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Was jetzt wichtig ist – ein paar Gedanken zur Lage

In den vergangenen Tagen bin ich von verschiedenen Journalisten und Bürger/innen gefragt worden, wie ich das einschätze: ob es über die Flüchtlingsfrage zu einer Spaltung der Gesellschaft gekommen sei; wie wir damit umgehen, dass sich viele Menschen zurückziehen, Ängste haben, verunsichert sind; warum sich gerade in der sog. bürgerlichen Mitte so viele zurückhalten, wenn es um Positionierung geht. Dazu ein paar Überlegungen:

  1. Unabhängig von der Flüchtlingsfrage wird seit Jahren versucht, in der Gesellschaft rechtes Denken zu implementieren, das – vielleicht nicht immer bewusst – anknüpft an die nationalsozialistische Ideologie. Dieses Denken zeichnet sich vor allem dadurch aus, nationale Identität nicht aus sich heraus, sondern in Abgrenzung, vor allem Abwertung anderer Bevölkerungsgruppen zu bestimmen. Dieses nationalistisch-selektive Denken ist eine Säule des Rechtsextremismus und sollte insbesondere durch den Sarrazin-Hype gesellschaftsfähig gemacht werden. Hinzu kommt, dass durch die mangelnde Akzeptanz des demokratischen Aufbaus der deutschen Nachkriegsgesellschaft nach 1989/90 in Ostdeutschland und durch die intensive Bewerbung Ostdeutschlands durch den organisierten Rechtsextremismus ein Nährboden vorhanden war und ist für jede Form von Menschenverfeindung: Fremdenfeindlichkeit und militante Aggression gegen Andersdenkende. Der üble Satz der Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling, mit dem sie zu Straftaten aufruft, ist dafür ein alarmierendes Beispiel: „Wenn die Mehrheit der Bürger noch klar bei Verstand wäre, dann würden sie zu Mistgabeln greifen und diese volksverratenden, volksverhetzenden Eliten aus den Parlamenten, aus den Gerichten, aus den Kirchen und aus den Pressehäusern prügeln.“ Alarmierend auch deswegen, weil dieser Duktus seit Gründung von Pegida/Legida jeden Montag von Bachmann und Co gepflegt, von Brandstiftern und rechten Hooligans in die Tat umgesetzt, aber auf der politischen Ebene gerade in Sachsen zu oft als Stimmungslage „besorgter Bürger“ schön geredet wird.
  2. Schon in den 90er Jahren habe ich mich gefragt, wann das ostdeutsche „‘68“ nach der Friedlichen Revolution 1989 und der Deutschen Einheit eintreten und wie es aussehen wird. Das westdeutsche ‘68 setzte ca. 25 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges und der Befreiung vom Nationalsozialismus ein und hatte eine grundlegende Erneuerung des gesellschaftlichen Lebens und der Demokratie zur Folge. 25 Jahre nach der Friedlichen Revolution befindet sich unsere Gesellschaft wiederum in einer Zeitenwende – gerade auch in Ostdeutschland. Kein Wunder, dass gesellschaftliche Konflikte in dem Moment aufbrechen, in dem viele dachten: jetzt kann die Deutsche Einheit als gelungen und als weitgehend abgeschlossen gelten. Ja, viele Ostdeutsche sind im neuen Deutschland angekommen. Die Generation, die um 1989 geboren wurde, haben inzwischen das Alter erreicht, da Familien gegründet und Ausbildungsgänge abgeschlossen sind. Umso schwieriger wird es für die, die 1989/90 vor allem als eine große Störung einer gesicherten Existenz erlebt haben. Sie haben die ihnen abverlangten Veränderungen weniger als Befreiung, schon gar nicht als Aufbruch zur Demokratie denn als große Anstrengung verbunden mit Verwerfungen in der Familie, dem sozialen Umfeld, der Arbeitswelt erfahren. Und nun, 25 Jahre danach, sehen sie eine Entwicklung auf sich zukommen, die sie erneut tief verunsichert: die Flüchtlinge. Das erzeugt große Ängste und Frustgefühle. Gleichzeitig sehen sie, dass das neue Deutschland, repräsentiert durch Parlamente und Regierungen, alles mitmacht, was sie zutiefst ablehnen: Kriegseinsätze, Rüstungsexporte, Isolierung Russlands, Abbau der sozialen Gerechtigkeit, Nähe zur USA. Politik und Demokratie sind für diese Menschen bedrohliche Felder, auf denen sie nie heimisch geworden sind. In dieser Gemengelage sind Menschen vor allem in Ostdeutschland für Elemente der rechtspopulistischen Ideologie empfänglich, ja diese erscheinen ihnen attraktiv: Demokratieverachtung, Politiker-Bashing, Absage an Pluralität um Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, ideologische Abschottung gegenüber dem Islam, Ablehnung einer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft, Russlandfreundlichkeit, Diskursverweigerung und eine niedrige Hemmschwelle zur Gewalt. Genau diese Ideologie wird derzeit durch Pegida/Legida und die AfD bedient, ist aber in den vergangenen 25 Jahren schon längst in vielen Ortschaften durch NPD u.a. implementiert worden und kann nun abgerufen werden. Warnungen, Einsprüche insbesondere in den Medien, lässt man nicht gelten, weil diese als Säule eines Systems angesehen werden, das nun offen abgelehnt wird. So kommt es zu der Absurdität, dass diejenigen, die jetzt bei Pegida/Legida mitlaufen, eine Anknüpfung zu ‘89 reklamieren („Dafür sind wir nicht um den Ring gegangen“ bzw. „Wir sind das Volk“), obwohl die meisten unter ihnen an den entscheidenden Demonstrationen im Oktober 1989 nicht teilgenommen haben. Die Aufgabe wird nun darin bestehen, dass wir in einen streitigen gesellschaftlichen Diskurs eintreten, durch den möglichst viele Menschen sich die freiheitliche Demokratie neu aneignen können. Das wiederum macht erforderlich, dass wir wieder viel stärker in Alternativen denken, Beteiligungsfelder eröffnen und dass die politischen Parteien unterschiedliche, profilierte Politikangebote machen – allerdings die daraus entstehende, wichtige Polarisierung mit der Notwendigkeit des Kompromisses verbinden.
  3. Die starke Verunsicherung, die derzeit eine größer werdende Anzahl von Menschen verspürt (Gott sei Dank nicht die Mehrheit), ist Ausdruck davon, dass die unaufgebbaren Grundwerte, die wir im Blick auf die Flüchtlinge reklamieren, weder bewusst sind noch auf einem Konsens beruhen. Mehr noch: Sie werden von denselben Leuten infrage gestellt bzw. beiseite geschoben, die sie von Migranten wie selbstverständlich einfordern. Das Paradebeispiel ist die Haltung von Bundeskanzlerin Angela Merkels in der Flüchtlingsfrage. Sie hat an einer entscheidenden Stelle den Grundwert der Menschenwürde über die politische Opportunität gestellt – und wird dafür seit Monaten geprügelt. Im Mittelpunkt der Kritik steht nicht, was sie seit August 2015 versäumt hat zu tun. Im Mittelpunkt steht ihre Haltung, Menschen menschlich zu behandeln. Wie soll aber die Menschenwürde (Artikel 1 Grundgesetz) als absoluter Maßstab vermittelt werden, wenn er ständig durchlöchert wird? Wir müssen uns also verständigen über die Grundwerte, wie wir sie selbst anwenden wollen und wie wir das Verhältnis von Grundwerten zur realen politischen Handeln sehen. Wir werden aber auch bewusst machen müssen, dass die Gründe für die Verunsicherung für viele Menschen nicht real, sondern virtuell sind. Denn nur die wenigsten, die Angst haben, sind bis jetzt Flüchtlingen begegnet.
