht getan. Sie haben nur versucht, das Wahlverhalten zu erklären.
Das ändert aber nichts an der Verwerflichkeit des Wahlverhaltens. Von dieser aber versucht Wefing wie Bittner die Trump- und AfD-Wähler:innen reinzuwaschen. Da gerät dann Erklärung zur Rechtfertigung.
Ihre Kritik ist vor allem in einer Hinsicht berechtigt: Beide Autoren zeigen kaum Lösungsvorschläge auf. Den Analysen beider stimme ich zu. Besonders in den USA scheint mir ein krasser Gegensatz sowohl in ökomomischer Hinsicht als auch bei Bildung, Gesundheitswesen und u. v. m. („Wokeness“) zwischen der Masse der Bevölkerung und den akademisch Gebildeten, die an den Küsten leben, zu existieren. Es ist bedauerlich, dass die (aus US-Sicht) linken Eliten diese Widersprüche nicht auflösen, so dass eine Mehrheit glaubt, das demokratische System sei verantwortlich und müsse beseitigt werden.
Warum erwartet man dauernd von „Linken Eliten“ Programme und Lösungen? Linke Programme und Entwürfe gibt es doch. Sie liegen ausformuliert vor. Nur weil sie nicht umgesetzt werden, kann man nicht darauf schließen, dass es sie nicht gibt. Warum wird die Forderung nach durchdachten Konzepten und Programmen nicht an die Konservativen gerichtet? Meines Erachtens haben wir zur Zeit weniger eine Krise der Linken, sondern eine eklatante und chronische Krise der Konservativen. Deswegen verschwinden sie ja auch überall. Das kann man auch an der CDU erkennen. Von der christlichen Soziallehre hat sie sich längst verabschiedet (siehe heutige SZ!). Ihr gegenwärtiges Programm ist ein verwässerter Aufguss des Neoliberalismus. Vor allem aber lässt sie sich von den Populisten die Themen vorgeben, entwickelt sie dann halbherzig weiter, so dass die Menschen lieber das rechte Original wählen. Es sind die Konservativen, die es weltweit versäumt haben, Konzepte zu entfalten und Antworten zu geben, die Hoffnung auslösen.
Lieber Christian,
Deine Frage: „Beide Artikel sind ein durchaus erschreckendes Beispiel dafür, wie schnell sich auch Journalisten einer angesehenen Zeitung von durch Wahlen und Umfragen festgestellten Stimmungen in der Bevölkerung beeinflussen lassen…“ kann man auch mit Blick auf die Vergangenheit betrachten. Die Fahne mit dem Wind drehen – nur weiß der Leser nicht, in welche Richtung sie eigentlich weht.
Liebe Grüße Thomas