1 „Querdenken“
Sie kamen daher wie recycelte Veteranen der Friedensbewegung – mit Friedenstauben- und PEACE-Fahnen, Öko-Schuhen und wallenden Kleidern, Mantra-Gesänge auf den Lippen, von weit her angereist: Böblingen, Bietigheim, Baden-Baden und natürlich aus dem Erzgebirge, mit der gehörigen Portion von Selbstbegeisterung und Egoismus: meine Freiheit gehört mir! Wer wollte ihnen gute Absichten absprechen – zumal wenn sie rufen „Frieden, Freiheit, Demokratie“? Was kann falsch sein an einer Kundgebung, auf der einer der Protagonisten der Friedlichen Revolution spricht, und später mit Kerzen um den Ring gegangen wird? Ja, der berühmte Ring von damals, vom 09. Oktober 1989! Muss da nicht jede*r feuchte Augen bekommen, der – weil er/sie sich inzwischen in einer „Diktatur“ wähnt – die Grundfesten des Kanzleramtes zerbrechen und Merkel vor der Knasteinlieferung sieht? Doch das alles ist nur kühl kalkulierte Fassade. Mag sein, dass einzelne Teilnehmer*innen das nicht durchschauen. Doch die Veranstalter von „Querdenken“ wissen genau, was sie tun: wenn sich am 07.11.20 so rein zufällig auch die Reichsbürger in Leipzig treffen, Hunderte Hooligans und Neonazis aufmarschieren, Michael Stürzenberger auf dem Marktplatz stundenlang hetzt, Attila Hildmann die Menge aufpeitscht, das Magazin „Compact“ zur Kundgebung aufruft ebenso wie AfD und NPD. Natürlich bestreiten die Verantwortlichen von „Querdenken“ diese Zusammenhänge (in denen sie selbst stehen!), verfolgen aber dennoch drehbuchartig die vom Chefideologen des Rechtsextremismus Götz Kubitschek entwickelte Strategie der Selbstverharmlosung (https://sezession.de/59584/selbstverharmlosung): Man übernimmt den Wertekanon der Gegner, um Menschen zu fangen und zu überzeugen, und kehrt sie dann um, die Werte. Genau das ist mustergültig am vergangenen Samstag praktiziert worden. Tausende haben mitgemacht: „So ein Tag so wunderschön wie heute.“ sangen sie freudetrunken in den Leipziger Nachthimmel. Die Hardliner um Jürgen Elsässer, Götz Kubitschek, Björn Höcke, Bodo Schiffmann werden sich ins Fäustchen gelacht haben …
2 Das Oberverwaltungsgericht Bautzen
Eigentlich hat man realistischer Weise kein anderes Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Bautzen erwarten dürfen als das vom vergangenen Samstagvormittag. Wie ein brauner Faden zieht sich seit 25 Jahren durch die Rechts-Sprechung des OVG: Grundsätzlich haben die Stadt Leipzig und das Verwaltungsgericht Leipzig Unrecht, wenn es darum geht, Aufmärsche von Rechtsradikalen und Neonazis einzudämmen. Nun fallen aber im speziellen Fall noch zwei Merkwürdigkeiten auf:
- Irgendwann im Verlauf der Kooperationsgespräche zwischen „Querdenken“ und den Behörden hat sich die geschätzte Teilnehmer*innenzahl auf wundersame Art von 20.000 auf 16.000 reduziert. Wie das? Könnte es sein, dass es so etwas wie „Absprachen“ gab: Geht „Querdenken“ mit den Zahlen runter (was dann tatsächlich geschah), wird es dem OVG Bautzen leichter fallen, die Versammlung auf dem Augustusplatz doch zu genehmigen. Abwegige Gedanken? Ich glaube eher nicht.
- Denn – und das ist das Zweite: Seit gestern, also vier Tage nach dem Urteil, liegt die Urteilsbegründung des OVG Bautzen vor. Hauptgrund für die die Genehmigung der Kundgebung auf dem Augustusplatz: Entgegen den Angaben der Stadt, die von 20.000 bis 50.000 Teilnehmenden ausgeht, habe dem die Polizei widersprochen und der Veranstalter selbst habe die erwarteten Zahlen auf 16.000 reduziert. Die Anzahl könne der Augustplatz auch mit Abstandsregeln fassen. Noch irgendwelche Fragen?
3 Das Ordnungsamt
Nachdem das Verwaltungsgericht Leipzig der Verlegung der Kundgebung vom Augustusplatz auf das Gelände der Neuen Messe durch die Stadt Leipzig zugestimmt hatte, hätte alle der dort widerrechtlich aufgefahrenen und abgestellten LKWs, Wohnmobils, Sprinter von „Querdenken“ vom Ordnungsamt zum sofortigen Verlassen aufgefordert werden müssen. Das aber ist nicht geschehen – ein schweres Versäumnis. Ebenso hätte nach dem OVG-Urteil am Samstag ein kontrollierter Zugang zum Augustusplatz eingerichtet werden müssen. Genauso hätte das Ordnungsamt darauf bestehen müssen, dass die Veranstaltung erst eröffnet wird, wenn Maskenpflicht und Abstand durch die Teilnehmenden beachtet werden. Doch all das wurde versäumt – mit den bekannten Folgen. Wird der Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (DIE LINKE) dafür die Verantwortung übernehmen?
4 Der Innenminister und Ministerpräsident
Zahlenmäßig war die Polizei am Samstag mit 3.200 Einsatzkräften aus verschiedenen Bundesländern präsent. Doch sie machte einen mehr als inaktiven Eindruck, obwohl (auch ohne Verfassungsschutz) bekannt war, dass die „Querdenken“-Kundgebung von Rechtsradikalen durchsetzt war. Es fiel schon auf, dass am Rande des Augustusplatzes ein einziges Display auf einem Polizei-Sprinter auf Maskenpflicht und Abstandsregeln hinwies. Die Ansagen wurden über einen offensichtlich nur halb aufgedrehten Lautsprecher getätigt und gingen damit unter. Als dann die Kundgebung aufgelöst wurde, hatte die Polizei keinen Plan, wie und auf welchem Weg sie die Teilnehmenden Richtung Hauptbahnhof (oder Eutritzsch) führen will. Der Versuch, den Weg der Menschen mit einer Zweierreihe abzusperren, musste ebenso scheitern wie die Verhinderung grundsätzlich verbotener Demonstrationszüge über den Ring. Wer trägt dafür die Verantwortung? Der Innenminister des Freistaates Sachsen Roland Wöller (CDU) – sonst nie verlegen, der Stadt Leipzig die Verantwortung für alle Krawalle in Connewitz in die Schuhe zu schieben. Doch Wöller sieht null Versagen bei sich. Dafür schiebt er die Schuld nach Bautzen. Und Ministerpräsident Michael Kretschmer fordert schärfere Verordnungen – kann aber nicht erklären, warum die vorhandenen am Samstag nicht angewandt wurden.
5 Die Gesellschaft
Die Vorgänge vom vergangenen Samstag haben gezeigt, in welche Sackgassen wir in der Coronakrise geraten sind. Da versammeln sich Tausende Menschen unter dem Label „Querdenken“. Sie frönen einem sehr banalen Gartenzaun-Egoismus: Bei mir soll sich bitte nichts ändern. Aber leider bedient die Politik die Kehrseite dieser Einfallslosigkeit: Haltet euch an die Regeln, nehmt den Lockdown hin – denn bald kommt bald der Impfstoff und dann kann es wieder so werden wie vor Februar 2020. Und bis dahin überbrücken wir alles mit Milliarden Euro. Doch diese Politik lebt von zwei falschen Voraussetzungen: Erstens dass zeitnah ein Impfstoff zur Verfügung steht, und zweitens dass alles wieder so wird, wie es einmal war. Davon müssen wir uns verabschieden. Das Coronavirus ist wie ein großes STOP-Schild: Verrennt euch nicht weiter in die Sackgasse eines Turbolebens, das Mensch und Natur erschöpft. Das Coronavirus hat eine einfache Botschaft: Die Natur wehrt sich. Wer aber die Existenz dieses Virus verleugnet oder dieses nur für einen vorübergehenden Betriebsunfall der Natur hält, der verschießt auch vor der gleichermaßen einleuchtenden wie warnenden Botschaft Augen und Ohren: Überprüft eure Lebensweise und steuert um!
Was also nottut: Wir müssen in der Pandemie endlich aus dem Panik- und Verbots-, dem Verleugnungs- und Widerstandsmodus in den Gestaltungsmodus kommen. Wir stehen vor der großen Herausforderung, wie wir unser gesellschaftliches Leben neu einrichten wollen – völlig unabhängig davon, ob und wann ein Impfstoff auf den Markt kommt. Darum sollten alle Maßnahmen, die jetzt unter den Bedingungen des Gesundheitsschutzes in der Pandemie getroffen werden, darauf ausgerichtet sein, dass sie für die nächsten Jahre Bestand haben und uns auch zu neuen Ansätzen gemeinschaftlichen Lebens führen. Dieser Ansatz hätte spätestens seit Mai wirksam werden müssen. Stattdessen verharrt unsere Gesellschaft und ihre Institutionen, die wie in einer Trauersituation Abschied nehmen müssen von liebgewordenen Verhaltensweisen, weiter in den ersten beiden Phasen der Trauer um Verlorenes: Verleugnung und Wut. Wir müssen uns aber entschlossen den nächsten Phasen zuwenden: die neue Situation annehmen und neue Lebenseinstellungen, einen neuen Blick auf die Welt gewinnen. Der kapitale Fehler des Lockdowns im November: Die gesellschaftlichen Bereiche, die sich in den vergangenen Monaten ganz viel haben einfallen lassen: Kultur, Gastronomie, Hotellerie, wurden nun wieder stillgelegt – eine kontraproduktive, in jeder Hinsicht schädliche Maßnahme.