  4. Wir brauchen die offene Debatte, den streitigen Diskurs. Wir brauchen die Bereitschaft, diese mit offenen Visier auf allen Ebenen zu führen. Nur so kann sich eine demokratische Streitkultur entwickeln, an der es uns mangelt. Dazu gehört mE zwingend, dass wir uns im Netz und in den Foren der Medien wieder nur mit vollem Namen bewegen können. Die Anonymisierung der Meinungsäußerung hat die Debattenkultur gleichermaßen verkommen, aber auch viele Menschen verstummen lassen. Ziel der Debatte sollte sein, dass wir Klarheit darüber gewinnen, was denn die fundamentalen Werte des Zusammenlebens sein sollen und wie wir sie anzuwenden gedenken. Da herrscht in unserer Gesellschaft überhaupt keine Einigkeit. Ebenso sind vielen Menschen die Quellen der Grundwerte weitgehend verschlossen – Folge des Bedeutungsverlustes der Kirchen, aber auch eine Abwesenheit der Suche nach den Quellen in Schulen und Hochschulen (was wiederum mit Ersterem zu tun hat). Hinzu kommt, dass viele Menschen über kein inneres Krisenmanagement verfügen, das ihnen erlaubt, mit den Verwerfungen des Lebens (eigenes Versagen, Krankheit, Tod) umzugehen – eine Ursache für die schnelle Verunsicherung, die bei nicht wenigen Menschen sehr schnell eintritt. Ein solches Krisenmanagement fällt nicht vom Himmel – und setzt sich aus vielen einzelnen Teilen zusammen: Persönlichkeit, Glauben, soziale Haltung, Vorbild. Kinder können nicht früh genug den Schattenseiten, den Verwerfungen, der Vielfalt des Lebens begegnen. Das fördert Persönlichkeitsbildung und Widerstandsfähigkeit. Wer als Kind mit der Musikschule oder Kurrende in einer Flüchtlingsunterkunft gesungen hat und da das Elend der Menschen, aber auch die Freude über menschliche Zuwendung erlebt, wird sich den Grundwert der Menschenwürde schnell aneignen und niemals einer platten Fremdenfeindlichkeit verfallen. Das gleiche gilt für Begegnungen in Pflegeheimen, im Gefängnis, einer Obdachlosenunterkunft, in einer islamischen Gemeinde. Solch Ängste überwindendes Kennenlernen des Fremden, in dem ich den Menschen als Geschöpf Gottes erkenne, bewirkt in Sachen Menschenwürde mehr als alles Reden. Wo diese Begegnungen aber nicht (mehr) stattfinden und dann auch noch die Selfie-Mentalität (das Ich, das sich nur noch im eigenen Ich erkennt) um sich greift, müssen wir uns nicht wundern über ein angstbesessenes Sicherheitsdenken.
  5. Ganz wichtig ist, dass diejenigen, die in unserer Gesellschaft Führungspositionen innehaben (und das fängt spätestens bei der Kita-Leiterin an), sich darüber im Klaren sind: Wie ich rede, was ich sage, welche Überzeugungen ich vertrete, welche Haltung ich einnehme – all das prägt andere Menschen. Denn daran können andere ablesen, worauf es mir selbst ankommt. Daraus erwächst eine hohe Verantwortung – insbesondere auch für das Zusammenleben in der Demokratie und für die Aneignung der Grundwerte. Es geht nicht darum, dass wir die Grundwerte der Verfassung 100-prozentig umsetzen. Es wird immer ein Graben klaffen zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Aber das eigene Scheitern wie der Missbrauch dürfen nicht zum Maßstab des Handelns werden. Maßstab müssen die Grundwerte bleiben. Darum sollten wir endlich damit aufhören, diejenigen, die sich an den Grundwerten orientieren und ihr Handeln danach ausrichten, als „Gutmenschen“, als „Träumer“, als „Illusionisten“ der Lächerlichkeit preiszugeben. Denn unsere Gesellschaft wird nicht durch Zynismus zusammengehalten, sondern durch die, die sich seit Monaten in einer großen demokratischen Kraftanstrengung den Rechtspopulisten und Hetzern entgegenstellen und die sich Tag für Tag für Flüchtlinge, für Obdachlose, für Pflegebedürftige einsetzen. Denen muss aber der Rücken gestärkt werden, anstatt sie durch medialen Dauerbeschuss mit den Dingen, die unbestritten schieflaufen, zu demoralisieren. Eine Änderung der Gewichtung ist überfällig. Gleichzeitig sollte jeder wissen: nichts erneuert eine Gesellschaft so schnell, wie die eigene Überzeugung, dass der andere genauso viel Recht hat zu leben wie ich selbst.
  6. Was nun die ganz konkrete Flüchtlingsfrage angeht, also wie wir eine Reduzierung der ankommenden Flüchtlinge erreichen und die Integration der Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, bewerkstelligen können, müssen wir auf vielen Ebenen nach Lösungen suchen. Dazu gehören:
    • Das Grundrecht auf Asyl muss im Kern erhalten bleiben, wenn wir die Grundrechte unserer Verfassung als Basis für Integration ansehen und vermitteln. Es wäre fatal, wenn die über 500 gewalttätigen Übergriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte 2015, das Erstarken rechtsextremistischer Parteien wie die AfD oder kriminelle Handlungen von Asylbewerbern den „Erfolg“ hätten, dass Grundrechte und -werte ausgehöhlt und -gehebelt werden. Den Feinden der Demokratie und eines friedlichen Zusammenlebens darf keinen Millimeter Raum gegeben und nachgegeben werden.
    • Für Asylsuchende und Flüchtlinge kann es keine Obergrenze geben. Reduzierungen lassen sich nur erreichen über die Bekämpfung der Fluchtursachen, über die Stärkung der Flüchtlingsunterkünfte in der Nähe der Fluchtländer, über eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge in der Europäischen Union. Letzteres ist ein politisches Muss, wenn die EU als Friedensordnung Bestand haben will. Wer behauptet, Flüchtlinge können durch Grenzbefestigungen aufgehalten werden, muss wissen, was er fordert: entweder eine absolut sichere Grenze, an der notfalls auch geschossen wird, oder eben eine Mogelpackung, weil Flüchtlinge an anderer Stelle zum Asylland Zugang finden.
    • Ein Einwanderungsgesetz ist dringend erforderlich. In diesem lassen sich nicht nur Quoten festlegen. Damit wird auch die polemische Trennung von „wirklichen“ Asylbewerbern und sog. „Wirtschaftsflüchtlingen“ obsolet.
    • Die Willkommenskultur ist auszubauen zu einer Entwicklungsstrategie ausblutender Landkreise und Kommunen. Wenn Gemeinden und Landkreise die Ansiedelung von Flüchtlingen verbinden mit der wirtschaftlichen, kulturellen, kommunalen Revitalisierung der Ortschaften und dabei alle Einrichtungen, Verbände, Vereine, Unternehmen vor Ort einbeziehen, dann entsteht ein gesellschaftliches Klima, in dem Integration gelingen kann.

