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Absurdistan oder: Vom „Aufstand“ der esoterisch verklärten, anarchisch-egoistischen Corona-Leugner

Noch nie in meinem Leben habe ich auf engem Raum so viele durchgeknallte, esoterisch verklärte, anarchisch-egoistische Menschen gesehen wie heute auf dem Augustusplatz in Leipzig. Und wem haben die Bürger*innen Leipzigs das zu verdanken? Natürlich zuerst und vor allem denen, die in der Absicht nach Leipzig gekommen sind, ihre Verschwörungs- und Umsturzphantasien auf die Straße zu tragen.* Aber dann auch dem Oberverwaltungsgericht Bautzen, das seit 30 Jahren durch seine rechtslastigen Urteile eine unrühmliche Tradition aufweist (Bautzen übrigens ein Corona Hotspot), dem Leipziger Ordnungsbürgermeister Heike Rosenthal (DIE LINKE) und dem nie um einen markigen Satz verlegenen Innenminister Roland Wöller (CDU). Denn heute Morgen, als das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bautzen bekannt wurde, war klar: Der Leipziger Augustusplatz wird zum Superspreader für das Coronavirus. Genau so kam es: ca. 20.000 Menschen folgten dem Aufruf „Querdenken“ und füllten den Augustusplatz – ohne Mund-Nasen-Schutz, ohne Abstand zu halten. Dennoch wurde die Veranstaltung eröffnet – was natürlich die Versammlungsbehörde hätte verhindern können und müssen. Doch erst nach drei (!) Stunden wurde dann endlich die Kundgebung durch die Stadt Leipzig aufgelöst. Jeder Restaurant-Betreiber, jeder Veranstalter, jeder Sportvereinsfunktionär, jeder Kinobetreiber muss sich heute verklappst vorgekommen sein: Da dürfen sich 20.000 Menschen (und mehr) auf dem Augustusplatz versammeln und gegen alle Bestimmungen der Corona-Schutzverordnung des Freistaates Sachsen verstoßen, während alle Restaurants seit Montag geschlossen und alle kulturellen Veranstaltungen verboten sind.

Während die Leipziger Versammlungsbehörde in anderen Fällen penibel auf die Einhaltung der Beschränkungsverordnung achtet (da könnte ich jetzt aus den vergangenen Jahren viel erzählen), ließ sie heute fast alles durchgehen – und schließlich konnten/wollten sie und die Polizei nicht verhindern, dass die Teilnehmer*innen von „Querdenken“ in den Abendstunden um den Ring zogen, obwohl alle Demonstrationszüge untersagt waren. Man fragt sich: Wie kann es zu diesem Absurdistan kommen? Aber diese Frage soll nicht davon ablenken, dass natürlich die Ursache für diese Situation Menschen sind, für die Rücksichtnahme, Solidarität, Nächstenliebe Fremdwörter sind. Sie treten auf wie die Friedensengel: „Frieden, Freiheit, Liebe“, kapern zusätzlich die „Friedliche Revolution“ – aber wenn sie gefragt werden, warum sie keine Maske tragen, dann antworten sie in krankhafter Egomanie: „Ich weiß sehr wohl, wie ich mich schützen kann … mir geht es nur um meine Gesundheit.“  … oder sie leugnen einfach, dass es am Coronavirus erkrankte Menschen gibt, die auf Intensivstationen liegen … oder sie laufen mit roten Trump-Basecaps herum.

Doch auf der Agenda derer, die „Querdenken“ organisieren, steht noch ganz anderes: rechte Umsturzphantasien. Da will man alle derzeit in Regierungsverantwortung stehenden Politiker*innen einsperren, die Regierungen stürzen, eine neue Verfassung durch „das Volk“ verabschieden – also das übliche Programm der Rechtsnationalisten, für die zum „Volk“ natürlich nur die gehören, die so denken wie sie selbst – der Nährboden für den gemeinen Rassismus und Fremdenhass. Kein Wunder also, dass im Windschatten davon Rechtsextremisten um Compact, AfD, NPD, Michael Stürzenberger u.a. ihr mieses Geschäft betreiben. Während sich der Augustusplatz zum Superspreader verwandelte, hetzte der Rassist Michael Stürzenberger stundenlang auf dem Marktplatz gegen Menschen islamischen Glaubens, betrieb irgendeine evangelikale Gruppierung auf dem Burgplatz schmierige Blasphemie und wurden Plakate durch die Stadt getragen wie „Mainstreammedien = Holocaustkomplizen“. Und diese Menschen wollen unsere Demokratie retten? Jeden Tag danke ich dem lieben Gott, dass derzeit niemand von diesen selbsternannten Rattenfängern irgendwo an verantwortlicher Stelle sitzt. Aber gleichzeitig bin ich tief beunruhigt darüber, wie hilflos sich heute die staatlichen Institutionen gezeigt haben. Aber leider ist das keine so neue Erfahrung. Umso erfreulicher, dass viele Leipziger Bürger*innen heute gezeigt haben: Diese Art von Touristen brauchen wir wirklich nicht. Ein solcher Tag möge sich so schnell nicht wiederholen. Bleibt als Trost nur, dass Joe Biden zum Präsidenten der USA gewählt wurde – sicher zum Leidwesen derer, die heute Leipzig, die Stadt der Friedlichen Revolution, besudelt haben.

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* Eine ausgezeichnete Analyse von „Querdenken“-Anhängern und Corona-Leugnern hat Harald Lamprecht vorgelegt.

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57 Antworten

  1. Zunächst aufrichtigen Dank, lieber Herr Brüggenwirth, für Ihr Engagement (Brief an OVG Bautzen) und das Zurverfügungstellen der Begründung des OVG in diesem Blog (10.11. 22:54 Uhr)!!!
    Die Richter in Bautzen halten also die Begrenzung der Teilnehmerzahl auf 16.000 für ein geeignetes Mittel, den Infektionsschutz einzuhalten. Eine Verlegung auf das Gelände der Neuen Messe halten sie dagegen schon deshalb für ungeeignet, weil sie annehmen, dass sich die „Querdenken“-Veranstalter und –Teilnehmer nicht daran halten würden und infolgedessen unkontrolliert in der Innenstadt auftreten könnten. Diese Logik ist für mich interessant und bemerkenswert!
    Man sollte überlegen, dem links-grün-versifften Pfarrer i.R. Christian Wolff und seinen „hirnlosen Echos“ das Wohnrecht in Leipzig zu entziehen. Den vornehmlich westdeutschen „Demo-Touristen“ würden so ungestörte Erlebnisse auf den Straßen der Friedlichen Revolution ermöglicht, damit sie auch mal wirklich etwas haben von ihren jahrelangen Zwangs-Soli-Zahlungen….
    Ein entsprechender Antrag dürfte beim OVG Bautzen gute Erfolgsaussichten haben!

  2. @M. Haspelmath (10.11. 15:56 Uhr)
    Sie beanspruchen für sich, alles rund um die Covid 19 Pandemie „vielleicht besser beurteilen zu können als die meisten anderen“. Auf alle Fälle können Sie es sicher besser beurteilen als ich; deshalb muss ich mich auf Informationen aus Quellen verlassen, die Sie möglicherweise als „Mainstream-Medien“ oder gar „Lügen-Presse“ bezeichnen.
    Diese haben bei mir die Überzeugung wachsen lassen, dass Covid 19 gefährlich ist und sich besonders leicht ausbreitet, wenn viele Menschen über längere Zeit engen Kontakt haben, also z.B. bei Karnevalssitzungen, Apres-Ski-Exzessen oder Massendemonstrationen…
    Ich räume ein, dass diese Überzeugung bislang wohl nicht durch strenge wissenschaftliche Kriterien abgesichert wurde, als sehr plausible Arbeitshypothese erscheint sie mir dennoch geeignet als Grundlage für aktuell zu treffende politische und juristische (OVG Bautzen) Entscheidungen!
    Im Gegensatz zu Ihnen fühle ich mich durch die geltenden Vorsichtsmaßnahmen auch nicht wirklich in meinen GRUNDrechten eingeschränkt, aber es sei Ihnen zugestanden, dass Sie das viel dramatischer empfinden. Ich würde Ihnen trotzdem nicht empfehlen, für Ihre Meinung in absehbarer Zeit auf Demo-Veranstaltungen wie vergangenen Samstag in Leipzig auf die Straße zu gehen – Ihrer Gesundheit zuliebe.

    1. Danke, Herr Käfer, für diesen Kommentar – allerdings wundere ich mich, dass Herr Wolff ihn freigeschaltet hat, angesichts dessen, dass Sie suggerieren, dass ich von „Lügenpresse“ sprechen würde. Wenn man sich rhetorisch auf diese Ebene begibt, muss man sich nicht wundern, wenn die Wut steigt und es irgendwann ganz schlimm wird. Aber zurück zum Thema: In der Tat gibt es gute Hinweise darauf, dass sich das gefährliche Virus besonders bei Partys in geschlossenen Räumen ausbreitet. Aber jenseits davon wissen wir fast nichts – außer dass sich Menschen, die gemeinsam wohnen, oft anstecken. Für eine besondere Gefahr von Veranstaltungen unter freiem Himmel gibt es keine wissenschaftliche Evidenz, soweit mir bekannt ist (ich hätte sicher davon gehört). Seit dem Mai, als wir die ersten Demos hatten, ist diese Gefahr beschworen worden. Im Juni gab es ja in vielen Ländern riesige Black-Lives-Matter-Demos (15.000 Leute in Leipzig), und dann gab es auch im August wieder Großdemos. Zu keinem Zeitpunkt ist eine besondere Ausbreitung damit in Zusammenhang gebracht worden. Diese nüchternen Fakten hat das OVG offenbar zur Grundlage für seine Entscheidung genommen, und es ist bedenklich für unseren Rechtsstaat, dass es dafür jetzt von Regierenden und Behörden kritisiert wird. (Einzelmenschen sind natürlich jederzeit eingeladen, auch Gerichtsentscheidungen zu kritisieren.)

