Diesen Blog-Beitrag schreibe ich unter dem Eindruck eines selbstzerstörerischen Wahlergebnisses und vieler Straßendiskussionen in den vergangenen Wochen.
Das Ergebnis der Europawahl und der Kommunalwahlen in vielen Bundesländern am 09. Juni 2024 ist in jeder Hinsicht ernüchternd, die Reaktionen bei vielen Menschen einen Tag danach entsprechend entsetzt: Wie kann das sein, dass die rechtsextremistische, nationalistische und in Teilen faschistische AfD bundesweit so stark zulegt? Das Erschreckende: In diesem Ergebnis ist kein Ausdruck von Protest, kein Versagen anderer Parteien zu erkennen. In den Wahlergebnissen wird sichtbar, dass viele Wähler:innen im vollen Wissen um die Absichten der Rechtsextremisten ihre Stimme der AfD oder noch radikaleren Gruppierungen wie den „Freien Sachsen“ gegeben haben – nicht weil Millionen erwerbsloser Menschen vor Arbeitsämtern stehen, nicht weil Millionen Menschen verarmen, nicht weil unser Land in den Abgrund zu rutschen droht. Nein, offensichtlich haben bis zu 30 % der Wähler:innen und mehr eine indifferente Angst um den Erhalt ihres oft hohen Lebensstandards. Sie sehen ihn weniger bedroht durch Eruptionen des Klimawandels wie Überschwemmungen als durch Zuwanderung von Menschen aus anderen Kulturkreisen. Das möchten AfD-Wähler:innen lieber heute als morgen beenden – und lassen ihrer Fremdenphobie freien Lauf. Ein schon lange rumorender Lebensverdruss, eine durchaus aggressiv-angstbesessene asoziale Egomanie, der Mangel an einem inneren Krisenmanagement, das einem Menschen Orientierung verleiht, einen resilienten Umgang mit Verwerfungen und Ängsten ermöglicht, verleiten offensichtlich Millionen Wähler:innen, ihre Stimme denen zu geben, die genau diese selbstbezogene Gefühlslage durch Fakes, Tiraden und Zerrbilder schüren und mit dem Versprechen von kultureller Abschottung, gesellschaftlicher Homogenität und nationalistischer Überheblichkeit Abhilfe vorgaukeln. Das ist auch der Grund dafür, dass das Verstecken der AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl offensichtlich keinerlei negative Folgen auf das Wahlergebnis für die AfD hatte. Vielmehr erfolgt die Zustimmung für die AfD per Wahlzettel im vollen Wissen um die Absichten der Rechtsnationalisten, ihrer Machenschaften und Skandale:
- die Demokratie, Vielfalt, Offenheit, Freiheit zu zerstören, das „System“ zu überwinden und mit den „Alt-Parteien“ aufzuräumen durch die Errichtung einer sog. Volksherrschaft (wobei zum „Volk“ nur die gehören, die sich dieser Herrschaft unterwerfen);
- Europa mit der „Abrissbirne“ zu zertrümmern – so nicht nur der gerade gewählte Leipziger AfD-Europaabgeordnete Siegbert Droese;
- durch Nationalismus den Keim für neue Kriege zu legen.
Letztere Absicht wird nur notdürftig verdeckt durch den aberwitzigen Versuch der AfD, sich als „Friedenspartei“ aufzuspielen. Da wird ein Waffenstillstand mit Russland gefordert, ohne auch nur einen Gedanken darauf zu verschwenden, was aus der von Russland überfallenen Ukraine werden soll – umso Russland zu überlassen, wie viele Gebiete der Ukraine sie sich mit einem Friedensschluss einverleiben will. Das ist insofern folgerichtig, weil die antieuropäische Politik der AfD nichts anderes bedeutet, als die Grundlage für nationalistische, notfalls militärisch durchzusetzende Gebietsansprüche zu schaffen. MaW: Die gleichen Leute, die jetzt die Abrissbirne aktivieren, um Europa zu zerstören und um einen nunmehr autonomen und autarken deutschen Nationalstaat in der Mitte Europas zu etablieren, werden im nächsten Schritt – nachdem alle politischen, kulturellen, gesellschaftlichen Verbindungen zu den Nachbarländern gekappt bzw. einfroren worden sind – Gebietsansprüche auf das Elsass, Nord-Schleswig oder Pommern, Ostpreußen, Schlesien erheben. Übertreibung? Hoffentlich erweist es sich in den nächsten Jahren so! Aber ich mache mir keine Illusionen. Wenn jetzt ein Neonazi und Hitler-Verehrer wie Tommy Frenck bei der Landratswahl in Hildburghausen/Thüringen im 2. Wahlgang über 30 % der Stimmen auf sich vereinigen kann, verbietet sich jede Schönfärberei. Die Landkarten von einem Deutschland in den Grenzen von 1937 hängen nicht nur in den Hinterzimmern schmuddeliger Nazi-Treffpunkte. Das alles ist denjenigen, die AfD gewählt haben, voll bewusst – und sie haben dennoch keine Skrupel mit der Anschlussfähigkeit der AfD zur Nazi-Zeit, keine Vorbehalte gegen die Höckes, Gaulands, Krahs: Denn das war doch in den 12 Jahren alles nicht so schlimm, wie behauptet wird … nicht jeder SS-Mann war ein Verbrecher … und überhaupt: Ist die Erinnerungskultur nicht ein Produkt der westlichen Siegermächte, die den Deutschen jahrzehntelang eingetrichtert wurde von den bundesdeutschen Eliten, von denen sich das Volk nun befreien muss? Ist darum die Stimmabgabe für die AfD nicht eine Art Befreiungsakt von Bevormundung wie zu DDR-Zeiten?
Übertrieben? Ich fürchte, nein. Wir werden erst dann, wenn wir an der Stimmabgabe für die AfD nichts mehr beschönigen, in der Lage sein, die Gefahrenlage ermessen können. Die AfD wird nicht trotz, sondern wegen ihres Rechtsextremismus, wegen ihrer Ausländerfeindlichkeit, wegen ihrer Verachtung der parlamentarische Demokratie gewählt! Es wird höchste Zeit, dass wir die Bürger:innen, die die Stimmabgabe für die AfD vollzogen haben, ernst nehmen und sie nicht mehr wie Dummerchen behandeln und damit verantwortlich machen für ihre politische Entscheidung. Es wird höchste Zeit, dass wir die große Gefahr erkennen, von der unsere freiheitliche Demokratie bedroht ist: zu viele Menschen haben sich in allen Bevölkerungsschichten von den Grundlagen eines zivilen Zusammenlebens, von der Menschenwürde, von gegenseitiger Achtung und Rücksichtnahme, von Internationalität und Vielfalt, von dem Schutz des beschädigten Lebens und von der Notwendigkeit der Diskussion und des Kompromisses verabschiedet. Das ist übrigens eine der Folgen der zunehmenden Abkehr vieler Menschen von den christlichen Kirchen. Hinzu kommt in Ostdeutschland: Zu viele Menschen verstehen bis heute die Vereinigung der beiden deutschen Staaten 1990 nicht als Ergebnis der europäischen Einigung, sondern als Gründung eines eigenständigen deutschen Nationalstaates. Darum die leichtfertige Verachtung der EU, die Dexit-Stimmung und die Sehnsucht nach politischer und kultureller Abschottung.
Wollen wir uns dafür in Mithaftung nehmen lassen? Ich hoffe nicht! Genau das aber würde passieren, wenn wir nun den Narrativen der Rechtsextremisten folgen oder ihnen nachgeben, wenn wir sozusagen deren Absichten ein bisschen glätten, übernehmen und dann meinen, Wähler:innen zurückgewinnen zu können. Das wird nicht funktionieren. Darum gibt es nur einen Weg: Zum einen müssen die demokratischen Parteien ein glaubwürdiges Politikangebot machen, um verantwortliches Mittun, Zuversicht und offene Debatte zu fördern; zum andern müssen wir uns im Schulterschluss der demokratischen Parteien noch klarer, noch deutlicher den Rechtsradikalen widerstehen; und schließlich sind alle gesellschaftlichen Akteure aufgerufen, die Resiliens des Einzelnen zu stärken, dem allgemeinen Verdruss und der asozialen Egomanie zu widerstehen.
35 Antworten
lieber Herr Wolff,
ich verstehe, dass Sie die Welt nicht mehr verstehen. Vielleicht ist es für Sie hilfreich Ihren Kernsatz zu hinterfragen: „Die AfD wird nicht trotz, sondern wegen ihres Rechtsextremismus..gewählt“.. Das ist eine Beleidigung der Wähler und hilft nicht, die Wähler zurück zu gewinnen.
Ich empfehle:
1) Gespräch mit Julie Zeh -SPD (zum Thema Rechtsradikal und Nazis)
2) Das Interview mit Olaf Henkel (ex AfD, ex BDI Präsident bei Maischberger (weniger als 50% der Wähler sind Nazis, rechtsradikal::)
3) Das Buch von Steffen Mau: Warum der Osten anders bleibt
Vielleicht hilfts.
