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Der Selbstzerstörung x-ter Teil – das Landeskirchenamt vergeht sich an Leipziger Innenstadtgemeinden

Am 7. Oktober 2021 ist endlich öffentlich geworden, was seit einigen Wochen die Kirchvorstände der Nikolaikirche und der Thomaskirche gleichermaßen in Atem hält und empört: Im Rahmen der sog. Strukturreform innerhalb der sächsischen Landeskirche sollen ab 1. Januar 2022 Thomaskirche und Nikolaikirche eine sog. „Struktureinheit“ bilden. Faktisch bedeutet dies: Sie bilden dann eine Kirchgemeinde. Die Pfarramtsleitung dieses Gebildes soll bei der*dem 1. Pfarrer*in der Thomaskirche liegen – eine Aufgabe, die angesichts der Größe der beiden Kirchgemeinden und ihrer Besonderheiten (Aufführungsstätte Thomanerchor, Ort der Friedlichen Revolution) niemand bewältigen kann. Mit dieser Maßnahme setzt das Landeskirchenkirchenamt das Zerstörungswerk kirchlicher Arbeit, genannt „Strukturanpassung“, fort.* Der Verweis auf Beschlüsse der Landessynode ändert nichts an der Tatsache, dass die sog. Regionalisierung kirchlicher Arbeit nicht zur Verbesserung derselben führt. Vielmehr werden Verwaltungsmonster installiert, die das Entscheidende vermissen lassen: Menschennähe in Verkündigung und Seelsorge und Präsens vor Ort. Letztlich geht die sächsische Landeskirche einen ähnlich verhängnisvollen Weg wie z.B. der Galeria Kaufhof-Karstadt-Konzern: Man verlässt die Fläche und saniert sich zu Tode, ohne auch nur im Ansatz eine auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten lebensfähige Perspektive für die Kirchgemeinden zu entwickeln. Offensichtlich soll der Niedergang der Kirchen nun seine Vollendung finden, indem in Leipzig zwei absolut lebensfähige Kirchgemeinden in einen Strukturverband gezwängt, besser: gezwungen werden. Da werden keine Kosten gespart, vielmehr gleichen die Maßnahmen dem öffentlichen Verbrennen von Kirchensteuergeldern.**

Die Kirchgemeinden St. Thomas mit 4.700 und St. Nikolai mit 2.600 Gemeindegliedern und mit über Jahrhunderte gewachsenen eigenständigen Profilen sind finanziell, organisatorisch, vor allem aber in Sachen Verkündigung und Seelsorge und als wichtiger Teil der Stadtgesellschaft lebensfähig. Das einzige Argument, was die Landeskirche vorbringen kann: Auch in der Leipziger Innenstadt soll der gleiche Unsinn vollzogen wie in der ganzen Landeskirche – nach dem Motto: wenn schon Untergang organisieren, dann bitte flächendeckend und ohne Ausnahme. Kirche als letzter Hort des Sozialismus. Es ist ein Trauerspiel zu sehen, wie Menschen, die keine Ahnung von den tatsächlichen Verhältnissen in Kirchgemeinden haben, am grünen Tisch Strukturpläne entwickeln, die alles versprechen – nur eines nicht: dass die Kirche im Ort, im Dorf, bei den Menschen bleibt. Wie kann man zwei Kirchgemeinden, die vor allem nach der Friedlichen Revolution 1989/90 ihre je unterschiedlichen Prägungen zum Besten der Stadt weiterentwickelt und sich finanziell-organisatorisch aus eigenen Kräften saniert haben, in dieser Weise beschädigen? Wer übernimmt in Dresden die Verantwortung dafür, dass, weil alles gleich sein muss, Besonderheiten geschliffen, die Arbeitskraft hauptamtlich Beschäftigter sinnlos vergeudet und ehrenamtliches Engagement erstickt werden? Es ist unglaublich, mit welcher Ignoranz da vorgegangen wird. Da wird nicht die Kirche im Dorf, vor Ort belassen, sondern Dörfer, Orte, Stadtteile werden verlassen und damit Menschen allein gelassen.