Insgesamt wird es darauf ankommen, dass wir die Flüchtlingsfrage nicht als eine Katastrophe begreifen, vor der wir uns schützen müssen, sondern als eine Herausforderung, im Innern und nach Außen Frieden zu bewahren und über unsere Lebensgrundlagen nachzudenken.

16 Antworten

  1. Ja, danke, lieber Herr Wolff – der Fisch mundet sehr! Ich erkenne aus Ihrer Antwort nämlich, wie sehr und leicht man aneinander vorbeireden kann: Für Sie ist der Begriff der „Obergrenze“ also einer aus dem Problemfeld des Asylrechtes für Flüchtlinge, der des „Kontingents“ dagegen einer aus dem Problemfeld der Frage um die Einwanderung aus wirtschaftlichen Gründen (des Einreisenden oder auch des Ausnahmelandes). Ich hoffe nur – allerdings scheint es nicht so -, dass die SPD diese beiden Begriffe und auch die beiden Fragen besser auseinander hält als Sie. „Eintopf“ taugt nicht bei der Analyse und Lösung politischer Fragen!
    Zwei weitere Anmerkungen zu Ihrer Antwort:
    1. Ein Abkommen mit der Türkei, das zum Ziel hat, mit den Mitteln der Verführung die Türkei zum Schliessen ihrer Grenzen zu bewegen, ist nicht nur der falsche sondern auch ein unmoralischer Weg, verrät er doch unsere Werte. Seit wann ist es Politik der EU oder Deutschlands, andere Länder dazu zu bewegen, Menschen nicht mehr aus dem Land, in dem sie sich befinden, herauszulassen? Da ist es schon richtiger und mehr an unseren Werten orientiert, die eigene Grenze zu sichern (was eine legitime hoheitliche Aufgabe ist, als andere zum „mauern“ (im wahren Wortsinne) zu verführen!
    2. Es ist leider weder absurd noch hirnverbrannt – sorry, falschen Knopf gedrückt -, wenn man auf die Endlichkeit von Ressourcen verweist. Die Frage – das gebe ich Ihnen zu – ist nicht die nach dem Ob sondern die nach dem Wann!
    Mit herzlichem Gruß und Dank,
    Andreas Schwerdtfeger

  2. Lieber Herr Wolff,
    ich warte ja eigentlich noch auf Ihre Antwort zu der Frage, wie Sie den Unterschied zwischen „Obergrenze“ (abgelehnt), „Kontingent“ (keine Äusserung) und „Steuerung“ (befürwortet) definieren bezüglich der Frage, was wir als Deutschland oder auch Europa als Ganzes machen, wenn die Zuwanderung nicht endet. Nun mal Butter bei die Fische!
    Herzlichen Gruß,
    Andreas Schwerdtfeger