Lieber Herr Dr. Tesch, ich beleidige nicht Wähler:innen, ich nehme sie einfach nur ernst. Wie gesagt: Wer AfD wählt, ist kein bedauernswertes Dummerchen, sondern ein:e mündige:r Bürger:in. Die Litaraturliste lässt sich noch erheblich erweitern. Ich habe mich in den vergangenen Wochen lieber mit sehr vielen Menschen gesprochen. Das war/ist sehr aufschlussreich. Beste Grüße, Christian Wolff
Sehr geehrter Herr Dr. Tesche,
ich war mehrere Male in einem Restaurant essen, dessen Speisen-Angebot und -qualität mir gefiel, bis ein befreundetes Paar mich fragte, ob mir bewusst sei, welche Geisteshaltung der Inhaber und Koch habe, manifestiert in den dort prominent ausgestellten Zeitschriften und Büchern.
Wäre ich selbst zum Rechtsextremen geworden, wenn ich dort weiter Gast geblieben wäre? NEIN.
Hätte ich morgens weiter in den Spiegel schauen können, wenn ich den Inhaber weiter gestützt hätte? NEIN!
Ich verweise nochmals auf A. Camus: „Von einem bestimmten Alter an ist jeder Mensch für sein Gesicht verantwortlich“; bei einer Wählerin/einem Wähler muss ich davon ausgehen, dass sie/er dieses Alter erreicht hat.
Entsprechend falsch empfinde ich Ihre Behauptung, Christian Wolff „beleidige“ die Wähler der AfD.
Obscur:
Die antifaschistische Legende Serge Klarsfeld sagt sich von der propalästinensischen Linken Frankreichs los – und will im Zweifelsfall die Ultrarechten wählen.
https://www.fr.de/politik/ein-nazi-jaeger-zieht-le-pen-vor-93137356.html
Klarsfeld und seine deutsche Frau Beate waren im Mai von Macron bei einem Besuch in Berlin mit dem höchsten Orden der französischen Ehrenlegion ausgezeichnet worden.
https://www.spiegel.de/ausland/frankreich-nazi-jaeger-serge-klarsfeld-wuerde-ohne-zoegern-rechtspopulisten-waehlen-a-81af294f-3f09-486b-9cd1-8f515a6fe020
Die Ursache für seine Entscheidung sieht er in der veränderten Positionierung des RN. „Das Rassemblement National hat sich gewandelt und steht nun auf der Seite der Juden“, betont Klarsfeld.
https://www.focus.de/politik/ausland/neuwahlen-in-frankreich-schockierende-wahlpraeferenz-nazi-jaeger-steht-hinter-rechtsnationaler-partei_id_260056683.html
Mein lieber Mit-Jünger M. Käfer – Herrn Breuer stellte ich eine konkrete Frage, und was kam? Nichts. Außer, das er als fragiler Kommentator genervt ist, wie er feststellt.
Eines jedoch gereicht nicht zum lachen: das Wahlergebnis (EU, Stadträte, Kreistage). Und da bitte ich Herrn Breuer um Ernsthaftigkeit und Würde im Dialog. Ihnen, M. Käfer, einen herzlichen Gruß; tun wir alles in praxi, um die Landtagswahlen in Sachsen nicht zur Demokratie-Katastrophe werden zu lassen. Die derzeit laufende Fußball-EM könnte, was das Nachdenken über problematische Wahlentscheidungen betrifft, eine Ablenkung bedeuten. Dann noch die Olympiade in Frankreich und dazu jetzt Ferienzeit allerorten. Oh, oh – Brot und Spiele…wir werden sehen, was im September 2024 geoffenbart wird.
Werter Herr Breuer – was meinen Sie mit Spieltheorie??
Würde mich interessieren!
Und Lachen? Ist doch die beste und internationalste, stets verstandene Sprache.
Meinen Sie etwas etwas anderes?
Einen guten Tag!
Im Zusammenhang mit dem Nordstream 2 Anschlag wurde hier im Forum ein Video von Prof. Rieck, dass den Anschlag aus spieltheorethischer Sicht bewertete, besprochen.
Ihre meinungstarke Einlassung ließ erkennen, dass Sie den Wissenschaftsbereich der Spieltheorie mit „Spielen“ (etwa Halma / Skat…..) verwechselten.
Den damals zur Information zugesandten link haben Sie offenbar bis heute nicht gelesen.
Mit genervtem Gruß
E. Breuer
Ich verstehe durchaus, dass Sie dem großen, konservativen Lautsprecher stilistisch und argumentativ imponieren wollen.
Bitte überlegen Sie aber, ob Sie auch dessen (in meinen Augen unterirdischen) Standards bei Höflichkeit und Anstand nacheifern wollen…
Der Unterschied zwischen Skatspiel und Spieltheorie z.B. lässt sich auch ohne ein „herzlich gelacht“ erklären.
Merkwürdig: Unser Anstands-Wächter-Rat kritisiert, dass Breuer angesichts eines Beitrags „herzlich gelacht“ habe – pfui, das ist unangebrachtes Imponiergehabe! Er hätte dazu freilich schon vorher Gelegenheit gehabt. (Flade, 13. JUNI 2024 – 15:50) als sein infantiler Schützling in einem Anfall besonderen Pazifismus‘ das gleiche zum Besten gab. Das ist unserem Käfer nicht aufgefallen – sein selektiver Anstandsmantel ist etwas löcherig. Nun also ist es an mir, herzlich zu lachen!
Lachen ist gesund und also zu empfehlen. Versuchen Sie es mal, Herr Käfer, vielleicht zuerst im dunklen Keller, dann aber durchaus auch im hellen Licht. Es ist allemal besser, als immer in der vermeintlichen Suche nach Anstand verbissen und einäugig zu zürnen!
Ich habe inhaltlich auf Wolffs Beitrag reagiert – und warte wie immer noch auf inhaltliche Reaktionen.
Andreas Schwerdtfeger
Sehr geehrter Herr Walter Knöpfel – sehr gut, danke! Und mir klangen die Ohren, denn J.S.Bach war das, was wir heute als ein Gottesgeschenk interpretieren dürfen. Und eines machte seine hohe Komponier-Kunst in höchsten Maße bedeutend: Sein Kontrapunkt seiner „Musikalisches Opfer“, „Kunst der Fuge“, „Goldberg-Variationen“, seine Kantaten der Leipziger Zeit etc.pp. zu eben dieser KUNST, die wir heute nach 274 Jahren tief in uns wirken lassen und immer und immer wieder fasziniert sind. Kontrapunkt – das trifft ja auch auf den gesellschaftlichen Diskurs zu; nur ein respektvolles, argumentationsreifes und qualitatives Miteinander, trotz gegenläufiger Wahrnehmungen, Haltungen, Ansichten macht eine funktionierende Demokratie aus. Nähe und Distanz, Haben und Lassen; in der Musik Bachs, u.a. auch Max Regers, können wir es erfahren, im alltäglichen Dasein nicht minder. Funktioniert es, dann entstehen Wohlklänge. Ihnen eine gute Zeit und nochmals danke; Jo.Flade
Ach Herr Schwerdtfeger – wir sitzen hier gerade in bester Debatten-Runde zu den erbärmlichen Wahlergebnissen (EU + Kommunal), lesen die selektiv bemerkenswerten, sowohl inhaltlich wie eben auch stilistisch souveränen Beiträge Anderer (Gott sei Dank gibt es diese!!), jedoch Ihre Kommentare erregten unisono heiteres Lachen. Denn: Ihre manische Wucht, Wolff und seine Jünger unaufhörlich in die Pfanne zu hauen ist schon toll. Sie fordern Argumente und Angebote, richtig. Lesen Sie Ihre selbstgebackenen Rhetorikergüsse noch mal mit Abstand, dann müsste Ihnen mit einem gewissen Selbstversuch der Reflexion irgendwann doch selbst auffallen – da kommt nichts, aber auch gar nichts als massives Kontra mit den erbärmlichen Versuchen, diese Ihre kleine Welt als das Non plus ultra zu offenbaren. Tut mir leid, aber heute hatte ich mit einigen einen humorvollen Nachmittag – na, das war doch mal was vom Schwerdtfeger. Danke und weiter so; Humor ist ja ab und an ziemlich förderlich! Wenigsten das konnten Sie erreichen mit Ihrer pseudointellektuellen Blog-Lektüre. Halten Sie doch irgendwann einmal stille und versuchen Sie Qualität!
Ach ja, sich mal zu vertippen, Namen und Termini zu verschleudern, das passiert eben mal, vor allem dann, ist man zu erhitzt im Angriff. Ein Trost für Sie: Wer nicht arbeitet, macht keine Fehler.
Adieu -bleiben Sie dran.
Wenn man im Glashaus sitzt, soll man nicht mit Steinen werfen:
Ich habe in diesem Forum am meisten gelacht, als Sie Ihre Kenntnisse über die Spieltheorie offenbarten.
Mit herzlichem Lachen,
Ihr E. Breuer
Nochmal: Ein toller Kommentar auf dem Niveau eines 6-Jährigen, der von seiner Geburtstagsparty mit Gleichaltrigen berichtet. Inhaltlich wie immer nichts. Armer Flade – aber nett, dass er trotzdem Freunde hat.
