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Der ganz alltägliche Faschismus – oder: Das sind doch nicht alles Nazis

Nun sollen sie also aufgehängt werden: Angela Merkel und Sigmar Gabriel. Jedenfalls wurde auf der letzten Pegida-Demonstration in Dresden schon einmal ein Galgen mitgeführt. Offensichtlich hat das niemanden gestört – weder die Männer und Frauen, die den selbst ernannten Volksvertretern Lutz Bachmann und Tatjana Festerling hinterherlaufen noch die Polizei. So weit ist es nach einem Jahr montäglicher Aufladestation für Hetze und Hass gekommen. Da werden nicht nur wöchentlich Flüchtlingsunterkünfte in Brand gesetzt, da organisiert sich nicht nur in vielen Ortschaften „Heimatschutz“, nun wird zur Ermordung der Bundeskanzlerin und des Wirtschaftsministers aufgerufen. Inzwischen fühlt sich das rechte Netzwerk von NPD bis AfD in manchen Regionen Sachsens so sicher, dass nicht nur Grundregeln des Anstands, sondern auch die Grundwerte des gesellschaftlichen Zusammenlebens einfach beiseite geschoben werden – und das Leben geht weiter, als wäre nichts geschehen. Aber wen kann das noch verwundern, wenn inzwischen hingenommen wird, dass Fensterscheiben im Chemnitzer Dietrich-Bonhoeffer-Gemeindezentrum eingeworfen werden, weil dort syrischen Familien Schutz gewährt wurde? Und wer ist für die Tat verantwortlich – besorgte Bürger, die angeblich nicht mehr wissen, wohin mit ihren Ängsten, oder doch „nur“ Menschen, die sich von neuem der Naziideologie verschrieben haben und vor nichts zurückschrecken? Aber wissen wir nicht aus der Geschichte, dass es genau diese Mischung ist, die sich – ihres ach so anständigen Deutschtums brüstend – von Menschlichkeit, Demokratie und Freiheit verabschiedet und Unrecht zum Recht, Ausländerhass zum Volkswohl und Menschenfeindschaft zur nationalen Ehre erklärt? Was ist davon zu halten, dass Pegida-Anhänger in Chemnitz-Einsiedel – dem Beispiel Übigau bei Dresden folgend – den Zugang zu einer geplanten Asylunterkunft mit Autos und Traktoren versperren, um die „Invasoren“ (so der Pegida-Jargon für Flüchtlinge) zu stoppen – und niemand greift ein, geschweige denn, dass örtliche Politiker/innen oder andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sich eindeutig positionieren. (Siehe jetzt auch auf ZEITonline: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-10/fluechtlinge-einsiedel-protest/komplettansicht ) Ist dieser ehrenwerten Gesellschaft bewusst, dass sie sich gerade so auf die Seite des rechten Mobs schlägt? Denn die Grenze zum Rechtsradikalismus beginnt nicht drei Zentimeter vor der NPD – sie verläuft dort, wo diejenigen, die es könnten und müssten, nicht aufschreien, sondern gewähren lassen, sich wegducken und weiter hinter dicken Gardinen stehen.

Was wir mit Schrecken in vielen Ortschaften Sachsens (und andernorts) erkennen können: wie er funktioniert, der ganz alltägliche Faschismus. Er wirkt deswegen so alltäglich, weil die meisten der Hunderte, die mitmachen in Meißen, Chemnitz, Dresden, Freital keine Nazis sind – genauso wie in der Nazi-Zeit von 80 Millionen Deutschen nur die allerwenigsten überzeugte Nazis waren, und dennoch hat der faschistische Terror bis zum bitteren Ende funktioniert. Was wir daran noch erkennen können? Mit den Flüchtlingen hat das rechte Aufbegehren nur bedingt zu tun. Es bedurfte nur eines Anlasses, damit sich das, was sich seit 25 Jahren in allzu vielen Regionen Sachsens an Rechtsradikalismus aufgebaut hat, in seiner ganzen Bandbreite entladen kann. Pegida ist das vor einem Jahr vom rechten Netzwerk geschaffene Dach, unter dem sich neben den Möchtegern-Politiker aus dem Türstehermilieu NPD-Größen bis hin zu den ach so bürgerlich-intellektuell daherkommenden Frauke Petry und Alexander Gauland von der AfD und ihre Mitläufer aus der sächsischen CDU (und leider auch aus anderen Parteien) versammeln und inzwischen auch vor nichts zurückschrecken.