6 Ein Ausblick
Wer ohne Panik auf die jetzige Situation schaut, dem wird es vielleicht so gehen, wie einem Menschen, der nach einer schweren Grippe oder einem Herzinfarkt beginnt, nüchtern und (selbst)kritisch über sein Leben nachzudenken: Was ist falsch gelaufen in den vergangenen Wochen? Wo muss ich die Weichen neu stellen? Dieser Aufgabe sollten wir uns stellen – jede*r an seinem Ort und immer darauf bedacht, dass unsere freiheitliche Demokratie nicht unter die Räder kommt. Wenn wir so herangehen an die Gestaltung der Advents- und Weihnachtszeit, dann werden wir neue Formate entwickeln können, die keine „Notlösung“ sind, sondern Bestand haben werden. Dann könnte auch ein Weihnachtsmarkt ganz anderer Art entstehen; Heiligabendgottesdienste könnten in Kirchen und open air gefeiert werden, in denen die Weihnachtsbotschaft neu zur Entfaltung kommt. Endlich könnte dauerhaft in den Schulen das eingerichtet werden, wofür seit Jahrzehnten gekämpft wird: kleinere Klassenstärken und kleinere Gruppen in Kitas in größeren Räumen … und, und, und. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, weil die Notwendigkeiten gegeben sind. Aber es setzt voraus, dass wir die jetzige Situation neben aller Belastung als Chance ansehen, grundlegende Umsteuerungen vorzunehmen – natürlich und an erster Stelle in Sachen Klimaschutz. Davon ist aber auf den „Querdenken“-Kundgebungen nichts zu hören. Denn Visionen eines menschlichen, solidarischen Miteinanders in einer demokratischen Gesellschaft sind den rechtsgewirkten Polit-Egomanen fremd. Um so wichtiger, dass wir sie in die Wirklichkeit führen.
36 Antworten
Dank Ihrem Beitrag vom 19.11., Herr Lerchner, hat sich die Debatte endlich den entscheidenden Punkten 5 und 6 zugewendet. Mein Denken hat eine Passage in Peter Glotz´ Buch „Die Linke nach dem Sieg des Westens“ sehr geprägt. Er zitiert Vittorio Hösle: „Eine der tiefsten und schmerzlichsten Erfahrungen aller Deutschen meiner Generation bestand darin, dass die überwiegende Mehrzahl von uns weniger Achtung vor dem Großteil unserer Väter und Großväter empfinden konnte, als es für die Kontinuität von Traditionen im allgemeinen nötig ist, weil diese gegen den Nationalsozialismus nicht den erforderlichen Widerstand geleistet hatten. Aber wie sollen denn unsere Kinder über die intellektuelle, moralische und politische Trägheit unserer Generation denken, wenn sich doch erstens menschlichem Ermessen nach ökologische, soziale und politische Katastrophen vorbereiten, verglichen mit denen selbst diejenigen der Jahre von 1939 bis 1945 einst gar nicht so entsetzlich erscheinen werden; und wenn zweitens bestimmte Formen der Distanzierung von dem zerstörerischen Konsumismus dieser Gesellschaft, anders als im Dritten Reich, mit keinem nennenswertem persönlichen Risiko verbunden sind?“ (125)
Seitdem (1992) hat die Menschheit mehr CO2 emittiert und Natur vernichtet als in ihrer gesamten Geschichte zuvor, und die „Digitalisierung“ scheint gerade jede “Kontinuität von Traditionen“ endgültig zu beseitigen. Die mit einem Smartphone ausgestatteten Enkel brauchen ihre Großeltern nicht mehr, suggerierte eine Werbekampagne in Frankreich. Das war vor Corona. Nach heftigen Protesten wurde die Kampagne eingestellt. Es waren diesmal Eltern und Großeltern, die protestierten.
Widerstand und Protest sind notwendig, und zwar generationenübergreifend. Die Abwicklung der imperialen Lebensweise der globalen Mittelklasse (Wolfgang Sachs, Wuppertal Institut) ist ebenso notwendig.
Ich bin aber sicher, dass ihre lobenswerte Selbstbeschränkung, Herr Käfer, ihren CO2-Ausstoß noch lange nicht auf das global verträgliche Maß senkt. Dies entspräche der Erfahrung aller Ökodörfer Europas, die teils seit Jahrzehnten alle ihnen verfügbare Einsparungsmöglichkeiten nutzen.
Sie verweisen mit Recht auf die maßlose Verschwendungswirtschaft, zu deren Umgestaltung Ihnen persönliche Handlungsoptionen nicht zur Verfügung stehen. Der demokratische Sektor endet hier einstweilen. Dass diese Verschwendung den Bedürfnissen der Menschen nicht entspricht, beweist die noch maßloser expandierende Werbung, deren Verbot eine zwingende Voraussetzung für das Überleben der Menschheit ist, weil sie die Werkzeuge der Manipulation so perfekt beherrscht und die gesellschaftlichen Institutionen von sich abhängig gemacht hat.
Notwendig ist aber auch „ein Paradigmenwechsel der Politik, der alle drei bisherigen Welten, die erste, zweite und dritte, umfasst“ (Peter Glotz, w.o.,112). Das gilt auch für die Verdienstspannen, deren nationale Einschränkung zwar dem Verfall der jeweiligen Gesellschaft entgegenwirkt, nicht aber dem schlichten Umstand Rechnung trägt, dass in der Wertschöpfungskette eines Kleidungsstücks der Baumwollbauer und die Textilarbeiterin die notwendigste und schwerste Arbeit leisten und deshalb den höchsten Lohn verdienen. Würden sie den auch erhalten, wären das Ende der Verschwendungswirtschaft und der Globalisierung eingeläutet. Lokale Produktion und lokaler Konsum ermöglichen lokale Verantwortung für beides.
Denn „nachhaltige Entwicklung wird am besten in einer Gesellschaft erreicht, in der sich freie Institutionen entfalten können. Wir müssen bedenken, dass diese nicht nur individuelle Freiheit im Markt umfassen (Freiheit von Monopolen), sondern auch die soziale, kollektive Freiheit, Regeln für das Gemeinwohl zu erlassen.“ „Anstelle vager Forderungen nach verändertem Konsumverhalten sollten wir uns klar zu einem verringerten Niveau des Verbrauchs von Ressourcen und Umweltdienstleistungen bekennen.“ Sind diese auf ein nachhaltiges Niveau reduziert, „wird sich das Konsumverhalten der Menschen dank des Marktes automatisch anpassen“ (Herman E. Daly, Wirtschaft jenseits von Wachstum, 36,37).
Sehr geehrter Herr Schneider,
da wir uns schon weit im Hinterland des aktuellen Blog-Geschehens bewegen, hier nur kurz wenige Fragen, die wir, wenn es wieder mal passt, vielleicht ausführlicher diskutieren können:
Wenn ich Sie richtig verstehe, plädieren Sie für Volkswirtschaften, die auf dörflichen Strukturen basieren. Lassen sich damit die Industrien realisieren, die zur Absicherung des Lebensunterhalts und der medizinischen Versorgung von 7,6 Mrd. Menschen erforderlich sind?
Wieso ist die Beschränkung der persönlichen Handlungsoptionen beim Klimaschutz verbunden mit einer Reduzierung demokratischer Einflussnahme auf gesamtgesellschaftliche Klimaschutzanstrengungen („Der demokratische Sektor endet hier …“)?
Ist es akzeptabel, auf Freihandelswohlstandsgewinne zu verzichten (Ricardo), in dem man für eine Dominanz lokaler Produktion plädiert? War es nicht die Vernetzung Chinas mit der Weltwirtschaft, die maßgeblich zur Befreiung von 700 Mill. Chinesen aus extremer Armut geführt hat?
Es ist richtig, dass es in Zukunft auf eine Neujustierung des Verhältnisses von Markt und Staat („Regeln für das Gemeinwohl“) ankommt. Ist die These richtig, dass sich das Konsumverhalten dank des Marktes anpassen wird?
Beste Grüße,
Johannes Lerchner
wzbw…. Diskurs ist möglich und kann sehr anregend sein. Danke an Johannes Lerchner und Christian Wolff!
Zu „Turboleben“: ich kenne beides, Turbo (früher, speziell während meines Berufslebens) und entschleunigt (heute, als Rentner). War mein Terminkalender früher fast durchgängig mit zwei, drei oder noch mehr Terminen parallel durchgetaktet, kann und will ich mir das heute kaum noch vorstellen. Im Urlaub brauchte ich meist einige Tage, um „runterzukommen“. Mittlerweile besitzen meine Frau und ich kein Auto mehr (früher war ich teilweise über 80.000 km pro Jahr am Steuer); vor fünf Jahren sind wir letztmals geflogen. Heute sehe ich überall Leute, die Warte- oder Ruhezeiten nur mithilfe ihres Handys oder Laptops ertragen… Die Anzahl der „Freunde“ oder Follower ist zum Synonym für die eigene Bedeutung geworden!!?? Die Innovationszyklen von Autos, Handys, Klamotten, Ernährungstrends usw. werden immer kürzer.
