Als ein breites Bündnis von Kirchen, Gewerkschaften, Parteien, Verbänden, Unternehmen (u.a. BMW und Porsche) und vielen Bürgerinnen und Bürgern im Januar 2016 zur Lichterkette „Leipzig bleibt helle“ aufrief, um dadurch ein Zeichen für ein weltoffenes Leipzig und gegen Fremdenfeindlichkeit und Hass zu setzen, fiel der CDU Leipzig nichts anderes ein, als dieser bürgerschaftlichen Aktion ihre Unterstützung zu versagen: Man wolle nicht „an einer sozialdemokratisch organisierten Geburtstagsfeier für Legida teilnehmen“, so der CDU Kreisvorsitzende Robert Clemen. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla distanzierte sich gar von den Zielen der Lichterkette. Das hinderte damals Justizminister Sebastian Gemkow und Finanzbürgermeister Torsten Bonew, beide CDU, nicht daran, sich der Lichterkette anzuschließen. Doch auch nachdem in Clausnitz und Bautzen offenbar wurde, wie weit rechtsradikales Gedankengut in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen ist und sich in Gewaltexzessen Bahn bricht, bleibt sich die CDU Leipzig treu. Sie hat offensichtlich nichts begriffen. Denn die CDU Leipzig stört nicht etwa der Aufmarsch der Rechtsextremisten von Legida/Pegida am kommenden Montag. Vielmehr werfen sie den Bürgerinnen und Bürgern vor, die sich für ein weltoffenes Leipzig einsetzen, „die gesamte Leipziger Innenstadt mit Gegenaktionen zu überziehen“ (so CDU-Stadtrat Ansbert Maciejewski), durch die sich Legida/Pegida „erst einladen fühlen“ (so CDU-Stadträtin Andrea Niermann). Dahinter verbirgt sich nichts anderes als der Aufruf: Bürger, bleibt hinter euren Gardinen sitzen und lasst die Rechtsextremisten durch unsere Stadt laufen. Ja, das hat die CDU 25 Jahre lang in Sachsen getan. Man hat es laufen lassen mit dem Rechtsextremismus und der Fremdenfeindlichkeit. 25 Jahre hat sich die CDU weg geduckt, wenn es darum ging, Courage zu zeigen und für die Grundwerte unserer Gesellschaft einzutreten. Jetzt steht Sachsen vor dem Scherbenhaufen dieser gefährlichen Ignoranz. Das hat selbst Ministerpräsident Stanislaw Tillich eingesehen. Doch die CDU Leipzig müsste als Partei noch zu der ersten Demonstration gegen rechtsextremistische, Demokratie feindliche Umtriebe aufrufen. Denn nie war sie dabei, als es seit Ende der 90er Jahre darum ging, den rechtsradikalen Umtrieben von Neoanazis wie Christian Worch entgegenzutreten. Nie hat sie sich aktiv beteiligt am Aufbau einer Willkommenskultur für Asylbewerber und Migranten und daran, das multireligiöse Zusammenleben in unserer Stadt zu gestalten. Stattdessen hat sie sich denen angeschlossen, die den Bau der Moschee in Gohlis zu verhindern suchen. Stattdessen das ständige Herummäkeln an den Initiativen, die seit Jahren dafür gesorgt haben und sorgen, dass in Leipzig Gott sei Dank die Uhren anders ticken als in weiten Teilen Sachsens. So hätte die CDU Leipzig allen Grund, sich bei denen zu bedanken, die sich in den vergangenen 15 Monaten Montag für Montag dafür eingesetzt haben, dass Legida/Pegida nicht groß geworden sind, dass Legida/Pegida nur noch einmal im Monat aufmarschieren, dass andere rechtsradikale Gruppen keine Basis in der Bevölkerung gefunden haben, dass sich Tausende Bürgerinnen und Bürger, insbesondere auch die Studierenden der Leipziger Hochschulen, Tag für Tag für die Geflüchteten in unserer Stadt engagieren. Vielleicht sollten sich die Bequemlichkeitstheoretiker der CDU Leipzig einmal fragen, wer denn dafür gesorgt hat, dass in Leipzig keine Einbußen im Tourismus und im Umsatz des Einzelhandels zu verzeichnen sind und das Stadtklima nicht so vergiftet ist wie in Dresden? Ganz sicher nicht diejenigen, die sich wie die Clemens, Kudlas, Niermanns und Maciejewskis aus allem heraushalten – und immer nur mit peinlich-wohlfeilen Ermahnungen daherkommen, aber es an Haltung und CourageZeigen missen lassen. Man kann nur hoffen, dass am kommenden Montag, 07. März 2016, sich trotzdem viele Mitglieder der Leipziger CDU an der Kundgebung vor dem Mendelssohn-Portal der Thomaskirche beteiligen (http://wolff-christian.de/aufruf-zum-07-maerz-2016/) und damit zeigen, dass sie die Zeichen der Zeit begriffen haben: jetzt eintreten für eine aktive Integrationspolitik: Bildung, Arbeit, Wohnen; für eine menschenwürdige Behandlung aller Flüchtlinge in Europa; für die Verteidigung der Demokratie gegen den Rechtsextremismus.