Nun gibt es Gott sei Dank auch in Sachsen eine positive Erfahrung: Dort, wo eine Stadtgesellschaft zusammen und für die Grundwerte unserer Verfassung einsteht, dort, wo vom (Ober)Bürgermeister angefangen über die (Hoch)Schulleitungen, Kirchgemeinden, Gewerkschaften, Parteien, Vereine und Verbände Fremdenfeindlichkeit und Rassismus entgegengetreten und Pluralismus, Demokratie, eine menschenwürdige Aufnahme von Flüchtlingen und das multireligiöse und multikulturelle Zusammenleben bejaht werden, kommt es auch zu rechten Aufmärschen – aber die Wiedergänger des Faschismus finden in der Bevölkerung keine Basis. Daraus kann es nur eine Konsequenz geben: Statt Pegida weiter mit der Aura zu umgeben, als sei diese Kampftruppe ein legitimes Sammelbecken der politisch Unzufriedenen, sollten gerade im Blick auf den kommenden Montag eines unter denen, die in unserer Gesellschaft Führungspositionen einnehmen, unstrittig sein: Pegida ist die Vorhut eines Rechtsradikalismus, der jetzt schon die Grundwerte unserer Verfassung verachtet und mit Füßen tritt. Wer mit Pegida läuft, muss wissen: er/sie ist mitverantwortlich für alles, was Flüchtlingen und ihren Unterstützern an Gewalt angetan wird. Insofern hatte Angela Merkel schon zum Jahreswechsel 2014/15 das Richtige ausgesprochen, als sie die Bürgerinnen und Bürger aufrief: „Folgen Sie denen nicht, die dazu aufrufen! Denn zu oft sind Vorurteile, ist Kälte, ja, sogar Hass in deren Herzen!“ Merkwürdig nur, dass schon damals dieselben Merkel kritisierten, die sie heute wegen ihrer klaren Haltung in der Flüchtlingsfrage geißeln und die meinen, den Pegida-Einpeitschern nachgeben zu müssen. Und da lauert er wieder: der ganz alltägliche Faschismus.

Eine historische Reminiszens: Am kommenden Montag, 19. Oktober 2015, jährt sich zum 70. Mal die Verabschiedung des „Stuttgarter Schuldbekenntnis“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Stuttgarter_Schuldbekenntnis). Damals bekannten sich führende Persönlichkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland, darunter Hugo Hahn, Gustav Heinemann, Martin Niemöller – zur Schuld und Verantwortung Deutschlands an Krieg und Terror in Europa während der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft 1933-1945. Es ist beklemmend, dass am kommenden Montag wahrscheinlich mehr von Pegida die Rede sein wird, als von diesem entscheidenden Wort der evangelischen Kirche. Damals ebnete es den Weg für die Rückkehr Deutschlands in die ökumenische Gemeinschaft der weltweiten Christenheit, aber auch in die Völkergemeinschaft. An diesem Gedenktag stellt sich für mich vor allem die Frage: Wie verhält sich Kirche heute zu den Wiedergängern des Faschismus? Reiht sie sich ein in die Gruppe derer, die zu Pegida eine erkennbar klare Trennlinie ziehen? Wo bleibt wahrnehmbare Positionierung der sächsischen Landeskirche gegen die rechtsradikalen Umtriebe eines „Heimatschutz“ in Meißen – Sitz des Domkapitels und der Akademie der Landeskirche? Wann endlich tritt der sächsische Landesbischof öffentlich in Dresden oder Meißen oder Freital kraft seines Amtes denen entgegen, die mit einer christlich verbrämten Attitüde den Pegida-Hetzern hinterherlaufen und damit alles besudeln, was uns Christen heilig ist? Wann endlich rufen die Kirchen an einem Montag vor der Dresdner Frauenkirche zu einem Open air Friedensgebet auf und vereinen dort die Stadtgesellschaft um die Werte des Glaubens, die von Pegida mit Füßen getreten werden? Es sollte doch nicht erst wieder so weit kommen, dass in ein paar Jahren ein Schuldbekenntnis gesprochen werden muss angesichts des Versagens der Kirchen in einer historisch entscheidenden Situation.