    1. Lieber Herr Schwerdtfeger, die Antwort finden Sie in meinem Text: Für Asyl kann es keine Obergrenze geben, durch ein Einwanderungsgesetz kann ein Kontingent pro Jahr festgelegt werden, die Flüchtlingsbewegung kann nur durch Fluchtursachenbekämpfung und (aktuell) durch Abkommen mit der Türkei reduziert werden, nicht aber durch Schließung von nationalen Grenzen. Wer letzteres behauptet, weiß, dass das genauso wenig funktionieren kann, wie die Regelung im Schengen-Abkommen, dass innerhalb der EU Länder Flüchtlinge in das Erstaufnahmeland zurückschicken können. Für diese politische Unanständigkeit Deutschlands müssen wir jetzt den durchaus angemessenen Preis zahlen. Insgesamt sind wir aber in eine absolute Debatten-Schieflage geraten. Denn anstatt in den Mittelpunkt zu stellen, wie jetzt, heute, Integrationsarbeit finanziert und geleistet und wie den Hunderttausenden Helferinnen und Helfer der Rücken gestärkt werden kann, streiten sich die Protagonisten in Berlin um Zahlen, als würde sich an ihnen das Wohl du Wehe dieser Welt entscheiden – und wissen ganz genau, dass dies mit der Wirklichkeit relativ wenig zu tun hat. Aber dem Bürger, der Bürgerin wird so suggeriert, als stünden wir kurz vor dem Kollaps oder einem „Staatsversagen“. Das ist so absurd und hirnverbrannt, dass man sich nur darüber wundern kann, dass sich an diesem gefährlichen, schmutzigen Spielchen an sich intelligente Menschen beteiligen. Nun hoffe ich, dass der „Fisch“ mundet Ihr Christian Wolff

  3. Lieber Herr Wolff, aus Ihrem „paar Gedanken zur Lage“ wie auch aus Ihren Antworten an Ihre durchaus überzeugenden Kritiker Moosdorf und Schwerdtfeger ergibt sich erneut, dass Sie offenbar meinen, dass jede konservative Kritik an der deutschen Flüchtlingspolitik „anknüpft an die nationalsozialistische Idee“. „Sarrazin Hype“, „Pegida/Legida“, AfD und NPD nennen Sie wiederum in einem Atemzuge und subsumieren darunter offenbar gleich alle, die nicht Ihre Ansicht teilen, dass das Heil der Westdeutschen allein durch die 68er gekommen sei und dass die Ostdeutschen das dringend nachholen müssten.
    Ich möchte Ihnen daher den Vorschlag machen, einmal zu versuchen, sich von diesem krassen Rechts-Links-Denken zu befreien und nur ganz einfach mal sachlich die Kernfrage zu diskutieren, um die es jetzt geht. Weder Ihre Blog-Anhänger noch Ihre Kritiker wollen doch das Asylrecht einschränken oder die Flüchtlinge, die zu uns gekommen sind, einfach abweisen. Ich bin zum Beispiel sehr stolz darauf, dass meine in Hamburg lebende Tochter neben ihrem Beruf und der Versorgung ihrer 4 Kinder noch regelmäßig in einem Zeltlager mit 400 Flüchtlingen den dortigen Kindern Malstunden gibt. Aber die Kapazitäten – weder die unseres Staates, noch die der vielen freiwilligen und berufsmäßigen Helfer – sind doch nicht unbegrenzt. Wie kommen Sie darauf, dass kontrollierte und, wenn nötig auch befestigte Grenzen, wie sie doch auf der ganzen Welt (außer innerhalb unseres Schengengebiets) üblich sind, eine „Mogelpackung“ darstellen?
    Um Ihrem Vorwurf zu entgehen, auch ich würde nur an die nationalsozialistische Ideologie anknüpfen, hänge ich hier den Vortrag eines Schweizers an, und zwar eines Mannes, der seit vielen Jahren als Mitglied der stärksten schweizerischen Partei im dortigen Parlament sitzt und sich auch auf europäischer Ebene intensiv mit der Flüchtlingsfrage befasst hat. Diesen Mann können Sie nicht in die schmutzige rechtsextreme Ecke stellen. In einem Punkt stimmt er sogar mit Ihnen überein, indem er nämlich Frau Merkel darin kritisiert, dass sie nicht schon vor der plötzlichen Grenzöffnung mehr für die Flüchtlinge in den Lagern der Nachbarländer Syriens getan hat. Wenn Sie sich den Vortrag anhören, so wird Ihnen sicher auffallen, dass der Redner recht volksnah (ich denke ein bisschen wie Luther) argumentiert. Das liegt sicher daran, dass er gewohnt ist, in der Schweiz mit den vielen Volksabstimmungen das Volk immer sehr direkt anzusprechen.
    Auf jeden Fall lohnt es sich, ihn mal anzuhören, auch wenn Sie sicher nicht mit allen seinen Meinungen übereinstimmen!
    https://www.youtube.com/watch?v=1uARHu7DDKQ