7 Antworten
Ceterum censeo: Gehen Sie mal auf die eigentliche Kritik ein!
Andreas Schwerdtfeger
Danke, lieber Herr Wolff, auch Ihnen ein schönes Wochenende. Meiner Kritik an Ihnen allerdings gehen Sie wie immer aus dem Weg: Sie lautet: Sie sollten innerhalb des demokratischen Lagers nicht spalten sondern versöhnen und (ver)einen und dabei auch andere – demokratische – Meinungen anerkennen, nicht als Ihre aber als mögliche! Und Sie sollten diese Meinungen zusammenführen zu gemeinsamer Aktion anstatt in billigem und aggressiven Stile und – natürlich – unter Ausnutzung Ihrer Amtswürde (Ihr ganzer Blog atmet doch schliesslich den Pfarrer) zu spalten und herabzusetzen. Das ist die Kritik – und sie ist weniger inhaltlich (bezogen auf Ihre Meinung) sondern methodisch – und das ist eben auch wichtig und gerade in Ihrem Beruf.
Und zu Ihrem Appell, ich solle mal „vor Ort“ sein: Sie wissen, daß ich häufig vor Ort war und bin und durchaus auch einen eigenen Eindruck habe – und im übrigen bleibt die Frage offen, ob einer, der im entführten Flugzeug sitzt, der Richtige ist, um die Maßnahmen zur Rettung der Passagiere festzulegen. Sie sind ja auch kein Politiker – und trauen sich trotzdem ein Urteil über Politik zu; oder noch pointierter: Sie waren nie auch nur in der Nähe des Verfassungsschutzes und seiner Arbeit und Mitarbeiter – und doch glauben Sie, diese wichtige Institution ständig kenntnislos aber überzeugt abservieren zu dürfen.
Nochmal ein gutes Wochenende,
Ihr Andreas Schwerdtfeger
Da irren Sie, lieber Herr Schwerdtfeger. Anfang der 70er Jahre wurde mein Telefon abgehört vom Verfassungsschutz. Außerdem verfolge ich sehr genau, was der Verfassungsschutz z.B. hier in Sachsen zu Wege bringt. Und das ist nicht mehr, als das – natürlich selektiv und tendenziös – zusammenzutragen, was jeder Bürger vorher schon in der Zeitung lesen konnte. Nichts, aber auch gar nichts hat diese Behörde seit ihrer Gründung zustande gebracht – außer Beschädigungen unserer Demokratie (siehe NSU Prozess) – und da waren sie im Aktenvernichten ausnahmsweise einmal professionell.
Das Wort „Trauma“ wäre zu groß für eher Populistisches wie diesen Blog – aber es ist die große Traurigkeit desselben, daß Sie als der Verantwortliche, lieber Herr Wolff, nicht erkennen (wollen), wie sehr Sie dem gemeinsamen Ziel aller Demokraten der Bekämpfung des Radikalismus in unserer Demokratie – und augenblicks sicherlich mehr der Bekämpfung des rechten Radikalismus -, wie sehr Sie diesem Ziel schaden, indem Sie Ihre Angriffe fast ausschliesslich auf diejenigen richten, die, wenn auch vielleicht mit anderen Mitteln oder Methoden aber eben doch mit dergleichen Zielsetzung, eigentlich an Ihrer Seite kämpfen.
Daß Politiker, die gewählt werden wollen, die Pointierung suchen, den Gegensatz herausarbeiten, dabei polemisieren und übertreiben – und dies alles natürlich gegen die mit-demokratischen Hauptkonkurrenten richten, die sie ja übertrumpfen wollen – das ist logisch und liegt in der Natur des politischen Berufes. In der Natur des Pfarrerberufes läge es, bei klarer, unmißverständlicher eigener Meinung dennoch das Versöhnliche, das Zusammenbringende, das Gemeinsame hervorzuheben, um so den moralischen Anspruch auf das Richtige aufzuwerten und die Gemeinde so groß wie möglich zu erhalten. Es läge in seiner Natur zu überzeugen (wozu Toleranz gehört), zu vereinen (wozu gemäßigte Sprache gehört), Gemeinsamkeiten auszuloten und zu vertiefen (wozu die Weisheit gehört, die inhaltlichen Gegner von den methodisch anders- aber im Ziel Gleichgesinnten zu unterscheiden). Alles dieses fehlt Ihnen. Sie mißbrauchen die Auctoritas der Kirche und die Dignitas des Talars, um die Demokraten in unserem Lande zu spalten, um Ihrer eigenen Meinung Ausschließlichkeit unter dem Deckmäntelchen tugendhafter Rechtschaffenheit zu verleihen, um im Stile nur knapp über Trump-Niveau und mit dem intoleranten Eifer eines Fanatikers alle Anderen herabzuwürdigen – sprachlich und inhaltlich. Und Sie tun dies um der billigen Zustimmung einiger Jünger willen, die im obigen pavlov’schen Stile jeden Ihrer Kommentare mit einem „Dankeschön“ und „wie richtig“ kommentieren.