9 Antworten

  1. Sehr geehrter Herr Lerchner,
    ja, Sie haben Recht – wir sind wohl alle in diesem Diskurs von Herrn Wolff bisweilen polemisch – eine Diskussion soll ja auch Spaß machen! – und öffnen uns dann für Mißverständnisse und auch persönliche Attacken. Ich habe also Ihren Beitrag nicht nur mit Interesse sondern auch mit Selbstkritik gelesen.
    Und doch:
    – was ist scheinheilig an dem Argument, dass unser Rechtsstaat Pegida dasselbe Demonstrationsrecht zugesteht wie Herrn Wolff? Im Gegensatz zu Ihrer Interpretation meiner Eingaben bin ich kein Anhänger von Pegida und sehe durchaus die Gefahren dieser „Bewegung“ – aber ändert das was an deren Demonstrationsrecht (solange die rechtsstaatlichen Auflagen erfüllt werden)? Und über die Schmutzigkeit mitgebrachter Galgen oder Guillotinen und über den verbrecherischen Charakter eines Anschlags wie dem in Köln besteht zwischen uns sicherlich kein Dissens. Aber mein Vertrauen in die Verfolgung solcher Taten durch den Rechtsstaat ist halt ungebrochen.
    – was ist falsch an dem Argument (von mir mehrfach eingebracht), dass das Engagement von Herrn Wolff (bei aller Bewunderung dafür) zwar vor Ort bestimmte Verbesserungen erreichen kann, aber nicht grundsätzlich problemlösend ist, denn Herr Wolff kann eben nicht als Einzelperson oder auch im Verbund mit seinen Mitwirkenden und Gleichgesinnten die politische Dimension zB des Flüchtlingsproblems in ihren vielseitigen Facetten – Finanzen, Unterbringung, soziale und arbeitsrechtliche Integration, Sprache, Medizin, etc – lösen?
    – was ist so verwerflich an der These, dass es leichter ist, eine teilweise rechtsradikale, teilweise, wie Sie mit Recht schreiben, nur dümmliche „Bewegung“ wie Pegida lieber im Offenen agieren zu sehen und bekämpfen zu können als sie oder ihre rabiaten Vertreter in den Untergrund zu treiben?
    – wieso wird man zum „Pegida-Advokaten“, wenn man im Einklang mit allen politischen Parteien darauf hinweist, dass das Flüchtlingsproblem eine Dimension erreichen kann, die unsere Kapazitäten übersteigt und dass wir also rechtzeitig praktikable Lösungen brauchen (zu denen sicherlich keine Zäune gehören)? Vergessen Sie nicht, lieber Herr Lerchner, dass Umfragen inzwischen zu kippen beginnen – und nicht alle, die in Umfragen die – vielleicht nur eingebildeten – „Gefahren“ eines so mächtigen Flüchtlingsstroms sehen, können Rechtsradikale à la Pegida oder ausschliesslich Dumme sein!
    – warum ist es falsch anzuerkennen, dass Viktor Orban zwar unbestritten ein undemokratischer Regierungschef und insofern ein Ärgernis in der EU ist, sich aber trotzdem bezüglich des ihm von EU-Regeln vorgeschriebenen Verhaltens zum Schutz der EU- und Schengen-Aussengrenzen korrekt verhält – unabhängig davon, ob diese Regeln nun sinnvoll, fair oder sonstwas sind? Ich stimme Ihnen zu, dass Dublin unfair und unausgewogen ist und neue Regelungen her müssen, aber das kann ja nicht heissen, dass sie trotz augenblicklicher Gültigkeit nicht einzuhalten wären.
    – was schliesslich kritisieren Sie an meinem Hinweis an Herrn Wolff, dass er glaubwürdiger wäre, wenn er Gewalt und Extremismus auf BEIDEN Seiten des politischen Spektrums angreifen und verurteilen würde? Die Tatsache, dass ich darauf stets hinweise, so zu interpretieren, dass ich rechte Gewalt, rechtes Gedanken“gut“, rechte Positionen unterstützte, wäre ebenso unsinnig wie wenn ich Herrn Wolff unterstellte, er unterstütze den linken Terror vor der EZB im Sommer.
    Es tut mir leid, wenn ich in Ihren Augen nur als gelegentlich „geschickt“ gelte, denn es geht mir nicht um solche Attribute. Es geht mir darum – sicherlich, zugegeben, neben einer gewissen polemischen Diskussionsfreude, die ich aber, glaube ich, mit Herrn Wolff durchaus teile, denn auch er ist ja nicht zimperlich – es geht mir also darum aufzuzeigen, dass wir neben dem grossen Herzen für die einen und der klaren ablehnenden Positionierung gegen die anderen eine real mögliche Lösungsorientheit an den Tag legen sollten, dass wir uns mit den Problemen lieber auf rechtsstaatlicher Basis im Offenen auseinandersetzen (und dabei langfristig siegen werden) als gegen den Untergrund kämpfen zu müssen – und es geht mir darum zu betonen, dass es wohlfeil ist, immer unsere Politiker herabzusetzen und zu kritisieren ohne anzuerkennen, dass sie doch wohl prinzipiell auf unserer Seite stehen, aber dem enormen Druck einer weitgespreizten öffentlichen und veröffentlichten Meinung ausgesetzt sind, die zudem noch schnelle Lösungen einfordert und mit jedem Tag, den ein Problem anhält, kritsicher und ungeduldiger wird.
    Mit freundlichem Gruß,
    Andreas Schwerdtfeger