Andreas Schwerdtfeger
Herr Fersterra,
ich verstehe Ihren Ärger über den falsch geschriebenen Namen und habe mich dafür entschuldigt (Wolff hat das noch nicht veröffentlicht). Ich bitte Sie um Verzeihung und teile Ihre Feststellung, dass dies eine Unhöflichkeit ist – ich selbst habe das hier auch schon öfter geschrieben, als so mit mir umgegangen wurde. Wolffs Klientel fand das lächerlich – ich freue mich, dass wir hier übereinstimmen. Nochmal: Ich hätte aufmerksamer sein müssen.
Ich danke Ihnen auch dafür, dass Sie im Gegensatz zu Wolff und Co inhaltlich auf meinen Beitrag eingegangen sind. Wir sind teilweise unterschiedlicher Meinung, wie Sie in Ihrer Berichtigung deutlich darstellen – und das finde ich in Ordnung.
Vor allem aber teile ich Ihre Meinung, dass auch das Positive zu sehen und anzumerken ist – und dass insbesondere unsere Politiker diesen Bonus verdienen. Wenn Sie in diesem Blog zurückblättern, werden Sie feststellen, dass ich auch diesen Gedanken oft geäußert habe – im übrigen zuletzt gerade neulich, als ich es als Teil der Gehirnwäsche bezeichnete, dass hierzulande den Parlamenten (und also auch den aus ihren Reihen hervorgehenden Mitgliedern der Exekutive) unverständlicherweise weniger Vertrauen entgegengebracht wird als nicht durch Wahl legitimierten, finanziell undurchschaubaren und nur Einzelziele verfolgenden NGOs – Ziele, die ihre Vertreter dann auch noch über die Gesetzeslage in DEU stellen.
Wenn ich die jetzige Ampel kritisiere, so ist dies nicht Politiker-bashing um seiner selbst willen, sondern die Überzeugung (die eine deutliche Mehrheit teilt), dass sowohl inhaltliche als auch verfahrensmäßige Fehler allzu häufig vorkommen, dies aus ideologischen Gründen, und dass diese Fehler dann auch noch auf „externe“ Faktoren geschoben werden – so zB die Vorgängerregierung, an der die SPD maßgeblich beteiligt war; so zB die Blockierung dessen, was jetzt die Grünen eifrig befürworten, nämlich Verteidigung; so zB – Ihr Beispiel – die Energiepolitik, die darin bestand, erst eine Energieknappheit zu schaffen (gleichzeitiger Ausstieg aus allen drei Hauptenergieträgern Atom, Kohle und Gas – in letzterem Falle mit der Ausrede, Putin habe das zu verantworten – ja was hätte er denn tun sollen als zuzumachen, wenn ihm die Bundesregierung ständig sagt, SIE werde das tun, sobald sie es für möglich und richtig hält), und sie dann zu schlechteren, weil teureren Bedingungen einigermaßen wiederherzustellen.
Alles aber sachliche Meinung, die ich bei Ihnen ebenso respektiere, wie ich es hier vergeblich für meine Meinung einfordere.
Wie auch immer: Ihnen Dank und Ihnen meine Bitte um Verzeihung.
Andreas Schwerdtfeger (13. Juni, 14.35h)
Sehr geehrter Herr Schwerdtfeger,
Ihr Kotau vor H. Fersterra ist in meinen Augen notwendig und gerechtfertigt!
Vielleicht denken Sie bei der Gelegenheit noch ein klein wenig weiter und lassen auch ein paar andere (falsche) Autosuggestionen hinter sich?
Sie haben zwar durchaus Recht, dass Namen von Mit-Bloggern immer mal wieder (versehentlich) falsch geschrieben wurden. Brutal und völlig unanständig haben aber nur SIE dies genüsslich breitgetreten!! Ich erinnere mich sehr gut, wie Sie H. Flade wegen eines fehlenden „d“ in Ihrem Namen vor einiger Zeit damit für nachgewiesenermaßen zu dumm zum logischen Denken verspottet haben. Nicht erinnerlich ist mir dagegen, dass „so mit Ihnen mehrfach umgegangen wurde“ (falsche Schreibweise Ihres Namens).
Bitte bedenken Sie auch nochmals den Hinweis von H. Fersterra: „In Ihrem Rundumschlag finde ich kaum eins der Argumente in diesem Blog richtig wiedergegeben“. Ohne auf viele Beispiele der Vergangenheit hinweisen zu wollen – Sie schreiben aktuell: „Käfer stellt richtig, dass es nicht eine Kuchenbäckerei sondern ein Bistro war – ein wahrhaft grundlegender Unterschied“. Verdammt nochmal, H. Schwerdtfeger, ist es das, was Sie als „Abrüstung unter Demokraten“ (die Sie nach eigener Einschätzung doch schon immer befürwortet haben) verstehen??? Mein erneuter Hinweis auf den Inhalt der AfD-Plakate spielt keine Rolle?
Wohlstand kann im Übrigen nicht nur durch Arbeit, sondern auch durch eine (geniale) Idee, erfolgreiche Spekulation, Insiderwissen, kriminelle Energie und eben zu einem ganz erheblichen Prozentsatz auch durch Erbe entstehen!
Mir ist Ihr Satz, dass „die Erfolgreichen (und damit Wohlhabenden) unsere Gesellschaft mehr voranbringen als diejenigen, die sich von der Gesellschaft unterhalten lassen“ daher viel zu demagogisch, undifferenziert und schlicht!
MK
Man hätte sich gewünscht, Herr Käfer, dass Sie einen solchen „Kotau“ für „notwendig und gerechtfertigt“ gehalten hätten (14. Juni, 10:53h), als Ihre Ikone Wolff einem Mitblogger schrieb.: „Wer so … redet, … der geht – wenn’s drauf ankommt – über Leichen und will dabei nicht gestört werden.“ Dass man sich für einen Fehler entschuldigt, kann einem Anstandspapst wie Ihnen nicht in den Sinn kommen, der Sie ja – man sieht es doch leider an jedem Ihrer Beiträge – nicht einmal den Versuch der Objektivität machen. Und auch für Ihr schlechtes Gedächtnis, ihre völlige Humorlosigkeit und Ihre Komplexe bin nicht ich verantwortlich.
Als einzigen inhaltlichen Beitrag enthält Ihr Kommentar zwei kurze Anmerkungen, auf die ich – da ich gerne Sachverhalte diskutiere – eingehen will:
1. Der Inhalt des AfD-Plakats, auf den Sie hinweisen. Dazu: Haben Sie je einen intelligenten Plakatinhalt gesehen? Glauben Sie wirklich, man könne die Komplexität heutiger politischer, gesellschaftlicher, etc, Probleme auf einem Plakat darstellen. Plakate sind Polemik, diejenigen der SPD genau so wie die der AfD – und auch wie die meiner “Herzenspartei“. Deshalb habe ich ja oft hier über die Sinnlosigkeit von Demonstrationen mit ihren Plakaten geschrieben – und wenn Sie nicht in mir ein Feindbild entwickelt hätten, das Ihnen leider die Sachlichkeit raubt, dann könnten wir das trefflich diskutieren.
2. Sie haben eine andere Meinung als ich zu wirtschaftlich erfolgreichen Menschen, die also wohlhabend sind. Das ist Ihr Recht und ich bestreite nicht, dass es – wie überall – solche und solche gibt. Dass Wohlstand nicht NUR durch Leistung, Fleiß, Initiative und Originalität entstehen kann, ist mir bekannt; ebenso wie es ja auch richtig ist, dass Armut nicht umgekehrt Ausweis von deren Gegenteil sein muss. Es ist wohl müßig, darüber zu streiten, wie sich die Prozente verteilen. Ich erspare mir, Ihre Bewertung meiner Maßstäbe schlicht in Ihre Richtung umzudrehen. Dass Sie mit dieser Bewertung allerdings Ihren eigenen Postulaten der verbalen Abrüstung widersprechen, werden Sie wohl selbst erkennen.
Und was Flade angeht: Ich erkenne Ihre Verteidigung dieses Herrn als einen Akt außerordentlichen Samaritertums an. Aber, bitte, lesen Sie doch nur seine Beiträge!
Andreas Schwerdtfeger
Ich bedanke mich bei Herrn Wolff und Plätzsch für die Hinweise auf meine falschen Namensschreibungen und bitte die davon Betroffenen um Verzeihung.
Und ja, Herr Käfer, ich bin gegen Erhöhungen von Erbschaftssteuern, weil sie den Mittelstand ruinieren würden – und die paar Quandts machen den Kohl nicht fett. Und ich halte auch meine Behauptung aufrecht, dass die Erfolgreichen (und also Wohlhabenden) unsere Gesellschaft mehr voranbringen als diejenigen, die sich von der Gesellschaft unterhalten lassen. Alles inhaltlich diskutierbar!