Ich denke schon, dass die Pandemie hier eine gewisse Zäsur bedeutet. Ob wir sie (sinnvoll) nutzen, muss sich dagegen erst noch erweisen.
Sie haben Recht, Umweltschutz ist nicht nur ein Privatproblem, aber eben AUCH. Zur Erläuterung erscheint mir das „SUV-Phänomen“ ganz hilfreich: Ohne auf die Henne/Ei-Frage einzugehen, treffen hier die Margen-Chancen der Automobilindustrie auf das Sicherheits- und Freiheit/Abenteuer-Feeling der Käufer, mit der katastrophalen Folge, dass trotz immer sparsamerer Verbrenner-Motoren der kumulierte Absatz von Benzin/Diesel nach wie vor steigt!
Bei Covid 19 haben wir uns daran gewöhnt, dass die Wirksamkeit einzelner Maßnahmen erst mit 14-tägiger Verzögerung beurteilt werden kann; die Wirkung der Reduktion des CO²-Ausstoßes auf den Klimawandel werden wir dagegen erst nach Jahren erfahren – deshalb spielen hier die Politik und die Beeinflussung der gesamtgesellschaftlichen Diskussion eine so wichtige Rolle.
Sie sprechen berechtigte Fragen an, H. Lerchner! Auch ich denke, wir sollten uns intensiv damit auseinandersetzen, welche Lehren wir aus der Pandemie-Zäsur ziehen (Christian Wolff hat dies mehrfach in den letzten Wochen getan; ich stimme ihm da ausdrücklich zu) und wie wir Fortschritte, die sich daraus eventuell zukünftig ergeben, bewerten und messen wollen.
Für mich wäre ein Ansatz für die Abkehr vom Turboleben, mehr Nachhaltigkeit und mehr soziale Gerechtigkeit, zu messen , ob und wie sich die Schere z.B. zwischen Einkommens- und Vermögensverteilung, Bildungs- und Aufstiegschancen entwickelt; in den vergangenen Jahren ist sie wohl immer weiter auseinandergegangen!
Warum diskutieren wir nicht, ob eine Einkommensbegrenzung am x-fachen eines durchschnittlichen Einkommens der Branche/des Berufsbildes möglich ist (als Vorschlag: x darf Werte zwischen 25 und 60 annehmen)?
Warum wird in Deutschland eine Vermögenssteuer tabuisiert? Eine Vermögenssteuerpflicht könnte an das x- fache des Durchschnittsvermögens aller Bürger festgemacht werden (als Vorschlag: x darf Werte zwischen 10 und 75 annehmen; Anteile an Produktivvermögen können ggfs. gesondert betrachtet werden).
Warum versuchen wir nicht, bei staatlichen (und privaten) Investitionen deren Auswirkung auf Schadstoffemissionen kenntlich zu machen?
Warum veröffentlichen wir nicht in einem jährlichen Bericht, wie sich Bildungs- und Aufstiegschancen für verschiedene Bevölkerungsgruppen entwickeln?
Bei Ihrer Frage, wie das Verhältnis von individueller Verantwortung und staatlichem Handeln abzuwägen sind, insbesondere unter Berücksichtigung Ihres Beispiels der fossilen Brennstoffe, fällt mir kein allgemeingültiger Lösungsansatz ein; innerhalb unserer nationalen Grenze sind Marktgesetze und staatliche Eingriffe in Preisstrukturen wohl einigermaßen erfolgversprechend.
Mich treibt in dieser Frage aber nach wie vor die Etablierung eines ernsthaften Lobby-Registers um, und damit verbunden ein Bericht darüber, wer, wann und wie oft Einfluss auf Entscheidungsprozesse genommen hat…
Sehr geehrter Herr Käfer,
danke, dass Sie auf meinen Beitrag eingegangen sind. Ich kann Ihnen in einigen Punkten folgen. Ja, die zunehmende Ungleichverteilung in Einkommen und Vermögen, nicht nur in Deutschland, ist durch breite empirische Untersuchungen nachgewiesen (Piketty, 2014, 2020). Auch, dass diese maßgeblich von der Steuerpolitik beeinflusst wird. Außerdem existiert tatsächlich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen sozialer Benachteiligung und Bildungsniveau.
Mit dem Begriff „Turboleben“ kann ich nach wie vor nicht viel anfangen. Sollte er etwas zu tun haben mit Arbeits- und Konsumintensität? Dann müsste eine Korrelation zum BIP existieren. Wie könnte im real existierenden Wirtschaftssystem ein Nullwachstum funktionieren? Und wo sehen Sie eine Verbindung zu sozialer Gerechtigkeit? Nebenbei gesagt, all diese Fragen stehen m. E. ziemlich unabhängig von der gegenwärtigen Pandemie. Inwiefern diese einmal als Zäsur im Wirtschaftsleben auf dieser Erde angesehen werden wird, ist noch nicht ausgemacht. Das war wohl eher die globale Finanzkrise 2008. Ich halte es für zweckmäßig, zwischen Maßnahmen gegen eine zeitlich begrenzte Naturkatastrophe (sicherlich begünstigt durch menschliches Handeln) und dem erforderlichen klimabedingten wirtschaftlichen Strukturwandel zu unterscheiden.
Mir ging es aber vor allem darum, gegen die Tendenz anzuschreiben, Umweltschutz auf ein Privatproblem zu reduzieren. Formulierungen wie „wo muss ich die Weichen neu stellen“ oder „… neue Lebenseinstellungen … gewinnen“ könnte man so verstehen. Dass ausgerechnet ein Mineralölkonzern einen persönlichen Ökologischen-Fußabdruck-Rechner unter das Volk bringt, spricht doch Bände! Auch eine bestimmtes Agieren von FFF ist davor nicht gefeit. Erinnern Sie sich noch an das unsägliche Lied von der Oma, der „alten Umweltsau“? Der tumbe Hinterwäldler, der gierig nach jedem Billigangebot an der Fleischtheke hechelt, um am Wochenende seine Adipositas zu pflegen, ist das geringere Problem. Wenn ich mehr politische(!) Offensive anmahne, dann meine ich damit vor allem und zuerst, die Gegner einer zielführenden Klimapolitik zu identifizieren, also die Erdöl- und Erdgasförderländer sowie Konzerne, die nicht auf leichte Profite aus klimaschädlicher Produktion verzichten wollen, als auch die sie schützenden politischen Kräfte, um sinnvolles politisches Handeln ableiten zu können. Der „Carbon Footprint Calculator“ soll davon ablenken. In diesem Zusammenhang kann ich übrigens sehr das neueste Buch von Heiner Flassbeck, „Der begrenzte Planet und die unbegrenzte Wirtschaft“ empfehlen.
Beste Grüße und ein ruhiges Wochenende,
Johannes Lerchner
Lieber Herr Lerchner, so sehr ich vielen Ihrer Überlegungen zustimmen kann, gilt doch Folgendes: Was machen die Konzerne ohne Kunden? Was macht Tönnies ohne die vielen Menschen, die das Fleisch kaufen? Es gibt doch einen klaren Zusammenhang zwischen globalem Agieren von Konzernen und dem individuellen Verhalten. Ich kann das eine nicht vom anderen trennen. Ob und wie sich Dinge verändern, hängt vom einzelnen Bürger ab – aber nicht allein. Natürlich kommt es darauf an, dass Einzelne sich zusammenschließen, um Gegenmacht zu bilden und neue Mehrheiten herzustellen.
Noch zwei Bemerkungen:
1. Sie schreiben, dass die Corona-Pandemie keine neue Fragen aufgeworfen hat. Aber sie die alten, unerledigten Probleme deutlicher sichtbar werden lassen: vor allem die soziale Ungerechtigkeit, denn Menschen, die in prekären Verhältnissen leben, sind dem Virus ziemlich hilflos ausgeliefert; und der Klimawandel. Dieser begünstigt die Ausbreitung von neuen Viren.
2. Turboleben: zugegeben, das ist ein pauschaler Begriff. Er besagt vor allem, dass ein Teil der Weltbevölkerung (und auch innerhalb der einzelnen Gesellschaften ist es ein Teil) zu viel arbeitet, produziert, verbraucht, konsumiert. Das schädigt nicht nur andere, sondern zunehmend auch die Verursacher und Nutznießer dieser in jeder Hinsicht ungesunde Lebensweise.
Insgesamt: Wenn ich meine Gedanken im Blog veröffentliche, dann geht es mir weniger um eine ökonomische Perspektive. Vielmehr möchte ich anregen, diese Gedanken in den eigenen Kontext einzuordnen. Insofern sind Ihre Einlassungen für mich wichtige Ergänzungen. Dafür vielen Dank!
Beste Grüße Christian Wolff
Lieber Herr Wolff,
was Sie zu den Auswirkungen der Pandemie sagen, ist völlig richtig. Es gibt ja heute schon Zahlen, um wieviel die Kindersterblichkeit infolge der Pandemie weltweit bis jetzt gestiegen ist. Auch ist es selbstverständlich aller Ehren wert, sich einer ökologisch sinnvollen Lebensweise zu befleißigen. Nur ob das global irgendeinen Effekt hat, wird allein durch die Politik bestimmt. Würden die Saudis weniger Erdöl aus dem Boden holen, wenn signifikante Teile der deutschen Bevölkerung in den Hungerstreik treten würden, um es etwas überspitzt zu formulieren? Die Chinesen könnten dadurch ihren Energiehunger günstiger befriedigen. Das sollte bei allen im Grunde berechtigten Appellen mit bedacht werden.