    1. Lieber Herr von Heydebreck, nirgendwo habe ich gesagt, dass „jede Kritik an der deutschen Flüchtlingspolitik ‚anknüpft an die nationalsozialistische Idee'“. Nur können Sie die Augen nicht vor über 500 gewalttätigen Übergriffen auf Flüchtlinge und deren Unterkünfte im vergangenen Jahr, vor offenem Rassismus und Rechtsextremismus in zu vielen ostdeutschen Ortschaften verschließen. Ich will mich da nicht wiederholen. Die Fakten sind Legion. Und: Ich hoffe, dass wir uns darin einig sind, dass Pegida/Legida und AfD nichts anderes Hetze, Hass und militante Abwertung bestimmter Menschen betreiben. Gott sei Dank haben viele, die 2013/14 sich der AfD politisch angenähert haben, sich nunmehr angewidert von dieser rechtsextremistischen Partei abgewandt. Wer permanent von einer „kriminellen Bande“ im Blick auf die Bundesregierung spricht, stellt sich außerhalb des demokratischen Diskurses. Das muss auch so benannt werden – unabhängig davon, wie ich im Einzelnen zur Flüchtlingspolitik der derzeitigen Regierung stehe. Nun sind die Grenzen fließend, sehr fließend – und darum reagiere ich sehr alarmiert bei Vorträgen wie den, den Sie mir per Link zur Verfügung stellten. Das ist die Masche an Argumentation, die ich ablehne: Ich unterstelle per Kugeln, dass 2,7 Milliarden Menschen potentielle Flüchtlinge sind – um dann zu sagen: vor denen müssen wir uns schützen bzw. wenn wir ein Signal ausgeben, dass wir Flüchtlinge aufnehmen, dann stehen alle vor der Tür. Und das Ganze wird dann noch eingerahmt von einer Veranstaltungsform „Anti-Zensur-Konferenz“, womit unterstellt wird, dass Zensur ausgeübt wird, um Kritik am sog. Mainstream nicht zuzulassen. Das ist so perfide billig, so demagogisch, dass ich mich frage, wie Menschen wie Sie auf so einen Propagandismus hereinfallen können. Eine letzte Bemerkung: In diesen Wochen beginne ich immer mehr zu verstehen, warum ein Nationalsozialismus möglich wurde. Das allerdings beunruhigt mich sehr. Ihr Christian Wolff

  4. Lieber Herr Wolff –
    definieren Sie mal zahlenmässig (oder von mir aus auch „wertemässig“) den SPD-Begriff des „Kontingents“ im Gegensatz zum CDU/CSU-Begriff der „Obergrenze“ – oder anders gefragt: wie groß darf denn bitte das Kontingent sein? Selbstverständlich hat das deutsche Asylrecht Grenzen, die ja bereits dadurch definiert sind, das Asyl ausschliesslich aus „politischen“ Gründen gewährt werden kann. Hielten wir diese grundgesetzliche Vorgabe ein, brauchten wir gar keine Duskussion über Obergrenzen. Sie fordern „Steuerung“ des Problems – dem kann ich mich anschliessen, denn es ist wieder nur eine andere Vokabel für dieselbe Art der Problemlösung.
    Und bei aller unterschiedlichen Auslegung der Problemursachen: Es ist doch langsam lächerlich, wie die beiden Parteien in der GroKO sich verbal gegenseitig diegleichen Vorwürfe machen – und Sie schliessen sich dem etwas leichtfertig an: Die CDU/CSU habe also die Integration verhindert! Es gibt kaum ein Bundesland mit einer besseren Integrationsleistung als Bayern – schon vor der Krise und auch jetzt. Nein – so einfach und so holzschnittartig-wahlkampftechnisch ist es wohl nicht. Es gibt – richtiger gesagt – unterschiedliche Wege und Konzepte und man kann prächtig darüber streiten – aber eben nicht dem anderen (noch dazu in derselben Koalition) Versagen und bösen Willen unterstellen.
    Ich sage es Ihnen nochmal: Das grösste Problem unserer augenblicklichen Lage ist die enorme politische Schwäche der SPD (die ich sehr bedauere) und das Unglück, daß die CDU/CSU als einzige verbleibende „Volkspartei“ auf demselben Wege ist – beide durch Öffnung ihrer jeweiligen Flanke im eigenen Lager. Und insofern ist unsere grösste innenpolitische Bedrohung derzeit auch nicht die von Ihnen beschworene Gefahr der Rückkehr nationalsozialistischer Verhaltensmuster, sondern vielmehr die nicht minder gefährliche Entwicklung hin zu „Weimarer Verhältnissen“, d.h. einem Parlament, das durch die Vielzahl kleiner egoistischer und polarisierender Parteien sich selbst ad absurdum führt. Schon jetzt hat man ja bei manchen Parlamentsdebatten den Eindruck, dass es sich dort um Schönheitswettbewerbe handelt. Fallen Sie bitte nicht auch dieser Versuchung anheim.
    Ich grüsse Sie,
    Andreas Schwerdtfeger

  5. Die Forderung nach Obergrenzen ist eben genau nicht populistisch, sondern eine von der Realität gebotene Notwendigkeit (Verantwortungsethik). Und nichts anderes fordert neben der CDU/CSU auch die SPD – nur nennt sie es halt „Kontingente“. Eine „Obergrenze“ allerdings, ebenso wie ein „Kontingent“, kann man nicht nur dadurch einhalten, daß man – wie es immer populistisch (hier zutreffend) getan wird – die Frage stellt, was man mit dem x-plus-ersten Migranten macht. Man kann sie auch dadurch einhalten, daß man durch Zurückweisung derjenigen, die offensichtlich unberechtigt an die Tür klopfen, Spielräume schafft und sich der Obergrenze gar nicht nähert.
    Und da wir nun Herrn Götzes Identität kennen – warum nicht gleich so? – noch ein Wort zu Weber, der wörtlich geschrieben hat: „… dass alles ethisch orientierte Handeln unter zwei voneinander grundverschiedenen, unaustragbar gegensätzlichen Maximen stehen kann …“. Wie Sie dies so interpretieren, daß also „Verantwortungsethik und Gesinnungsethik (Weber) … in der realen Wirklichkeit keine diametralen Gegensätze (sind); (sondern) … bekanntlich – bekanntlich(!) – zur Synthese geführt werden (müssen)“, wird wohl Ihr interpretatorisches Geheimnis bleiben.
    Max Weber: „Keine Ethik der Welt kommt um die Tatsache herum, dass die Erreichung ‚guter‘ Zwecke in zahlreichen Fällen daran gebunden ist, dass man sittlich bedenkliche oder mindestens gefährliche Mittel und die Möglichkeit oder auch die Wahrscheinlichkeit übler Nebenerfolge mit in den Kauf nimmt, und keine Ethik der Welt kann ergeben, wann und in welchem Umfang der ethisch gute Zweck die ethisch gefährlichen Mittel und Nebenerfolge ‚heiligt‘.“ – Das ist das Dilemma und Jeder muß für sich selbst eine verantwortbare Lösung in einem sicherlich breiten Spektrum der demokratischen und rechtsstaatlichen Akzeptanz finden. Eine Synthese aber, jedenfalls im Wortsinne der „Aufhebung des sich Widersprechenden“ – die gibt es nicht!
    Andreas Schwerdtfeger