  2. Wie sehr stimmen wir doch überein, lieber Herr Wolff, wenn Sie schreiben: Wachsamkeit und historische Sensibilität sind ein Gebot der Stunde! Meine Kritik richtet sich ja nicht gegen diese Auffassung. Ich mahne ja nur an, dass diese Wachsamkeit sich in BEIDE Richtungen – gegen Rechts wie gegen Links – richten muss. In Spanien und Portugal hatten wir (aus westeuropäischer Sicht) auf der linken Seite, was wir jetzt in Ungarn auf der rechten haben – und haben es wieder ausbalancieren können. Der augenblickliche europäische gouvernementale Schwenk nach rechts liegt an fatalen sozialistischen Regierungen wie der Frankreichs unter Hollande beispielsweise oder Englands unter Blair. Und unter historischen Gesichtspunkten ist es doch genauso: Wir hatten das kriminelle rechte Naziregime und parallel dazu (und zeitlich gesehen deutlich länger) die ebenso kriminellen kommunistischen Regime im gesamten Ostblock. Also Ja: Wachsamkeit und historische Sensibilität – aber in beide Richtungen, ausgewogen und vor allem ohne einseitige Panikmache und Verunglimpfung aller derjenigen, die die Probleme in praktischer Politik und unter Beachtung der Rechtsvorschriften lösen müssen!

  3. Welch‘ eine Übertreibung mal wieder – und genau das ist es, was Ihre Beiträge so unglaubwürdig und wenig überzeugend macht. „Niemand greift ein“, schreiben Sie und tun so, als seien nicht Ermittlungen der Polizei im Gange, als gäbe es keine politischen Stellungnahmen zuhauf zu den Vorgängen (deren Abscheulichkeit unumstritten ist), als hätten nur Sie und ein kleines Häufchen Gleichgesinnter den schweren Kampf allein gegen eine dumpfe Republik zu bestehen.
    Wie anders sieht zum Glück die Wirklichkeit aus: Der überwiegende Teil der Bevölkerung, die gesamte politische Welt in Deutschland, der Staatsapparat mit seiner Justiz (trotz des ja ziemlich dümmlichen Justizministers) und Exekutivgewalt stellt sich gegen die Verblendeten und ermittelt da gegen sie, wo dies angemessen ist. Gleichzeitig wird Rechtsstaatlichkeit aufrecht erhalten, indem denjenigen, die demonstrieren, dieses Recht ermöglicht wird und denjenigen, die aus einer Demo heraus moralisch oder juristisch Unrecht tun, die Unschuldsvermutung bis zur Verurteilung zuteil wird. Deutschland zeigt sich im Gegensatz zu Ihren einseitigen Tiraden ausgewogen, wehrhaft gegen Extremismus beider Seiten (denn auch in Gorleben oder Frankfurt wurde gegen Gesetzesbrecher mit Rechtsstaatlichkeit gehandelt) und in der Lage, mit Augenmaß und Angemessenheit seine Werte durchzusetzen. Würde sich der Rechtsstaat so durchsetzen, wie Sie es fordern, wären nach jeder Gorleben-Demo die Hälfte der Grünen Parlamentarier im Kittchen gewesen!
    Sie, Herr Wolff, gehören doch auch zu denen, die sich gerne des „ach‘ so anständigen Deutschland“ brüsten, das allerdings natürlich nur von Ihnen repräsentiert wird und in dem alle Politiker vor Ihrer Aufrechtigkeit und Integrität kapitulieren und zurücktreten müssten. Aber wer soll es dann machen? Sie vielleicht?
    Ich grüße Sie,
    Andreas Schwerdtfeger

