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SPD – wohin? – Ein paar Gedanken zum Zustand der Sozialdemokratie

Seit sechs Jahren verharrt die SPD bei den Wahlen und Umfragen auf Bundesebene bei +/- 25 Prozent – und es sieht nicht danach aus, dass sich dies in absehbarer Zeit grundlegend ändert. Denn auch auf Landes- und kommunaler Ebene schwächelt die SPD, insbesondere in Ostdeutschland. Darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, dass die SPD in 14 der 16 Bundesländer mitregiert; aber in fünf davon „nur“ als Juniorpartner. Das ist viel zu wenig, um 2017 als stärkste Partei aus der Bundestagswahl hervorgehen zu können. Worin aber liegt die Schwäche der SPD begründet? Ein Grund ist sicherlich, dass seit 2005 mit Angela Merkel eine der sozialdemokratischsten Bundeskanzler (hier lasse ich bewusst das -innen weg) seit Gründung der Bundesrepublik in Berlin regiert und mit der Partei „Die Linke“ eine Opposition tätig ist, die sozialdemokratische Positionen ohne Rücksicht auf einen Koalitionspartner vertreten kann. Aber das allein kann die stabile Schwäche der SPD nicht erklären. Die Sozialdemokratie leidet derzeit unter einem doppelten Mangel: zum einen ist sie programmatisch in einem bedauernswerten Zustand. In keinem zentralen Thema hat die SPD derzeit eine Meinungsführerschaft. Zum andern gibt es keine Köpfe und Gesichter, die diesem Mangel abhelfen könnten. Man kann das auch umgekehrt formulieren: der Engpass im Führungspersonal der SPD wird derzeit nicht ausgeglichen durch eine überzeugende Programmatik.

Als am vergangenen Dienstag die Einigung im Atomstreit mit dem Iran verkündet wurde, war das der Bundespartei keine Rundmail an die Mitglieder wert, obwohl es sich um ein historisches Ereignis handelt, an dem Frank Walter Steinmeier einen großen Anteil hat. Ganz anders in Sachen Griechenland. Da musste gegenüber den Parteimitgliedern die Irritation korrigiert werden, für die Sigmar Gabriel gesorgt hatte: dass angeblich das Papier des Finanzministers über einen befristeten Grexit mit ihm abgesprochen gewesen ist. Damit ist das Desaster komplett: Die hervorragende Arbeit in der Tradition sozialdemokratischer Außenpolitik eines Frank Walter Steinmeier wird von der SPD nicht als ihr Erfolg kommuniziert, während man trotz eines Martin Schulz derzeit nicht genau weiß, wofür die SPD europapolitisch steht. Da wäre es sehr nützlich gewesen, wenn die SPD von Anfang an den sog. Grexit zur politischen Unmöglichkeit erklärt hätte. Stattdessen rieb sich jeder Sozialdemokrat nach der Volksabstimmung in Griechenland verwundert die Augen, als ein mürrischer Sigmar Gabriel verkündete, dass man jetzt Griechenland nicht mehr helfen könne.

Was dies alles zeigt? Es mangelt der SPD ein einem kommunizierten Programm. Weder ist das Atom-Abkommen mit dem Iran eingebettet in die Vision einer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten (KSZNO) – eine absolute Notwendigkeit, noch ist erkennbar, ob die SPD der politischen Einigung Europas die Priorität gibt und unter dieser Voraussetzung die finanzpolitischen Probleme innerhalb der Euro-Zone löst. Gesine Schwan hat gezeigt, wie es geht. Nur: Sie wird nicht als Repräsentantin der Sozialdemokratie wahrgenommen.

