„Transformationen – Von der Universitätskirche zum Paulinum“ so titelt die Kustodie der Universität Leipzig unter ihrem Leiter Rudolf Hiller von Gaertringen eine Ausstellung, die die Geschichte der Universitätskirche St. Pauli schildern soll. Wer die Wirklichkeit eines Verbrechens, nämlich der Sprengung, ästhetisierend als „Transformation“ verleugnet, kann wohl eine Propagandaschau, aber keine Ausstellung konzipieren. Da wird die Geschichte auf den Kopf gestellt und die Wirklichkeit ideologisch verbogen. Daran arbeitet der Kustos dieser Universität seit Jahren. Auf ihn geht die sehr teure Schnapsidee zurück, das Langhaus der neuen Universitätskirche durch eine Plaste-Wand vom Chorraum zu trennen, um willkürlich und künstlich einen „Andachtsraum“ von einer „Aula“ zu trennen. Gegen jeden Sachverstand verbreitet er die Mär, das sei aus klimatischen Gründen notwendig – wohlwissend, dass die restaurierten Epitaphe im Chorraum der neuen Universitätskirche St. Pauli das gleiche Raumklima benötigen wie die Jehmlich-Orgel im Langhaus. Tatsächlich aber geht es darum, den Kirchencharakter des Gesamtraumes zu bestreiten. Dabei war von alters her die Universitätskirche immer beides: Gottesdienststätte und akademischer Festraum. Aber Hiller von Gaertringen gehört zu denen, die penetrant gegen die Geschichte anleben und so tun, als sei das, was jetzt am Augustusplatz erstanden ist, etwas anderes als die neue Universitätskirche St. Pauli. Darum die akademisch anmutende Attitüde „Transformation“. Darum aber auch die Entpolitisierung des Konfliktes und der neuen Universitätskirche, die nach Willen des Kustos eher die Funktion einer musealen Grabkammer denn als Raum des Lebens haben soll. Die neue Universitätskirche aber wird ihre Identität nur finden, wenn sie sich als geistliches und geistiges Zentrum etabliert, in dem sich das endlich entwickelt, woran es den Universitäten heute mangelt: der öffentliche, kritische Diskurs über die gesellschaftspolitische Verantwortung wissenschaftlicher Arbeit zur Stärkung der freiheitlichen Demokratie und des interkulturellen und interreligiösen Zusammenlebens.
Am Augustusplatz muss also nichts transformiert werden, hier muss man nur Geschichte und Wirklichkeit verstehen. Wer aber so agiert wie der Kustos, hat weder die Dimension der Geschichte dieses Raumes begriffen, noch hat er den himmelsschreienden Skandal der Sprengung der Universitätskirche im Mai 1968 erfasst, noch hat er eine Vorstellung von dem, was allen Widerständen zum Trotz am Augustusplatz gebaut wurde: ein geistliches und geistiges Zentrum. Jedes Kind wird es sofort begreifen: Dieser Raum ist ein besonderer, eben eine Kirche. Alle Versuche, den Charakter des Raumes zu verschleiern, sind bis jetzt Gott sei Dank gescheitert. Mehr noch: Der inhaltslose Widerstand gegen die neue Universitätskirche St. Pauli hat gerade ihr Profil befördert. So kann jeder getrost davon ausgehen: Die neue Universitätskirche St. Pauli wird auch in Zukunft so genutzt werden wie die gesprengte Kirche – als Gottesdienststätte, hoffentlich auch interreligiös; als akademischer Festraum, hoffentlich mit vielen Debatten auf höchstem Niveau gesellschaftspolitischer Streitkultur; als Ort der Universitätsmusik, hoffentlich mit vielen Uraufführungen und interkulturellen Impulsen. Und noch eines ist so gewiss wie das Amen in der Kirche: die schon jetzt milchig-wabernde Plaste-Wand wird früher oder später entsorgt werden – als Zeugnis einer horrenden Verblendung derer, die immer noch nicht begreifen wollen, dass die Universität einen zentralen Raum zurückerhalten hat: die Universitätskirche als Einheit … mit Kanzel.
Darum ist es nur noch Ausdruck letzter hilfloser Zuckungen des Kustos, wenn er jetzt so tut, als sei der Neubau ein Abschied von der Universitätskirche – euphemistisch umschrieben mit „Transformation“. Nein, wir feiern keinen Abschied, sondern ein doppeltes Heilungswunder: von der gesprengten Universitätskirche über den ideologischen Nonsens „Paulinum“ zur neuen Universitätskirche St. Pauli. Am 2. Dezember 2017 sollte man mit dieser Inschrift dem Kustos ein Epitaph überreichen, das er vor seinem Amtszimmer aufstellen kann: „Am 2. Dezember 2017 wurde die fatale Vorstellung, der Sprengung der Universitätskirche am 30. Mai 1968 ein ‚Paulinum‘ folgen zu lassen, zu Grabe getragen. Dafür erstand in vielen Jahren des Bauens und Streitens die neue Universitätskirche St. Pauli. Gott sei Dank!“
18 Antworten
Ich danke Ihnen, lieber Herr Flade, dass Sie an den Widerstand 1968 gegen die Sprengung der Universitätskirche und an die schlimmen Folgen für viele Widerständler von damals erinnert haben. Pfarrer Christian Wolff schreibt, der Kustos Hiller von Gaertringen „hat weder die Dimension der Geschichte dieses Raumes begriffen, noch hat er den himmelsschreienden [sic] Skandal der Sprengung der Universitätskirche im Mai 1968 erfasst“. Ich meine, wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.