    1. Herr Wolff,
      wirklich christliche Worte die Sie für Menschen übrig haben, die für Frieden, Freiheit und Demokratie auf die Straße gehen.
      Jesus würde sich im Grabe umdrehen, wenn er dort noch wäre.
      Ich bin tiefgläubig und bin entsetzt über derart unchristliche, einsetitige und undifferenzierte Darstellung.

  3. „Noch nie in meinem Leben habe ich auf engem Raum so viele durchgeknallte, esoterisch verklärte, anarchisch-egoistische Menschen gesehen wie heute auf dem Augustusplatz in Leipzig.“ Mit Verlaub, konnten sie auch nicht im beschaulichen Käfertal, als in Leipzig Menschen auf die Straße gingen. Und zwar nicht nur stramme SPD-Mitglieder sondern alles mögliche, von Kommunisten über Sozialdemokraten, Liberale, Konservative, Unpolitische bis hin zu Nazis. Letztere besonders nach der Grenzöffnung. Vielleicht sollten Sie sich mal mit Ihrem Amtsbruder Wonneberger unterhalten. Der war dabei. Damals und heute.

    1. O ja, im Oktober 1989 waren in Leipzig ganz viele „stramme SPD-Mitglieder“ dabei. Blöd nur, dass diese Partei erst am 07.11.89 in der Reformierten Kirche als SDP gegründet wurde. Das habe ich sogar „im beschaulichen Käfertal“ mitbekommen. Christian Wolff

      1. Die Sozialdemokratische Partei in der DDR (SDP) wurde am 7. Oktober 1989 in Schwante bei Berlin gegründet. In Leipzig wurde sie am 7. 11. 1989 gegründet.

  4. Kirche, Politik und Kultur ist mit IHNEN SCHLECHT BERATEN. Versöhnung, Miteinander und Verständigung klingt anders. Von Ihnen als „Pfarrer“ hätte ich mir das gewünscht, da fällt man ja vom Glauben ab ….

    1. Da gibt es ein probates Mittel, um nicht vom Glauben abzufallen: Das, was man am anderen kritisiert oder bemängelt, selbst leben. Und dann können Sie sich ja fragen, was die „Querdenken“-Kundgebung mit Versöhnung, Miteinander und Verständigung zu tun hat. Ich wünsche Ihnen dabei viel Erkenntnis. Christian Wolff

  5. Vorab und ganz grundsätzlich: Ich habe eine hohe Meinung von und großen Respekt gegenüber der deutschen Justiz und der Polizei!
    Was am Samstag in der Innenstadt von Leipzig passiert ist war ein Skandal mit Ansage, der darin gipfelte, dass eine Masse sogenannter Demonstranten den symbolträchtigen Leipziger Ring für ihre Zwecke missbrauchen und damit schänden konnte!
    Ich selbst war in der Zeit von 11:30 – 13:30 Uhr vom Leuschner-Platz über Petersstraße und Grimmaische Straße zum Augustusplatz unterwegs, weil ich die Gegendemonstration von „Leipzig nimmt Platz“ unterstützen wollte. Dieses Vorhaben habe ich – ohnmächtig und tief frustriert – schließlich aufgegeben und bin nach Hause „geflohen“.
    Seitdem habe ich die Berichterstattung in den Medien aufmerksam verfolgt und komme zu folgender – persönlicher – Zwischenbewertung:
    • Das OVG Bautzen hat mit seiner Eilentscheidung eine kapitale Fehleinschätzung begangen und trägt für mich die Hauptschuld an der Eskalation! Es ging nie darum, die Demonstration von „Querdenken“ zu verbieten, sondern einzig und allein um den Ort, an dem die Demonstration, der (Pandemie-) Situation und Platzverhältnisse entsprechend, stattfinden konnte! Und da war die Leipziger Innenstadt, absolut klar vorherseh- und erkennbar, völlig ungeeignet!!!
    • Die Veranstaltungsleitung von „Querdenken“ hat zwar in ihren Ansagen (ich würde behaupten immer nur pro forma) darauf hingewiesen, dass Abstand einzuhalten sei und Masken getragen werden sollten; gleichzeitig erfolgte aber der Hinweis, dass es völlig ok sei, keine Maske zu tragen, wenn man eine Bescheinigung habe, dass man von dieser Pflicht befreit sei – diese dürfe auch von den Ordnungskräften nicht auf „Echtheit“ überprüft werden. Schließlich: „ich gehe davon aus, dass alle (mehr als 90 % der Teilnehmer!), die momentan keine Maske tragen, eine solche Bescheinigung bei sich tragen“. Ordner und Mitglieder des „Deeskalationsteams“ von „Querdenken“ habe ich persönlich ausschließlich ohne Masken gesehen.
    • Beim Einsatzkonzept der Polizei hätte ich mir gewünscht, dass man schon sehr früh (spätestens ab 10 Uhr am Samstag) durch Ansprache von Passanten, die ohne Maske unterwegs waren, klargemacht hätte, dass man gewillt ist, die Hygieneauflagen durchzusetzen. Dies konnte ich in keinem einzigen Fall erkennen. Dass zu wenige Einsatzkräfte vor Ort waren, war nicht mein Eindruck. Und dass man auf den Einsatz von physischer Gewalt zur Verhinderung des Marsches über den Ring verzichtet hat, finde ich richtig! Hier sollten sich die betroffenen Polizeikräfte bei den Richtern in Bautzen „bedanken“, dass man sie ins offene Messer hat laufen lassen!
    • Für einen nicht unerheblichen Teil der Teilnehmer an der Demonstration ging es offensichtlich gar nicht so sehr um Protest gegen Corona-Maßnahmen, als vielmehr um „Party“ bzw. darum, mal wieder Zeuge eines Mega-Events zu sein.
    Ich möchte mir gar nicht erst vorstellen, was geschehen wäre, wenn der EU-/China-Gipfel im September in Leipzig stattgefunden hätte; Leipzig wäre womöglich unbewohnbar geworden, sein Ruf als liebenswerte, weltoffene Stadt auf Jahre ruiniert gewesen!

  6. Sie treten auf wie die Friedensengel: „Frieden, Freiheit, Liebe“, kapern zusätzlich die „Friedliche Revolution“
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    Wie ich der morgigen LVZ entnehme, hat der frühere DDR-Bürgerrechtler Pfr. Christoph Wonneberger auf Seiten der Corona-Leugner gesprochen.
    „In seiner Rede beschwor er den Geist von ’89, der bei den Corona-Protesten
    nun wieder auflebe.“

    Ich bin fassungslos!

    1. „ In seinem Wohnzimmer hängt an der Wand ein filigraner Metallguss, er zeigt Don Quijote. „Das ist mein Heiliger“, sagt Wonneberger über die Romanfigur. Man kann Don Quijote ja so oder so sehen. Die einen betrachten ihn als einfältigen Narren, die anderen erkennen in ihm den versponnenen Idealisten.“
      Ralf Geißler in Die ZEIT vom 7./8.10.2020
      Dem bleibt wenig hinzuzufügen.

  7. Der demokratische Staat sollte sich nicht nur der Wissenschaft und deren Schutz verpflichtet fühlen sondern auch dem Schutz des Lebens aller in der Pandemie absolute Priorität geben.

    Die Rechtssprechung genügt ihrer Rolle hier nicht, weil sie die situative Realität wie in Leipzig nicht antizipieren will, die ein unzumutbares aber vermeidbares Risiko für Infektionen in der Masse u bei der Polizei darstellt.

    Die Demonstrationsfreiheit in Zeiten in der Mitte von Metropolen, in denen das Gesundheitswesen schwer geprüft wird, sich dessen Kapazitäten zu erschöpfen drohen, die Nachbarländer den Notstand bereits erklären, klare Regeln zu Kontakteinschränkungen verbindlich sind selbst in Familienkreisen, wird offen missbraucht. Diese Demonstration wurde zum Treffpunkt von Feinden der Wissenschaft und psychotischer Leugner staatlicher Verantwortung für die Gesundheit aller Menschen im Staatsgebiet.

    In Leipzig haben die staatlichen Organe versagt. Der demokratische Staat ist nun herausgefordert. Drohungen gegen Wissenschaftler u offene mutwillige Verstöße gegen den Infektionsschutz müssen rasch aufgeklärt und hart bestraft werden. Entrüstung der Justizministerin reicht nicht.