Beste Grüße,
Johannes Lerchner
Lieber Herr Lerchner, Widerspruch: Die Politik bestimmt nicht allein. Sie entscheidet das, was eine Mehrheit der Bevölkerung zulässt. Diese setzt sich aus den Einzelnen und ihren Vorstellungen zusammen. Ich bin ein strikter Gegner davon, den Einzelnen von seiner Verantwortung für das Ganze dadurch freizusprechen, dass ich ihm suggeriere: Auf Dich kommt es sowieso nicht an. Hier verweise ich nur auf die in Holland und Westdeutschland sehr erfolgreiche Kampagne „Kauft keine Früchte aus Südafrika“. Beste Grüße Christian Wolff
Leider sind die jüngsten Wolff’schen Thesen zum gesellschaftlichen Leben nach Corona in der Debatte um die Protest-Demos etwas untergegangen. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir zum Thema Corona und Gesellschaft im April schon Wesentliches diskutiert hatten (ab. 17.04.20). Trotzdem sind für mich noch Fragen offen bzw. stellen sich immer wieder neue.
Herr Wolff plädiert für die Abkehr von einem Turboleben, das Mensch und Natur erschöpft. Wie ist das zu verstehen? Woran könnte ein Erfolg gemessen werden? Sollte sich eine veränderte Lebensweise in einem gebremsten Anstieg des Bruttoinlandsprodukts, in einer Verminderung der Gesamtarbeitsstunden und in einer Reduzierung des Auslandshandelsvolumens niederschlagen? Wäre unter solchen Voraussetzungen der dringend erforderliche wirtschaftliche Strukturwandel machbar? Wolfgang Schäuble fordert in einem bemerkenswerten WELT-Interview („Wir müssen den Schock der Pandemie nutzen!“, https://www.welt.de/politik/deutschland/plus219858454/Wolfgang-Schaeuble-Wir-muessen-den-Schock-der-Pandemie-nutzen.html), dass das „unglaubliche Schwungrad des Kapitalismus und der Finanzmärkte nicht weiter überdreht“ wird. Woran würde man einen eher gemeinwohlorientierten Kapitalismus erkennen? Vielleicht könnte sich mal jemand dazu äußern!
Eine weitere Frage, die mich beschäftigt, ist die nach dem Verhältnis von individueller, persönlicher Verantwortung und staatlichem Handeln, also wie Maßhalteappelle an die Einzelnen und politische Forderungen an die Entscheidungsträger der Gesellschaft gegeneinander abzuwägen sind. Ein Beispiel zur Illustration: Es existieren einfach handhabbare Online-Tools, die es jedem erlauben, die Auswirkungen des eigenen Konsum- und Mobilitätsverhaltens auf die Treibhausgas-Emission zu berechnen. Witzig ist, dass ein solches Instrument („Carbon Footprint Calculator“) erstmals von der Werbeagentur Oglivy & Mather im Auftrag des Öl- und Gaskonzerns BP entwickelt wurde, einem Konzern, der essentielles Interesse am extensiven Verkauf fossiler Brennstoffe hat. Was ist wohl das Motiv des Konzerns? Wenn jeder von uns weniger Kraftstoff verbraucht und den Konsum energieaufwendiger Produkte reduziert, sollte, den Gesetzen des Marktes folgend, der Preis für fossile Brennstoffe sinken. In den entwickelten Industriestaaten könnte dem mit staatlichen Eingriffen in die Preisstruktur entgegengewirkt werden. Es gibt aber Gegenden in dieser Welt, in denen die Sicherung des Lebensunterhalts oberste Priorität hat gegenüber Konsumverzicht. Dort würden Preissenkungen hochwillkommen sein. Mit welchen Mitteln kann dafür gesorgt werden, dass fossile Energieträger trotzdem in der Erde verbleiben? Kommt es nicht vorrangig auf internationales staatliches Handeln an? Sind moralische Appelle nicht eher kontraproduktiv? Kann man erfolgreich auf die Gesellschaft einwirken, ohne politisch zu werden?
Lieber M. Käfer –
Ja, es ist klar, dass „es natürlich die Gerichte sind, die abschließend das Wort haben“; dies unterschreibt bestimmt auch J. Flade .
Unabhängig davon, dass vermutlich nicht nur die PC-Tastatur bei Herrn Precht defekt zu sein scheint, sondern die leicht aus dem Ruder laufenden, nämlich seine seine Emotionen den einen und anderen Gedanken unangenehm beeinflussen (wo bei normaler Weise Emotionen sympathisch sind), ist es der demokratischen Zivilgesellschaft und unserem Rechtssystem bekanntermaßen immanent, dass Gerichte, werden diese angerufen, unabhängig entscheiden und Recht sprechen – dieser Auffassung folge ich.
Im konkreten Fall Leipzig (und Chr. Wolff beschreibt nicht nur seine Wahrnehmungen, was wozu auch vergangenheitlich vor Leipzig beim OLG Bautzen an richterlichen Entscheidungen wenig vertrauensbildend fixiert wurde) wurde bis dato vom OLG zu deren hinterfragbare Rechtssprechnung für den 07.11.2020 für die interessierte Öffentlichkeit nähere Erklärungen nicht deutlich.
Auch der OB von Liepzig, B. Jung, interpretiert die Entscheidung des OLG Bautzen für höchst problematisch (Die ZEIT; 14.11.2020).
Insofern sollte/dürfte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein, und es wäre für den Souverän und die noch immer im Raum stehenden Nachfragen auch aus der Politik wesentlich vertrauensbildend, könnte sich das OLG Bautzen zu einem Statement aufraffen, vor allem nach den kaum zu übersehenden Problemen, die diesem Richterspruch am 07.11.20 realiter folgten.
Übrigens: Merkel-Fanboy – ein Terminus, mit dem ich nichts anzufangen vermag, aber das tut hier auch nichts zur Sache.
Ach ja, Herr Precht – man lernt nie aus!!
Ich kann nur wiederholt bitten um eine sprachlich anständige und überzeugende Argumentation zu Sachfragen; die Dinge in unserer beängstigend durcheinandergeratenen Gesellschaft sind viel zu ernst, als dass man leichtfertig in div. Blogs herumpoltern sollte.
Schauen wir mal, wie es am 12. Dezember (Adventszeit) in Dresden mit den sog. „Querdenkern“ ausgeht – es gibt viele, sehr viele, selbst hier in Sachsen, die zunehmend schwarz sehen, um nicht zu sagen: braun.
Grüße nach Leipzig – Ihr Jo.Flade
Zur Information: Damit sich jeder selbst ein Bild machen kann, hier Videos von einem längeren Gespräch mit dem Pfarrer i. R. Christoph Wonneberger und von seinem Auftritt auf der Querdenken-Demo am 07.11.2020 in Leipzig (ab 03:58). Von Bekannten aus dem Umfeld der Nachdenkseiten weiß ich, dass Wonneberger bei dieser Klientel ziemlichen Eindruck hinterlässt. Für diejenigen, die sich tiefgründiger mit dem Zusammenhang Neue Rechte und Querdenken-Bewegung befassen möchten, ist das auf Sezession veröffentlichte Video von einer Diskussion mit Götz Kubitschek und Gesinnungsgenossen sicherlich interessant (zu Querdenken ab 16:42).
https://www.facebook.com/BewegungLeipzig/videos/378235856559051
https://eingeschenkt.tv/das-wunder-von-leipzig-querdenken-demo-vom-7-11-2020/
https://sezession.de/63603/netzfundstuecke-66-gegenwehr-querdenken-widerspruch
An H. Haspelmath:
Ihre positive Bewertung des Textes von „Leipzig nimmt Platz“ teile ich uneingeschränkt. Ihnen ist möglicherweise entgangen, dass Christian Wolff dort am 7.11. als Redner aufgetreten ist; ich selbst wollte diese Gruppe vor Ort unterstützen, habe das angesichts der chaotischen Zustände auf dem Augustusplatz aber aufgegeben. Dies nur, weil Sie (7.11; .22:37 Uhr) erwähnt haben, dass „man Andersdenkende nicht einfach beschimpfen und Brücken abbrechen“ dürfe. Oder (11.11.; 12:48 Uhr) dass „die Linken 2020 (bei der Verteidigung der Grundrechte) kläglich versagt haben“; bemerkenswert auch Ihre Feststellung, „die Querdenker haben sich ja immer wieder deutlich(??!!) von allem Extremismus distanziert“.
Ihre und meine Einschätzung der „Querdenker“ ist wohl signifikant unterschiedlich; nicht so die Notwendigkeit und Legitimität, Regierungs-Beschlüsse und –Handeln zur Bewältigung der Pandemie zu kritisieren.
An H. Precht:
Ja, es ist klar, dass „es natürlich die Gerichte sind, die abschließend das Wort haben“; dies unterschreibt bestimmt auch J. Flade .