Am 8. November 2014 habe ich im Diskussionsforum FLUCHT und AUSREISE geschrieben:
Mein Leserbrief wurde von der LVZ nur gekürzt abgedruckt. Hier die ungekürzte Fassung:
Das Gebäude der „neuen Universitätskirche St. Pauli“ als „Paulinum“ zu bezeichnen, ist tatsächlich Nonsens. Ein „Nonsens-Kunstbegriff“, wie Wolff meint, ist „Paulinum“ aber nicht. Das Paulinerklosters wurde 1543 als „Collegium Paulinum“ an die Universität übertragen. Auf diesem Gelände gab es später ein „Mittelpaulinum“ und ein „Vorderpaulinum“. Man könnte heute den Gesamtkomplex „Paulinum“ nennen, nicht jedoch das neue Universitätskirchengebäude.
Dass es, wie Wolff meint, „gar nicht zur Freude des Kustos“ Hiller von Gaertringen wäre, wenn der Paulineraltar nun wieder im Chorraum der Universitätskirche steht, ist falsch. Ich habe Hiller Mitte 2005 auf die Rückführung des Altars angesprochen und weiß, wie sehr sein Herz an diesem Altar hängt. Er äußerte mir gegenüber die Überzeugung, dass der Altar zurückkommen wird. In der damals sehr aufgeheizten Situation wäre es aber sinnlos gewesen, wenn er die Rückführung öffentlich verlangt hätte. In einer Podiumsdiskussion am 17. Mai 2004 hatte der damalige Rektor Häuser auf die Frage, ob dieser Altar, der damals in der Thomaskirche stand, in das geistig-geistliche Zentrum integriert werden wird, geantwortet: „Wir wollen keinen neuen Kriegsschauplatz.“
Wolff war ein Gegner des Wiederaufbaus der Universitätskirche. In einem Brief vom 22. April 2001 bestreitet er, dass es die mutigen Massenproteste gegen das Verbrechen der Sprengung gegeben hat: „Wo hat es 1968 den Widerstand der Bevölkerung gegeben? Nach wie vor bin ich der festen Überzeugung, dass Diktaturen immer auch auf einem Konsens in der Bevölkerung beruhen.“ Am 25. Juli 1994 schreibt DER SPIEGEL: „Als der zugewanderte Pfarrer der berühmten Thomas-Kirche, Christian Wolff, gegen den Wiederaufbau der 1968 gesprengten Universitätskirche wetterte, fielen Eingeborene wie Margot Hünsch „vor lauter Ärger“ vom vertraulichen „Du“ ins bürgerliche „Sie“ — Höchststrafe unter Genossen.“ Wolff schreibt in seinem Beitrag vom 29. Oktober 2014, „dass man nur eine sehr begrenzte Zeit gegen die Geschichte leben und schreiben kann.“ Am 6. Januar 2014 berichtet der MDR Kultur: „Auch der Wiederaufbau der 1968 gesprengten Universitätskirche lag ihm [Wolff] am Herzen.“
Eckhard Koch
Vorsitzender von „Pro Universitätskirche Leipzig e. V.“
Damals wollte die Universitätsleitung den Paulineraltar als Dauerleihe in der Thomaskirche stehen lassen, und es war nichts davon zu hören, dass sich Wolff für die Rückführung eingesetzt hätte. In der Thomaskirche litt der Paulineraltar unter den dortigen schlechten klimatischen Bedingungen. Einerseits ist es deshalb zu verstehen, wenn Gaertringen dafür eintritt, dass es der Paulineraltar nun besser haben soll. Andererseits halte auch ich diese Glaswand raumklimatisch für unsinnig und gesellschaftsklimatisch für schädlich. Es ist schade, dass sich Gaertringen von der Universitätsleitung vor den Karren spannen lässt. Er entgeht damit aber dem Vorwurf, er sorge nicht ausreichend für die Kunstschätze der Universität, was ihn sonst seinen Job kosten könnte.
Auch für mich steht dort nicht das Paulinum, sondern die Universitätskirche. Sie ist wieder da, wenngleich leider nicht in ihrer alten Gestalt. Dass es sich um ein neues Gebäude handelt, ist nicht zu übersehen, aber meines Erachtens kein Grund das Wort „neu“ im Namen hinzuzufügen. Am Namen eine Debatte über Säkularität zu entfachen, halte ich nicht für gerechtfertigt. Schließlich wird z.B. die Frankfurter Paulskirche auch nicht umbenannt. So eine Debatte lenkt beispielsweise davon ab, in der Glaswand ein Element zu sehen, die „weltliche Aula vor dem Herüberschwappen des Heiligen Geistes aus dem Chorraum zu schützen“ (bitte nicht wörtlich nehmen!).