Wolff führt uns mit seiner Reaktion das Problem vor Augen, das er und seine Jünger mit dem demokratischen Diskurs haben: Ich bezweifle nicht seine Aufrichtigkeit bezüglich der Ziele, die er uns vorträgt: Friede, Klima, Gerechtigkeit, etc. Ich kritisiere die Wege dorthin, die er empfiehlt und die ich für heuchlerisch, ausweichend und realitätsfern halte und diese Beliebigkeit auch anspreche. Er und seine Jünger dagegen greifen nur meine Person an („Menschen als intellektuelle Manövriermasse“, zB), weil sie die inhaltliche und argumentative Auseinandersetzung offensichtlich scheuen. Immer wieder weise ich konkret auf Widersprüche hin: „Begrenzte“ Ausstattung der Bundeswehr, zwielichtige Haltung zu Verteidigung, selektive Interpretation von Menschenrecht und Menschenwürde zB im Falle dieses konkreten Beitrages – kein einziges Mal kommt ein inhaltlicher Widerspruch, gerne auch in Verbindung mit seinem Lieblingsthema Schwerdtfeger, sondern eben nur dieses Letztere. Käfer wenigstens stellt richtig, dass es nicht eine Kuchenbäckerei, sondern ein Bistro war – ein wahrhaft grundlegender Unterschied!
Andreas Schwerdtfeger
Seit 2010 verbringe ich alle 2 Jahre zum Bachfest 12 Tage in Leipzig. Natürlich beschäftigt mich in diesen Tagen jeweils nicht nur Bach, ich fühle mich ebenso mit dem Alltag in Leipzig und mit seiner Entwicklung verbunden. Die elektronische Ausgabe der LVZ gehört während dem ganzen Jahr zu meiner Lektüre. Und natürlich bin auch ich, zusammen mit Christian Wolff, nun sehr erschüttert über den Ausgang der Wahl, speziell dem Resultat aus Leipzig, das ich so nicht erwartet hätte!
Der Artikel von Christian Wolff regt mich an, hier ein paar Worte zu schreiben. Eine Beobachtung, die mir, als in einem der direkten schweizerischen Nachbarorte zu Rielasingen und Singen wohnhaften, nicht wahlberechtigten, Aussenseiter aufgefallen ist, möchte ich an den Anfang stellen. In Rielasingen und Singen, wo ich ab und zu kirchenmusikalisch tätig bin, waren die abschreckenden Plakate der afd in Hülle und Fülle zu sehen, eher sogar in der Überzahl zu den anderen. Sie habe mich angewidert und abgeschreckt. Auf meinem Weg nach Leipzig habe ich Anfang vergangener Woche in Zwickau einen erträglicheren Mix gefunden, und in Altenburg sind mir nebst den normalen Plakaten zwei ganz schlimme Aussagen der afd auf Grossplakaten ins Auge gestochen. In Leipzig angekommen war ich plötzlich erlöst von der ganzen Wahlpropaganda der afd. Das hat mich aber nicht beruhigt, sondern ganz im Gegenteil, ein ungutes Gefühl in mir geweckt. Denn Unterdrückung macht eine Sache immer erst recht interessant. Und so wie ich die Leipziger in den vergangenen 14 Jahren kennen lernte, wären sie klug genug gewesen, die Plakate richtig einzuordnen und es hätte bei manchem von ihnen die unerträgliche Wahlpropaganda der afd dazu geführt, angewidert zu sein, sich die Sache nochmals zu überlegen und danach entsprechend abzustimmen. Insgesamt hätte sich das Ergebnis sicher nicht kippen lassen, aber ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass es besser gewesen wäre, die afd munter ihre abscheulichen Plakate aufhängen zu lassen und sie damit ihr wahres, abschreckendes Gesicht zeigen zu lassen.
Der Dialog ist und bleibt unverzichtbar. Er gehört zur Grundlage der Demokratie und sowieso zur Grundlage des Christentums. Gerade habe ich von irgendeinem katholischen Geistlichen gehört, dass man mit Menschen, die der afd angehören einfach nicht kommuniziert. Jesus hingegen hat dem Schächer am Kreuz gesagt, er werde noch heute mit ihm im Paradies sein. Hätte er den Schächer früher getroffen, wäre er bestimmt schon früher mit ihm in einen Dialog getreten. Wie wunderbar hat er doch mit der Frau am Jakobsbrunnen kommuniziert, obschon dies gegen alles verstossen hat, was in der damaligen Gesellschaft galt. Als gläubiger Kirchenmusiker muss ich heute ernüchtert feststellen, dass weder Kirche noch Politik das Wesen Jesu, und damit die Grundlage des christlichen Glaubens, verstehen. Bei der Politik kann ich dies noch irgendwie abtun, viele Verfassungen haben ja ihre ehemals christliche Grundlage schon längst aufgegeben, bei der Kirche hingegen gibt es keine Entschuldigung. Die Menschen, bzw. unsere global gewordene Welt, brauchen heute keine Religion, Kirche, oder gar Konfession im herkömlichen Sinne mehr, sie brauchen eine gemeinsame Ethik. Albert Schweitzer machte schon vor über 100 Jahren ein Beispiel mit seinem wunderbaren Satz: „Ich bin Leben, inmitten von Leben, das leben will“. Später hat Hans Küng mit seinem Projekt Weltethos tolle Ideen geliefert. Nun müssten die christlichen Kirchen ihr Versagen eingestehen und einen mutigen Anfang machen, indem sie mit ihrer herkömlichen Verkündigung aussetzen (Gottesdienste werden landauf landab in ganz Europa ohnehin praktisch nicht mehr besucht) und die dadurch freiwerdenden Ressourcen für die Erarbeitung eines Weltethos einsetzen, welches dann später in ganz anderer Form kommuniziert werden muss, als durch die bisher gekannten Predigten in Kirchenräumen. Die ihnen heute noch verbliebenen, eigentlich ja längst frei gewordenen, Kirchenräume sollten sie möglichst für die Pflege ihrer fantastischen Musik der letzten 500 Jahre (inkl. der zeitgenössischen) zur Verfügung stellen. Rein musikalische Feiern, ohne Belehrungen oder ausgrenzende Rituale (z.B. die Eucharistie in der kath. Kirche) würden zweifellos besser auf- und wahrgenommen und verbinden über alle konfessionellen Grenzen hinweg, da sich die Musik, speziell die Musik Bachs, glücklicherweise zu keinem Zeitpunkt ideel vereinnahmen liess und lässt. Sie tut einfach der Seele gut, und lässt einem zur Ruhe kommen, etwas anderes will sie nicht. Aber gerade so etwas haben die Menschen dringend nötig. Die der Kirchenmusik zugehörigen, teils sehr alten, Texte kann man problemlos stehen lassen, sie regen zum Nachdenken an, sind historisch interessant und verfolgen ohne zusätzliche Belehrungen oder Auslegungen keine missionarischen Zwecke.
Und vermöchte sich in unserer globalen Welt ein Weltethos durchzusetzen, müssten wir uns keine Sorgen mehr über die Politik der Zukunft machen. Ganz demokratisch würden dann nämlich weltweit gemeinsame Lösungen für die schwerwiegenden Themen unserer Zeit gefunden, Gewalt und Krieg hätten keinen Platz und würden hinfällig. Flüchtlingsströme gäbe es nur noch naturbedingt. Ein irrer Traum? Ja, vielleicht, aber man sollte nie die Hoffnung aufgeben.
Panik und Jammern, verbunden mit ein paar Inferno-Szenarien – das ist die große „Analyse“. Interessant dabei wieder, dass uns Wolff darauf verweist, „die demokratischen Parteien“ müssten nun „ein glaubwürdiges Politikangebot“ machen, wo er doch selbst die größte demokratische Partei permanent diffamiert. In Sachsen sind nach vorläufigen Ergebnissen die Ampelparteien zusammen noch rund 4% unter der ebenfalls schwachen CDU mit knapp 22%, aber diese bleibt doch letztlich das einzige Bollwerk gegen den Populismus.
Es ist interessant, woran Ferrestra festmacht, dass die Politik bei uns so schlecht nicht ist: Alle grillen, reisen, konsumieren – sie tun also das, was uns die Ampel am liebsten ausreden möchte. Er vergleicht die tatsächliche Politik unserer Regierung mit dem, was er vermutet, eine andere Regierung geleistet hätte – und hält das für solide „Wahrheit“. Er lobt Wolff für das, was er „auszusprechen wagt“, aber was spricht er denn aus? Er wiederholt meine These, die Menschen „gefallen sich in besserwisserischer und selbstgerechter Kritik an ‚der Politik‘“, also unsere Gesellschaft sei krank, zu der sich Wolff nicht äußert, weil er selbst Teil dieser Krankheit ist. Seine Ausgangsthese ist eben falsch, Herr Ferrestro, denn die Gewinne sowohl kleiner Randparteien ebenso wie die der AfD / des BSW sind natürlich Ausdruck von Protest gegen das Versagen der Ampel, weil die Frage, wodurch Protest ausgelöst wird – Versagen oder Überzeugung – eigentlich recht irrelevant ist. Und schließlich wollen Sie, Herr Ferrestro, uns sagen, dass Reibungsgeräusche zur demokratischen Regierungspraxis gehören. Dazu zwei Anmerkungen: Einmal, es ist ein Unterschied, ob es innerhalb einer Regierung mehrere Meinungen gibt oder ob es trotz Vertrages kein einziges Thema gibt, bei dem es nicht durch öffentlichen Streit schlussendlich ein miserables Ergebnis gibt (an dem übrigens keineswegs allein die FDP schuld ist). Zum anderen: Sie sehen es ja hier im Blog: Wenn einer außerhalb der Blase der Mitdiskutanten steht und dies deutlich sagt – Heuchelei, Verantwortungslosigkeit (alles sachliche und bisher nicht widerlegte Anmerkungen, denn man muss doppelte Standards ja wohl klar ansprechen dürfen) –, dann sind Reibungsgeräusche doch offensichtlich so schlimm, dass diese Herren regelmäßig ausflippen.