Nicht klar ist mir, wer der “ Merkelfanboy“ sein soll, mit dem sich H. Flade ohne Ende austauscht? Oder die „eine Person, welche in allem anders denkt und schreibt als die anderen User“ in diesem (von Ihnen wohl als links eingeschätzten) Forum?
Eine europäische Einreisesperre für private Urlauber (Frage: gibt es auch berufliche?) scheint mir dagegen hochproblematisch, insbesondere wenn diese nur für „linksliberale deutsche Studienrätinnen“ oder „Partybuben“ gelten sollte!
PS: Ist Ihre Tastatur möglicherweise defekt?
Ich habe noch mal bei „Leipzig nimmt PLatz“ nachgelesen und diesen bemerkenswerten Text gefunden, wo die Regierung aus einer Bürgerrechtsperspektive massiv kritisiert wird https://platznehmen.de/freiheitsrechte/: „Im Grunde ist es jetzt der Polizei und den Ordnungsbehörden überlassen, die Nachweise zu kontrollieren und zu bewerten. Eine Rechtssicherheit ist so – auch für die zuständigen Beamt*innen – nicht gegeben… Erschreckend ist auch der bereits erwähnte Umstand, dass Politiker*innen beim Verkünden der Regelungen zumeist keine Bewertung der Grundrechtseingriffe vornehmen… eine Einordnung der Entscheidungen wäre das Mindeste, was Politik in Verantwortung leisten muss… Durch politisch Verantwortliche getroffene Maßnahmen dürfen niemals kritikfrei bleiben, auch oder gerade wenn es um unsere Gesundheit geht. Neben dem Infektionsschutz gehört dazu auch die psychische Gesundheit, welche insbesondere durch Isolation sehr leiden kann. Wir müssen die Frage aufwerfen, was verstärkte ordnungspolitische Maßnahmen für Menschen bedeuten, die kein Obdach haben, die regelmäßig von Racial Profiling betroffen sind.“ Man würde sich wünschen, dass solche klugen regierungskritischen Stimmen mehr gehört werden, aber in der heutigen, angstgeladenen Stimmung ist vielen Leuten jede Kritik an der Regierung suspekt, und absurderweise gibt es sogar militante Regierungsbefürworter, die von der Polizei mit Wasserwerfern in ihre Schranken gewiesen werden müssen (wie zuletzt in Frankfurt am Main). Unsere Gesellschaft ist auf einem sehr gefährlichen Weg.
Herr A. Precht –
Ihre bedauerlich desaströse Interpretation des für alle in dieser Demokratie lebenden Bürger (!) geltenden Grundgesetzes (hier Artikel 1!) mit Ihrer Bemerkung (Zitat):
„Niemand soll glauben, dies könnte der Priester, Offizier oder Lehrling beurteilen.“ (s.d.) sollten Sie vielleicht doch noch einmal in Ruhe überdenken.
Im demokratischen Diskurs – und darum geht es auch hier in diesem Blog – hat jeder das Recht, seine Meinung, sei sie noch so strittig, zu artikulieren. Solange dies fair, mit Anstand und im gegenseitigen Respekt erfolgt, ist es doch okay.
Die sog. „Querdenker“-Demonstration letztens in Leipzig, und darüber sind sich die Kommentatoren nicht nur in diesem Blog von Chr. Wolff längst einig (unabhängig von Persönlichkeit, Berufsstand, Lebensphilosophie!), war weder respektvoll, noch fair, vor allem aber nicht konstruktiv, was eben leider eine zu den gegebenen Problemen (Civid-19) dringend nötige zu führende Debatte mit Anstand geradezu ausschließt.
Mit Gebrüll, kanalisierter Aggression, Verächtlichmachung Anderer und Verhöhnung Andersdenkender, vor allem jedoch mit wissentlicher Duldung rechtsextremer (nicht nur:) Trittbrettfahrer ist ein Meinungsstreit ausgeschlossen.
Übrigens macht es mich – und nicht nur mich – fassungs- und sprachlos, dass sich Pfarrer i.R. Chr. Wonneberger zu diesen Aufmärschen in „seiner“ Stadt des Friedlichen Herbstes 1989 instrumentalisieren ließ. Hierzu wäre eine Auseinandersetzung mit ihm höchst nötig!!
Und solcherart Kommentare wie der Ihrige disqualifiziert den Erzeuger per se – schade. Denn damit reduzieren Sie sich selbst und verlassen das elementare Fundament des Dialogs, ohne den es nun wirklich nicht geht!
Eine Empfehlung: Aktuelle Ausgabe DIE ZEIT – empfehlenswert. Nicht nur zum Thema Trump, sondern auch zu den Vorgängen in Leipzig!!
Irgendwie scheinen da Dinge parallel zu laufen.
Herr Flade, ich teile Ihre Kritik an der Verhaltensweise des Pfr. i. R. Wonneberger. Ich kann mich an eine weit zurückliegende Äußerung von ihm erinnern, wonach es ihm schwerfiele umzuschalten von dem jahrezehntelangen „Dagegensein“.Offenbar fasziniert ihn dieses noch immer.
Werter Herr Flade,
niemand hindert Sie an der Debatte, wie auch!? Wenn Sie glauben, dass es für Sie Sinn macht, sich mit einem bestimmten Metkelfanboy ohne Ende auszutauschen geschenk , Ihr Problem! Ich wollte eigentlich nur darlegen, dass es natürlich die Gerichte sind, welche abschließend das Wort haben, dies dürfte klar sein, nehme ich an!!
Natürlich muss sich eine Regierung kritisieren lassen, jeden Tag und dies ist auch gut so!
Ich höre aber praktisch nie die Frage, warum die europäischen Staaten keine Einreisesprerre für private Urlauber verhängt haben, die einmalig privilegierte linksliberale deutsche Studienrätin konnte wieder in die Toskana reisen, von den Partybuben auf Malle mal ganz abgesehen. Urlaub im Auslnd ist kein Menachenrecht , zumal den europäischen Christen ja auch die Weihnachtsfreude ein Stück genommen wird , da keine oder nur eingeschränkt Weihnachtsmärkte möglich sind!
Ich bin sehr für Diskussionen, ber die Diskuttanten müssen eine gemeinsame Grundlage haben! Niemand muss in einem linken Forum gegen den Sozialstaat schreiben, niiemnd muss in einem CDU nahen Forum Merkel als das leibhaftig Böse benennen, dies führt alles zu nichts, Sie haben hier im Forum eine Person, welche in allem anders denkt und schreibt als die Nieren User , wo soll d der Sinn sein?
In einer Demokratie entscheidet am Ende ehrenwerte Gerichte darüber, ob die Coronamassnahmen rechtens sind
Da ist dem Herrn Söder zuzustimmen
Niemand soll glauben, dies könnte der Priester, Offizier oder Lehrling beurteilen
Eine Meinung darf natürlich jeder äußern, die ist aber sein Privatvergnügen
Niemand muss diese Regierung mögen, rot-rot-grün hätte nicht oder kaum anders entschieden
1. Im demokratischen Rechtsstaat kann jede*r Bürger*in gegen Regierungsentscheidungen die zuständigen Gerichte anrufen. Deren Entscheidungen sind in letzter Instanz bindend.
2. Jede*r Bürger*in ist berechtigt, sich am politischen Diskurs zu beteiligen. Das ist kein „Privatvergnügen“, sondern damit nimmt der/die Bürger*in seine/ihre demokratische Verantwortung wahr.
3. Am Ende einer Wahlperiode hat jede*r Bürger*in die Möglichkeit, durch seine Stimmabgabe eine Regierung abzuwählen oder zu bestätigen.
Es wäre sehr hilfreich, wenn nicht nur „Priester, Offizier oder Lehrling“ sich in dieser Weise am demokratischen Prozess beteiligen.
Wie sehr die „Querdenken“-Demo vom 7.11. und ihre Begleiterscheinungen aufgewühlt haben, zeigen u.a. die mehr als 70 Blog-Beiträge zum Thema!
Christian Wolff erntet darin reichlich Kritik, weil er Beiträge zu Unrecht freigeschaltet habe, spalterisch oder zumindest unversöhnlich argumentiere, andere Schreibende werden der Ignoranz, Naivität oder des Trumpismus bezichtigt.
Ich bin durchaus bei Christian, wenn er sich damit in „Absurdistan“ wähnt.
Meine subjektive Wahrnehmung der Teilnehmer und Geschehnisse vom vergangenen Samstag:
!.) Es war alles andere als eine homogene Menge an „Demonstranten“ in der Innenstadt unterwegs, nämlich
Party-/Event-Touristen, esoterisch Motivierte, AHA- bzw. Verweigerer von grundsätzlich allen Vorsichtsregeln in der Pandemie, Grundrechts-Besorgte, Demokratie-Skeptiker, Populisten, Rechtsextreme…..
2.) Die Polizei war zwar insgesamt zahlenmäßig nach meinem Eindruck ausreichend präsent; am Einsatzkonzept bemängele ich aber, dass
Zu-und Abgang zum Augustusplatz frei möglich war,
man zu keiner Zeit (solange ich das beobachten konnte) das Einhalten der Infektionsschutzmaßnahmen durchzusetzen versuchte,
man die Ortsgebundenheit der Veranstaltung nicht in der Lage war, zu gewährleisten.
3.) Die Veranstalter waren erkennbar nicht daran interessiert, die Demonstration innerhalb der vorgegebenen Regeln durchzuführen, sie haben im Gegenteil eher zu deren Umgehung zumindest animiert.