Die Zerstörung der Universitätskirche war ein Akt kultureller Säuberung, wie danach in Bamian oder jüngst in Palmyra. In all den Fällen, in denen aus ideologischem Hass Kulturgüter zerstört werden, halte ich den originalgetreuen Wiederaufbau für die richtige Antwort, so auch in Leipzig. Hier wurde der Universität ein Teil ihrer so reichen kulturellen Vergangenheit und damit ihrer Identität genommen. Es traf übrigens nicht nur die Universitätskirche, sondern auch das Augusteum. Der Wiederaufbau ist primär eine Frage der Wiedergutmachung und nicht der Trennung von Kirche und Staat.
Eine Debatte über die Stellung der Kirche oder allgemein von Religion in unserem säkularen Staat ist wichtig. Ob die Universitätskirche aber ein Ort für die Begegnung der Religionen sein sollte, wie Pfarrer Wolff meint, wage ich zu bezweifeln. Für geeignet halte ich dagegen eine Begegnung mit der Vergangenheit. Lieber Herr Flade, Sie haben auf die Publikation von Dietrich Koch: „Das Verhör – Zerstörung und Widerstand“ verwiesen. Dietrich Koch gehört zu denjenigen, für welche der Widerstand gegen die Sprengung besonders gravierende Folgen hatte. Und er gehört zweifellos zu denjenigen, die sich besonders engagiert für den Wiederaufbau eingesetzt haben und auch dazu beigetragen haben, dass wenigstens ein Kompromiss zwischen originalgetreuem Wiederaufbau und geschichtsvergessenem Neubau erreicht wurde. Eine Anerkennung dafür hat er nicht erfahren.
Leider hat sich Herr Koch in den vergangenen Jahren mit vielen seiner Argumente ins Abseits manövriert. Ich verweise auf den Zeitzeugen Stefan Welzk, der in seinem Buch „Leipzig 1968. Unser Protest gegen die Kirchensprengung und seine Folgen“ unter der Überschrift „Tiefschlag“ die Rolle von Dietrich und Eckhard Koch sehr kritisch beleuchtet (S. 205ff).
Es ist richtig: Ich war zu keinem Zeitpunkt für einen originalgetreuen Wiederaufbau der Universitätskirche. Darum bin ich auch nicht Mitglied im Paulinerverein. Als ich 2001 den Brief an Herrn Koch geschrieben habe, gab es noch keinen Entwurf für die Bebauung des Campus. Als aber zu Beginn der Bautätigkeit der damalige Kanzler der Universität Leipzig, Frank Nolden, im Januar 2007 verlautbaren ließ: „Die Universität baut eine Aula und keine Kirche“ habe ich mich in die Auseinandersetzung eingemischt – nicht ohne Erfolg. Damit sich jeder ein eigenes Bild machen kann, zitiere ich hier meinen Brief vom 22. April 2001 im Ganzen:
Sehr geehrter Herr Dr. Koch,
haben Sie vielen Dank für Ihren freundlichen Brief und die Zusendung Ihrer Denkschrift, die ich mir nach der Presseveröffentlichung schon besorgt hatte. Ich habe Ihre Denkschrift inzwischen mehrmals gelesen und mit etlichen Freunden darüber diskutiert. Ich sage es Ihnen unumwunden: Ich respektiere sie als Überlegungen zweier Menschen, die in bewundernswerter und mutiger Weise damals ihren Protest gegen die Sprengung der Universitätskirche zum Ausdruck gebracht haben. Ich kann Ihren Schlussfolgerungen aber nicht zustimmen und kann darum auch Ihrer Bitte, mich öffentlich für Ihr Konzept einzusetzen, nicht nachkommen. Vielmehr werde ich wie bisher eine Lösung unterstützen, die beim Neubau eines Audimax die zerstörte Universitätskirche zitiert und dadurch einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur leistet und mahnt, dass eine Gesellschaft, die zulässt, dass Gotteshäuser (Kirchen, Synagogen, Moscheen) zerstört werden, krank ist und der radikalen Erneuerung bedarf.
Zur Begründung meiner Position führe ich die folgenden Punkte an und setze mich darin kritisch mit Ihren Argumenten auseinander:
1 Wenn über zerstörte Gotteshäuser nachgedacht wird, dann kann und darf dies nicht auf die Universitätskirche beschränkt bleiben. Dann muss zuerst und vor allem über den Wiederaufbau der Hauptsynagoge in der Gottschedstraße gesprochen werden! Ich habe mich in den vergangenen Jahren dafür eingesetzt, dass an der Stelle der Hauptsynagoge ein Zentrum jüdischen Lebens entsteht. Wie Sie wissen, haben die Israeltische Religionsgemeinde und die Stadt Leipzig sich auf eine andere Lösung verständigt. Ich würde nicht behaupten wollen, dass damit nachträglich Adolf Hitler und Nazis Recht bekommen.