Ihre Kommentare zur Populismus- und Autokratiefalle sind nachvollziehbar. Ich habe sie in anderer Form hier mehrfach vorgetragen. Wolff und seine Jünger sind nicht in der Lage, daraus die richtigen politischen Konsequenzen zu ziehen: Dass nämlich – wie hier wieder geschehen – eine eher schlechte Lage beschrieben wird, die Schuld dafür überall nur nicht bei sich selbst (oder der entsprechenden Partei) gesehen wird, hypothetische Schreckensszenarien verbreitet werden – und dann, genau, zum grillen, konsumieren, reisen übergegangen wird. (Käfer zB wird „speiübel, wenn er beim Kuchenverzehr in der Konditorei ein Wahlplakat der AfD sieht). Man verzeihe mir diesen Ausflug in die Satire!
Ich freue mich immerhin, dass Sie der CDU und Merz eine gewisse Wahlchance einräumen, und wünschte mir den gleichen Optimismus. Sicherlich haben Sie Recht, dass auch dann nicht alles einfach gut wird. Eines aber ist wohl kaum diskutierbar: Ein Mann wie Merz, der sowohl Erfahrung in Parlamenten als auch in der Wirtschaft hat, der in beiden „Welten“ erfolgreich war (als Fraktionsvorsitzender wie in seinen juristischen und wirtschaftlichen Tätigkeiten und auch in seiner karitativen Stiftung), hat wohl den besseren Überblick und auch das bessere Team. Deutschland leidet ja unter dem Neidkomplex, dass wohlhabende Leute böse, arme dagegen gut seien. In Wirklichkeit ist es wohl eher so, dass wohlhabende Leute engagierter, schlicht besser und initiativreicher, vielleicht sogar auch unabhängiger sind (denn deshalb sind sie ja wohlhabend). Merz hat bewiesen, dass er „Wirtschaft kann“ – und Wirtschaft ist die Basis für die Lösung unserer und der Weltprobleme. Scholz, Habeck, Wagenknecht, Gysi haben bisher nur gezeigt, dass sie anderer Leute Geld ausgeben können und sind dabei – allerdings erst durch das Verfassungsgericht – an ihre Grenzen gestoßen. Erfahrungen außerhalb der Politik? Fehlanzeige!
Fazit: Natürlich ist der Erfolg der AfD und des BSW auf Protest zurückzuführen; er ist Folge des Hetzens von Leuten wie Eskens (und Wolff) gegen die falsche Partei (nämlich die CDU) bei gleichzeitigen langsamem und stets verspätetem adoptieren von deren Vorschlägen (Faeser zB ist doch längst ein eifriger Seehofer geworden). Der Appell Käfers, verbal abzurüsten, insbesondere auch innerhalb des demokratischen Lagers – auch dieser eine Kopie dessen, was ich schon lange fordere – ist richtig, aber das darf nicht einseitig und vor allem nicht zu Lasten der eindeutigen Bezeichnung der Dinge gehen: Heuchelei ist Heuchelei, kleine Paschas sind kleine Paschas, Pullfaktoren sind Pullfaktoren, Schulden sind Schulden – und wirtschaftlich solides Handeln bleibt Basis für finanziellen Spielraum, weshalb Vertreibung der Wirtschaft kein gutes Rezept ist.
Konsequenz für die Landtagswahl in Sachsen? Stimmen für die kleinen Randparteien, auch die SPD leider, stärken die AfD und das BSW. Inhaltsloses Hetzen à la Wolff gegen die Ränder stärkt diese ebenfalls. Haltlose Ursachenforschung – Protest oder Überzeugung – bringt niemanden weiter. Eher tumbe Brandmauer-Diskussionen schwächen die Mitte. Ausschließlich inhaltliche Auseinandersetzung bei klarem Ansprechen der Tatsachen und bei eindeutigem Bezeichnen von Doppelmoral und von inhaltlichem Wegducken versprechen Erfolg.
Andreas Schwerdtfeger
Da benötigt Herr Schwerdtfeger knapp 800 Wörter, um vom eigentlichen Problem abzulenken: die Menschen, die meinen, ihre Stimme einer rechtsextremen Partei wie der AfD geben zu sollen/müssen. Aber so reagiert eben ein Mensch, für den eine Ansammlung von Menschen nur intellektuelle Manövriermasse ist jenseits der je individuellen Verantwortung für das eigene Tun und Lassen.
P.S. Der Kommentator heißt Rolf Fersterra.
„Der Kommentator heißt Rolf Fersterra.“
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Und die SPD-Vorsitzende heißt Saskia Esken (nicht zu verwechseln mit Margot Eskens –
„Ob in Bombay, ob in Rio“.)
Früher galt: „Eins ist sicher – die Rente“; heute scheinbar eher: droht eine ernsthafte, mit guten Argumenten geführte Debatte zu entstehen u.a. mit Mit-Diskutanten, die sich hier nicht so oft äußern (H. Fersterra, H. Häussler, H. Rödenbeck, H. Werdin), kommt bestimmt jemand mit Hohn, Besserwisserei und Belehrungs-Attitüde um die Ecke. Das finde ich sehr schade!
Es ist schon putzig! Aus der selben Ecke „traf“ mich vor einigen Monaten noch das „sachliche Argument“, es gäbe gar keine Rüstungs- oder Atomlobby… (weil Deutschland ja ansonsten weiter Atomstrom nutzen könnte und wir uns jetzt nicht „kriegstüchtig“ machen müssten).
Heute nun die „Tatsachenbehauptung“: „wohlhabende Leute sind engagierter, schlicht besser und initiativreicher…“ (ich vermute mal, H. Schwerdtfeger will das – bei uns stark steuerbegünstigte – Vererben von hohen und höchsten Vermögenswerten nicht einschränken).
Und noch eine klitzekleine Korrektur: ein Bistro ist keine Kuchenbäckerei und mir wurde auch nicht speiübel wegen eines AfD-Plakats, sondern weil die Botschaft auf dem einen Plakat war „Frieden – Mir – Peace AfD“ und auf dem anderen „Demokratie wählen – jetzt AfD“. Beide Botschaften könnte man durchaus auch unter dem Aspekt der arglistigen Täuschung von potenziellen Wählern betrachten!
Das Plakat der Herzens-Partei von H. Schwerdtfeger: „Keine Lust auf Stau? Diesmal CDU“ hat mir dagegen nur ein müdes Grinsen entlockt.
Allerdings konnte ich diesmal auch auf Plakaten irgendeiner anderen Partei kein wirklich gutes (vielleicht sogar neues) Argument entdecken…
Sorry, Herr Schwerdtfeger, aber es spricht nicht gerade für die Wertschätzung des Gesprächspartners, dass Sie sich nicht einmal die Mühe machen, seinen Namen aus dem Original-Dokument zu kopieren. Auch sonst geben Sie sich keine Mühe, auch nur richtig zu zitieren. In Ihrem Rundumschlag finde ich kaum eins der Argumente in diesem Blog richtig wiedergegeben.
Ich behaupte nicht, dass die FDP die Ergebnisse der Regierung beeinträchtigt, sondern dass von ihr fast immer der Krawall in der Koalition ausgeht, während sie am Kabinettstisch scheinbar durchaus konstruktiv mitarbeitet und am Schluss auch Ja zu dem jeweiligen Ergebnis sagt, dass diese Koalition bis jetzt in fast allen Fragen geliefert hat.
Ich spreche ganz bewusst nicht von „Reibungsgeräuschen“, sondern vom „Betriebsgeräusch“ der Demokratie. Jede gut arbeitende Maschine macht Betriebsgeräusche. Und das tut auch unsere Demokratie seit eh und je. In der Zeit der Krisen halten das aber viele Beobachter scheinbar nicht mehr aus, sondern warten auf den weisen König (oder Diktator), der geräuschlos alles in Ordnung bringt (Fischer).
Sie schreiben: Merz hat bewiesen, dass er „Wirtschaft kann“. Mir war bis jetzt noch nicht bekannt, dass Friedrich Merz etwa ein mittelständisches Unternehmen erfolgreich geführt hätte. Ich weiß nur von seiner Tätigkeit als Wirtschaftsanwalt, Unternehmensberater und Aufsichtsratsmitglied.