  8. Dass Freiheit immer auch die Freiheit des Andersdenkenden ist, ist nicht immer leicht auszuhalten. Aber was wäre die Alternative? Die Gewaltenteilung gebietet es, die Entscheidung eines legalen Gerichts zu befolgen. Was wäre die Alternative?
    Seit 1872 besteht die Speakers Corner im Londoner Hyde Park, die Briten halten das nicht nur aus, sondern sind stolz auf ihre Sonderlinge und deren freie Meinungsäußerung. Hat es ihnen geschadet?
    Aus der Ferne mag ich zwar keine Diagnosen anstellen, aber dass in Leipzig 20.000 Sonderlinge auf dem Platz standen, nehme ich nicht an. Wer hat das Recht, gehört zu werden? Und wer soll es nicht haben?
    Ohne Frage ist das Nichttragen von Masken, wie auch eine Geschwindigkeitsübertretung in Straßenverkehr, mit guten Gründen eine Ordnungswidrigkeit und entsprechend mit Bußgeld zu belegen. Auch, weil die Nichtbefolgung die „Sünder“ und andere Menschen gefährden kann. Welche Schlussfolgerungen wollen wir für die Versammlungsfreiheit und den Straßenverkehr daraus ziehen?
    Das Corona Virus ist lebensgefährlich, die Emission von Kohlenstoff und die Zerstörung der Biodiversität sind für die gesamte Menschheit tödlich. Letztere ist für die Übertragung von Coronaviren auf Menschen verantwortlich. Mindestens 40% der tropischen Entwaldung in diesem Jahrhundert sind auf den Konsum von Rindfleisch, Sojabohnen, Palmöl und Holzprodukten zurückzuführen. „Die EU-Länder beziehen mehr als die Hälfte ihrer landbasierten Konsumption aus anderen Teilen der Welt, wobei der Anteil für Deutschland mehr als vier Fünftel beträgt.“ (Andreas Malm, KlimaX, 77). Was ist eigentlich ein egoistischer, verklärter Corona-Leugner? Wer trägt welche Verantwortung?

    1. Die Speakers Corner haben in analoger Form, wenn vielleicht nicht in Leipzig auch hier in deutschen Großstädten ihre Auftritte ohne das sich jemand daran stört. Auch ich finde sie mitunter recht amüsant. Doch die haben nichts mit diesen Trittbrettfahrern des Demonstrationsrechts gemeinsam. Man stelle sich nur vor, dass sie sogar Kinder mit dabei hatten, wie der Polizeipräsident erklärte! Das macht mich fassungslos und wütend zugleich. Diese Leute wissen doch gar nicht was sie tun! Die Polizei hat in der Situation nur richtig gehandelt. Wenn juristisch bindende Entscheidungen wie schon so oft kurzfristig durch Richterrecht gekippt werden können, dann ist das in Zeiten von Facebook und Wats-App nicht mehr zeitgemäß. Es wird zum Systemfehler der Judikative, um den sich Frau Lamprecht dringend kümmern müsste.
      Mit diesem Missbrauch des Demonstrationsrechts einer enttäuschten Spaßgesellschaft werden die wirklich wichtigen Demonstrationen zu Klimaprotesten und Artensterben ad absurdum geführt.

  9. Vielen Dank Herr Wolff, für Ihren Bericht um die Ereignisse in Leipzig. Ich kann Sie nur zu gut verstehen, denn es lässt wohl keinen kalt wenn Einzelne und Randgruppen aus ganz Deutschland wiederholt, vor allem in Leipzig gruppierend lautstark auftreten. Denn, so schon erlebt, sind auch Städte vor Rufmord in der öffentlichen Meinung nicht gefeit.

    Nach Ihrer Typbeschreibung der verärgerten Akteure wie auch die des H. Lamprecht (s.Ihr Link) zu der „Inszenierung der Absurdität“ in Leipzig, ist Ihre Frage nach Absurdistan wohl mehr als berechtigt.
    Ich meine, es ist das Phänomen des Absurdismus der mit Nihilismus und Existenzialismus den schon J.P. Satre beschrieben hat, eng in Verbindung steht. In den Erzählungen von Albert Camus wird er trefflich beschrieben.
    Es sind Menschen, vor allem atheistischer Prägung die auf der Suche nach Orientierung einen neuen „Gott“ gesucht und gefunden haben. Real existent in einer Gesellschaft mit einer Parteipolitik in der Verbote zum Tabu deklariert werden, und einer Kirche der einiges abhanden gekommen ist. Versäumnisse?
    Stellt sich eine Macht, wie hier der Staat über den absurden Glauben von Existenzialisten, nimmt er ihnen ihr Vertrauen in eine vermeintliche Freiheit, und sie stehen vor dem Nichts ihrer selbst. Die dabei für sie entstehende Sinnlosigkeit, würde dann auch die von Ihnen geschilderte Rücksichtslosigkeit erklären.
    Das kann ich als Christ nur schwer verstehen, wenn überhaupt?
    Das Problem dabei: die Existenzialisten verstehen sich als politisch. Mit der Revolte des Absurden und ihrem irrealen „Freiheitsverständnis“ stehen sie im Kampf gegen die für sie scheinbare Sinnlosigkeit der Welt, bis hin zur Anarchie!
    Dies kam wohl hier nicht unwesentlich zum Ausdruck.
    Einen guten Abend, Arnold

  10. „Entscheidend ist immer, ob ich meine Haltung mit den Grundwerten des biblischen Glaubens in Einklang bringen kann“. Ist das so, lieber Herr Wolff, und wer definiert diese Grundwerte mit welcher Ausschließlichkeit? Oder müßte es nicht eben so sein für einen Pfarrer, der überzeugen und im Sinne einer freiheitlichen Gemeinde zusammenführen und einen will, daß er auch und mindestens gleichwertig die Haltung seiner Gesprächspartner versucht in Einklang mit den Grundwerten des biblischen Glaubens zu bringen?
    Ich bin kein Pfarrer und möchte lernen. Ihre These aber scheint mir zu ich-bezogen für jemanden, dessen Berufung es ist, sich anderen zuzuwenden.
    Andreas Schwerdtfeger

  11. Die Kommentierungen von Herr Berthold Viertmann und Thomas Werner reffen für viele Details zu, die wichtig und vor allem diskussionswürdig sind; wie Chr. Wolff in seiner Reaktion auf Th. Werner bejaht: Über die (Themen) müssen wir reden und vor allem auch zu Lösungen kommen.
    Allein in diesem Blog wird deutlich erkennbar, wie problematisch sich der nötige Diskurs gestaltet und die unterschiedlichsten Interessen und Wahrnehmungen der Realität im Für und Wider aneinander geraten.
    Die gestrige Demo der „Querdenker“ präsentierte knallhart, wie gespalten längst unsere Gesellschaft ist und die Unversöhnlichkeit durch Gewalt gegen Journalisten Ordnungskräfte, Polizei und Andersdenkende mit Lust und Unerbittlichkeit praktiziert wird.
    Quer denken wäre ja per se gut und in ungewöhnlichen Zeiten durchaus anregend, das Eine und Andere kritisch zu betrachten, um ggf. anschließend andere, bessere Lösungen zu finden.
    Meinungsstreit ist stets gut und demokratisch legitimiert.
    Was Chr. Wolff nach erfahrener Praxis gestern in Leipzig erfuhr und in diesem Blog unmissverständlich analysiert, findet nicht nur Zustimmung, sondern provoziert Gegenargumente, die es lohnen, unter die Betrachtungslupe zu nehmen. Aber das genau soll es doch sein!
    Für mich ist es eine Ungeheuerlichkeit, formulieren immer wieder diese sog. „Querdenker“:
    „Ich bin in einer Demokratie geboren und in einer Diktatur aufgewacht…“. Oder werden historische Bezüge zu den Demonstrationen während des „Friedlichen Herbstes 1989“ konstruiert auch (aber nicht nur) von Generationsvertretern, die sich damals noch im embryonalen oder im Kleinstkindalter befanden und ganz offensichtlich einige Bildungsdefizite haben dürften (1989 hieß es: Keine Gewalt!; was wir jüngst mit Leipzig erfahren „durften“, war Gewalt in jedweder Hinsicht!
    Hier wurden Aggressionen kanalisiert, wobei sich sofort die Frage stellt, welche tatsächlichen Gründe es für diese ausgeübte Eskalation gibt: Überindividualisierung?, Unbeachtetsein oder Minderwertigkeitskomplexe ?, mangelndes Verantwortungsbedürfnis ?, überbordender Wohlstand ?, Ablehnung dieser demokratischen Wertegemeinschaft ?, mangelhafte Information zu konkreten Sachverhalten ?, einfach mal die Sau raus lassen ?, subjektiv begründbare Wut oder Hass auf jeden Anderen, gleich welchen Colours ?
    Im Gespräch mit Pflegepersonal kam anbetrachts der nicht erst seit Corona höchst kritischen Klinikbesetzungen und Pflegeheimen, ja vielleicht auch auf Intensiv-Stationen die robuste Bemerkung: Diese Querdenker sollten bitte ein paar Wochen in Krankenhäusern oder Altenheimen arbeiten bevor sie auf den Straßen herumschreien! Auf die Idee, sich selbst in der momentan brisanten Gegenwart sozial einbringend zur Verfügung zu stellen und zu helfen, kommt von diesen „Andersdenkenden“ keiner – warum eigentlich nicht ?
    Selbst auf die Frage, an welcher Stelle sich der Eine oder Andere ehrenamtlich engagiert vernimmt man die abwertende Antwort: Die können mich mal.
    Querdenken wäre, ja ist das Salz in der Demokratie, erfolgt es im Sinne der Lösungssuche; Destruktion und Abwendung, Gewalt und Zerstörung, Verletzung der Menschenwürde – niemals.
    Die Probleme steigern sich – reden wir miteinander und akzeptieren wir allesamt, dass es auch mal hart zugeht – fair muss es sein.
    Versuchen wir es doch immer wieder, auch in diesem Forum, initiiert von einer der sehr wohl wichtigen Stimmen in dieser hochproblematischen Gegenwart, eben gerade die klare und ureigenste Stimme eines Kirchenmannes – des Pfarrers in Unruhe Chr. Wolff.
    PS/Einen besonderen Gruß an Prof. Deeg an dieser Stelle.
    Und es muss jetzt schnellstens Debattenforen geben, um diese zunehmende Gesellschaftsspaltung zu stoppen.
    Der „Trumpismus“ wird mit der Wahl J. Bidens und seiner Vize-Präsidentin Harris nicht verschwinden, aber es leuchtet hell auf am düsteren USA-Horizont!!!