2 Sie wissen, dass auch unsere St. Thomas-Matthäi-Gemeinde den Verlust eines Gotteshauses einschließlich der unrechtmäßigen Enteignung des Kirchengrundstücks zu beklagen hat. 1998 haben wir für die im Krieg zerstörte Matthäikirche einen Gedenkstein auf dem Matthäikirchhof errichtet, der bei der Umgestaltung des Matthäikirchhofs an die Stelle des Kirchengrundstücks versetzt werden soll. Wir haben aber ganz bewusst auf die Forderung eines Wiederaufbaus der Matthäikirche verzichtet. Wollen Sie uns jetzt unterstellen, wir würden damit nachträglich den Nazis oder der Stasi zum „Sieg“ verhelfen? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Aber leider muss ich so Ihre Unterstellungen auf Seite 14 und 15 verstehen. Ihre Argumentation als richtig unterstellt – wie viele „Adolf Hitler“-Plätze müssten wir in Deutschland haben, weil sie durch Krieg und Zerstörung „Baufreiheit“ geschaffen haben?!? Im Übrigen möchte ich Sie bitten, die Befürworter einer Zitat-Lösung nicht ständig ins moralische Abseits zu stellen. Das ist ungerecht und unangemessen. Weder bin ich ein DDR-Nostalgiker, noch möchte ich das Verbrechen der Sprengung verleugnen, noch lasse ich mir unterstellen, eine „Walter-Ulbricht-Halle“ bauen zu wollen.
3 Sie sprechen auf Seite 14 davon, dass „eine wenigstens teilweise rekonstruierte Universitätskirche … zu einer nationalen Mahn- und Gedenkstätte für den Widerstand gegen die zweite deutsche Diktatur werden (sollte)“, und von „jahrzehntelangem Widerstand der Bevölkerung gegen die SED-Diktatur“. Ist das nicht ein wenig beschönigend? Wo hat es 1968 den Widerstand der Bevölkerung gegeben? Nach wie vor bin ich der festen Überzeugung, dass Diktaturen immer auch auf einem Konsens in der Bevölkerung beruhen. Das christliche Menschenbild verwehrt es mir, aus Menschen Marionetten zu machen und sie aus ihrer Verantwortung für das zu entlassen, was sie zulassen. Sonst hätte jedes Reden von Schuld keinen Sinn. Darum sehe ich die umgekehrte Gefahr: Wenn die Universitätskirche wieder aufgebaut wird, dann besteht die Gefahr, dass das Verbrechen der Sprengung in Vergessenheit gerät. Und darum empfinde ich den Text der jetzigen Gedenktafel als sehr zutreffend, mit dem das Schweigen und Hinnehmen der Sprengung 1968 beklagt wird. Also bitte keine nachträgliche Beschönigung! Im Übrigen hat 1999 der Beitrag Leipzigs zur friedlichen Revolution durch die Nikolaisäule auf dem Nikolaikirchhof eine sichtbare und nachhaltige Würdigung erfahren.
4 Der nachhaltigste „Erfolg“ der DDR-Zeit besteht in der Entchristianisierung der Gesellschaft. Dazu gehören auch die Zerstörung von Gotteshäusern. Ich sehe unsere Aufgabe heute darin, vor allem dieser Entchristianisierung entgegenzuwirken. Dazu wird hoffentlich eines Tages auch der Neubau von Kirchen gehören – dann, wenn wir sie (wieder) brauchen. Bis dahin aber haben wir sehr viel zu tun, den christlichen Glauben als ein glaubwürdiges Angebot sinnstiftender Lebensziele darzustellen und zu vermitteln. Aber hoffentlich wird es nie mehr so sein, dass eine Bevölkerung, die zu 90% aus getauften Christen besteht, Rassismus, Militarismus, Bevormundung und Diktatur zulässt – wie dies in Deutschland im vergangenen Jahrhundert der Fall war.
5 Ich gehe davon aus, dass wir uns darin einig sind, dass die deutsche Teilung, also auch die DDR, eine Folge der Nazi-Diktatur war, die sich dann aber immer mehr verselbstständigt hat. Wenn dem so ist, dann muss bei der Frage, was aus der Universitätskirche wird, auch ihre Rolle wie die Rolle der Universität Leipzig in der Nazi-Zeit untersucht werden. Ich sehe hier noch einen erheblichen Nachholbedarf – nicht um eine Diktatur mit einer anderen zu verrechnen. Das nicht! Aber es ist schon erschreckend, wie wenig die „antifaschistische“ DDR zur Beleuchtung auch ihrer Vorgeschichte beigetragen hat. Ich hoffe also sehr, dass die Debatte um die Neugestaltung der Westseite des Augustus-Platzes sehr viel zur Geschichte der Universität Leipzig zwischen 1933 und 1989 beitragen wird.
Wir werden sicher Gelegenheit haben, über die unterschiedlichen Positionen in Leipzig öffentlich oder auch privat zu diskutieren. Dazu bietet sich unser offener Gesprächsabend „Gott und die Welt“ an. Ich schlage dazu den 10. September oder den 8. Oktober 2001 vor. Ob Sie sich das vorstellen können?
Leider haben sich die Brüder Koch 2001 eine öffentliche Diskussion nicht vorstellen können und meine Einladung nicht angenommen – genauso wie die offiziellen Vertreter/innen der Universität in den Folgejahren. Jedoch hat sich zwischen 2001 und 2017 viel ereignet. Auch habe ich meine Position immer wieder überprüft und geschärft. Heute bin ich froh und dankbar dafür, dass durch das Zusammenwirken vieler, auch mit sehr unterschiedlichen Motiven, nun etwas Großartiges am Augustusplatz entstanden ist: die neue Universitätskirche St. Pauli. Wer hätte das 1990, 2001, 2007 gedacht?