Sie veranstalten – ein Beispiel – eine Serie von regelmäßigen Demonstrationen, die Sie bewußt unter die Autorität und Würde der Kirche stellen. Das ist legitim; es ist zielführend; es ist engagiert, wenngleich die Selbstbeweihräucherung solcher Aktionen mit Worten wie „Mut“, „Zivilcourage“, etc, nicht nur in unserer Demokratie übertrieben und sachlich schlicht falsch sondern auch etwas peinlich-überheblich – und damit der Sache eher abträglich – ist. Jedenfalls ist es unzweifelhaft richtig, daß gemeinsame öffentliche Meinungsäußerung Signalwirkung hat. Ebenso richtig ist es aber auch, daß dieses Mittel nicht nur durch Übertreibung stumpf werden kann, sondern daß es auch fanatisierte Extremisten zum „Wettbewerb auf der Straße“ einlädt, daß es die Polizeikräfte überfordern kann, daß es also aufputschend und anregend für die bekämpfte Szene wirkt und durch allzu häufige Wiederholung auch noch zur Routine verfällt. Natürlich müssen Sie diese Meinung nicht teilen – als legitim sie anzuerkennen wäre jedoch ein Beitrag zur Diskussionskultur und zum demokratischen Verständnis und Ihnen, Herr Wolff, der Sie den würdigen Beruf des Pfarrers allzu mißbräuchlich als Panier vor sich hertragen, eigentlich abzuverlangen.
Als der chinesische Ming-Kaiser Yong Le zu Beginn des 15. Jahrhunderts in seine neu erbaute Residenz in Peking („Verbotene Stadt“) einzog, gab er ein Werk in Auftrag, das alles bis dahin gesammelte Wissen seines Reiches zusammenfassen und bündeln sollte: „Rituale, moralische Werte, Bildung Unserer Vorfahren“. Ins Moderne übersetzt verlangte er also ein Werk über „Form, ethisches Gerüst und Inhalt“ als unauflöslichem (!) Dreiklang. Dieser Dreiklang fehlt Ihnen und das ist ein bedauerlicher Makel in Ihrem Kampfe, wie gerade auch Ihr letzter Beitrag wieder zeigt!
Mit herzlichem Gruß,
Andreas Schwerdtfeger
Es ist immer schwierig, die Situation aus der Ferne einzuschätzen und zu beurteilen, lieber Herr Schwerdtfeger. Denn wenn es so wäre, wie Sie schreiben, dann wäre nicht zu erklären, dass es in Leipzig Gott sei Dank ein breites Bündnis in der Bürgerschaft gibt, um all die Ziele, die ich benenne, auch auf sehr unterschiedlichem Wege zu erreichen. Dabei wird weder die „Auctoritas der Kirche“ noch die „Dignitas des Talars“ missbraucht. Vielmehr erfüllen die Kirche und etliche Pfarrerinnen und Pfarrer die Aufgabe, Menschen zusammenzuführen und immer wieder die grundlegenden Ziele und Werte zu benennen. Es wäre der Sache sehr dienlich, wenn Sie sich einfach einmal ins Geschehen begeben würden und wenn Sie vor allem nicht länger die bedrohliche Situation in zu vielen Ortschaften nicht nur in Sachsen verniedlichen und die Augen davor verschließen. Ein schönes Wochenende Ihr Christian Wolff
P.S. Es ist sehr erstaunlich, dass gerade dieser Blogeintrag innerhalb eines Tages über 3.500 Mal aufgerufen wurde.
Ich danke Ihnen für die offenen Worte! Ob die genannten CDU-Funktionäre das je lesen werden, bezweifle ich sehr. Wieso die sich eigentlich „christlich“ bezeichnen, ist mir schleierhaft. Gerade jetzt ist doch christlich gleich kämpferisch zu setzten, gegen den Ungeist. Sich wegducken darf keiner. Keiner darf sagen:“Ich hab es nicht gewusst.“,
Was erwarten Sie? Dass sich bei der Führungsrige was ändert? Trotzdem – nicht nachlassen! Kann leider nur in Gedanken dabei sein. HPKestel (77) im fernen Badener Land