Ähnliches gilt auch für die Verteidigung und Erweiterung der Freiheitsrechte, eigentlich ein Grundanliegen der Sozialdemokratie. Doch hat die SPD es nicht vermocht, nach dem NSU-Skandal und dem völligen Versagen der Geheimdienste diese auch in ihrer Existenz auf den Prüfstand zu stellen. Stattdessen hat die SPD – trotz des bewusst nicht aufgeklärten NSA-Skandals – in Sachen Vorratsdatenspeicherung eine fatale Kehrtwende vollzogen und damit den eigenen Justizminister ins Abseits gestellt. Derzeit ist nicht erkennbar, dass die SPD der Programmatik folgt: im Zweifel für die Freiheit, im Zweifel für die demokratischen Grundrechte.

Auch in der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung mit Pegida/Legida, der bieder-bürgerlichen Form des Rechtsradikalismus, ist die SPD durch den mehr als merkwürdigen Auftritt von Sigmar Gabriel Ende Januar in Dresden in der öffentlichen Wahrnehmung ins programmatische Niemandsland geraten. Wie aber ist das möglich? Mitte Januar war ich zusammen mit anderen Initiator/innen von Initiativen, die sich für eine Willkommenskultur für Asylbewerber einsetzen und gegen die Hetze von Pegida/Legida in vielen Städten Demonstrationen organisiert haben, zu einem Informationsaustausch mit Sigmar Gabriel in Berlin eingeladen. Die Vertreter/innen der Initiativen waren sich weitgehend einig: 1. Hinter Pegida steht ein rechtsradikales Netzwerk 2. Der Widerstand dagegen muss vor Ort breit organisiert werden. 3. Viele schätzten das Wirken von Frank Richter, dem Leiter der Landeszentrale für politische Bildung, in Dresden sehr kritisch ein. „Erfolg“ dieser Anhörung war, dass wenige Tage danach Gabriel in Dresden bei einem der von Richter organisierten Foren auftauchte. Ein Besuch in einer Dresdner Asylunterkunft wäre sicher angemessener gewesen. Da erschien der markante Merkel-Satz „Folgen Sie denen nicht …“ in ihrer Neujahrsansprache sehr viel unmissverständlicher als das Agieren des Sozialdemokraten Gabriel – zumal schon damals deutlich war, wo das Treiben von Pegida hinzielt: ein Klima zu schaffen, in dem gewalttätige Übergriffe auf Asylunterkünfte als Ausdruck des Bürgerwillens bzw. des „Volkszorns“ eine scheinbare Rechtfertigung erfahren. Genau da wird deutlich, wo die Schwäche der SPD liegt: Sie kommuniziert durch ihre Repräsentanten zu wenig ihre Grundsätze, von denen sie politische Kompromisse ableitet. So gerät der Kompromiss zur Programmatik. Zurück bleibt das diffuse Gefühl: Im Zweifelsfall gilt die Überzeugung nichts. Das aber ist für eine Partei, die bestimmende politische Kraft sein will, zu wenig. Die SPD wird nur dann in der Wählergunst zulegen, wenn sie es vermag, für die schwierigen politischen  Probleme aus ihrem Programm heraus Visionen zu entwickeln, diese kommuniziert und zu diesen steht:

  • für eine Friedensordnung im Nahen Osten – ein Generationenprojekt, das seine Entsprechung finden muss in einer sozial gerechten und religiös offenen Integrationspolitik in unserem Land;
  • für ein freies und demokratisches Europa (und da sind Ungarn und die wachsenden rechtsradikalen Bewegungen in anderen europäischen Ländern ein weit größeres Problem als Griechenland);
  • für eine Bildungspolitik, die keine Schulabbrecher produziert und zulässt;
  • für eine Sozialpolitik, die aktive Teilhabe aller am gemeinschaftlichen Leben befördert und damit Selbstverantwortung und Versorgung versöhnt.

Gerade weil die politische Lage sehr kompliziert ist, bedarf es der programmatischen Orientierung und Erkennbarkeit. Das sollte Aufgabe und Erkennungszeichen der Sozialdemokratie sein. Genug Potential hat die SPD. Sie sollte die Erneuerung dort beginnen, wo die Kraft der Sozialdemokratie liegt: in den Ortsvereinen.

 

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