  12. Sehr geehrter Herr Wolff,
    zu Ihrem Blog-Beitrag und den Wortmeldungen bisher, erlaube ich mir drei Anmerkungen:
    1. Was soll eigentlich das Kunstwort „Corona-Leugner“ bedeuten? Corona-Viren lassen sich nicht leugnen, sie sind seit Jahrzehnten bekannt. Bisher wurden sie aber nicht besonders beachtet, sondern waren in der großen Gruppe der Grippe-Viren verortet. Corona-Viren werden auch gezielt eingesetzt, z.B. in der Tierzucht. Alle Symptome der vom neu entdeckten Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachten Krankheit Covid-19 entsprechen denen der bisher bekannten Grippefälle. Aktuell hat die WHO festgestellt, dass auch die Sterblichkeit nicht über der von bisherigen Grippewellen liegt, siehe z.B. hier: https://www.berliner-zeitung.de/gesundheit-oekologie/forscher-corona-sterblichkeit-betraegt-023-prozent-li.111917?fbclid=IwAR34SppFQ30PKPhMFCFVClqqJPXFikNiUrwe3hbQRe8WfhMe-VYabmcKFII.
    Die veröffentlichten Fallzahlen basieren ausschließlich auf PCR-Tests. Dabei wird nicht beachtet, für welchen Zweck das PCR-Verfahren entwickelt wurde: für die Forschung nicht für die Diagnostik. Es wird nicht der eigentlich entscheidende Ct-Wert berücksichtigt, siehe z.B. hier: https://www.rnd.de/gesundheit/corona-test-positiv-aber-nicht-ansteckend-was-bedeutet-der-ct-wert-T24MONDJMNHSDGF5HNQYGVL2LU.html. Und die Möglichkeit der Falsch-Positiven verdient auch Beachtung, siehe z.B. hier: https://www.merkur.de/bayern/coronavirus-bayern-corona-tests-pcr-amper-panne-klinik-isar-ergebnisse-taufkirchen-zr-90082728.html. Bei der unbedingt notwendigen Diskussion darüber, ob die „Maßnahmen“ angemessen sind oder nicht, ob es sich um eine „Epidemische Lage von nationaler Tragweite“ handelt, ja oder nein, soll die Verwendung des Begriffes „Corona-Leugner“ offensichtlich bestimmte Sichtweisen und Meinungen lächerlich machen.

    2. Eine wichtige Aufgabe von Kirche könnte es sein, zu versöhnen und sich nicht auf der vermeintlich richtigen Seite festzulegen, nicht Andersdenkende in die Schubladen einzuordnen, die die Politik erfunden hat. Das könnte auch die Aufgabe eines Pfarrers in Rente sein. Ob Ihr Blogbeitrag, Herr Wolff, zur Versöhnung der verschiedenen Sichtweisen auf die „Pandemie“ beigetragen hat, wage ich zu bezweifeln.

    3. Auf dem Burgplatz fand ein Gottesdienst statt. Bei den Liedern und Gebeten lag der Schwerpunkt auf der Fürbitte für die Stadt Leipzig, für die Hauptveranstaltung und die vielen Gegenveranstaltungen sowie für die eingesetzten Polizeibeamten. Das wäre auch eine Aufgabe der Kirchen gewesen. Ihre Einschätzung des Gottesdienstes, Herr Wolff, macht sprachlos…

    1. Lieber Herr Raunest, vielen Dank für Ihre kritischen Anmerkungen. Ich will kurz darauf eingehen.
      1. Das (anonyme) Flugblatt, verteilt in alle Briefkästen, mit dem zur Kundgebung am 07.11.20 aufgerufen wird, beginnt mit dem Satz: „Das COVID-19-VIRUS konnte weltweit bisher nicht … nachgewiesen werden.“ Daraus wird abgeleitet, dass alles, was im Zusammenhang mit der Coronakrise geschieht, „Betrug“ ist. Was ist das anderes als eine mit Hingabe betriebene Verleugnung der Wirklichkeit (Robert Musil)? Ebenso spielt bei denen, die sich gestern versammelt haben, die tatsächlich an dem Virus Erkrankten wie die Situation auf den Stationen, auf denen Corona-Patienten behandelt werden, überhaupt keine Rolle. Auch das ist Teil, aber ein moralisch ziemlich fragwürdiger, der Verleugnung.
      2. Sie haben völlig Recht: eine Aufgabe der Kirche ist zu versöhnen. Aber diese Aufgabe schließt ein, dass sich Kirche und ihre Mitglieder, vor allem auch die Pfarrer*innen nicht nur über gesellschaftspolitische Vorgänge sachkundig zu machen, sondern in bestimmten Auseinandersetzungen auch Positionen zu beziehen haben. Die Bibel ist voll von diesen Beispielen: die Propheten und schließlich Jesus selbst. Entscheidend ist immer, ob ich meine Haltung mit den Grundwerten des biblischen Glaubens in Einklang bringen kann. Das ist eine kritische Abwägung, die immer neu getroffen werden muss. Nur: dem allem aus dem Wege zu gehen – darauf liegt kein Segen. Im Übrigen kann ich nur darauf hinweisen, dass auf meinem Blog sehr kontroverse Debatten stattfinden – allerdings schalte ich anonyme Kommentare ebenso wenig frei wie solche, die nur Hasstiraden beinhaltet oder pure AfD-Propaganda enthalten. Letztere haben ihre eigenen Kanäle.
      3. Ich stimme Ihnen zu: Die Fürbitte ist eine wichtige Aufgabe der Kirche, die während der Coronakrise zu wenig gepflegt wurde. Was die Veranstaltung auf dem Burgplatz angeht, so sehe ich derzeit auch die Aufgabe der Kirche, der Instrumentalisierung des christlichen Glaubens zum Zwecke eines ideologischen Überbaus für bestimmte politische Haltungen entgegenzutreten. Ihnen wird nicht entgangen sein, was sich da im gerade zu Ende gegangenen Wahlkampf in den USA abgespielt hat.
      Aber bitte schön: Alles hat stattfinden können in der „Diktatur“, die – wie gestern immer wieder zu hören und zu lesen war – schlimmer ist als die DDR.
      Beste Grüße Ihr Christian Wolff

    2. Sehr geehrter Herr Raunest,
      der Begriff Corona-Leugner wird zur bewusten zur Diskreditierung, Herabsetzung und Kennzeichnung dafür, dass jemand außerhalb des zulässigen Meinungsspektrums steht, verwendet. Die Verwendung erspart es einem sich mit den Argumenten des bezeichnetenS
      auseinanderzusetzen. Der oder die so Stigmatisierten werden in eine Schublade gesteckt
      aus der sie nicht mehr herauskommen: Ende der Diskussion. Beim Corona-Leugner ist noch die sprachliche Nähe zum einzigen oft verwendeten zusammengesetzen Wort mit „-leugner“ ,Holocaustleugner , besonders perfide.
      Diese Strategie wird recht häufig angewendet z.B. „rot-grün versifft“ , Nazi, Neger, Verschwörungstheoretiker, Rote Socke, Putinversteher oder auch Hitler-bzw. Trumpvergleiche.
      In einem fairen Meinungsaustausch sollte so etwas keine Rolle spielen.

  13. Ich habe meine „Geburtsheimat“ als 15-jähriger „Verlassen“; natürlich mit meinen Eltern. War als „bekennender Sachse“ im deutschen Südwesten auch nicht wirklich Willkommen. Aber wie heißt es so treffend: Die Zeit heilt „Wunden“. Einen wesentlichen „Integrationsbeitrag“ leistete eine IG-Metall-Mitgliedschaft und ein Jugendleiter-Kurs in Bad Münstereifel. 1959 wurde ich in Sindelfingen SPD Mitglied und bin es heute noch. Der durch die „schwäbische Sozialisierung“ angeeignete „Wertekompaß“ hat mich – Gott sei Dank- davor bewahrt, solchen „Geistern“ wie Coronaleugnern und Reichsbürgern anheim zu fallen. Zur „Implosion“ der DDR habe ich mir meine eigene Meinung, als ich 2001 nach Leipzig zurückgekehrt bin, gebildet. Auf der „Straße“ werden nicht wirklich die Problem gelöst; eher neue „geschaffen“. Wie man/frau es momentan erleben darf.