    1. Lieber Herr Schwerdtfeger, ein Paar Bemerkungen:
      1. Ich achte schon sehr darauf, dass die eigenen Maßstäbe auch verwirklicht werden. Da Herr Götze mir persönlich bekannt ist, konnte ich auch mit dem Kürzel leben – und er hat es selbst vervollständigt.
      2. Obergrenze: Wo soll sie denn liegen – z.B. bei Asylbewerbern? Für ein Grundrecht gibt es keine Obergrenze genauso wenig wie für die Menschenwürde. Etwas anderes ist es, die Einwanderung zu steuern. Dagegen haben sich aber Angela Merkel und die CDU bis vor kurzem strikt gewehrt – eine Ursache für die jetzigen Schwierigkeiten. Wie überhaupt leicht vergessen wird, dass es die CDU/CSU waren, die sich bis vor wenigen Jahren keinen Deutschunterricht für Asylbewerber finanzieren wollten, weil man ja nicht integrieren wollte. Das alles ist uns schwer auf die Füße gefallen. Jetzt dämmert’s allen, dass Integration das Entscheidende ist. Die fängt am ersten Tag an. Und dafür muss nun alles getan werden. Bleibt die Frage: Warum dann aber immer das Ausweichen auf die Obergrenzendiskussion? Antwort: Weil es immer noch zu viele gibt, die meinen, wenn eine vernünftige Integrationspolitik gemacht wird, dann erzeugt das Anreize nach Deutschland zu kommen. So verquer ist leider die Wirklichkeit.
      3. Max Weber. Sie haben recht: Wir leben in Widersprüchen. Das wird sich erst im Reich Gottes ändern. Aber gerade weil wir in Widersprüchen leben, geht es um Annäherungen an das Richtige, das ethisch Verantwortbare. Für Annäherung gibt es aber auch keine Grenze! Also tun wir gut daran, die ethischen Maßstäbe nicht vorschnell auf das Machbare zu reduzieren. Denn dann geraten sie zur Rechtfertigung des gerade Opportunen.

  6. „Dazu gehört mE zwingend, dass wir uns im Netz und in den Foren der Medien wieder nur mit vollem Namen bewegen können. Die Anonymisierung der Meinungsäußerung hat die Debattenkultur gleichermaßen verkommen … lassen.“
    Dieses schöne – und richtige – Postulat hätten Sie, lieber Herr Wolf, mal anwenden sollen, als Sie über die Aufnahme des Beitrags des also Verkommenen „RG“ entschieden haben. Wieder einmal ist hier ein feiger Anonymus unterwegs – und Sie leisten Beihilfe! Mit solchen Leuten wie “RG“ lohnt eine inhaltliche Auseinandersetzung nicht. „Dass ich mein Gesicht zeige …“ haben Sie in der ZEIT geschrieben („Verstörte Zerstörer“, Dez 2015) – Recht haben Sie!

    „Das Grundrecht auf Asyl muss im Kern erhalten bleiben, wenn wir die Grundrechte unserer Verfassung als Basis für Integration ansehen und vermitteln.“
    Die Einschränkung „im Kern“ hätte ich von Ihnen gar nicht erwartet, aber sie gefällt mir. Nicht, weil Sie oder ich das Recht auf politisches Asyl einschränken wollten – das unterstellen wir uns gegenseitig wohl nicht -, sondern weil sie tatsächlich dazu anregt, dieses Recht in den Fällen unbedingt zu erhalten, für die es gemacht wurde – und konsequent da zurückzuweisen, wo es mit anderen Motiven mißbraucht wird. Konkret: Wirtschaftliche Motive sind kein Asylgrund (hier brauchen wir in der Tat ein Einwanderungsgesetz, denn diese Motive sind ja nachvollziehbar und legitim); Ankunft aus einem Land, in dem der Asylsuchende nicht verfolgt war, begründet kein Asylrecht bei uns; fehlende oder nachweislich gefälschte Ausweispapiere sollten in der Regel Zurückweisungen ebenso begründen wie Straftaten die Verwirkung des Asylrechts; etc.

    Und wir müssten im Zusammenhang mit Rechtsradikalismus mal diskutieren über die Frage seines Entstehens (über einen gewissen „Sockel“ hinaus, der leider an beiden Enden des politischen Spektrums unvermeidlich ist): Ihre Geschichtssicht trügt Sie da ein wenig, wo Sie in großer Euphorie über die eigene Jugend die Erfolge der 68er feiern. Denn in Wirklichkeit war auch eine Folge der 68er die Terrorwelle der RAF und die Gründung der gewalttätigen sogenannten APO und der – damals ebenfalls gewaltbereiten – Grünen. Dies wiederum entstand aus der Hinwendung der SPD zur politischen Mitte und zur Öffnung der linken Flanke für neue Gruppierungen. Jetzt findet ein Parallelvorgang auf der rechten Seite unseres politischen Spektrums statt: Die Hinwendung der CDU immer weiter nach links und damit die Öffnung der rechten Flanke, der sich die von Ihnen verachtete CSU entgegenstellt. Es scheint mir offensichtlich, daß – bei aller unterschiedlichen Positionierung im demokratischen Spektrum – wir akzeptieren sollten, daß unsere „Volksparteien“ auch weit an den Flanken liegende Positionen mit abdecken, denn dies ist jedenfalls besser als zu ermöglichen, daß neue Radikale (zB AfD oder gar APOs à la Pegida) an Gewicht gewinnen.