    1. Woran mag es wohl liegen, dass dieser Beitrag allein auf meiner Seite von fast 4.000 Menschen angeklickt wurde – dabei sind die Leser des Beitrags auf der Leipziger Internetzeitung l-iz.de und auf der Homepage des Tagesspiegel nicht mit eingerechnet. Wenn in dem Artikel alles so platt daherkommen würde, wie Sie, lieber Herr Schwerdtfeger, es darstellen und empfinden, dann hätte meine Analyse sicher nicht das Interesse gefunden. Worum geht es? Immer deutlicher wird in der gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung, wie schnell Stimmungen kippen, wie schnell grundlegende Maßstäbe der Demokratie und des Rechtsstaates außer acht gelassen werden und wie schnell Menschen bereit sind, sich genau den Kriterien auszuliefern, die den Rechtsextremismus/Faschismus ausmachen. Und da ist in manchen Regionen Sachsens und Deutschlands in den vergangenen Jahren ganz viel schief gelauf (siehe z.B. den Bericht über Chemnitz-Einsiedel auf ZEITonline http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-10/fluechtlinge-einsiedel-protest/komplettansicht . Darauf hinzuweisen und hier einen politischen Handlungsbedarf anzumahnen, halte ich – abseits jedes Alarmismus – für dringend geboten. Ich gehöre jedenfalls nicht zu denen, die meinen, der Erhalt der Demokratie und der Schutz vor dem Rechtsextremismus seien Selbstläufer und man brauche nur den Regierenden zu vertrauen. Das Beispiel Ungarn zeigt in erschreckendem Maße, wie schnell das geht, dass aufgrund von rechten Mehrheiten demokratische Grundrechte aus den Angeln gehoben werden, und wie verheerend sich ein grassierender Rechtsextremismus auf die Pluralität einer Gesellschaft zugunsten eines dumpfen Nationalismus auswirkt. Und was wird in Polen und Frankreich geschehen, wenn dort die Rechtsextremen an die Macht kommen? Wachsamkeit und historische Sensibilität sind ein Gebot der Stunde!

      1. Ich stimme Herrn Schwertfeger weitgehend zu.

        Eine Frage an Herrn Wolff: Sie fragen: „Woran mag es wohl liegen, dass dieser Beitrag allein auf meiner Seite von fast 4.000 Menschen angeklickt wurde?“

        Bitte erklären Sie doch einmal, wie Sie zur Erkenntnis kamen, dass diese Leser Ihnen durchweg zustimmen würden, nur weil diese Ihren Artikel gelesen oder zumindest aufgerufen haben?

    2. Sehr geehrter Herr Schwerdtfeger,

      Ihr scheinheiliges Schwenken der Fahne der Rechtsstaatlichkeit kann nicht darüber hinwegtäuschen, wie sehr Ihnen Herrn Wolffs Engagement gegen die GIDA-Seuche in Sachsen ein Dorn im Auge ist. Sie echauffieren sich über eine vermeintlich „alberne Hetze gegen die Verantwortlichen in diesem Lande“ (am 04.10. im Blog) und beklagen „Demonstrationen mit wohlklingenden Schlagworten“, die außer Polizeikräfte zu binden, nichts zur Überwindung aktueller Herausforderungen beitrügen. Sie echauffieren sich darüber, dass Herr Wolff jede Woche das Demonstrationsrecht für sich in Anspruch nimmt, ohne es auch Andersdenkenden zu gönnen (23.09.). Selbstverständlich ist sein Engagement in Ihren Augen sowieso nicht „grundsätzlich problemlösend“ (28.09.), was selbstredend auch für alle ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer gilt (naive Gutmenschen!). Und überhaupt sehen Sie hauptsächlich „Übertreibungen“ und „Tiraden“ (17.10.).