  14. Wie soll man das verstehen? Muß man die „linke Doppelmoral“ überhaupt verstehen?

    Querdenker sind gefährliche Superspreader:
    https://www.zdf.de/nachrichten/politik/coronavirus-querdenken-leipzig-100.html

    Steine werfen von Linksextremen ist erlaubt:
    https://www.t-online.de/region/leipzig/news/id_88898932/leipzig-nach-der-querdenker-demo-brennende-barrikaden-und-steinwuerfe.html

    Und eine Besinnungsfrage: Warum gibt es in Schweden keine Proteste gegen die dortige Corona-Politik?

  15. Mir ist die Erklärung wem wir das zu verdanken haben zu kurz gedacht. Wenn du da mal tiefer schaust, dann wirst du vermutlich auf andere Erkenntnisse kommen. Es hat sich meiner Meinung etwas zusammengestaut, was über die Jahre der großen Koalition und dem großen politischem Einheitsbrei entstanden ist. Wo sind denn die demokratischen Parteien, die auf die Ängste und Wiedersprüche der Menschen eingehen? Wieder einmal übernehmen diese Themen die neuen Rechten und scheinbar demokratisch denkenden übernehmen den Sprachgebrauch derer, die sie verurteilen. Eine Antwort die auf die Ängste und Sorgen wird schnell abgetan mit Esoteriker, Leugner, Nazis etc. Kann es nicht sein, dass die Kritiker auf der Straße, dabei meine ich nicht die bekennenden Nazis, ein Großteil der Wähler der früheren Grünen war? Alternative, Esoteriker… (Hier ein Artikel den ich von 2013 dazu gefunden habe https://gruenegesundheitspolitik.wordpress.com/2013/05/31/esoterikerinnen-bei-den-grunen-von-der-grosten-schwache-einer-kleinen-partei )
    Alleingelassen führen sich Millionen Kunstschaffende, Solo-Selbstständige etc. Wie und wo von sollen diese zukünftig leben? Was kommt nach der Krise? Was wenn die Inflation voranschreitet und die Kredite, Förderungen und Zuwendungen nicht mehr erwirtschaftet werden können? Was wenn das Gesundheitswesen an mangelndem Personal oder Geld zusammenbricht? Über Jahre sieht man beispielsweise was auf dem Land mit der ärztlichen Versorgung passiert. Die Einfälle und Lösungen dem entgegenzuwirken sind sehr rar.
    Mit einem Infektionsschutzgesetz wurde „still und heimlich“ die demokratischen Prozesse verändert. Viele sind nun überrascht was da für eine Macht auf die Exekutive übergegangen ist. (hier ein Artikel vom Anwaltverein zum Thema: https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/de/news/dav-parlamentarische-kontrolle-auch-in-krisenzeiten )
    Mich persönlich stört, dass unserer Bevölkerung nicht oder nur bedingt zugetraut wird eigenständig zu denken und zu handeln. Dabei erzieht man sich eine Bevölkerung die, wie auch in der Schule, nur Leisten soll und oft wenig denken soll. Das Leben und das Nest wird bereitet von Vordenkern und ich spreche hier nicht von Rahmen, die selbstverständlich gesetzt werden müssen. Was wir nun beobachten können, ist eine Spaltung der Bevölkerung. Eine Radikalisierung von Befürwortern und Gegnern von Führungsstilen. So etwas passiert, wenn man, in und über die Medien, ständig mit Zahlen um sich wirft, Kritiker gar nicht zu Wort kommen lässt oder kleinredet. Mit Angst erreicht man unkontrolliertes Handeln. In den Kommentaren der Foren schlägt man verbal auf sich ein, ohne eine demokratische Auseinandersetzung mit den Themen zu führen. Eine Auseinandersetzung die wir dringend brauchen um die Bevölkerung als Ganzes wieder mitzunehmen und zusammenzuführen.

    1. Lieber Thomas, vielen Dank für den Kommentar. Du sprichst viele wichtige Themen an. Über die müssen wir reden und vor allem auch zu Lösungen kommen. Nur davon ist auf den Kundgebungen wie der gestrigen mit keinem Wort die Rede. Da werden gerade die Ängste und Wahnvorstellungen geschürt, die uns von tatkräftiger Beteiligung am gesellschaftspolitischen Diskurs abhalten. Den Begriff „Spaltung der Gesellschaft“ benutze ich nur ungern. Denn unterschiedliche Gruppierungen, Lager etc. gibt es immer. Und natürlich auch Streit und Auseinandersetzung. Schwierig wird es dann, wenn bestimmte Bevölkerungsgruppen ausgegrenzt werden. Mein Diktum derzeit ist: Wir müssen aus dem Panik-, Zahlen-, Verbotsmodus in den Gestaltungsmodus kommen – unabhängig davon, ob ein Impfstoff entwickelt wird oder nicht. Denn allein das, was derzeit mit den Kulturschaffenden geschieht, ist ein unerträglicher Zustand. Da stimme ich Dir voll zu.

    2. Lieber Thomas, zumindest auf diesem Blog wird die von Dir angemahnte Debatte geführt – und wie ich finde auf einem angemessenen Niveau. Ich stimme Dir auch zu, dass seit Wochen sich Merkel, Söder, Lauterbach eines völlig unangemessenen Tons befleißigen. Diese Maßregelungen der Bevölkerung wird und kann nicht gut gehen. Dennoch halte ich die Proteste von „Querdenken“ für unangebracht und in ihrer Verbindung mit der rechten Szene für gefährlich. Denn über eines sind wir uns hoffentlich einig: Das Corona-Virus ist der große Einspruch gegen unsere Art zu leben. Es ist das STOP-Schild, das Gott uns in den Weg stellt. Jetzt geht es darum, daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Doch die „Querdenken“-Bewegung hat eine Übereinstimmung mit etlichen aus den Regierungsparteien: Alles möge bald wieder so werden, wie es war. Bitte keine Veränderungen! Die einen hoffen auf den Impfstoff, die anderen auf die „Revolution“. Über die tatsächlichen Probleme – Klimawandel, soziale Gerechtigkeit, Ernährung – wird bei „Querdenken“ überhaupt nicht geredet. Insofern gibt es für mich null, absolut null Bereitschaft, mich damit ernsthaft auseinanderzusetzen. Wir haben bei Pegida schon einmal den Fehler gemacht, diese Truppe stark zu machen, indem man die sog. „Sorgen und Ängste der Menschen“ in den Mittelpunkt stellte. Darum: über die tatsächlichen Probleme können wir uns die Köpfe heiß reden, aber nicht über AHA-Regeln. Beste Grüße Christian

  16. Lieber Herr Käfer,
    ich danke Ihnen zunächst für Ihre Klarstellung vom 7. Nov 10:14 h. Sie beschreiben darin einen „konstruktiven Dialog“ als leichter, wenn ich „weniger ‚hart, polemisch und überzeugt‘ gegen andere als Ihre (meine) eigene Meinung anschreiben würden“. Ich nehme den Hinweis ja gerne auf, nur … nehmen wir mal den jetzigen Beitrag von Herrn Wolff:
    – „durchgeknallte, esoterisch verklärte, anarchisch-egoistische Menschen“,
    – „krankhafte Egomanie“,
    – „Nährboden für den gemeinen Rassismus und Fremdenhass“,
    – „hetzte der Rassist Michael Stürzenberger“,
    – „betrieb irgendeine evangelikale Gruppierung auf dem Burgplatz schmierige Blasphemie“,
    – „selbsternannte Rattenfänger“,
    – „besudelt haben“
    – „kann offensichtlich nur jemand reden, der heute nichts mitbekommen hat oder wollte.
    Das ist die Ausbeute aus EINEM Beitrag. Ich stimme mit Herrn Wolff, wie Sie ja auch, überein in seiner Bewertung der gestrigen „Quertreiber“-Vorstellung. Aber ist dies also der Stil, den Sie akzeptieren im demokratischen Diskurs, solange die also Kritisierten anonym bleiben, während er nicht mehr akzeptabel ist, wenn der Meinungsgegner namentlich bekannt ist? Wir hätten wohl in diesem Falle eine unterschiedliche Meinung. Herr Wolff hat hier „hart, polemisch und überzeugt“ argumentiert – und ich finde das akzeptabel und richtig, aber nur wenn das eben allgemein gilt.
    Herr Wolff fährt fort:
    – „konnten/wollten sie (die Leipziger Versammlungsbehörde) und die Polizei nicht verhindern“,
    – „wie hilflos sich heute die staatlichen Institutionen gezeigt haben“.
    Dies klingt auf Anhieb nicht beleidigend, ist es aber, wenn man den Behörden in unserem Lande eben immer unterstellt, sie „wollten“ nicht. In vorliegenden Fall hat ein Gericht leider verantwortungslos entschieden – es mußte wissen, daß die Genehmigung für den Augustusplatz automatisch die Nichtbeachtung der Vorschriften nach sich ziehen und damit zu riesigen Problemen für die Ordnungskräfte führen würde. In anderen Fällen, zB, Verfassungsschutz, sind Phobien (die sich auch noch auf die anfängliche Durchsetzung mit Nazis beziehen – in welchem Bereich deutscher Nachkriegsgeschichte wäre das nicht so gewesen und welchen Bezug hat es auf die heutige Zeit?) – ebenfalls kaum angebracht: Ich würde gerne wissen, wieviel terroristische Anschläge in unserem Lande in den letzten Dekaden die Zusammenarbeit der Geheimdienste im Westen verhindert hat zu unser aller, auch Herrn Wolffs Segen!
    Und das ist das Problem auch mit unserem Freund aus Dresden: Er versteckt sich in der „Herde“ und hinter einer „divide-et-impera-Angst“, wenn man stets seine Anlehnung an Gleichgesinnte in Form von Anreden und Bezügen sieht; er vermeidet eigene Argumente, indem er langatmige Zitate bringt, die seine eigene Meinungslosigkeit verstecken sollen; er kennt nichts als Belehrung und Beleidigung, die er in frommen Anspielungen und schulmeisterlicher Besserwisserei versteckt. Ich erwarte von ihm und allen – wie Sie es tun – Anerkennung meiner Meinung als einer möglichen und demokratischen sowie sachliche Widerlegungen meiner Äußerungen und dies von mir aus auch mit Härte, Polemik und eigener Überzeugtheit.
    Herr Wolff: Ihr Beitrag zu gestern und Leipzig findet meine Unterstützung und Zustimmung – inhaltlich wie verbal. Und dem widerspricht nicht, daß ich trotzdem glaube, daß wir uns ALLE immer wieder überlegen müssen, wie weit wir gehen dürfen, um den Gesprächsfaden aufrecht zu erhalten und damit die Möglichkeit zu Gemeinsamkeit über Grenzen hinweg. Ich gebe zu: das Vokabular, zu dem Herr Wolff neigt – siehe oben – und zu dem ich auch neige, ist dazu nicht immer geeignet. Aber eine Unterscheidung zwischen den „Beleidigern“ je nach eigener Sympathie und zwischen den „Beleidigten“ je nach Anonymität oder nicht ist wohl kaum ehrlich.
    Ich wünsche Ihnen einen guten Sonntag,
    Andreas Schwerdtfeger