Dass jemand, „der Wirtschaft kann“ (was Merz nie beweisen musste), automatisch auch ein guter Politiker ist, halte ich für ein durch nichts belegtes Klischee.
Nach wie vor behaupte ich, dass die Ampel ungerecht und nicht sachgerecht beurteilt wird. Meine Aufzählung der Wohlstandsphänomene (Grillen etc.), sollte lediglich aufzeigen, dass ich zwei Beobachtungen nicht zusammenbringe: meine durch zahlreiche Gespräche und Beobachtungen geprägte Wahrnehmung, dass es in Anbetracht der gegenwärtigen Krisen den meisten Menschen in unserem Land weiterhin erstaunlich gut geht und die allgemein verbreitete miese Stimmung, die oftmals gerade von Menschen vorgebracht wird, denen es gut geht. Dass die Lebensverhältnisse bei uns bis jetzt so vergleichsweise gut sind, ist für mich eben auch auf eine Politik zurückzuführen, die offenbar nicht alles falsch sondern vieles richtig macht. Die es zum Beispiel durch intensive Bemühungen geschafft hat, dass die Energieversorgung im ersten Kriegswinter und bis heute bei uns sichergestellt ist. Warum kann man das zum Beispiel nicht einfach mal honorieren? Warum können wir in Deutschland nicht einmal sagen: „Danke, Politiker in der Regierung und Opposition, dass ihr das zusammen mit uns allen geschafft habt! Wenn wir diese schwierige Situation gemeinsam bisher so gemeistert haben, dann werden wir es auch weiterhin schaffen.“ Warum muss man immer das, was andere leisten, schlecht machen und nach unten ziehen? Durch diesen mittlerweile eingefleischten Defätismus arbeitet man jedenfalls systematisch den Populisten, der AfD und schließlich auch Putin zu.
Herr Lerchner – (Zitat): „Mit der Ablehnung eines alsbaldigen Waffenstillstands in der Ukraine reiht sich Wolff (so wie unlängst auch Flade) in die Phalanx der unsäglichen Endsiegstrategen ein und macht sich gemein mit olivgrünen Kriegsantreibern vom Schlage eines Anton Hofreiters.“
Mit dieser Ihrer Ansicht unterbieten Sie in erschreckender Weise Ihr ansonsten respektables Niveau – ich bin einigermaßen entsetzt!
Kriegstreiber, Wolff + ich? Nun ja…denken Sie vielleicht doch noch einmal etwas differenzierter darüber nach, was Sie da in den öffentlichen Raum stellen!
Mehr ist dazu nicht zu sagen.
PS/Der Beitrag von Herrn R. Fersterra sagt mir insofern zu, als er erst nachdenkt und dann schreibt – ein willkommene Art der Kommunikation, erst recht, geht es um unsere gefährdete Demokratie.
Guten Tag
Lieber Christian Wolff,
ganz herzlichen Dank für Ihre Analyse und Ihren Kommentar. Nachdem ich einen Tag lang in den Leitmedien die Kommentare studiert habe und so gut wie nichts Erhellendes gefunden habe, hat mir Ihr Kommentar in seiner Klarheit gut getan.
Ausdrücklich unterstütze ich ihre Ausgangsthese: „In diesem Ergebnis ist kein Ausdruck von Protest, kein Versagen anderer Parteien zu erkennen.“
Die beißende Kritik, mit der vor allem auch die Medien die Politik unserer Regierung begleiten, sind völlig unverhältnismäßig und auf schmerzliche Weise unfair. Tatsache ist vielmehr: Nach zwei Jahren Krieg, in einer Zeit multipler Krisen, die sich schon lange angekündigt hatten, die von der Vorgängerregierung aber ausgesessen wurden, macht diese Regierung keine schlechtere Arbeit, als die Vorgängerregierungen es getan haben.
Und so geht es einer großen Mehrheit der Menschen in unserem Land erstaunlich und unverändert gut. Das sieht jeder, der mit offenen Augen durch die Lande geht: Die Restaurants sind gefüllt, teure E-Bikes fahren massenhaft auf den Straßen, die technische Ausstattung der Privathaushalte ist vielfach optimal, es wird gegrillt und gegessen wie nie zuvor, der Absatz an Wohnmobilen steigt weiter, die Menschen fliegen in alle Welt, machen Urlaub … Aber unsere Regierung macht alles falsch? Wie passt das zusammen: dieser immer noch zur Schau getragene Hedonismus der privaten Lebensführung, der einer großen Mehrheit offenbar immer noch möglich ist, und diese beißende Kritik an einer Regierung, die angeblich alles falsch macht? (Wenn die Negativstimmung von den Menschen ausginge, die es auch gibt, die jetzt schon an den Verwerfungen wirklich leiden, dann könnte ich es verstehen. Aber die Basis der negativen Stimmung ist ja viel größer.)
Es ist nicht eine angeblich so schlechte Politik, die die gegenwärtige Stimmung ausgelöst hat, sondern ein Verlust an menschlicher Haltung. Ich stimme Ihrer Analyse vollumfänglich zu: „Nein, offensichtlich haben bis zu 30 % der Wähler:innen und mehr eine indifferente Angst um des Erhalt ihres oft hohen Lebensstandards.“ Es hat sich eben etwas verändert in unserer Zivilisation und Zivilisiertheit, was Christian Wolff auszusprechen wagt: „Ein schon lange rumorender Lebensverdruss, eine durchaus aggressiv-angstbesessene asoziale Egomanie, der Mangel an einem inneren Krisenmanagement, das einem Menschen Orientierung verleiht, einen resilienten Umgang mit Verwerfungen und Ängsten ermöglicht“, verwirren offenbar immer mehr Menschen in unserem Land.
Dabei sind Öffentlichkeit, Politik und Medien gleich in mehrere Fallen gefangen, aus denen sie sich scheinbar nicht mehr befreien können.
Die Populismusfalle: Populisten lügen nicht nur und verbreiten Fake News, vielleicht noch schädlicher ist, dass sie falsche Versprechen und Verheißungen verbreiten. Da ist die Suggestion, es gäbe einen Rückzug und einen Rückweg in eine angeblich so gute alte Zeit. Da ist das Versprechen, es gäbe für die Probleme unserer Zeit einfache „Lösungen“, und die Regierungen müssten nur anfangen, diese „Lösungen“ jetzt endlich umzusetzen (jetzt auch wieder im Spiegel und in der Zeit zu lesen). Dabei gibt es diese „Lösungen“ überhaupt nicht“! So wird es zum Beispiel Zeit, den Menschen die Erkenntnis zuzumuten, dass es für das Thema Migration keine „Lösung“ gibt, sondern dass uns dieses Phänomen bis ans Ende unseres Lebens begleiten wird. In einer Welt, die auch durch unsere Mitwirkung so geworden ist, wie sie ist, werden sich auch weiterhin Millionen Menschen auf den Weg machen auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen. Und viele von ihnen werden auch weiterhin zu uns kommen. „Lösen“ kann man dieses Problem nur um den Preis des völligen Verlusts jeder Menschlichkeit und aller Werte des gerade auch von den Populisten so gerne beschworenen christlichen Abendlandes. Leider befinden sich nicht nur die populistischen Parteien in der Populismusfalle, sondern auch die meisten unserer Medien. Das macht die vom Seitenrand vorgetragene selbstgerechte Kritik deutlich, die suggeriert, der jeweilige Kommentator verfügte über die Lösung des Problems und die Regierung müsse diese nur schnell umsetzen.
Die Autokratiefalle: Scheinbar geraten immer mehr Menschen in Distanz zu unserer Demokratie. Sie sehen und erkennen nicht mehr wie leistungsstark unsere Demokratie bis heute bei der Bewältigung der anstehenden Probleme agiert hat, sondern gefallen sich in besserwisserischer und selbstgerechter Kritik an „der Politik“. Insbesondere wird der demokratische Diskurs nicht mehr verstanden (von den Medien auch nicht erläutert und erklärt). Das äußert sich nach meiner Meinung in der Dauerkritik am „Krach“ in der Ampel.
Wer hätte nicht den Wunsch, dass eine Regierung mehr oder weniger geräuschlos arbeitete? Und dennoch offenbart dieser Wunsch eine tiefe Unkenntnis der Arbeitsweise des parlamentarischen Systems. Der lautstarke und, ja, manchmal auch hässlich geführte Streit um den richtigen Weg innerhalb einer Regierung und im Gegenüber der Opposition gehört nun einmal dazu, ist auch die Bedingung dafür dass am Ende gute Ergebnisse zu Stande kommen. Auch das, was wir was wir jetzt aus der Ampel hören, ist nichts anderes als das Betriebsgeräusch einer demokratischen Regierung. Wie soll es denn auch anders sein? Wir Wähler haben doch die Mehrheiten im Parlament so geformt durch unsere Wahl, dass nun diese Koalition bei uns regiert. Ja, in der Ampel wird viel gestritten. (Man sollte dabei aber nicht vergessen, dass SPD und Grüne – letztere bis zur Selbstverleugnung – höchst konstruktiv und weitgehend geräuschlos miteinander arbeiten und dass das Spektakel fast immer von der FDP ausgeht.) Wie auch immer man das sieht, vermutlich werden solche komplexen Parteienbündnisse aufgrund der Zersplitterung der Parteienlandschaft in der Zukunft weiterhin nötig sein. Wir aber haben immer noch die Verhältnisse von früher im Kopf, wo es auch nur angeblich anders war. Wie auch immer: Wer den Streit innerhalb der Ampel nicht ertragen will, wer ein geräuschloses Regieren fordert, folgt unbewusst einem autokratischen Denkmuster: Jemand soll „Führung zeigen“, heißt es dann, „mit der Faust auf den Tisch hauen“, „Basta“ sagen.