4.) Richter sind absolut unabhängig und das ist auch zentrales Wesensmerkmal unserer Demokratie! Aber realitätsblind und erfahrungsresistent sollten und dürfen sie nicht sein. Das OVG Bautzen hat m.E. dem Ansehen der Justiz und der Demokratie in Deutschland Schaden zugefügt.
Im Nachhinein wird von einem „Schwarzen Tag“ in Leipzig gesprochen (von Christian Wolff und anderen Kommentatoren); ich empfinde das genauso!
Die wechselseitigen Schuldzuweisungen der verantwortlich Beteiligten seither („alle anderen sind Schuld, nur mein Verantwortungsbereich nicht“) sind ein Armutszeugnis!!
Man darf auf die nächsten „Querdenken“-Veranstaltungen, z.B. morgen in Karlsruhe, gespannt sein.
Nun ist also auch unsere sonst so verbindliche Frau Binder der heutigen „Seuche“ aufgesessen – schade! Es ist das Trump’sche Prinzip, die eigene Meinung als die richtige darzustellen, die Gegenmeinung dagegen als „nicht wollen“ (oder „nicht sehen“) zu verunglimpfen. Diese Methode enthebt die Menschen von der Pflicht, zu argumentieren und sich in der Sache und mit Respekt auseinanderzusetzen. Bezogen auf die augenblickliche Kontroverse in Sachen Corona heißt dies: Man muß die Maßnahmen der Regierung nicht als richtig erkennen, man kann die Vorbereitung und Taktik der Polizei beklagen, man kann Entscheidungen vor Ort der ausführenden Behörden für richtig oder falsch halten. Aber wenn wir stattdessen hingehen und denen, die anders denken oder entscheiden, als wir das für richtig halten, unterstellen, sie „ wollten nicht“ – diese Unterstellung enthält zwingend den Vorwurf, daß sie gegen besseres Wissen und zum Nachteil der ihnen anvertrauten Verantwortung und Menschen handeln -, dann ist das eine Perversion der demokratischen Diskussion und Trump’scher Stil.
Wie wollen Sie, Frau Binder, wohl Ihre Aussage rechtfertigen und begründen, daß „die Ignoranz der behördlichen Schaltebenen … mehr als erschreckend“ sei? Auf welchem tiefen Einblick Iherseits beruht diese Feststellung? Was macht Sie so sicher, daß Sie offensichtlich weniger ignorant in dieser wissenschaftlichen Frage sind? Wie rechtfertigen Sie den in dieser Ansicht enthaltenen und später offen ausgesprochenen Vorwurf, daß die Regierung also absichtlich und „ganz bewußt“ Entscheidungen zum Nachteil der Öffentlichkeit trifft und durchsetzt? Sie bringen kein einziges Argument zur Stützung Ihrer Ansicht und insofern scheint mir eher der Fall zu sein, daß IHR Beitrag das Vertrauen der Menschen „stört und schwächt“.
Ich betone, liebe Frau Binder, daß es nicht Ihre Meinung ist, die mich stört, wenn ich Sie richtig interpretiere, nämlich daß die Maßnahmen der Regierung falsch seien. Dies ist legtitim, auch wenn ich das halt anders sehe. Aber ohne Begründung den schweren Vorwurf sozusagen bewußter Sabotage gegen das eigenen Volk zu erheben – das ist Propaganda, das ist das Gegenteil demokratischen Diskurses, das ist Spaltung und erinnert an Trump – und es ist auch mein Vorwurf an Herrn Wolff, daß er dieses Prozedere allzu oft fördert, so auch in diesem Beitrag.
Mit reundlichem Gruß,
Andreas Schwerdtfeger
Lieber Christian, ich danke Dir nicht nur für Deine Beobachtungen während der “ Corona- Demonstration“. Ich danke für Deine Analyse. Die Ignoranz der behördlichen Schaltebenen ist mehr als erschreckend .Vielleicht ist es nicht nur Ignoranz, sondern ganz bewußtes „Nicht -sehen -wollen“. Das verstört und schwächt das Vertrauen , dass dieser Staat sich wirklich schützend vor uns ganz normale Bürger/Innen stellt, wenn es wirklich notwendig ist- wie in Leipzig am 7.11. geschehen. Das ist mein bitteres Fazit. Ich traue mir kaum dies auszusprechen, denn ich möchte auch nicht im entferntesten diesen Corona- Gegnern/ Innen in die Hände spielen. Dein Fazit und Ausblickt: So wahr. Dennoch: Ob wir als Gesellschaft aus dieser Krise lernen? .
Im Moment sieht es nicht einmal im entferntesten , schon gar nicht bei unserer Regierung – die munter über alle demokratischen Institutionen per Ordre hinwegregiert-
danach aus.
Resigniert einersetis und dennoch hoffnungsfroh grüße ich.
Es stimmt, die Querdenken-Bewegung ist für die Neue Rechte ein hochinteressantes Phänomen. Die Debatten im rechten Intellektuellen-Blog „Sezession“ sind deutlich, wenn auch widersprüchlich. Radikale wie Martin Sellner (IB Österreich) sehen ein mögliches Mobilisierungspotential für rechte Massenbewegungen, d. h. die Massen vom Nebenkriegsschauplatz „Corona“ hin zu den für die Rechten zentralen völkischen Themen umzulenken (https://sezession.de/63298/wer-war-schuld-am-reichstagssturm). Dass sich „Querdenken“ als rechtsoffen (und linksoffen) versteht, kommt dem entgegen. Es gibt aber auch Einwände, die vor einer künstlichen Manipulation der Massen warnen und deren Nachhaltigkeit bezweifeln (Caroline Sommerfeld, https://sezession.de/63310/ein-anderer-kampf). Als Beispiel wird die Kiewer Maidan-Bewegung von 2013/14 genannt.
So gesehen ist die Frage nach dem Einfluss der Rechten auf die Anti-Corona-Demos sicherlich relevant. Man darf aber nicht in jedem Problem einen „Nagel“ sehen, nur weil das Lieblingswerkzeug der Hammer ist, um einen populären Spruch etwas abzuwandeln. Ich meine, das tatsächliche Ausmaß einer Unterwanderung der Querdenken-Bewegung durch die Rechten ist so klar nicht, wie es hier auf dem Blog dargestellt wird. Zu unbedacht und mit nur dürftigen Befunden die Nazikeule zu schwingen, beeinträchtigt die Überzeugungskraft und die Möglichkeit, bei den verirrten (und z. T. verwirrten) Geistern der Bewegung Gehör zu finden, so es denn beabsichtigt ist. Derzeit laufen an der Uni Konstanz Untersuchungen zur soziologischen Zusammensetzung der Querdenken-Bewegung. Erste Ergebnisse zeigen, dass Rechtsextremismus eher ein Randphänomen der „Querdenker“ ist. Mitautoren der Studie halten es für falsch und sogar gefährlich, die Bewegung diesbezüglich zu stigmatisieren und zu dämonisieren (FAZ 06.10.2020, „Bunte Misstrauensgemeinschaft“).
Damit ich nicht missverstanden werde: Eine Zusammenrottung der Spinner dieser Republik in einem Ausmaß wie am letzten WE in Leipzig sollte in Pandemiezeiten auf alle Fälle mit den gegebenen rechtlichen Mitteln unterbunden werden. Vor allem aus Gründen der hygienischen Gefahrenabwehr. Eine Gefährdung unseres politischen Systems (Demokratie) durch die Anti-Corona-Bewegung sehe ich nicht, trotz vieler alberner Sprüche auf den Plakaten von Demoteilnehmern. Statt einer Geisterdebatte über Neonazis in der Bewegung wünschte ich mir eine tiefergehende Auseinandersetzung über Ursachen des pervertierten Freiheitsverständnisses, das bei den Querdenker-Demos zu Tage tritt (an dieser Stelle teile ich die Einschätzung von Herrn Wolff ausdrücklich). Stichworte dazu hatte ich in meinem letzten Beitrag genannt. Ein (kostenloser) Artikel auf Makroskop beschreibt das Problem m. E. sehr schön (https://makroskop.eu/42-2020/die-freiheit-nehmen-wir-uns/).
Der Nationalsozialismus konnte sich nicht deswegen durchsetzen, weil in der Bevölkerung stramme Nazis eine Mehrheit bildeten. Nein, es waren die ganz normalen, friedlich gesinnten Bürgerinnen und Bürger, die mit den Schlägertrupps der SA nichts gemein hatten, die den Nazis zum Siegeszug verhalfen. Es geht also nicht darum, „die Nazikeule zu schwingen“ oder eine „Geisterdebatte über Neonazis in der Bewegung“ auszulösen. Es geht schlicht und einfach darum, das Treiben des organisierten Rechtsextremismus zu durchschauen und offen zu legen und damit die Menge der „Querdenken“-Sympathisanten zu konfrontieren. Das hat nichts damit zu tun, „die Bewegung (!) … zu stigmatisieren und zu dämonisieren“, wohl aber sehr wach und aufmerksam zu sein. Denn das „pervertierte Freiheitsverständnis“ ist ja nur Teil einer rechtskompatiblen Sicht auf die Gesellschaft. Christian Wolff
Lieber Christian,
danke für Deine geschilderten Beobachtungen vor Ort. Was für eine Anmaßung der Teilnehmenden Ihre jetzige Demonstration mit der von 1989 gleichzusetzen. Danke für Deine Analyse und Vision einer Gesellschaft, die nicht auf Kosten der Umwelt so wie bisher weiter bestehen kann. Dies ist hochaktuell und würde einen Vertrag der Generationen politisch ernst nehmen: Bewahrung der Schöpfung, Friede und Gerechtigkeit.