  17. Sehr geehrter Herr Wolff,

    woher kommt nur IHRE SPÜRBARE VERACHTUNG für eine andersdenkende (querdenkende?) Minderheit in diesem und in Ihren zurückliegenden Veröffentlichungen ???

    Von einem bekennenden Christen hätte ich MEHR TOLERANZ erfofft

  18. Auf der Wiese an der Schillerstraße gestern: Reichsbürger/Querdenker werden geschützt (richtig – Demonstrationsfreiheit), in dieser Zeit darf vom Podium und der Videoleinwand zum Marsch nach Berlin aufgefordert werden, um die Nazis zu beseitigen (falsch – Volksverhetzung), auf die schon bestehenende gemeinesame Verfassung (von 1871) zu verwiesen (keine Gleichberechtigung und keine jetzt mühsam jetzt erkämpften demokratischen Rechte, incl. der gezeigten einer stilisierten schwarz-weiß-roten Flagge). Eine Nachfrage bei der Polizeigruppe aus NRW, ob sie nicht wenigstens die Personalien feststellen wollten: „Wir haben nur die Veranstaltung zu sichern.“ Da die Beamten offensichtlich nach Weisung handelten und nicht näher gekennzeichnet waren, macht eine Strafanzeige wenig Sinn. Bei der überschaubaren Menge ohne Maske – keine Feststellung der Personalien wegen des Verstoßes gegen die Maskenpflicht. Statt dessen: Einkesselung der alle mit Maske demonstrierenden Gruppe: „Leipzig bleibt rot. Zu den Vorgängen auf dem Augustusplatz bleibt jetzt zu fragen: Wer ist verantwortlich für eine ggf. sich rasch ausbreitende Infektion (die „blinden“ Richter am OVG Bautzen?). Wir hatten das vor 90 Jahren schon einmal, das eine hörige Beamtenschaft die braune Diktatur ermöglicht hat. Das möchte ich nicht nochmal erleben Karl-Heinz Becker

  19. Danke, lieber Herr Wolff , für Ihr engagiertes , mutiges Zeugnis zu dem, was gestern in Leipzig abgelaufen ist , Dank auch, dass Sie diese Plattform “ Blog“ zum offenen Austausch anbieten und dabei in Ihren direkten Antworten,Kommentaren und Stellungnahmen daruf achten, dass die , die sich mit krudem, einseitigen oder verallgemeinernden Beiträgen melden, eine Chane bekommen , nochmal , vielleicht mit einem erweiterten , vielleicht im besten Fall vorurteilsfreieren Blick auf ihre eigenen naiven , einseitigen ERklärungs-Konstukte schauen können. Einseitige Erklärungen bleiben einseitig , solange nicht mit konkreterem , umfassenderem Nachdenken auf der Basis von begründeten ERfahrungen und Beobachtungen aus kritischer Zeugenschaft und reflektierter Lebenserfahrung widersprochen wird und sie entstehen immer in Köpfen von recht einsamen und selbstisolierten Menschen, die nur mit gleichgesinnten Worthülsenproduzenten ( scheinbar) verbunden sind. So verdrängen sie ihr Dilemma , sich eigentlich nicht ausreichend schwingungsfähig , lernfähig, toleranzfähig,offen und zuhörensfähig , also nicht selbstbewusst genug zu fühlen , dem Blick eines Anderen, der vielleicht differenzierteren Wahrnehmung eines Menschen mit viel reflektierter Selbsterfahrung standhalten zu können, sich dem Argument eines Anderen öffnen zu können, nachfragen zu können, wenn der das Motiv seiner Stellungnahme beschreiben kann. Eine beschreibende Sprache mit Quellenbenennung motiviert eher zum offenen Austausch auf Augenhöhe , macht neugierig zum Vertiefen,zum Nachfragenals eine behauptende Sprache im Austausch, bei der es nur starre Eskalation von Behauptungen , Kurzschlüssen und Lagerdenken auslösen kann.
    Das gebe ich zu bedenken.

  20. Lieber “ Erich Mühsam“, schön dass Sie in diesem Zusammenhang an den mir so lieben Exponenten der Münchner Räterepublik erinnern, dem es immer darum ging für die an extremer Not leidenden Menschen einzutreten. Also verwenden wir das Wort ANARCHIE zukünftig sehr dosiert und wohlüberlegt.
    Dennoch: Theologie ist die Wissenschaft deren Maximen zum wenigsten auf Esoterik und Wolkenkraxeleien hinauslaufen. Theologie – im Sinne des christlichen Glaubens bedeutet:VERANTWORTLICH UND ZUMINDEST NACHVOLLZIEHBAR VON GOTT REDEN:
    Nein – die in diesem Sinne als Ehrentitel zu gebrauchende Bezeichnung“ANARCHIST/IN“ haben dise Egoisten wahrlich nicht verdient. Ich denke : Christian will denen wirklich- auch nicht indirekt- einen Ehrentitel verpassen.
    In meiner Nachbarschaft leben Corona-Leugner. Sie haben für ihr verantwortungsloses Tun Erich Kästner gekapert: Er sagt :“ Freunde sind wir ehrlich, das Leben ist lebensgefährlich“.(.Diesen Spruch haben sie groß plakatiert.)
    Das hat Erich Kästner richtigerweise jedoch vom Leben im allgeemeinen behauptet. Der Sachse Erich Kästner wäre bestimmt sehr bestürzt, wenn er wüßte wie seine richtige Aussage mißbraucht und von den Corona- Leugnern ursurpiert wird.
    Rosa Luxemburg-alias: Adelheid Binder, Pfarrerin i.R.

  21. Gerüchten zufolge plant Björn Höcke, seinen 49. Geburtstag am 1.4.21 in großem Stil in der Nähe von Weimar zu feiern, auf einem Berg nördlich der Stadt. Attila Hildmann und Uwe Steimle haben zugesagt, das Catering bzw. die Unterhaltung der Gäste zu übernehmen. Lediglich der thüringische MP („Bodo muss weg“!) widersetzt sich den Planungen noch. Aber Björn lässt das jetzt vom OVG Bautzen überprüfen; es ist davon auszugehen, dass die Geburtstagsfeier wie geplant stattfinden kann – wenn auch unter Auflagen: Niemand darf sich böse Gedanken machen!

  22. Die Theologie ist deutlich näher an „esoterisch-verklärt“, als diese Schwurbelnazis an der Anarchie.
    Die Geschichte des Anarchismus ist geprägt von selbstständig denkenden Menschen mit einem ernsthaften Anliegen. Anarchisten standen in den Diktaturen in Deutschland und auch in Spanien stets auf der anderen Seite der Barrikaden als dieser simpel gestrickte Pöbel, der hier den üblichen Rattenfängern hinterhermarschiert.
    Verwenden Sie den Begriff „Anarchie“ nicht leichtfertig.