(Thomas Fischer hat in seinem jüngsten, äußerst lesenswerten Kommentar im SPIEGEL die Illusion dieses Denkens ironisch beschrieben. In der Sicht vieler Beobachter verhindere der Streit „dass binnen allerkürzester Zeit ein weiser Herrscher an der Staatsspitze das allein Richtige anordnet, unternimmt, vollstreckt und so das Unglück besänftigt und die Gefahr aus der Welt schafft. Die ‚Volks‘-Demokraten quer durch alle Anschauungen, … wünschen sich eine Demokratie, in der kein ‚Streit‘ zwischen Parteien, sondern die einige, unwiderstehliche Gewalt des Guten und Richtigen herrscht. Das setzt freilich zwingend voraus, dass das jeweils Falsche und Widerständige nach Kräften unterdrückt wird. Sobald dies eintritt, schreien wieder alle Betroffenen ‚Wir sind das Volk!‘ und wünschen sich einen besseren König.“ SPIEGEL vom 07.06.2024)
Es erschüttert mich, dass selbst angeblich liberale Medien wie ZEIT und SPIEGEL mittlerweile solche Forderungen erheben. Der Kanzler soll führen, soll endlich regieren, als ob er das nicht die ganze Zeit über täte.
So schwer erträglich es für manchen zu sein scheint, etwas anderes ist nötig: wir müssen das Betriebsgeräusch der arbeitenden Demokratie aushalten (wie wir es während der ganzen Phase der parlamentarischen Demokratie in unserem Land immer ausgehalten haben!). Man darf dabei nicht zu sehr auf den Streit fixiert sein, sondern muss das betrachten, was am Ende dieses Streits als Ergebnis herauskommt. Und da, das wiederhole ich noch mal, sind die Ergebnisse der Ampel nicht besser und nicht schlechter als die Ergebnisse früherer Regierungen. Es sind eben klassische Kompromisse. Auch das ist etwas, was viele Kommentatoren nicht mehr verstehen und aushalten, dass es in einer Demokratie eben nichts anderes und besseres als den Kompromiss gibt. Und ich bin überzeugt davon: dieser Kompromiss ist wirklich das Beste und fast immer das Optimalste was eine Regierung erzielen kann. Es ist immer besser als das, was ein einzelner Autokrat oder eine allein herrschende Partei erzielen kann. Es bleibt bei dem Diktum von Winston Churchill: „Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen – abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.“
Leider befinden sich immer mehr Beobachter und Akteure in der Populismus- und der Autokratiefalle. Eine besonders fatale Rolle spielen hier die Medien. Die sind dabei nicht, wie die AfD behauptet, von den Regierenden gesteuert, sondern eben von ihren Konsumenten („Kunden“) im wahrsten Sinne des Wortes „gekauft“. Eine kritische anthropologische Analyse, wie sie Christian Wolff vorträgt, können sie wesensgemäß ihren Kunden nicht zumuten. Und so verbreiten sie weiterhin das Klischee von der schrecklichen Ampel und ihrem unmöglichen Streit, den sie selber natürlich nach Kräften inszenieren. Denn was gefällt den Medien mehr, als wenn im Parlament gestritten wird?
Und so wird kommen was kommen muss: Friedrich Merz und die CDU werden die nächsten Bundestagswahlen gewinnen. Das werden die Populisten bis dahin noch nicht schaffen. Die SPD wird vorerst zurücktreten müssen oder vielleicht als Koalitionspartner gebraucht. Dann wird sich schnell zeigen, dass auch eine Merz-Regierung selbstverständlich auch keine „Lösungen“ für die Probleme unserer Zeit hat, weil es die nämlich so gar nicht gibt, wie es die Menschen erwarten und wie es ihnen eingeredet wird oder weil sie außerhalb der Handlungsmöglichkeiten einer deutschen Regierung liegen (wie der Krieg). Dann wird die beißende Kritik die neue Regierung treffen, bei den übernächsten Wahlen werden dann die Populisten den Durchzug machen und wir werden vorerst vor den Trümmern unserer Demokratie stehen. So wird es kommen. Leider lernt der Mensch offenbar nur durch Schaden.
Freuen wir uns also noch eine Zeit lang an der Liberalität, ihrer Vielfalt, und an ihrem Krach, wir werden ihn noch vermissen.
Rolf Fersterra
Der Versuch, die AfD zurückzudrängen durch gesteigerte Dramatisierung einer Gefahr von „Rechts“, ist gescheitert. Kann tatsächlich ein Mehr von der gleichen Medizin die Wende bringen? Welcher halbwegs lernfähige Mensch soll das glauben? Nicht einmal das Aufbauschen des ominösen Potsdamer „Geheimtreffens“ mit Martin Sellner zu einer Wannseekonferenz 2.0 hatte signifikante Effekte gezeigt, außer dass Zehntausende auf die Straße gegangen sind und sich gegenseitig ihrer noblen Gesinnung versichert haben. Millionen potentieller AfD-Wähler hat das kaum beeindruckt. Woher soll der Erfolg auch kommen, wenn man sich krampfhaft an die These klammert, beim jüngsten Wahlergebnis sei kein Versagen anderer Parteien erkennbar? Immerhin wird diese Behauptung später im Text durch die vernünftige Bemerkung konterkariert, die demokratischen Parteien mögen doch gefälligst ein glaubwürdiges Politikangebot machen.
Mit der Ablehnung eines alsbaldigen Waffenstillstands in der Ukraine reiht sich Wolff (so wie unlängst auch Flade) in die Phalanx der unsäglichen Endsiegstrategen ein und macht sich gemein mit olivgrünen Kriegsantreibern vom Schlage eines Anton Hofreiters. Das wird in dem vorliegenden Text erstmals so richtig deutlich. Die Glaubwürdigkeit der in den vergangenen Monaten hier zu lesenden christlich-pazifistischen Einlassungen wird dadurch in meinen Augen erheblich in Frage gestellt. Selbstverständlich unterstütze ich Wagenknecht ganz besonders in der Frage von Krieg und Frieden in der Ukraine, weil ihre Forderung nach einer energischen, durch geeignete Maßnahmen flankierten Durchsetzung einer Waffenruhe entgegen aller gängigen Propagandasprüche dem Wohl der Ukrainer und der Ukraine als Land am meisten dient, es weiterhin richtig ist, dass eine Fortsetzung des Krieges vor allem andere, fremde Interessen bedient, und weil, wie schon mehrfach begründet, auch ich den Westen besonders in der Pflicht sehe, für die alsbaldige Beendigung des Krieges zu sorgen, da dieser doch erhebliche Mitverantwortung für die seinerzeitige Zuspitzung der Lage in der Ukraine trägt.
Neben dem erfolgreichen Blitzstart vom BSW in die deutsche Parteienlandschaft sehe ich noch andere positive Aspekte der jüngsten Wahlergebnisse. Der tiefe Einbruch der Grünen nicht nur in Deutschland (in Frankreich ist der Stimmenanteil der Grünen auf ein Drittel zurückgegangen) öffnet eventuell die Tür zu einer Klimapolitik, die nicht mit nationalen Illusionen arbeitet, sondern auf einer realistischen globalen Strategie beruht. Die Herangehensweise der Grünen, mit missionarischem Eifer die Bürger mit allen möglichen Maßnahmen zu malträtieren steht für den letztendlich sinnlosen Versuch, im nationalen Rahmen den Klimawandel zu beeinflussen (Heiner Flassbeck, relevante-oekonomik, 10.06.2024).
Ach, kommt mir das alles so bekannt vor! Dass es sehr unterschiedliche, teilweise sich ergänzende Analysen des Wahlergebnisses vom vergangenen Sonntag gibt, ist normal. Aber dass sich jemand wie Herr Lerchner offensichtlich offensichtlich an dem Wahlergebnis der rechtsextremen AfD erfreut, machen mir die Vorgänge in Deutschland vor 100 Jahren noch nachvollziehbarer. Auch dass jemand, der von den Kirchen einen glaubwürdigen Pazifismus erwartet, großen Gefallen an dem mehr als demagogischen BSW-Slogan „Krieg oder Frieden – Sie haben die Wahl“ hat, ist doch erstaunlich. Ich frage mich die ganze Zeit, welche Bedeutung eigentlich die Bevölkerung der Ukraine und die Staatlichkeit der Ukraine für Herrn Lerchner hat – und warte auf eine Antwort. Und ja – jetzt muss einiges Unvermögen der Grünen dafür herhalten, dass unter dem Deckmantel einer „realistischen globalen Strategie“ die Klimapolitik auf Null gestellt wird. Auch da wird das BSW von Herrn Lerchner als Glücksbringer gepriesen. Mal sehen, wann diese Sehnsucht zu den „Fleischtöpfen Ägyptens“ zu einem Albtraum wird. Interessant ist übrigens, dass ein Wahlergebnis wie in Polen, Dänemark, Schweden, Finnland bei Herrn Lerchner überhaupt keine Rolle spielt.