    Mit freundlichem Gruß,
    Andreas Schwerdtfeger

  7. Lieber Herr Wolff,

    erneut herzlichen Dank für diese Zeilen. Ihre Thesen und Petita gewinnen für mich gerade im Kontrast zur Replik #2 sogar noch an Überzeugungskraft.

    Abgesehen davon, dass schon der hysterische Grundton des Kommentars #2 dem von Ihnen angeregten – und angemahnten – sachlichen Diskurs abträglich ist, strotzt der Beitrag auch inhaltlich von Denk-, Verständnis- oder Darstellungsfehlern:

    Verantwortungsethik und Gesinnungsethik (Weber) sind in der realen Wirklichkeit keine diametralen Gegensätze; sie müssen bekanntlich zur Synthese geführt werden. Und da besteht der verantwortungsethische Imperativ einer deutschen Bundeskanzlerin selbstverständlich nicht darin, unter Ausblendung globaler Zusammenhänge eine auf nationale Interessen reduzierte Politik zu verfolgen. Es mag sein, dass die situativ getroffenen Abwägungen immer wieder – aufgrund neuer Erkenntnisse – auf Ihre Richtigkeit zu prüfen sind. Aber so simpel, wie es Kommentar #2 suggeriert, ist es eben nicht.

    Dazu passt allerdings auch, dass Kommentar #2 außer Stande ist, zwischen einer „höchstrichterlich festgestellten“ Rechtslage und der – wohl gemeinten (?) – rechtgutachtlichen bzw. privaten Meinungsäußerung ehemaliger Bundesverfassungsrichter zu unterscheiden. Diese mögen als Debattenbeiträge im Diskurs willkommen sein; autoritative Feststellungen (Judikative) eines Verfassungsbruchs oder gar Staatsversagens sind es freilich nicht.

    Genauso müßig erscheint es, sich hier mit dem – unbelegten – Rückgriff des Kommentars #2 auf Prognosen von Gallup auseinanderzusetzen. Selbst wenn die Analyse von Gallup Prognosen enthielte, wie sie Kommentar #2 versteht (was zweifelhaft ist) und zuträfe (was ich mit Blick auf die Fallibilität ähnlicher Prognosen noch stärker bezweifele), haben Sie, lieber Herr Wolff, in Ihrem Beitrag auch die Richtung gewiesen, wie mit dieser Herausforderung perspektivisch (Prognosehorizont 2050 (!)) umzugehen wäre.

    Den rein destruktiven Teil des Kommentars #2 im „PS“ mag ich nicht im Einzelnen würdigen. Nur so viel: Es gab und gibt kein „BRD-Grundgesetz“ – sondern das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Und hier sollte der Verfasser des Kommentars #2 nach der Präambel noch ein wenig weiter lesen: Im Zentrum – und über allem – steht die Garantie der Menschenwürde. Und die Menschenwürde kann – so schwer das aus der national-zentrierten „Maulwurfsperspektive“ zu verstehen ist – langfristig nicht durch die Errichtung von Mauern, Abschottung und Einhegung geschützt werden.

  8. Lieber Herr Wolff,

    herzlichen Dank für die klare und umfassende Analyse dessen, was auf diesem Gebiet in der Vergangenheit gelaufen bzw. nicht gelaufen (sondern beschwichtigend verleugnet wurde) ist, für die klaren Worte zu dem, was Not-wendig ist.
    Mir persönlich ist es jetzt am wichtigsten, dass wir nicht von anderen (Politikern, Medien, etc.) verlangen, das Not-wendige zu tun, sondern mir selbst darüber klar zu werden, was ich in meinem ganz persönlichen Umfeld mit meinen Wirkmöglichkeiten tun kann.
    Es gibt viel zu tun, packen wirs an!

  9. Max Weber hat mit der Unterscheidung von Gesinnungsethik und Verantwortungsethik die Kategorien geliefert. Der Politiker darf nicht allein seinem gesinnungsethischen Impuls folgen, sondern muss die Wirkung seines Tuns und Unterlassens im Blick halten.

    Die politische Wirkung des gesinnungethisch verständlichen Impulses einer Angela Merkel steht der Verantwortungsethik ihrer Aufgabe diametral gegenüber. Sie ist gewählt von den Bürgern unseres Landes zur Vertretung zunächst einmal UNSERER Interessen. Die Welt kann sie nicht retten und wird sie auch nicht retten. Die Signale, die ihr Handeln aussendet, mögen menschlich erklärbar sein, politisch durchhalten lassen sie sich nicht und die Kollateralschäden werden immer sichtbarer: Europa wendet sich von deutschen Alleingängen ab, die Dialogbereitschaft mit ihrer störrischen Haltung schwindet, die Mehrheit der Bürger, deren Meinung im Parlament gar nicht mehr vertreten wird, wendet sich extremeren Positionen zu, und sei es nur, um endlich Gehör zu finden. Hinzu kommt, dass höchstrichterlich der Verfassungsbruch und das Staatsversagen festgestellt wurde und mit dem unterlassenen Schutz europäischer und/oder nationaler Grenzen ein rechtsfreier Raum geschaffen wurde. Das alles muss sich ändern und wird sich ändern!

    Das Gallup-Institut hat in einer Hochrechnung gezeigt, dass die afrikanisch-asiatische Überbevölkerung, die Chancenlosigkeit der Zweit- und Drittgeborenen sich in Richtung Europa zu entladen droht. Die Zahl ist erschreckend und es ist doch völlig klar, dass Europa – unter welcher Solidarität auch immer – diese Herausforderung nicht bewältigen kann. Bis 2050 wollen lt. Gallup sich ca. 1,2 Milliarden Menschen auf den Weg nach Europa machen, 4 Mal so viele wie jetzt hier leben.