Noch zwei Anmerkungen: 1. Es ist frei erfundener Unsinn (leider vom Kustos ständig kolportiert), dass der Pauliner-Altar in der Thomaskirche schlechten klimatischen Verhältnissen ausgesetzt war und Schaden genommen habe. Gebrauch und Schutz des Pauliner-Altars standen immer im Einklang. 2. Eine Universitätskirche muss heute auch ein Ort interreligiösen Zusammenlebens sein.
Christian Wolff
Sehr geehrter Herr Wolff,
Sie meinen, ich hätte mich in den vergangenen Jahren mit vielen meiner Argumente ins Abseits manövriert, und verweisen auf ein Buch von Stefan Welzk. Sie nennen diese Argumente nicht, und auch in dem genannten Buch sind sie nicht zu finden. Ich kann deshalb nur pauschal erwidern, dass Ihre Behauptung nicht zutrifft.
Es trifft auch nicht zu, dass ich mir 2001 eine öffentliche Diskussion nicht vorstellen konnte und Ihre Einladung nicht angenommen hätte. In der Sache Universitätskirche habe ich viele Persönlichkeiten angesprochen und viele öffentliche und persönliche Diskussionen gehabt. Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine Gelegenheit ausgeschlagen zu haben, über dieses Thema zu diskutieren. Bloß habe ich von Ihnen überhaupt keine solche Einladung bekommen. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass mir Dietrich Koch mitgeteilt hätte, von Ihnen in den offenen Gesprächsabend „Gott und die Welt“ eingeladen worden zu sein. Aber das ist lange her, und Sie schreiben ganz richtig, dass sich zwischen 2001 und 2017 viel ereignet hat.
Die in Ihrem Brief erwähnte Denkschrift aus dem Jahre 2001 sollte dazu beitragen, dass der Nachfolgerbau wenigstens an die gesprengte Universitätskirche erinnert und nicht geschichtsvergessen ein Gebäude errichtet wird, das nicht mehr als Paulinerkirche bezeichnet werden kann. Der Entwurf von van Egeraat, der aus dem zweiten Wettbewerb als Sieger hervorgegangen ist, stellt einen Kompromiss gemäß dieser Forderung dar. Die Denkschrift „Kulturkampf in Leipzig“ aus dem Jahre 2006 befasst sich ausführlich mit diesem Entwurf. Die darin unterbreiteten Vorschläge zur Ausgestaltung beziehen sich noch auf den ursprünglichen Entwurf. Später, als bekannt wurde, was es mit dieser unsäglichen Trennwand auf sich hat, habe ich mich in Diskussionsforen gegen diese ausgesprochen. Da Sie diese Wand ebenfalls ablehnen, werden Sie meine dabei verwendeten Argumente wohl kaum zu denen zählen, mit denen ich mich ins Abseits manövriert hätte, auch wenn unsere Argumente vielleicht nicht deckungsgleich sein mögen.
Sicher sind die klimatischen Verhältnisse in einem klimatisierten Raum besser als in einem nicht klimatisierten. Insofern ist zu verstehen, wenn der Kustos dafür plädiert, den Paulineraltar in einem klimatisierten Raum aufzustellen. Er ist schließlich für die ihm anvertrauten Kunstschätze verantwortlich, unter denen der Paulineraltar eine herausragende Rolle einnimmt. Ich halte trotzdem diese Wand, wenn man sie ab und zu öffnet, auch in raumklimatischer Hinsicht für wenig zweckdienlich. Das will ich hier nicht weiter ausführen. Der Paulineraltar war das Herzstück der Paulinerkirche, und er ist es wieder geworden. Da stört diese Trennwand. Das hatte die Universitätsleitung zu berücksichtigen, als sie über die Trennwand entschieden hat, und ich fürchte, sie hat das auch getan. Von letzten hilflosen Zuckungen des Kustos zu schreiben, halte ich nicht für angebracht.
In Ihrer zweiten Anmerkung meinen Sie, dass eine Universitätskirche heute auch ein Ort interreligiösen Zusammenlebens sein muss. Sie sagen Hiller von Gaertringen nach, er hätte weder die Dimension der Geschichte dieses Raumes begriffen, noch den himmelschreienden Skandal der Sprengung der Universitätskirche im Mai 1968 erfasst und würde penetrant gegen die Geschichte anleben. Diese Meinung teile ich nicht, trotz der unterschiedlichen Meinung zur Trennwand und zur Kanzel, die ohne wenn und aber wieder in die Universitätskirche gehört. Ich halte Gaertringen für einen feinsinnigen Kunsthistoriker, der auch ein gutes kulturhistorisches Verständnis besitzt und zeitgeschichtlich interessiert ist. Meines Wissens hat Gaertringen mehr als Sie dafür getan, dass der Paulineraltar wieder in der Universitätskirche steht. Sie meinen, dieser Raum sei ein besonderer, eben eine Kirche. Aus so einer Äußerung ist nicht gerade die geschichtliche Dimension zu erkennen, die Sie bei Gaertringen zu vermissen meinen. Es ist nicht eben eine Kirche, sondern die wiedererstandene, von Luther geweihte evangelische Universitätskirche, die über Jahrhunderte die Geschichte der Universität mitgeprägt hat, was sich aber in dem Neubau nur unzureichend widerspiegelt.