BSW und AfD blieben der Rede Präsident Selenskyjs im Bundestag fern – die 5. Kolonne Moskaus.
Die Überschrift über Christians aktuellem Blog-Beitrag schreit förmlich nach der Gegenposition einiger Mit-Blogger: „Die Ampel, Scholz, die schlechteste Regierung aller Zeiten, die Wolff‘sche Ausgrenzung der AfD, usw. tragen Verantwortung für die wachsenden Erfolge der AfD“.
Albert Camus, französischer Nobelpreisträger für Literatur schrieb einmal:
„Von einem bestimmten Alter an ist jeder Mensch für sein Gesicht verantwortlich“.
Für mich gehört dazu auch die Verantwortung, darauf zu achten, mit wem man marschiert, wessen Meinung, Argumentation, oder wessen Tonalität man teilt!
Auffällig, die doch erheblichen prozentualen Unterschiede für die AfD in Ost- und West-Deutschland! Weder in Meinungsumfragen noch aus Erfahrung in meinem persönlichen Umfeld besteht ein signifikant stärkerer Hang zu Rechtsextremismus bei den Menschen in Ost und West.
Stadt/Land, Ängste vor potenziellem (sozialen und/oder wirtschaftlichen) Abstieg, Grad der sozialen Bindung (Kirche, Verein, Partei, Gewerkschaft, Betrieb…) und Brüche in der individuellen Biografie scheinen mir dagegen eher für die Versuchung anfällig zu machen, einfache rechte (bzw. rechtsextreme) Lösungsansätze wie die der AfD anzunehmen.
Wo mir allerdings noch jeder Ansatz einer plausiblen Erklärung fehlt: warum ist die AfD ausgerechnet bei denjenigen Wählern so erfolgreich, denen sie (lt. AfD-Parteiprogramm) bei einer drohenden Regierungsbeteiligung den größten Schaden zufügen würde (Dexit, zurück zur DM, kein menschengemachter Klimawandel…)?
Natürlich bin auch ich nicht besonders erfreut über das Bild, das die Ampel abgibt; viel zu stark lässt sie sich in die Negativ-Ecke drängen, die ihr die Opposition (deren Aufgabe das natürlich ist!) zuweist. Ewiger Streit, Führungsschwäche, Zaudern, vorschnelle (nicht ausgewogene) Gesetzgebung – all dafür hat sie hinreichend Beispiele geliefert.
Dass Deutschland, trotz Ausstieg aus Kohle, Atomkraft und (russischem) Gas bei parallelem Management einer weltweiten Pandemie einigermaßen über die Runden gekommen, nach den USA immer noch der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine ist, überdurchschnittlich viele Flüchtlinge aufgenommen und (einigermaßen) integriert, Flut- und Dürrewellen überstanden hat, wo bleibt da eigentlich der kollektive Stolz?
Wenn wir bei den bevorstehenden Landtagswahlen nicht das selbe oder gar ein noch schlimmeres Erwachen erleben wollen, müssen Demokraten (verbal) abrüsten, einander zuhören, Anstand und Respekt wieder entdecken, im besten Sinne positiv strahlen (ich schließe mich da ausdrücklich selbst mit ein)!
Sehr geehrter Herr Käfer,
die Analyse von Christian Wolff gibt präzise wieder, was am 9. Juni geschehen ist. Bestürzend finde ich die Differenz von der Europa- zur Stadtratswahl, auch wenn sie gering ausfällt: für ein Parlament in der Nähe scheint man ein wenig vernünftiger zu wählen, vielleicht deswegen, welche gewisse Personen bekannt sind. Das zu Unrecht als fern empfundene Europa überlassen sie lieber der „Abrissbirne“.
Anlass zu einer direkten Antwort war aber Ihre Frage: „Wo mir allerdings noch jeder Ansatz einer plausiblen Erklärung fehlt: warum ist die AfD ausgerechnet bei denjenigen Wählern so erfolgreich, denen sie (lt. AfD-Parteiprogramm) bei einer drohenden Regierungsbeteiligung den größten Schaden zufügen würde …?“
Im März dieses Jahres sprach und diskutierte bei „Europe Calling“ der kanadische Soziologe Eric Protzer. Seine These für den Zuspruch des Rechtspopulismus war das Thema „Gerechtigkeit“. Aber er meinte damit das Gefühl der Menschen, die der Rechtspopulismus anspricht, nicht den weltweiten Blick. Ungerechtigkeit empfinden Menschen weniger wegen der wenigen, die sehr viel haben, sondern dann, wenn sie für sich keine sozialen Aufstiegschancen sehen. Mit der Zerschlagung der bisherigen Gesellschaftsstrukturen erwarten sie dann bessere Aufstiegschancen. Dahinter steht selbstverständlich die Hoffnung auf eine Leistungsgerechtigkeit, schlicht gesagt: Der eigene Fleiß muss sich lohnen, also im sozialen Status niederschlagen. Wenn das kaum oder gar nicht gelingt, dann fühlen sie sich von Zertrümmerern der bisherigen Struktur angezogen. Das erklärt mir, warum mit der AfD und anderen Rechtsextremen einfach nur destruktiv gewählt wird, unabhängig vom sozialen Ausgangspunkt, der gar nicht „ganz unten“ zu liegen braucht, sondern nur mit dem Gefühl der Behinderung eines sozialen Aufstiegs verbunden sein braucht.
Diese Menschen wollen gar keine sozialen Ausgleichsmaßnahmen des Staates, sondern nur in ihrer Leistungsfähigkeit durch Aufstieg anerkannt werden. (Nebenbei werden die Leistungen der Wissensökonomie als Nichtstun verachtet.)
Eine Aufzeichnung des Webinars finden Sie bei YouTube: https://youtu.be/b4Xn9h6cd_0.
Sicher erklärt es nicht alles, aber vieles leuchtet mir ein.
Mit freundlichen Grüßen
Albrecht Häußler
Sehr geehrter Herr Häussler,
ich möchte mich ganz explizit für Ihren Beitrag bedanken! Die von Ihnen geschilderten Überlegungen erhellen einiges, was ich als unverständlich bezeichnet hatte. Gerechtigkeit und Aufstiegschancen, deren Fehlen kann man völlig zu Recht in unserer Realität konstatieren und anprangern.
Offensichtlich versteht es die unsägliche AfD ganz gut, diesen Unmut für sich zu nutzen.
Hinzu kommt (aufgrund der rein persönlichen Beobachtung in meinem Freundes- und Bekanntenkreis im Westen bei etablierten und durchaus wohlhabenden Mitbürger:innen) der Wunsch, Protest gegenüber den aktuell Regierenden auszudrücken; früher durch eine Stimme für die Linken, speziell der als „sexy“ empfundene Gysi übte dabei wohl einen großen Reiz aus; heute profitiert da (oft) die AfD, deren Attraktivität durch öffentliche Ausgrenzung (und persönlich artikulierten Unmut mit einer solch fatalen Wahlentscheidung) in Teilen noch eher verstärkt wird…
Abschließend bin ich aber dennoch davon überzeugt, dass die (durchaus gerechtfertigte) Ablehnung der AfD und ihrer Repräsentanten deren Wahlerfolge weniger mindert als die Ausstrahlung eines positiven Bewusstseins, was wir in Deutschland in den letzten Jahren (schon) alles geschafft haben….
Michael Käfer
Der Zerfall von Jugoslawien endete in noch latent anhaltenden nationalistischen militärischen Auseinandersetzungen mit Kriegsverbrechen und vielen Toten. Mir kam damals schon der Gedanke: Hoffentlich ist das nicht ein kleines Modell für die Zukunft der EU.
Absurd: Das BSW hat mit fast 10 % der abgegebenen Wählerstimmen 7 Mandate errungen, aber nur 5 Mitglieder in Leipzig.
Herzlichen Dank für diese klare Analyse, aus der sich verantwortliche Handlungsstrategien ergeben für politisch Verantwortliche, vor allem aber auch jeden Einzelnen wie mich.
Gute Analyse und Schlussfolgerungen.
„Gebietsansprüche auf das Elsass, Nord-Schleswig oder Pommern, Ostpreußen, Schlesien“
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Die Nationalisten beachten dabei nicht, dass selbstverständlich ihre Geistesbrüder in den anderen Staaten ebensolche Forderungen an Deutschland stellen.
Ich hoffe, dass die Linken und Grünen im Europaparlament sich nicht einer Wahl Frau v. d. Leyens widersetzen, so dass die EVP sich Leuten wie Frau Meloni und Le Pen annähern muss..