    Dieser Zahl begegnet man nicht mit Menschlichkeit sondern mit Pragmatismus und politischen Konzeptionen. Nützliche Einwanderung zu organisieren ist das Gegenteil von Merkelschem Chaos. Nur 34% der Flüchtlinge haben überhaupt Anspruch auf Asyl oder Schutz. Aber der Rest zum Hundert beschäftigt uns mit Verwaltung, Abschiebung und Kriminalität. Die Staaten nehmen ihre Leute nicht zurück, im Duldungsstatus können sie hier nicht arbeiten, keine Familie aufbauen – der Abstieg in kriminelle Strukturen ist programmiert.

    Wenn die Zahlen so bleiben, gibt es keine Lehrer und keine Infrastruktur mehr, um Integration überhaupt anzufangen. Hinzu kommt, dass der Haushalt der öffentlichen Stellen unter der Last zusammenbricht. Schon jetzt fehlt es an allem!

    Für die Generation der beiden Weltkriege war und ist es absolut verständlich, dass man, um 50 oder 100 Menschen zu retten, manchmal 2 oder 5 aufgeben muss. Das klingt unmenschlich – ist aber das Gegenteil davon. Es ist weitsichtig. Die Realität wird die 68er Lebenslügen einholen wenn sie es in Teilen nicht schon längst getan hat. Unsere über Jahrhunderte erkämpften Werte müssen wir auch bereit sein zu verteidigen. Mit allem was dazu gehört. Fortgesetztem Tabubruch hat der jetzige Rechtsstaat – wie man an den Nachwehen von Kön noch sehen wird – wenig entgegen zu setzen. Unsere Toleranz ist für den Blickwinkel der halben Welt, besonders aus den Augen junger Männer, nichts als Schwäche. Ihre Kirche ist es auch: Christen gehören seit 2015 zu dem am meisten verfolgten Gruppen!

    Ich bin froh, dass sich in Deutschland nun die Erkenntnis durchsetzt, dass wir zunächst hier Klarheit über die Richtung von Einwanderungspolitik haben müssen: was brauchen WIR? Wen wollen WIR? Erst dann sind wir überhaupt in der Lage, dauerhaft Hilfe zu leisten. Und die Wirtschaftsflüchtlinge der halben Welt müssen und werden wir abweisen! Punkt!
    Ich wäre froh, wenn sich ganz schnell die Besinnung auf Europa wieder einstellen würde. Eine Besinnung, die auch die Erfahrungen der anderen Länder berücksichtigt. Integration ist nahezu überall kein Erfolgsmodell geworden. Warum? Gefühlte Menschlichkeit kann da kein Ratgeber sein. Eine schonungslose Analyse aber schon eher.

    Noch ist es nicht zu spät! Ihre „Jetzt erst recht!“ Slogans sind nur für die hilfreich, die den Karren vollends vor die Wand fahren wollen. Wie Brecht sagt: „Ein Sieg der Vernunft kann nur ein Sieg der Vernünftigen sein!“ Er sprach vom Einsatz des Gehirns als Sitz des Verstandes. Der Schaden der bisherigen Gefühls-Politik ist schon jetzt unüberschaubar! Denn er hatte von Anfang an mit Unehrlichkeit zu tun.

    Schönes WE!

    P.S. Beim nochmaligen Lesen Ihres Blogs fällt mir immer wieder auf, dass Sie die Mentalität der Ostdeutschen zu erklären versuchen. Wollen Sie das nicht lassen? Sie haben da gar nichts verstanden. Trotz Ihrer Präambel im BRD-Grundgesetz haben die Menschen HIER die Wiedervereinigung erstritten. Und noch gewaltfrei dazu. Dass ist Ihresgleichen nicht 1968, nicht gegen den NATO-Doppelbeschluss und nicht gegen Gorleben gelungen. Für die Wiedervereinigung haben Sie eigentlich bis zur Unvermeidlichkeit keinen Finger gerührt. Die Tatsache, dass sich heutige bundesdeutsche Eliten im neuen deutschen Biedermeier eines zum großen Teil ererbten Wohlstandes eingerichtet haben, lässt den klaren Blick auf Wirklichkeiten wohl als „rechts“ erscheinen. Das sagt aber mehr über den Blickenden als über das Ziel des Blickes!

    1. Nur so viel: Christen und Kirchen wurden und werden verfolgt wegen der aus dem biblischen hergeleiteten Überzeugungen, die in diesem Kommentar in einer kalt-verächtlichen Rhetorik als „gefühlte Menschlichkeit“ abgewertet werden. Auch die Verantwortungsethik kommt ohne Gesinnung nicht aus.

      1. Innenminister de Maiziere sagte bei einer Tagung des Weltkirchenrats im schweizerischen Genf, der Zuzug nach Europa aus humanitären Gründen müsse dringend begrenzt werden. Angesichts der „enormen Zahlen von potenziellen Migranten in Afrika und Asien“ sei es „einfach nicht darstellbar, alle zu akzeptieren, die auf der Suche nach einem besseren Leben in Europa sind“. – das ist doch schon mal ein Anfang an Einsicht!

        1. Die Diskussion über Zahlen ist eine peinliche Scheindebatte. Es geht um Integration, das Grundrecht auf Asyl und um ein Einwanderungsgesetz. Das sind die drei Aufgaben, die angegangen werden müssen. Wer diese Aufgabe mit ein populistischen Forderungen nach „Obergrenzen“ zudeckt, muss sich fragen lassen, warum er sich vor der eigentlichen Aufgabenstellung drückt. Die gestrige Diskussionsrunde bei Anne Will hat das deutlich unterstrichen.

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