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Verständnis – wofür und für wen?

Da sitzt sie am Sonntagabend in erlauchter Runde – Kathrin Oertel, „eine aus dem Volk“. Ihr gegenüber und an der Seite: Männer. Mit bedeutungsvoller Miene und nachdenklichem Kopfnicken folgen sie ihren kruden Einlassungen. Natürlich: Das eine oder andere Mal wird die Dame sanft belehrt – aber ansonsten soll doch niemandem wehgetan werden: Verständnis für die Sorgen und Ängste sind angesagt. Das Ganze wird verkauft als mediale Sensation – so als ob nun erstmals und endlich und nur dank der Pegida-Sprecherin Oertel über die „Tabuthemen“ Asyl und Einwanderung geredet werden durfte. Aber diese abendliche Kuschelrunde war nur das Vorspiel für den eigentlichen roten Teppich, der ihr dann am Montag in Dresden ausgerollt wurde. Der Chefversteher Sachsens, Frank Richter, hatte zur Pegida-Pressekonferenz geladen – in die Landeszentrale für politische Bildung, sozusagen zu sich nach Hause: Obdach für zwei verlorene Schafe. Und da saßen sie dann: Lutz Bachmann und Kathrin Oertel vor den Vertreter/innen der „Lügenpresse“. Kein Wunder, dass Herr Bachmann die Gelegenheit nutzt und zur Teilnahme an der beabsichtigten Legida-Demonstration am Mittwoch in Leipzig auffordert – Legida, diese demaskierte Pegida: Sammelbecken von Neonazis, Hooligans und frustrierten älteren Herren. Sie fordern Schluss mit Multikulti, Rückkehr zur „nationalen Kultur“, Schluss mit dem „Kriegsschuldkult“ und Wahl von Richtern und Staatsanwälten durch das Volk – aber, da sie ja das Volk sind, nur durch dieses. Roland Freisler redivivus. Hier noch einmal und nur zur Erinnerung: Die Landeszentrale für politische Bildung bietet das Podium dafür, dass für diese demokratiefeindlichen Ziele, für diese Menschenverfeindung geworben wird. Wo sind wir gelandet, das wir uns zum Büttel eines Halbkriminellen machen lassen?

Die Tatsache, dass ein Hotelier in Dresden-Laubegast seine Zusage, sein Haus zur Unterbringung von Asylbewerbern zur Verfügung zu stellen, wegen massiver Drohungen zurückziehen musste, ist für Frank Richter kein Anlass zur Moderation. Da gibt es keinen Aufschrei, kein Zuhören: Wer springt dem Hotelier zur Seite? Weder am Sonntag noch am Montag wird dieser Skandal thematisiert, obwohl der Zusammenhang zwischen Pegida und der Resignation des Hoteliers mit Händen zu greifen ist – insbesondere dann, wenn man den ach so wohlfeilen Rat befolgt: Zuhören. Ja, wenn sie es nur täten, die das immer im Mund führen. Wenn denn auch auf die Zwischentöne gehört würde. Wenn denn die Verständnisapostel hören würden, was gebrüllt und krakelt, wie gedroht und gegiftet wird. Aber all das geschieht nicht. Stattdessen werden denjenigen der Hof gemacht, die unverhohlen fordern: Werdet so, wie wir das wollen, und dann habt ihr keinen Ärger mehr mit Pegida – denn: Wir sind das Volk. Und wir sagen euch, wer dazu gehören darf und wer nicht.

Man kann nur hoffen, dass sehr bald allen aufgeht, welch absurdes Schmierentheater gerade aufgeführt wird. Und das in einer Zeit, in der vor allem und an erster Stelle denen der Rücken gestärkt werden muss, die unter dem Pegida/Legida-Desaster am meisten zu leiden haben: die Asylbewerber, die Menschen, die an ihrer Hautfarbe als Ausländer zu erkennen sind. Sie leben seit Wochen in Angst. Es wird also höchste Zeit, dass in unserem Land wieder Klarheit einkehrt – insbesondere bei denen, die in der politischen Meinungsbildung eine gewichtige Rolle spielen (und dazu gehören auch die Kirchgemeinden): Keine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit den Brandstiftern von Pegida und Legida, die sich als Biedermänner und –frauen aufspielen, öffentlich nie etwas gegen „echte“ Asylbewerber haben, aber Montag für Montag alles dafür tun, dass die Dämme des Anstands und der Menschlichkeit brechen. Kein Verständnis für die perfiden Hassparolen, die – sobald sie ausgesprochen oder niedergeschrieben sind – widerrufen oder gelöscht werden, um sie eine Woche später zu wiederholen oder wiederholen zu lassen. Aber natürlich Gesprächsbereitschaft mit jeder und jedem. Nur sollte eines unstrittig sein: Ohne Klärung der eigenen Position und deren offenen Kommunikation keine Diskussion auf Augenhöhe. Darum war es gut, dass in Leipzig die Bürgerrechtler ihr Dialogangebot mit einer Überschrift versehen haben „Für ein Europa freier Bürger mit offenen Grenzen„. Wenigstens das.

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