      Auf der anderen Seite ist es Ihnen offensichtlich eine besondere Herzensangelegenheit, für die armen „verblendeten“ GIDA-Bewegten das Demonstrationsrecht zu verteidigen. Schließlich muss man ja, solange nicht doch mal jemand verurteilt wird, von der Unschuld dieser ehrenwerten Bürger ausgehen (17.10.). Übrigens, die Geschichte mit dem Galgen war sicherlich ein geschäftsschädigender Betriebsunfall, der aus Versehen einen Blick hinter Biedermannmasken gewährte. Herr Höcke, Chefeinpeitscher der AfD in Thüringen, hat das unlängst seinem Gefolge klargemacht. Wie von Ihnen nicht anders zu erwarten, sind Sie auf der Seite jener, für die Herr Orban ein ehrenwerter Partner ist, der sich ja nur für die Durchsetzung vereinbarter EU-Richtlinien einsetzt, auch wenn diese von Anfang an gegenüber den EU-Peripherieländern unfair waren und mittlerweile von der Lebenswirklichkeit überholt worden sind (04.10.). Wie auch in Pegida-Kreisen üblich, sehen Sie die Probleme hauptsächlich in der immer neue Migrationswellen auslösenden deutschen Freundlichkeit und in dem mangelnden Willen, scharf genug gegen Verfehlungen aufgenommener Asylbewerber vorzugehen. Und das ständige Geschrei „Das Boot ist voll!“ hat auch bei Ihnen Vorrang vor intelligenten Lösungsvorschlägen für eine erfolgversprechende Integration der Neuankömmlinge.

      Es ist jedem unbenommen, sich als Pegida-Advokat zu gerieren. Und, zugegeben, diese Rolle spielen Sie geschickt. Es liegt aber im Interesse eines friedlichen Gedeihens unserer Gesellschaft, nach besten Kräften gegen fremdenfeindliche Tendenzen vorzugehen. Ich schätze das Auftreten von Herrn Wolff ganz besonders deswegen, weil er von Anfang an glasklar das Verwerfliche der vor einem Jahr einsetzenden Demonstrationen benannt und das Gerede von den „besorgten Bürgern“ bei Pegida und Legida als das entlarvt hat, was es in Wirklichkeit ist, nämlich dummes, vielleicht auch absichtsvolles Geschwätz. Jedem sollte große Hochachtung und Wertschätzung entgegengebracht werden, der mithilft, möglichst jeden Fußbreit Boden dieser üblen, menschenfeindlichen Gesellschaft zu verwehren – einer Gesellschaft, die ständig in widerlichster Weise gegen Flüchtlinge hetzt und jene verunglimpft und bedroht, die mit Engagement akute Flüchtlingsnot lindern wollen – einer Gesellschaft, die wie ein Krebsgeschwür ihre Metastasen der Missgunst, des Sozialneids (auch des Sexualneids -:)) und des dumpfen Gefühls, ewig zu kurz gekommen zu sein, bis in die Mitte der Gesellschaft ausstrahlt. Darin besteht übrigens ein wesentlicher Unterschied zu sogenannten Linksradikalen, die eher eine isolierte Existenz leben. Mit pseudointellektuellem, völkischem Mumpitz unterschwellig Verständnis für Pegida-Umtriebe erheischen zu wollen (z. B. Kommentar von E. Fischer, 25.09.), ist absurd und lächerlich. Ihre Bemerkung, Herr Schwerdtfeger, man sollte doch Pegida lieber gewähren lassen, als die Gefahr einer Untergrundbewegung heraufzubeschwören, kommt mir wieder ziemlich scheinheilig vor, auch wenn vielleicht Bedenken hinsichtlich der Effizienz unserer Verfassungsschutzorgane bei der Verfolgung von Rechtsextremisten angebracht sind.

