Kurz vor Weihnachten braut er sich wieder zusammen: der in Sachsen ach so „normal“, alltäglich gewordene Rechtsextremismus:
- Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) lädt den Schriftsteller Uwe Tellkamp in die Berliner Landesvertretung des Freistaates Sachsen ein, damit dieser vor einem erlauchten Publikum weitgehend ohne Widerspruch seine rechtsnationalistischen Thesen und das Narrativ „… wie in der DDR“ verbreiten kann. https://taz.de/Umstrittene-Podiumsrunde-mit-Tellkamp/!5902201/
- Der Bautzener Landrat Uwe Witschas (CDU) knüpft in seiner Weihnachtsbotschaft per Video an die bekannten ausländerfeindlichen Thesen der AfD an und erhält von dieser Partei prompt Beifall. Witschas versichert den Bürger*innen, dass er nicht vorhabe, „den Sport … jetzt für diese Asylpolitik bluten zu lassen.“ Darum stelle der Landkreis keine Turnhallen für Geflüchtete zur Verfügung. Er wolle auch nicht, dass „Menschen, die zu uns kommen, die unsere Kultur nicht kennen, die unsere Regularien nicht kennen, jetzt hier in Mehrfamilienhäusern und freistehenden Wohnungen unterbringen und dafür die Gefährdung des sozialen Friedens in Kauf nehmen“. Darum soll es keine dezentrale Unterbringung von Geflüchteten geben. Dies alles verbunden mit guten Wünschen für das Weihnachtsfest: https://www.mdr.de/video/mdr-videos/a/video-683122.html Schon Anfang der Woche stimmte die CDU im Bautzener Kreistag für einen Antrag der AfD, der die Kürzung von Integrationsleistungen für ausreisepflichtige Ausländerinnen und Ausländer vorsieht – für Landrat Witschas kein Problem.
- Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen wählt mit Dr. Klaus Heckemann einen bekennenden AfD-Anhänger zu ihrem Vorsitzenden, der sich mit einem entsprechenden Vorwort in der Mitgliederzeitschrift bedankt: https://web.archive.org/web/20221225175254/https://www.kvs-sachsen.de/mitglieder/kvs-mitteilungen/2022/12-2022/editorial/ Gleichzeitig nutzt er das Vorwort, um das Narrativ von der eingeschränkten Meinungsfreiheit zu bedienen, Klima-Aktivisten zu Terroristen und Regierungspolitiker zu „Verbrechern“ zu erklären und natürlich die jetzige Situation mit der DDR gleichzusetzen.
Drei Ereignisse, die eines in erschreckendem Maße verdeutlichen: wie alltäglich der Rechtsextremismus in Sachsen und wie fließend die Grenzen zu einer konservativen Partei wie die CDU geworden sind. Kann es da noch verwundern, dass die Rechtsnationalisten von AfD, Reichsbürgern, Dritter Weg, Freie Sachsen so viel Zustimmung in der Bevölkerung erfahren? Kann es verwundern, dass Bürgerinnen und Bürger in Sachsen nichts dabei finden, wenn sie den sog. kurzen Prozess jenseits aller Rechtsstaatlichkeit für Klima-Aktivisten, Asylbewerber, queere Menschen fordern? Kann es verwundern, dass die Narrative vom eingeschränkten Meinungskorridor, man dürfe nicht mehr sagen, was man denke, und von der Manipulation durch die Mainstreammedien bei zu vielen Bürger*innen auf fruchtbaren Boden fallen, wenn dies alles von Mandatsträger*innen, angefangen vom Ministerpräsidenten über Landräte bis zu Ärztefunktionären, geduldet, unterstützt, gefördert wird oder zumindest im Ungefähren belassen wird? Es sind die aufgeführten, fatalen Vorgänge und Äußerungen, die gerade in den ostdeutschen Bundesländern den Boden für die Feinde der freiheitlichen Demokratie und des Rechtsstaates bereiten. Das gefährdet die Demokratie sehr viel mehr als das krude Gedankengut von Bürger*innen, die sich von den rechtsnationalistischen Scharfmachern auf die Straße locken lassen. Denn sie bieten die Rechtfertigung für das, was eigentlich mit den Grundanliegen menschenwürdigen Zusammenlebens nicht in Einklang zu bringen ist.
Gott sei Dank gilt aber auch das Umgekehrte: Dort, wo führende Persönlichkeiten vor Ort keinen Zweifel an ihrer demokratischen Überzeugung lassen und sich sehr eindeutig den Rechtsnationalisten in den Weg stellen, dort, wo Kita-Leiterin, Schuldirektor, Handwerksmeister, Pfarrer*in, Bürgermeister*in ihr Handeln an den Grundwerten der Verfassung orientieren, dementsprechend reden und agieren und klare Kante zeigen, haben die Feinde der Demokratie wenig Chancen. Denn dort fühlen sich viele Bürger*innen ermutigt, sich ihrerseits für ein friedliches, demokratisches Zusammenleben von sehr verschiedenen Menschen zu engagieren.