    1. Das gleiche galt übrigens für Italien. Die Kirche hat sich mit dem Faschismus in allen drei Ländern – Deutschland, Italien und Spanien – schnell arrangiert, der Anarchismus nie.
      Alle drei Ideologien – Faschismus, Kirche und Eso-Germanentum – bieten einfache Erklärungen für komplexe Zusammenhänge, die aber nicht funktionieren. Seziert man ihr weltanschauliches Fundament, so bleibt nichts übrig als eine gut funktionierende Propagandamaschine.
      Wenn ein Vertreter der Kirche jetzt den pöbelnden und offensichtlich gut organisierten Mob der Eso-Germanen als „anarchisch“ bezeichnet, ist das ähnlich geschichtsvergessen wie neben Reichsflaggen marschierende Schwurbler, die einen Judenstern mit der Aufschrift „ungeimpft“ tragen.

  23. Der Rechtsstaat funktioniert noch – das OVG hat die Meinungsfreiheit über den Gesundheitsschutz gestellt, wie es im Grundgesetz vorgesehen ist. Aber die Corona-Verbote wurden immer noch nicht vom Bundestag beschlossen – deshalb waren die Rufe nach „Frieden, Freiheit, Demokratie“ zum Teil berechtigt. Solange das die Leitmedien nicht deutlich sagen (und volle parlamentarische Beteiligung an Grundrechtseinschränkungen einfordern), wird der Konflikt sicher bestehen bleiben. Zu den Fragen des Gesundheitsschutzes wird es auch immer verschiedene Meinungen geben, und auch da sollte man Andersdenkende nicht einfach beschimpfen und Brücken abbrechen. Wir brauchen diese Brücken zur Versöhnung und zur Heilung der Wunden.

    1. Die Meinungsfreiheit sollte ja nicht unterdrückt, sie sollte nur an einen „corona-verträglicheren Ort“ verlegt werden. Für mich als von ausserhalb Sachsens drauf schauender Bürger drängt sich schon – nicht erst seit gestern – der Eindruck, ja die Gewissheit auf (vorsichtig ausgedrückt), dass die „staatlichen Institutionen“ in Sachsen im Umgang mit Protesten zweierlei Maß anwenden. Bei einer aus ihrer Sicht „linken“ Veranstaltung hätten vermutlich die Wasserwerfer und berittene Polizei bereitgestanden und wären zum Einsatz gekommen. Wie blind auf dem rechten Auge z. B. die Justiz sein muss belegt für mich, dass ein Jens Maier bis 2017 am Landgericht Dresden agieren konnte. Mir soll Keine/r versuchen weiszumachen, dieser Rechtsextremist sei bis zu seinen völkischen Ausfällen völlig unauffällig gewesen, seine Rechtslastigkeit völlig überraschend offenbar geworden. Und tolerierend naiv gibt sich leider auch zu oft die Amtskirche, sonst hätte es m. E. einen Bischof Rentzing nicht geben können. Und Kirchenmenschen. die die eindeutige Distanzierung liberlaler Muslime von islamischen Fundamentalisten*innnen fordern, sollten sich zunächst um ihrer evangelikalen Balken im eigenen Auge kümmern. Ich beanspruche für mich keine absoluten Wahrheiten, aber ich habe Überzeugungen aus und in meinem Glauben gewonnen, die klare Abgrenzung von evangelikalen Gruppen erfordern. Kirchenoffiziell höre oder lese ich dazu nie was Eindeutiges im Sinne von Ja, ja, oder Nein, nein. Wie sagte doch vor Jahrzehnten schon der von mir sehr geschätzte damalige (mittlerweile verstorbene) Düsseldorf-Garather Pfarrer Hans-Werner Grebenstein sinngemäß: Verlautbarungen der ev. Kirche zu aktuellen Gesellschaftsfragen zeichnen sich häufig durch ein entschiedenes „Sowohl-als-auch“ oder ein entschlossenes „Jein“ aus. Mit solch einer Haltung wäre Jesus nie gekreuzigt worden, viel mehr 66 geworden …. Dabei geht es nicht um Nachfolge-Überzeugungs- oder Imitatio-Masochismus, aber um Erkennbarkeit und Klarheit. Gemeinsamkeiten mit dem Gros der Evangelikalen schließe ich für mich aus!
      Norbert Sinofzik, Rheinstadt Uerdingen

    2. Sie übernehmen die Verantwortung für die ggf. zahlreichen Erkrankungen, die ggf. jetzt in Deutschland auftreten? Ich bin gespannt auf die Zahlen in den beiden nächsten Wochen. Bedauerlich ist nur, das die Richter im Hotspot Bautzen am OVG offensichtlich aus der Vergangenheit nichts gelernt haben. Das Demonstrationsrecht ist ein hochheiliges, schwer erkämpften Gut. Warum sorgt der sächsische Innenminister nicht dafür, dass dem demokratischen Grundrecht entsprechend demonstriert wird (d.h. in überschaubaren Gruppen angepasst an die Gefährdung durch Corona), warum wird die Veranstaltung nicht schon beim Eintreffen in Leipzig abgebrochen? Es war doch frühzeitig erkennbar, das die Auflagen nicht eingehalten werden sollten. That’s your turn Mr. Wöller.

    3. “ das OVG hat die Meinungsfreiheit über den Gesundheitsschutz gestellt
      ___________________________________________________________________
      Nein, Herr Haspelmath, das OVG hat eindeutige Auflagen gemacht: Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen, nur 16.000 Teilnehmer auf dem Augustusplatz. Dies war allerdings völlig praxisfremd und führte zu der absurden Situation, dass wieder einmal – wie schon in Berlin – die Exekutive die Demo auflösen sollte, was ihr nicht gelang.

    4. Sehr geehrter Herr Haspelmath!

      Ihrem Rechtsverständnis widerspreche ich ausdrücklich. Natürlich war die Beauflagung der Versammlungsbehörde, den Ort der angemeldeten Versammlung zu verlegen, geeignet, erforderlich und angemessen. Das ist rückblickend evident und auch vorausblickend hätte dies das OVG aufgrund der Umstände ohne weiteres erkennen müssen. Der Eilentscheid des OVG Bautzen ist schlicht eine Schande für die Obergerichtsbarkeit in Leipzig.
      Die Polizei hat auch Fehler gemacht; im Kern musste sie aber für eine Mission Impossible des OVG den Kopf hinhalten.
      Ich habe dem OVG Bautzen mit folgender Nachricht geschrieben; natürlich kennen sie keine Sozialen Medien, aber unter verwaltung@ovg.justiz.sachsen.de sind sie erreichbar.

      Sehr geehrtes Gericht!
      Schauen Sie auf das, was gestern in Leipzig passiert ist! Lassen Sie einen Augenblick Ihre Akten zu laufenden Verfahren beiseite. Finden Sie die Zeit, ausführlich und selbstkritisch auf Ihre Urteilsfindung bei der Erlaubnis der „Querdenken“-Demo gestern inmitten der Leipziger Innenstadt zu schauen. Schauen Sie, was gestern geschehen ist. Verschließen SIe nicht die Augen. Schauen Sie sich die veröffentlichten Videos und Berichte ausführlich an. Stellen Sie sich Ihrer Verantwortung. Nutzen Sie den von Ihrer Eilentscheidung verursachten Scherbenhaufen, um daraus nun zumindest für die Zukunft angemessene Schlüsse zu ziehen! Stellen Sie nicht wieder die Versammlungsfreiheit unangemessen über alle anderen Grundrechte. Kommen Sie zu einer lebenswirklichkeitsnahen Rechtsgüterabwägung bei Urteilen zu Beauflagungen von Versammlungen zurück! Hören Sie auf, die Ordnungsbehörden in eine Mission Impossible zu bringen. Halten Sie inne und lassen künftig keine Versammlungen an Orten mehr zu, von denen ganz und gar absehbar zu erwarten ist, dass sie dort mit den erteilten Auflagen schlicht nicht durchführbar sind. Fällen Sie keine Eilentscheidungen und Urteile mehr, mit denen die öffentliche Ordnung und Sicherheit, inklusive der Gesundheitsfürsorge der Bevölkerung, in eine so eklatante Gefahr gebracht wird wie gestern in Leipzig!
      Ich bin erschüttert. Das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit der Sächsischen Obergerichtsbarkeit hat mit Ihrem Agieren einen schweren Schaden erlitten. Bitte fühlen Sie sich verantwortlich, sich diesem Schaden zu stellen!

      1. Zitat @Jost Brüggewirth:
        „Der Eilentscheid des OVG Bautzen ist schlicht eine Schande für die Obergerichtsbarkeit in Leipzig“
        ______________________________________________________________________

        Nein, die Fakten haben die Entscheidungen der Stadt Leipzig und des Verwaltungsgerichts Leipzig bestätigt, die Verlegung der Demonstrationen auf das Gelände der neuen Messe anordneten.