      Ich stimme Herrn Wolff zu, dass alle Körperschaften in unserem Lande, ganz besonders auch die Kirchen, noch massiver gegen die fremdenfeindlichen, rassistischen, Hass verbreitenden Aktivitäten der GIDA-Demonstranten vorgehen müssen, wenn keine nachhaltigen Schäden im Lande entstehen sollen. Dass bei dem gegenwärtigen Personal in der sächsischen CDU von dieser Seite kaum eine konsequente Abgrenzung vom braunen Sumpf zu erwarten ist, sollte allerdings klar sein. Richtig ist aber auch, dass intelligente, konstruktive Ideen und Vorschläge für die Lösung des Flüchtlingsproblems Not tun. Man erinnere sich aber daran, wie schnell und mit welchem hohen materiellen Einsatz vor wenigen Jahren die Vermögensbestände der Begüterten gerettet worden sind. Warum kann nicht wie damals bei der Einführung der Abwrackprämie ein umfangreiches Finanzierungsprogramm für die massenhafte Schaffung neuen Wohnraums, sei es durch Neubau oder durch Sanierung leer stehender Immobilien, und für die umfangreiche Neueinstellung von Lehren und Sozialarbeitern aufgelegt werden? Man komme jetzt nicht mit der ökonomisch unsinnigen, ideologisch begründeten Schuldenbremse!

      Noch ein Wort zur Faschismusgefahr. Da sehe ich nicht ganz so schwarz wie Herr Wolff. Ohne Harzburger Front wäre seinerzeit Hitlers Machtübernahme kaum möglich gewesen. Ich denke, dass heutzutage krasse Fremdenfeindlichkeit kapitalistischen Verwertungserfordernissen stark entgegensteht. Es sei z. B. daran erinnert, dass seinerzeit der Springer-Konzern gerade in der Bild-Zeitung keine Mohamed-Karikaturen hat drucken lassen. Wenn K. Biedenkopf das meint bei der Feststellung, den Rechtsradikalen in Deutschland fehle es an strategischer Kraft (21.09.), könnte ich ihm sogar zustimmen.

      Mit freundlichen Grüßen,

      Johannes Lerchner

  4. ….und noch las ich nirgends, dass sich die CDU-Bundstagsabgeordneten aus den betreffenden Wahlkreisen (z.B. Meißen – Th.de Maiziere) klar und deutlich positionieren auf der Seite unserer Werte, also des Grundgesetzes, der Seite der Menschenrechtserklärung etc.pp.

  5. Gestern las ich in der Leipziger Internetzeitung Ihren Text, den ich auch vielfach weitergegeben habe – Notwendigkeit und Hoffnung nach solchen Worten sind groß! Danke auch für Ihre klare Aussage gegenüber der Kirche. Ich denke, es betrifft die evangelische und die katholische Kirche. Von beiden geht im Moment (auch) an der Basis nur eine bedrückende Sprachlosigkeit aus. Die Not der Flüchtlinge wird – nach meiner bisherigen Wahrnehmung – wenig oder nicht angesprochen. Umso größer mein Respekt für das Engagement der vielen, vielen Helfer, manche angefeindet oder zumindest belächelt.
    Vor ein, zwei Tagen ein zumindest auf Gundsätzliches weisendes Interview mit EKD-Chef Bedford-Strohm bei MDR Figaro – doch wen erreicht dies und warum ein wichtiges Thema so knapp abhandeln? Die Kardinäle Marx und Woelki versuchen ebenfalls, positive Signale auszusenden – aber wer druckt/sendet dies (nur wenige) und wenn, wen erreichen die Worte wirklich? – Offensichtlich braucht es auch in Kirchgemeinden mehr direkte Ansagen und vor allem mehr Pragmatismus – zuerst für eine menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge. Mit Zelten wird dieser erste Schritt nicht möglich sein.

  6. Danke für die klare und unzweideutige Analyse zum wachsenden Rechtsextremismus.
    Danke auch für den letzten Absatz, in dem den Kirchenleitungen ins Gewissen geredet wird. Schlimm, dass soetwas nötig ist.

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