Klaus Reuter
Dem kann ich voll und ganz zustimmen:
„Wir müssen in der Pandemie endlich aus dem Panik- und Verbots-, dem Verleugnungs- und Widerstandsmodus in den Gestaltungsmodus kommen.“
Und möchte auf eine beachtenswerte Corona-Doku auf ARTE hinweisen:
https://www.arte.tv/de/videos/098118-000-A/corona-sicherheit-kontra-freiheit/
Lieber Herr Wolff,
Ihr Beitrag zeigt uns wieder mal auf, wie schade es ist, daß Sie nicht überall die Leitende Person sein können (verzeihen Sie die Ironie):
Ihrer Beurteilung der Quertreiber kann man nur zustimmen; auch dem Bedauern, daß diese rechtsradikal unterwandert und ausgenutzt sind. Allerdings muß man eben feststellen, daß in unserem Lande jede Demonstration in der Gefahr steht, von Extremisten ausgenutzt zu werden – Hamburg 2018 zeigte das im linksextremen Bereich, Leipzig 2020 zeigte es im rechtsextremen.
Daß das Bautzener Urteil verantwortungslos war, ist auch richtig, wobei es auf die Zahl gar nicht ankommt. Anmeldungen von Demonstrationen beruhen bezüglich der Zahl ja immer auf Vermutungen und Prognosen. Es ist also unabhängig von solchen Zahlen zu entscheiden – und in Corona-Zeiten sollten alle Demonstrationen auf Bereiche außerhalb der Stadtzentren verwiesen werden. Der Zweck einer Demonstration ist es, die Öffentlichkeit auf die eigene Meinung aufmerksam zu machen – mit den heutigen Möglichkeiten und Realitäten des Medieninteresses und der Fernsehübertragungen wird dieses Ziel auch bei Demonstrationen außerhalb der Innenstädte sichergestellt.
Was das Ordnungsamt angeht, so wäre es sicher besser gewesen, wenn Sie dort der Leiter gewesen wären. Problem ist nur, daß, wenn man alle Ihre Vorschläge durchgesetzt hätte, Sie selbst auf die fragliche Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen und die notwendige gerichtliche Überprüfung hingewiesen hätten.
Daß Sie nicht der Einsatzleiter der Polizei waren, ist ebenfalls bedauerlich – Sie hätten sicherlich einen guten Plan gehabt.
Ihr Vorschlag, aus dem „Panik-, etc-Modus“ heraus in den „Gestaltungsmodus“ zu kommen, klingt sehr gut. Allerdings unterstellt er, wir seien im „Panik- und Verleugnungsmodus“, was mir nicht so sicher erscheint; und er füllt den „Gestaltungsmodus“ mit keinem einzigen konkreten Vorschlag aus. Dafür aber wissen Sie genau, daß die Schließung der Gastronomie und Kultur „in jeder Hinsicht schädlich“ ist. Richtiger ist allerdings, daß fast alle Experten auf dem virologischen Sektor, in der Ärzteschaft und eben auch in der verantwortlichen Politik (zB Lauterbach) diese Maßnahme unterstützen und für richtig halten, jedenfalls solange man angesichts der Zahlen die Ansteckungsketten nicht mehr verfolgen kann. Die Regierungsmaßnahmen sind also richtig, so schmerzlich sie sind, und weit entfernt von jeder Schädlichkeit.
Das Problem dieser Pandemie ist, daß man ZUNÄCHST, mit ihren unmittelbaren und augenblicklich vorhandenen Folgen und Gefahren fertig werden und JETZT die Bevölkerung schützen muß. Dazu sind Sorfortmaßnahmen nötig, die angesichts der volatilen Lage natürlich auch flexibel angepaßt werden müssen und nicht immer genau das richtige Maß an Verhältnismäßigkeit treffen. Dies zu kritisieren, ist billig. Daß man gleichzeitig eine längerfristige Strategie entwickeln sollte, ist richtig, wobei die allzeit besserwissenden Kritiker ja immer unrealistischer werden (es gibt zB derzeit keine Technik zur künstlichen Belüftung von Klassenzimern in ausreichendem Maße und sie kann ja auch nicht in Wochen in allen Bereichen installiert werden. Auch der ewige Vergleich mit Schweden ist absurd: 1/10 unserer Bevölkerung, ¼ grössere Fläche). Zur längerfristigen Strategie aber fehlen Ihre Gedanken über allgemeine Verbindungen von Corona und Umwelt hinaus oder über die Feststellung, daß alles anders wird und werden muß. Dem letzteren ist ja grundsätzlich zuzustimmen, aber solange man nicht bereit ist, die Verbindung zwischen Pandemie-Bekämpfung, wirtschaftlichen Erfordernissen zu deren Finanzierung und Trägheit der Menschen bei der Bereitschaft zur Umstellung des Lebens anzuerkennen und dafür Lösungen vorzuschlagen, solange bleiben Worte Besserwisserei und kluges Geschwätz nachdem man vom Rathaus kommt.
Aber mich freut Ihr Fazit: „Mit guten Aussichten“!
Herrn Käfers Anmerkungen im vorherigen Blogbeitrag erscheinen mir allerdings doch zutreffender: „COVID ist gefährlich, die geltenden Vorsichtsmaßnahmen (sic!) greifen nicht wirklich in die Grundrechte ein, hohe Meinung von und großen Respekt gegenüber der deutschen Justiz und der Polizei!“
Herzliche Grüße,
Andreas Schwerdtfeger
Heute Morgen in WDR5: eine m. E. bagatellisierende, verharmlosende „Nachlese“ von Peter Grimm: https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-morgenecho-interview/audio-leipzig-querdenken-demo-mit-folgen-100.html
Grüße aus NRW
Norbert Sinofzik
Das allerdings ist mehr als bagatellisierend. Recht hat Peter Grimm, dass die Polizei bei dieser Kundgebung/Demo nicht das Problem war. Aber dass er – einem Journalist unterstelle ich selten Uninformiertheit oder Ahnungslosigkeit – die Augen vor der rechten Durchdringung von „Querdenken“ verschließt, ist schon bemerkenswert. Außerdem findet mit keinem Wort Erwähnung, dass sich ca. 90 Prozent der „Querdenken“-Anhänger den Regeln von Mund-Nasen-Schutz und Abstand widersetzten und damit überdeutlich demonstrierten (und das auch wollten): Uns interessieren die Schutzmaßnahmen, die an Covid-19 Erkrankten und Gestorbenen nicht, denn das Virus ist ja eine Erfindung. Auch ist es äußerst aufschlussreich, dass für diesen „DDR Bürgerrechtler“ es offensichtlich völlig in Ordnung ist, wenn Querdenken permanent kommuniziert: alles ist schlimmer als in der DDR, Merkel, „Kanzlerdiktatorin“ schlimmer als Honecker.
Dieser Bericht entspricht ja durchaus jenem des sogar von einer Hooligan-Flasche am Kopf getroffenen Journalisten Boris Reitschuster, der zwar auch schreibt, dass nicht alle Teilnehmer ohne Masken ein ärztliches Attest bei sich gehabt haben können, dass aber die Abstandspflicht vor allem durch die Enge bei der Auflösung der Demonstration nicht eingehalten wurde. Solange die Corona-Gefahr besteht, sollten alle Demonstrationen (auch gute) gemieden werden, und auch Sie, lieber Herr Wolff sollten zu keiner aufrufen.
Nun, Herr Heydebreck, wes Geistes Kind der Herr Reitschuster ist, ist ja nun doch ausreichend bekannt. Als „Zeuge“ taugt er jedenfalls wohl kaum.
MfG
Th. Weiß
Ich bin Ihnen, lieber Her Wolff, sehr dankbar, dass sie bei den versammelten Kreidefressern am letzten WE in Leipzig so genau hingeschaut haben und als Zeuge mir hier in Aachen und den Lesern Ihres Blogs das, was sich da in der Innenstadt wirksam abgespielt hat ,so genau beschreiben und die anzunehmenden , tieferen Motive, die wohl Viele der Mitläufer hinter der harmlosen Maske verstecken, entlarven, indem Sie so nachvollziehbar beschreiben,benennen, was Sie mitbekommen haben und Ihre persönlichen Refexionen und Rückschlüsse dazu. Wir Älteren sind dafür wirklich gut zu gebrauchen, den Blick hinter die Fassaden und somit auf die versteckten , maskierten.,eigentlichen Motive hinter den vordergründig gezeigten Protesten zu ermöglichen. Unabhängige Wahrnehmung , eigener Blick und den Mut , das Erlebte und Dazu Überlegte mitzuteilen , erlaubt erst anzustecken zu eigener Reflexion , eigener Haltung , gemessen an eigenem Vemögen und Verzagen und dann :möglichen Widerstand. Nur auf genau dieser Basis kann Demokratie lebendig gelebt und geteilt werden , die nur mit viel Mühe solcher , oben beschriebener durchlebten und bedachten Prozesse wirklich und belastbar wirksam werden und komplexe , komplizierte Zusammenhänge hinter verführerischen Fassaden und Floskeln bewusst werden und somit wirksam, um zu einer eigenen differenzierten Position und Haltung mit gewonnenem Abstand zu den Simplifizierungen zu gelangen, die auch Geblendete , Verführte zum Innehalten und Nachdenken bringen kann. Danke nochmals für Ihr Engegement vor Ort in diesem Brennpunkt Leipzig letzte Woche, in dem Demokratie verhandelt wird und Kurzschlüsse suggeriert wurden und weitter werden unter dem Vorwand , Corona -Pandemieängste zu lindern mit drastischen Mitteln. Menschen haben bisher in der Menschheitsgeschichte mehr in existenziellen Krisen einander helfen können, wenn sie es geschafft haben, die Ungewissheit und das Leid und die empfundene Bedrohung zu teilen. Dahin zu kommen bedarf es ganz persönlicher Anstrengung, Mut , Klugheit und Verbundenheit. Den zum Protest Versammelten in Leipzig scheint das, nach allem, was Sie beschrieben haben zu fehlen. Was nicht ist, kann ja bei manchen vielleicht noch werden. Das scheint Sie auch zu motivieren zu ihrem Blog. Es geht bestimmt nicht um Selbst-Profilierung , sondern um tiefere Einfühlung, Entlarvung von verführerischen Simplifizierungen und beharrlichen Widerstand gegen Rattenfänger und ihre Mitläufer/ innen.