        1. Sehr geehrter Herr Plätzsch!
          ja, für die Obergerichtsbarkeit in Leipzig ist das OVG Bautzen zuständig und mir ist bewusst, dass Bautzen kein Stadtteil von Leipzig ist… Wenn Ihnen ansonsten alles Inhaltliche meines Kommentars zusagt, dann freue ich mich doch.
          Jost Brüggenwirth

      2. Erforderlich und geeignet sind Beschränkungen und Auflagen für eine Grundrechtsausübung nur dann, wenn wissenschaftlich erwiesen ist, dass von so einer Demonstration eine besondere Gesundheitsgefahr ausgeht – das ist aber keineswegs so. Unsere Medien sind voll von Interviews mit angesehenen Wissenschaftlern, die ihr bestes Wissen mit uns teilen, aber das ist leider nicht sehr viel. Wir wissen: Das Virus breitet sich aus, wenn Menschen zusammenkommen, aber ob solche Demos gefährlicher sind als das normale Zusammenleben in der Familie, in der Schule oder auf der Arbeit, weiß niemand. Die Politiker vermitteln seit Monaten den Eindruck, dass „es an uns allen liegt“, und dass es eine moralische Verpflichtung gibt, die Ausbreitung des Virus zu stoppen – aber das ist leider illusorisch: Wir können ja unser Zusammenleben in der Familie und auf der Arbeit nicht stoppen, und das reicht wahrscheinlich schon zur Ausbreitung. Unsere Empörung sollte sich gegen das Virus richten, nicht gegen andere Menschen – jedenfalls solange die Wissenschaft nur Spekulationen anzubieten hat. (Vielleicht kann ich als praktizierender Wissenschaftler etwas besser beurteilen, was der Unterschied zwischen selbstbewusst auftretenden Experten und gesichertem Wissen ist, als die meisten anderen.)

        1. Meine Empörung richtet sich gegen Menschen, die unter dem Deckmantel „Frieden, Freiheit, Liebe“ kein Problem damit haben, gemeinsame Sache zu machen mit einem Attila Hildmann oder Michael Stürzenberger, mit Neonazis und Hooligans, mit AfD und NPD, mit Compact und Reichbürgern. Genau dafür steht „Querdenken“: Sie geben vor, für die Grundrechte zu kämpfen, bedienen sich dabei der Strategie der Selbstverharmlosung und bieten dem ganzen Spektrum des Rechtsextremismus die Chance, das Geschehen zu bestimmen. Es würde mich sehr beruhigen, wenn Wissenschaftler*innen gleich welcher Fachrichtung davor die Augen nicht verschließen. Christian Wolff

          1. Mit Leuten wie Attila Hildmann sollte man auf keinen Fall gemeinsame Sache machen – aber die „Querdenker“ haben sich ja immer wieder deutlich von allem Extremismus distanziert. Deshalb sehe ich nicht, worauf sich dieser Vorwurf im einzelnen gründet. Die „Querdenker“ haben offensichtlich keinerlei einheitliches Programm, außer dass sie die Grundrechte wiederhergestellt sehen möchten. Leider ist der Stellenwert der Grundrechte nicht mehr so hoch, wie bis 2019, als wir einen breiten Konsens hatten, dass Reisefreiheit und andere persönliche Freiheiten ein sehr hohes Gut darstellen. Sonst hätten sich ja auch viele Linke den Demos von Michael Ballweg angeschlossen. Im Mai gab es in Aachen eine Demo von Schumacher und Hunko, unter dem Motto: „Das Virus ist schädlich, aber die Zerstörung der Rechte ist tödlich.“ Aber diese Stimmen der Vernunft sind immer leiser geworden. Was ist da passiert? Das ist die Frage, die wir uns stellen müssen, denn die Linken haben 2020 so kläglich versagt wie noch nie seit 1953. https://www.friedensdemowatch.com/2020/06/15/proteste-gegen-rassismus-in-aachen-politischer-wegbegleiter-und-freund-von-andrej-hunko-instrumentalisiert-den-tod-von-george-floyd/

          2. Und wie erklären Sie es sich dann, dass Attila Hildmann auf der Demo am Samstag gesprochen hat und zuvor für „Querdenken“ mobilisiert hat? Ist Ihnen irgendeine Distanzierung bekannt?

    5. Sehr geehrter Herr Haspelmath!

      Die schriftliche Begründung zum Eilentscheid des OVG Bautzen vom 7.11. ist nun seit heute online gestellt (s. https://www.justiz.sachsen.de/ovgentsch/).
      Die – diplomatisch formuliert – Lebensfremdheit der Abwägungen des OVG erreicht ihren Höhepunkt in den RZ 17 – 18, hier wörtlich zitiert:

      „Die vom Senat vorsorglich – für den Fall einer doch höher als erwartet ausfallenden
      Personenzahl – tenorierte Begrenzung der Teilnehmer auf 16.000 ist entgegen der
      Auffassung der Vorinstanz im maßgeblichen Zeitpunkt der Senatsentscheidung ein
      zumindest gleichermaßen geeignetes, jedoch milderes Mittel, um die aus
      Infektionsschutzgründen gebotenen Mindestabstände einzuhalten. Wird die
      Versammlung – wie nach § 9 Abs. 2 SächsCoronaSchVO allein zulässig – ortsfest auf
      der zuletzt angemeldeten Fläche durchgeführt, so besteht zumindest eine gewisse
      Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich die ohnehin anreisenden Teilnehmer dort
      überwiegend aufhalten und sich nicht ungeordnet auf weitere in der Innenstadt
      angezeigte, gleichgerichtete Versammlungen, die auf deutlich kleineren Flächen
      stattfinden, verteilen. Damit wäre aber im Falle der Verlegung zu rechnen, da der
      Antragsteller in der Antragsschrift angekündigt hat, seine Versammlung an dem ihm
      zugewiesenen Ort auf den Parkplätzen der Neuen Messe nicht durchzuführen. Daher
      ist auch zweifelhaft, ob die von der Antragsgegnerin und dem Verwaltungsgericht
      befürchtete Verdichtung des Versammlungsgeschehens in der Innenstadt durch die
      Verlagerung vermieden werden kann. In Anbetracht der von Art. 8 Abs. 1 GG
      geschützten Prioritätensetzung des Antragstellers, nach der die Wahl des
      Versammlungsorts wegen der Erinnerung an das abgesagte Lichterfest und die
      friedliche Revolution für ihn entscheidend sei, belastet die tenorierte Beschränkung
      der Teilnehmerzahl den Antragsteller zudem weniger als die von ihm abgelehnte
      Verlegung. Die weitere, aus dem Tenor ersichtliche Beschränkung stellt dabei sicher,
      dass die von der Antragsgegnerin ebenfalls berücksichtigten Interessen der Besucher
      der Heiligen Messe in der Propsteikirche an ungestörter Messfeier ausreichend
      gewahrt werden.
      Sollten die Auflagen zur Höchstzahl der Teilnehmer und zum Tragen eines Mund-
      Nasenschutzes sowie die gebotenen Mindestabstände nicht eingehalten werden, kann
      dem mit Maßnahmen des Versammlungsrechts, ggf. einer Erweiterung der
      Versammlungsfläche auf den benachbarten Innenstadtring oder der Auflösung der
      Versammlung, begegnet werden.“

      So einfach macht es sich also das OVG und kippt die mission impossible Stunden vor der Versammlung den Ordnungsbehörden vor die Füße. Im Blick zurück auf diesen Eilentscheid und dem, was dann am 7.11. vollkommen absehbar passiert ist, ist es dann doch besser zu weinen als zu lachen!
      Mit Blick auf die Gefahrenprognosen und Rechtsgüterabwägungen der beiden Gerichte ist klar: Das VG Leipzig und das OVG Bautzen sollten für die Zukunft besser ihre Rollen tauschen!

      Mit freundlichen Grüßen
      Jost Brüggenwirth

  24. Lieber Christian, vielen Dank für diese klaren Worte, die ich in jeder Hinsicht unterstütze. Bleibt in der Tat nach diesem Tag in Leipzig nur die Freude über Biden/Harris und die Hoffnung, dass der Verächter der Demokratie friedlich das Weiße Haus verlässt.

    1. Lieber Herr Professor Deeg, wir alle teilen die Freude über friedlichen Übergang zu Biden/Harris, aber besteht nicht die Sorge, dass es auch bei uns zu einer Spaltung wie in den USA kommt? Die 45.000 Menschen gestern repräsentieren ja eine bedeutende Minderheit, und man kann sie wohl kaum, wie Martin Dulig es getan hat, allesamt als „Chaoten“ abtun. Und vor allem: Die Demonstranten haben ja recht, dass die Grundrechtsbeschränkungen nicht voll demokratisch (d.h. parlamentarisch) legitimiert sind, auch wenn die große Mehrheit voll dahinter steht (oder noch autoritärere Maßnahmen wnscht). Außerdem ist due Zukunft sehr ungewiss – 2016 war klar, dass die Flüchtlinge gut integrierbar waren (wir brauche die Zuwanderung ja so dringend), und dass das Problem bald verschwinden würde. Aber das Virus breitet sich weiter unkontrolliert aus (wie man in den Nachbarländern sieht), und es ist ja nicht denkbar, auf Jahre hin das normale Gemeinschaftsleben zu verbieten. Kretschmann sagte heute, man könne erst wieder feiern, wenn die Bevölkerung durchgeimpft sei – also keine Feiern bis 2024 oder 2025? Keine Hochzeiten und Geburtstagspartys, keine Kirchentage und Chöre bis 2025? Kann so etwas gehen? Müssen wir da nicht über Alternativen nachdenken, wie sie z.B. von Boris Palmer vorgschlagen wurden? Müssen wir uns nicht auch innerlich auf eine radikale Umkehr vorbereiten, die vielleicht bedeutet, die Politik von 2020 als schlimmen Fehler anzuerkennen?

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