In Ihrem Brief aus dem Jahre 2001 schreiben Sie, dass der nachhaltigste „Erfolg“ der DDR-Zeit in der Entchristianisierung der Gesellschaft besteht und dass Sie unsere Aufgabe heute darin sehen, vor allem dieser Entchristianisierung entgegenzuwirken. Tatsächlich ist auch nach meiner Ansicht der Werteverfall in unserer Gesellschaft auch dieser Entchristianisierung zuzuschreiben und darin gemäß dem Böckenförde-Diktum eine Gefahr für den Bestand unseres freiheitlichen, säkularisierten Staates zu sehen. Meines Erachtens würde es aber mit der säkularen Verfasstheit unseres Staates und damit auch der Leipziger Universität als einer staatlichen Institution nur schwer zu vereinbaren sein, die Universitätskirche zu einem Ort des interreligiösen Zusammenlebens auszuweiten.
Zu meinem ersten Beitrag in Ihrem Forum hat mich der Hinweis von Jochen Flade auf die humanitären Katastrophen vieler Widerständler veranlasst, die sich dieser Kirchen-Vernichtung entgegenstemmten. Er hatte aus sehr eigenen, persönlich-familiären Erfahrungen Erinnerungskultur angemahnt und in diesem Zusammenhang nochmals auf die Publikation von Dietrich Koch: „Das Verhör – Zerstörung und Widerstand“ verwiesen. Ich weiß, wovon er redet, und Sie könnten es auch wissen, wenn Sie dieses Buch gelesen hätten. Aber Sie verweisen auf ein Buch von Stefan Welzk, in dem dieser Fall nicht enthalten ist und außer über den spektakulären Plakatprotest kaum etwas von anderem Widerstand oder von Massenprotesten zu lesen ist. Dietrich Koch weist in seinem Buch „Kritik an Stefan Welzk: Leipzig 1968 aus der Erfahrung eines Stasihäftlings“ nach, dass Welzks Buch an mehr als 50 Stellen im Widerspruch zur Wahrheit steht. Ich habe ebenfalls das Buch von Stefan Welzk analysiert, unabhängig von Dietrich Koch. Meine Analyse habe ich nicht publiziert, schicke sie aber auf Anforderung gern zu. Der eigentliche Zweck des Buches von Welzk scheint mir die Herabsetzung von Dietrich Koch zu sein. Dagegen haben sich Dietrich Koch und ich gewehrt. Auch mich hat das hat viel Zeit gekostet. An einer Fortsetzung derartigen Streits habe ich kein Interesse, da ich meine Zeit anderweitig nutzen möchte. Ich meine, dass Sie Welzks Buch getrost vergessen können. Hauptinhalte sind sein Lebensweg und der Plakatprotest. Die Vorgeschichte der Vernichtung wird nur sehr kurz abgehandelt, ebenso der Widerstand und andere Proteste. Wenn Sie sich darüber informieren wollen, ist neben dem von Jochen Flade genannten Buch auch Christian Winter: „Gewalt gegen Geschichte“ zu empfehlen.
Geschichte und Erinnerung ist für mich immer noch ein Thema, dem der jetzige Neubau der Universitätskirche verpflichtet sein sollte. Die Präsentation des Paulineraltars, von Epitaphen und hoffentlich auch bald die Kanzel sind mir da als Rahmen für den Ort der Erinnerung zu wenig. Von der späteren Geschichte erwähnten Sie die Zeit des Nationalsozialismus. 1936 gab es Pläne von Lossow und Meissner zur „nationalsozialistischen Umgestaltung“ der Paulinerkirche, die aber zum Glück nicht ausgeführt wurden, so dass die Universitätskirche verschont blieb. Die Universität selbst wurde allerdings „umgestaltet“, und daran sollte man auch erinnern. Unbedingt erinnerungswert ist der studentische Widerstand nach dem Krieg und dann natürlich die Vernichtung der Universitätskirche. Hier lässt sich dann der Bogen von den „Sprenggläubigen“ der DDR-Diktatur zu denen des IS in Palmyra in der Gegenwart spannen. Meines Erachtens würde es sich lohnen, über die erinnerungsgeschichtliche Nutzung der Universitätskirche St. Pauli zu diskutieren. Ich vermute aber, dass keiner der Verantwortungsträger solcherart Erinnerung will.
Mit freundlichen Grüßen
Eckhard Koch
Sehr geehrte Disputanten,
leider erscheint trotz der Richtigkeit etlicher in‘s Feld geführter Argumente diese Art Streit wie Scholastik. Diese gehörte „früher“ auch fest in universitäre Umgebung und Gewohnheit. Heute nicht mehr.
Dass ein prinzipieller Unterschied zwischen Wissen und Glauben besteht und das die lange Friedlichkeit in Europa mit ziemlicher Sicherheit vor allem auf der Orientierung auf säkulare und demokratische Strukturen beruht, die die Trennung von Staat ( = allgemeine Öffentlichkeit) und Kirche/ Religionen als Grundlage braucht, dürfte bei aller Anbetung der Meinungspluralität unbestreitbar sein. Meine Zwischenfrage: Wieso soll eigentlich auch in den Wissenschaften Pluralität zum herrschenden Selbstzweck erhoben werden ? Der kritische wissenschaftliche Streit sollte – natürlich möglichst auf der Basis gegenseitiger genereller Toleranz / Erduldung – doch mit dem Ziel geführt werden, einen möglichst großen gemeinsamen Nenner zu finden, um wesentliche Definitionen und Richtigkeiten festzustellen. Diese Prozesse sind natürlicherweise immer im Fluss . Also auch in Transformation.