______________________________________________________________
Das „Umgekehrte“ wollen wir auch in Leipzig vollziehen:
Am 30 Januar 2023:
Leipzig leuchtet für Demokratie und Menschenrechte
18.00 Uhr Kundgebung auf dem Markt
19.00 Uhr Der Leipziger Ring leuchtet
8 Antworten
Interessant ist die Nähe von Teilen der sächsischen CDU zur AfD. So stimmte die CDU mit in der Vowoche im Kreistag des Landkreises Bautzen für einen AfD-Antrag, Integrationsleistungen für abgelehnte Asylbewerber zu kürzen.
„Wenn die Integrationsrichtlinie gemäß dem Antrag der AfD überarbeitet wird, könnte das zum Beispiel konkret bedeuten, dass Geduldete nicht mehr an Sprachkursen teilnehmen dürfen, die der Landkreis über die dafür zur Verfügung stehenden Landesmittel finanziell fördert. Klarheit über die konkreten Auswirkungen wird es aber erst geben, wenn der Landrat eine Beschlussfassung der überarbeiteten Richtlinien vorlegt. Der Antrag der AfD umfasst nur wenige Zeilen. “
https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/bautzen/bautzen-hoyerswerda-kamenz/afd-antrag-kreistag-cdu-integration-100.html
Demgegenüber funktioniert die Abgrenzung zur Linken perfekt: Seit der Neugründung des Freistaats Sachsen gelang es ihr erst einmal, einen Antrag im Landtag durchzubringen.. Es ging um das Verbot, Regenwaldholz aus Afrika in Landesbehörden zu verbauen.
Man will wohl auch die CDU-Zentrale provozieren. So verhalf die CDU im Kreistag Mittelsachsen einem AfD-Antrag zur Mehrheit, obwohl ein ähnlicher CDU-Antrag zuvor bereits die Mehrheit erreicht hatte.
„Und im Landkreis Meißen sagte der stellvertretende CDU-Kreisvorsitzende Sven
Eppinger jüngst zum Thema Brandmauer ganz offen, worum es ihm geht: „Mauern fallen immer. Und auch so sieht man im Konrad-Adenauer-Haus manches an den
Realitäten vorbei.““
© FAS 25. 12. 22
Vielen Dank für die nachdenkenswerten Worte. Aber warum wird in Ihrer Landeskirche auch nicht endlich klar Schiff gemacht?
Im Konzert der über- und unteraufgeregten Reaktionen zu den leider nur im besten Falle dümmlichen Einlassungen des Landrates von Bautzen sticht für mich hervor, was der Pfarrer der evangelischen Kirchgemeinde St. Petri Bautzen lt. MDR Nachrichten gesagt hat:
„Der Pfarrer der evangelischen Kirchgemeinde St. Petri Bautzen, Christian Tiede, ist über Udo Witschas‘ Verhalten entsetzt. Er glaubt nicht, dass es dem Landrat darum gehe, Geflüchteten komplett die Tür zu verschließen. Der Pfarrer fragt sich jedoch, welches Signal der Landrat damit senden wolle, wenn er Sporthallen gegen Geflüchtete ausspielt: „Eine solche Botschaft zwei, drei Tage vor Weihnachten auszusenden, ist verheerend.“
https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/bautzen/bautzen-hoyerswerda-kamenz/landrat-witschas-weihnachtsansprache-kritik-politik-kircheb-100~amp.html#sprung0
Der unteraufgeregte MP Kretschmer wird die Weihnachtsfeiertage hoffentlich nutzen, seine vollkommen unangemessene Erstreaktion auf das verheerende Video von Witschas nochmal zu überdenken. Wünschen wir uns, dass der Kern der Weihnachtsbotschaft also auch in Sachsen die handelnden Akteure bis in höchste Ebenen der Staatsregierung noch erreicht!
Das wäre doch ein segensreiches Weihnachtsfest jenseits jeder provinziellen Kleinkariertheit.
Für den lieben Pfarrersmann sind nur die Demokraten, die unbegrenzter Zuwanderung nach Europa das Wort reden
„Für den lieben Pfarrersmann“ sind vor allem die Grundwerte des Glaubens und speziell die biblische Weihnachtsbotschaft von größter Bedeutung. Jede*r, der*die die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukasevangelium bedenkt, wir spüren, dass die Haltung eines Uwe Witschas damit unvereinbar ist. Insofern wünschte man sich von einem „Christ“demokraten, dass er sich an dem orientiert, was dem Parteinamen entspricht.
Die Bewegung aus der Ukraine seit Februar diesen Jahres dürfte die stärkste Zuwanderung sein, welche innerhalb einer so kurzen Zeit hierzulande erfolgte.
Nur immer fordern und Deutschland zu verurteilen dürfte der Sache nicht gerecht werden!
Lieber Christian, ich danke Dir sehr für diesen klaren, präzisen und wichtigen Kommentar. Es geht wirklich um die Wahrnehmung politischer Verantwortung – auch und vor allem durch die CDU und den sächsischen Ministerpräsidenten.
Ein gesegnetes Weihnachtsfest, das hoffentlich alle – und allen voran die „C“-Parteien – erinnert, worum es bei der Geburt des Mensch gewordenen Gotteswortes geht.
Danke