Berthold Viertmann
Lieber Christian Wolff, wir, meine Frau und ich waren am Samstag auf der Wiese zwischen Leuschnerplatz und Schillerstraße. Dort durfte „Mitteldeutschland steht auf & bewegt sich Magdeburg“, nach meinen Recherchen eine Querdenker-Gruppe, ungehindert und maskenfrei zum Marsch auf Berlin aufrufen, um die Nazis dort wegzuräumen, die Ersetzung unseres GG durch die Reichsverfassung von 1871 zu fordern. Gleichzeitig wurde von sächsischen Polizisten Gegendemonstranten mit dem Transparent „Leipzig bleibt rot“ , alle mit Maske, umzingelt und an der Fortbewegung gehindert. Gleichzeitig waren auch Polizisten aus NRW im Einsatz. Meine Frage, ob sie nicht gegen den Aufruf, die Verherrlichung der Reichsverfassung und den Verstoß gegen die Maskenpflicht vorgehen wollten erhielt ich die Antwort: Ihre Aufgabe sei die Demonstrationn zu sichern (m.M. die Reichsbürger und Querdenker). Da die Polizisten keine Namensschilder trugen und der Verantwortliche für die Magdeburger Gruppe bisher nicht zu ermitteln war, konnte ich noch keine Strafanzeige stellen. Verantwortlich ist aber der sächsische Innenminister, denn die Polizisten handeln ja nicht als Privatpersonen. Dass das das städt. Ordnungsamt incl. des Bürgermeisters Rosenthal kein gute Figur abgaben sollte sich nicht wiederholen. Da lob ich mir heute das Kölner Ordnungsamt, das eine Versammlung (die Querdenker haben bundesweit entsprechende Versammlungen vorbereitet) auflöste, und das Verwaltungsgericht politisch klug handelte, als es den Einspruch der Querdenker erst verhandelte, als die Demonstration aufgelöst war. Es ist noch ein weiter Weg zu Demokratie. Karl-Heinz Becker
„Der kapitale Fehler des Lockdowns im November: Die gesellschaftlichen Bereiche, die sich in den vergangenen Monaten ganz viel haben einfallen lassen: Kultur, Gastronomie, Hotellerie, wurden nun wieder stillgelegt – eine kontraproduktive, in jeder Hinsicht schädliche Maßnahme“
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Auf der Pressekonferenz am 2. 11. 20 hat die Bundeskanzlerin diese Maßnahmen begründet: Die Besucher eines Konzerts oder eines Restaurants müßten dahin- und wieder nach Hause fahren. Sie meint offenbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln, in denen sie sich infizieren könnten. Allerdings sind diese zu Zeiten abendlicher Konzert-, oder Restaurantbesuche weit weniger gefüllt als im Berufsverkehr, wo sie sehr viele Menschen gezwungenermaßen benutzen müssen. Auch würden die Konzert-, oder Restaurantbesucher nicht still auf ihren Plätzen verharren, sondern begegneten sich, liefen aneinander vorbei.Das stellt nur ein geringes Risiko dar. Außerdem könnte man nicht kontrollieren, ob an einem Restauranttisch wirklich nur Personen aus zwei Haushalten säßen.
Fr. Dr. Merkel argumentierte, wer ihr sagte,sie habe an den falschen Stellen geschlossen, der müsse ihr genau sagen, wo dann.
Ein eigenartiges Argument: Man muss doch so viele Kontakte unterbinden wie möglich und kann nicht Maßnahmen zu Gunsten anderer unterlassen.
https://www.youtube.com/watch?v=o-qP72V0sOU&feature=emb_logo
ab Minute 41
Lieber Christian Wolff, danke für die scharfe Analyse der Ereignisse vom Wochenende und auch für die Aufarbeitung der Hintergründe auf den verschiedenen Problem-Ebenen.
Danke auch für die Ermutigung zum „Gestaltungsmodus“.
Ich bin allerdings nicht ganz so optimistisch, dass wir dazu schon in der Lage sind. Ich sehe zur Zeit noch große Teile der Gesellschaft, für die schon ein einfacher solidarischer Mund-Nasenschutz eine unzumutbare Beschränkung ist. Für das große Umsteuern weg vom „Turbo-Leben gegen die Natur“ werden ja noch ganz andere Kaliber von Neuanfängen nötig werden.
Aber es ist wahrscheinlich trotzdem gut, die „Peilung“ immer wieder aufzunehmen, wie Du es in Deinem Beitrag tust.
Und – so bekloppt es auch klingen mag nach diesem Leipziger Chaos-Wochenende: Ich habe das Gefühl, dass das für die sogenannte Querdenker-Bewegung am Ende ein Pyrrhus-Sieg gewesen sein könnte. So demaskiert rücksichtslos und egoistisch und anmaßend wie am letzten Samstag möchten womöglich viele, die da teilgenommen haben, nicht noch einmal bundesweit besprochen werden.
Hoffe ich.
Diese Nachlese gefällt mir, lieber Herr Wolff, insbesondere folgender Satz:
“ Wir müssen uns aber entschlossen den nächsten Phasen zuwenden: die neue Situation annehmen und neue Lebenseinstellungen, einen neuen Blick auf die Welt gewinnen. Der kapitale Fehler des Lockdowns im November: Die gesellschaftlichen Bereiche, die sich in den vergangenen Monaten ganz viel haben einfallen lassen: Kultur, Gastronomie, Hotellerie, wurden nun wieder stillgelegt – eine kontraproduktive, in jeder Hinsicht schädliche Maßnahme.“
Damit Sie mich richtig verstehen: Ich bin auch für die Einhaltung der AHAL-Regeln. Aber das allein reicht nicht. Viel geringere Freiheitsbeschränkungen als die auch von Ihnen jetzt kritisierten wären nötig, wenn unsere Regierung endlich die Corona-Warn-App so verbessern bzw. aufschärfen würde, dass auch die Gesundheitsämter sie zur effizienten Nachverfolgung der Infektionsketten und genaueren Ermittlung der Hot Spots nutzen könnte. Das geschieht seit Monaten mit großem Erfolg in vielen ostasiatischen Ländern, wird hierzulande aber angeblichen Datenschutz-Gründen überhaupt nicht beachtet.
Zur widersprüchlichen Berichterstattung über die Ereignisse am 7. November als Ergänzung hier der Kommentar eines Journalisten und Augenzeugen, der selbst von einer Flasche (vermutlich eines Gegendemonstranten am Kopf getroffen wurde:
https://www.reitschuster.de/post/erfand-das-zdf-angriffe-gegen-journalisten/
Ja, ganz genau: Heraus aus dem Panik- und Verbotsmodus, und in den Gestaltungsmodus! Wir dürfen keine Kindergeburtstage mehr verbieten, weil wir damit unseren Kleinen einen wichtigen Teil ihrer Kindheit rauben. Skandalös ist es, wenn die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates sagt, dass man schon ein-zwei Jahre lang darauf verzichten könne, mit mehr Kindern als der engsten Freundin zu spielen. https://www.welt.de/kultur/plus219375636/Medizinethikerin-Alena-Buyx-Das-heisst-nicht-dass-wir-nicht-mehr-lachen.html. Solchem Erwachsenenhochmut müssen wir energisch widersprechen und uns für die jungen Leute einsetzen. Und es ist ein Skandal, dass die Pflegekräfte immer noch viel zu wenig verdienen, obwohl die Gesellschaft der Gesundheit einen so viel größeren Raum gibt als noch 2019. Ohne Demonstrationen, wie es sie in Frankreich ja schon gibt, wird sich bei dieser Regierung (die keine parlamentarische Opposition zu fürchten hat) wohl nichts ändern https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/113852/Gesundheitspersonal-demonstriert-in-Frankreich. Deshalb mein Plaidoyer: gegen die pflichtvergessene Regierung und gegen die Trägheit und Ausweglosigkeit demonstrieren, statt gegen unbedeutende Randgruppen (die durch Gegendemos nur mehr Wichtigkeit bekommen).