Wenn eine saubere Trennung von Staat und Kirchen / Religionen endlich vollständig erreicht werden soll, was zumindest hierzulande einer sicher „überwältigenden“ demokratischen Mehrheit der Bevölkerung als anzustrebende Grundlage des Zusammenlebens DIE BESTE WAHRHEIT darstellt, dann sind öffentliche Gelder und öffentliche Institutionen KEINESFALLS MEHR SO WIE FRÜHER !!! mit irgendeiner Selbstverständlichkeit zur Unterstützung oder gar Förderung und geradezu Bevorzugung religiösen Lebens angebracht. Und ja, insbesondere unter dem völlig überheblichen und geschichtsfremden Selbstdarstellungs-gebaren der Kirchen, sie seien SO, WIE SIE ES AUCH SCHON FRÜHER BEHAUPTET HABEN , die automatische Hüterinstanz für individuelle oder gar gesellschaftliche Moral.
Diese Aspekte der Inanspruchnahme von Gewohnheitsrechten ist unhistorisch und unintelligent. Und in jedem Fall von Wissenschaftsferne durchdrungen.
Also weit außerhalb universitärer Verankerung oder Verflechtung.
Bitte mäßigen Sie sich doch daher ein wenig in der weiteren Diskussion, sehr engagierter Herr Wolff. Sie sind Pfarrer. In der religiösen Instanz Kirche. Nun ja, mit Planstelle St. Pauli. Deshalb auch mit inhaltlicher Fixierung. Aber mehr nicht. Missionierung mittels öffentlicher = herrschaftlicher Geldsummen jedenfalls steht da nicht mehr auf der Agenda – ja früher, da war das so, wie manches, was aber heute anders geworden ist. Gott sei Dank ?? Das kann jeder glauben, aber vor allem auch nicht !
Was soll denn überhaupt das Wort „Religionsphobie“ ? Ist es vielleicht eher „Erfahrung“ oder auch „Ent-Täuschung“ ?
Mit freundlichen Grüßen – und dem Hinweis auf „ unsere“ alten Texte des neuen Testaments: Pharisäer sitzen immer vorn – oder eben wie hier in Leipzig – gerne mitten in der Stadt …aber sie kommen im weiteren Text in der BeWERTUNG durch den eigenen Chef nicht so richtig gut davon. Erinnern Sie sich ?
Matthias Junk, Leipzig, Kenner der alten Unikirche und der Grandiosität ihres Innenlebens – ja, bis hin zu den gewaltigen Klängen in der Mitternachtsmette an vielen Heiligen Abenden unter Trexler…
Lieber Herr Flade,
Sie schreiben, daß Sie den Konflikt nicht begreifen und verstehen. Wie sollte man das auch, wenn Herr von Gaertringen die Sprengung – doch ohne Zweifel richtigerweise – als „tragischen Punkt“ bezeichnet und dafür von Herrn Wolff belehrt wird, daß nichts unterhalb der Vokabel „Skandal“ akzeptierbar sei. Die von Ihnen angeführte Bibelstelle hilft uns ja bei der Frage nach der Wahrheit nicht weiter – die These von der „Pluralität der Wahrheiten“ aber schon: Was eben für den einen (nur) Tragik ist, ist für den anderen Skandal und warum sollten diese beiden Sichten nicht gleichberechtigt nebeneinander stehen? Einen Streit und eine Belehrung sind sie allemal nicht wert.
Und dann verweisen Sie auf den Unrechtscharakter des Regimes der ehemaligen „DDR“; eine Bewertung, die wir ja teilen. Gerade deswegen war es ja damals (vor der Wiedervereinigung) so schlimm, daß die SPD sich für die Auflösung der Zentralen Erfassungsstelle der (westdeutschen) Länderjustizverwaltungen in Salzgitter aussprach: Zitat aus dem „Spiegel“ vom Dezember 1989 (nach Wikipedia): „Vor allem die SPD sah, Wandel durch Annäherung, immer weniger einen Sinn darin, den östlichen Machthabern unentwegt Greueltaten vorzuhalten. Alle SPD-regierten Bundesländer stellten nach und nach ihre Zahlungen für den Behörden-Etat von zur Zeit 250.000 Mark jährlich ein.“ Die Sprengung der Uni-Kirche Leipzig war nur eine von vielen Greueltaten und wenn man heute die Notwendigkeit einer „wiedererstandenen“ Uni-Kirche bezweifelt, so ändert dies nichts an der Einigkeit über diese Feststellung.
Und schließlich fordern Sie eine Diskussion mit „Souveränität, Toleranz und Respekt“ und Wahrhaftigkeit. Wie schön, Herr Flade, daß wir uns hier mal so richtig einig sind und daß wir hier also gemeinsam Probleme haben mit dem Stil von Herrn Wolff in vielen – nicht allen – seiner Beiträge.