Wer die Situation nüchtern betrachtet, kann nur den Kopf schütteln. Diejenigen, die diese Entwicklung geplant und befördert haben, laden schwere Schuld auf sich. Denn sie gehen unverantwortlich mit den menschlichen und finanziellen Ressourcen der Kirche um. Konkret: Anstatt dafür zu sorgen, dass die Kirchgemeinden vor Ort und unter den schwindenden finanziellen Möglichkeiten organisatorisch und personell ertüchtigt werden, ihrem Auftrag gerecht zu werden, nämlich den Menschen nahe zu sein und der Stadt Bestes zu suchen, werden Strukturen gebildet, die Kirche immer weiter von den Menschen entfremdet. Offensichtlich ist im Landeskirchenamt noch nicht angekommen, dass Sparprogramme ohne eine Strategie, neue Einnahmequellen zu akquirieren und Arbeit zu intensivieren, der Tod im Topf sind. Eine schlichte Kontrollfrage könnte auch Kirchenleitungen davor bewahren, Züge auf das falsche Gleis zu stellen: Dient das, was wir planen, der Menschennähe? Doch solche Fragen werden weder gestellt noch diskutiert, geschweige denn dass der Auftrag der Kirche in den Mittelpunkt des Handelns gestellt wird. Stattdessen vollzieht das Landeskirchenamt das Gleiche wie in den vergangenen Jahren Banken, Dienstleister, öffentliche Verwaltungen: Sie verlassen den ländlichen Raum, Ortschaften und Stadtteile und suchen ihr Heil in anonymen Verwaltungseinheiten. Doch dieser Weg ist schon längst gescheitert, zieht er doch gefährliche gesellschaftspolitische Konsequenzen nach sich. Wie die Alt-Fassnacht hinkt das Landeskirchenamt hinterher und vollzieht erst einmal dasselbe, was im politischen Bereich Gott sei Dank als schwerer Fehler erkannt wurde: Kirche verlässt die Fläche, sorgt sich viel zu wenig um qualifizierten Nachwuchs und trocknet die eigene Arbeit aus. Kein Wunder, dass an einer solchen Institution das Interesse dramatisch schwindet.

Noch einmal: Die beiden Innenstadtgemeinden St. Thomas und St. Nikolai sind rein zahlenmäßig absolut lebensfähig – zumal sie durch das Bevölkerungswachstum in Leipzig strukturell wachsen werden. Es gibt nicht einen Grund, ein irrwitziges Strukturpaket auf Biegen und Brechen durchzusetzen und so ganz nebenbei die seit Jahrzehnten bewährten, die Kirchgemeinden unterstützenden Institutionen zu gefährden. Aller Grund aber ist vorhanden, dass wir die kirchliche Arbeit profilieren, qualitativ verbessern, um unseren Auftrag erfüllen zu können: den Menschen nahe zu sein und der Stadt Bestes zu suchen. Darum kann man die Verantwortlichen in Dresden nur auffordern: Lasst von diesem Unsinn endlich ab! Das würde auch dazu führen, dass der Landesbischof nicht mehr Briefe des Jammerns schreiben muss, weil die Stimmung in der Mitarbeiter*innenschaft demotiviert, der Krankenstand unter Pfarrer*innen enorm hoch und der Frust unter den ehrenamtlich Tätigen bedrohlich angewachsen ist.

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* Damit keine Missverständnisse aufkommen: Weder die Thomaskirche noch die Nikolaikirche erwarten eine Sonderbehandlung. Beide Kirchgemeinden haben in Sachen Strukturreform ihre Bringschuld erbracht: 2002 kam es zur Gemeindevereinigung der Lutherkirche und der Thomaskirche, 2014 vereinigten sich Nikolaikirche und die Heiligkreuzgemeinde. Die Folge war: Beide Gemeinden tragen die volle Verantwortung für die Lutherkirche und das Gemeindehaus bzw. die Heiligkreuzkirche. Beide Gemeinden haben dafür überzeugende Konzepte entwickelt. Diese Entwicklung jetzt quasi zu stoppen, wird zu schweren Verwerfungen führen.

** Die Kirchgemeinde St. Thomas benötigte seit 2000 bis zur Corona-Pandemie keine Sonderzuweisungen der Landeskirche. Der Kirchensteueranteil am Gesamtvolumen des Haushalts betrug ca. 25 %. Alles andere hat die Thomaskirche selbst erwirtschaftet. Natürlich hat die Corona-Zeit auch die Thomaskirche in eine finanzielle Schieflage gebracht. Nur wird sie in der Lage sein, diese nach und nach zu beheben – es sei denn das Landeskirchenamt bleibt bei seinen Plänen.

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