Ich jedenfalls achte Ihre Meinung in dieser Frage, die auf persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen beruht. Es sollte ja eigentlich nicht so schwer sein, umgekehrt auch Meinungen zu achten, die eben anders sind. Aber ich weiß – und dies ist nicht auf Sie gemünzt – aus meiner langjährigen (Kampf-)Erfahrung, daß der Streit gegen die Dummheit weder gewonnen werden kann noch je endet.
Mit freundlichemGruß,
Andreas Schwerdtfeger
Zitat aus Beitrag des A. Schwerdtfeger:
„….das Universtätsgebäude einschließllich des Kirchenraumes wurde mit öffentlichen Geldern in einer Stadt gebaut, die kaum noch Christen aufweist; eine Universität heutzutage braucht wohl kaum eine Kirche…“!
An diesem Satzgebäude blieb ich hängen und versuche ihn substantiell zu verstehen.
Dass eine Universität per se keine Kirche braucht, könnte allein schon durch die einstige Existenz der von DDR-SED-Polit-Gewalttätern weggesprengten Universitätskirche Leipzig im Jahre 1968 widerlegt werden!
Noch gibt es in Sachsen ca. 750 000 evangelische Christen.
Dass die Amtskirche bis 2014 ziemlich überhastet eine Reduktion um etwa 50% prognostiziert und damit unaufhörliche Abwendung konstatiert, sollte bei ihr immerhin die drängende Frage aufwerfen, welche tatsächlichen Gründe es für diese Abkehr denn gibt.
Wir andererseits allerorten nicht nur im öffentlichen Raum, aber eben auch dort lautstark bejammert, setzt sich der Islam hier mehr und mehr fest; zwangsläufige Erkenntnis aus meiner Sicht:
Die Schwäche des Einen ist die Stärke des Anderen.
Zurück zum Casus Unikirche versus Paulinum.
Ich erinnere erneut und nachdrücklich daran, dass es in den endlosen Debatten um die Universitätskirche Leipzig geht – nur darum hat es zu gehen – auch im Kontext zur Kirchenflucht.
Und so verstehe ich Chr. Wolff und andere mit analogen Intentionen.
Unlängst warb ich in diesem Wolff`schen Blogportal um Sensibilität, Besinnung und Erinnerungskultur – nicht ohne subjektiv begründeter Emotionen aus sehr eigenen, persönlich-familiären Erfahrungen um die humanitären Katastrophen, die nach der Sprengung der Paulinerkirche viele Widerständler der im Herbst 1989 hinweg gefegten DDR ab 1968 zu erleiden hatten, die sich dieser Kirchen-Vernichtung entgegenstemmten, in extrem rechtsbeugenden Gerichtsverfahren schreckliches erlitten, in Stasigefängnissen verschwanden, durch Einweisungen in psychiatrische Anstalten und Abschiebung in den damaligen Westen für elendige Goldtaler tief entwürdigt wurden.
Und ich hatte die Gelegenheit und nahm sie unmittelbar wahr, Prof. Rudolf Hiller von Gaertringen im Zusammenhang mit der Wiederaufstellung des restaurierten Pauliner-Altars nach der Translokation aus der St. Thomaskirche in den sog. Andachtsraum (!) über diese unseligen Geschehnisse eines mittelbar Betroffenen Hinweise zu vermitteln, die ihn übrigens nach meiner Wahrnehmung offensichtlich bewegten.
Zur Erinnerung sei in diesem Zusammenhang nochmals auf die Publikation von Dietrich Koch: „Das Verhör – Zerstörung und Widerstand“ / Verlag Christoph Hille, Dresden – 2000; 3 Bände verwiesen.
Und was Wahrheit Betrifft, Herr Schwerdtfeger:
Johannes-Evangelium, Kap. 18, Verse 37-38. Dort antwortet doch Pilatur auf Jesus: „Was ist Wahrheit ?“ Denken auch Sie darüber einmal nach und dies im Umgang mit Geschichte, Andersdenkenden und der sogenannten Wahrheit.
Diese Frage sollten Sie sich (und nicht nur Sie) ab und an stellen; vielleicht hätten Sie eine Antwort darauf.
Dass die Paulinerkirche einst eine Universitätskirche war, zur Uni Leipzig gehörte, im Kontext zu einer universitären Bildung ganz offenbar unverzichtbar schien – das ist nach meiner Wahrnehmung die hist. Wahrheit.
Dass sie einst gesprengt wurde, ist wahr und das es gilt, dieses Verbrechen nicht zu relativieren, ist aus unbedingter Würde vor den Opfern, die noch heute leben und leiden, unerlässlich, ja geboten.
Und ob eine Universität in einer Weltstadt wie Leipzig eine Kirche für die Universität braucht (das Bauwerk umhüllt immer auch einen geistlichen und geistigen Inhalt und Anspruch) oder nicht – darüber lohnt es, sich mit Souveränität, Toleranz und Respekt wahrhaftig zu „streiten“.
Ich jedenfalls begreife und verstehe den Konflikt überhaupt nicht, erst recht nicht angesichts der gegenwärtigen Unsäglichkeiten im politischen Alltag und dem Erstarken rechtspopulistischer und anderer Absurditäten.
Hier tut Bildung im weitesten Sinne not – und da sollte eben auch Kirche einen Platz haben – oder ?
Dies alles schreibe ich übrigens bewusst zur Friedensdekade!
alle unpolitisch, nur der Militär ohne Kampferfahrung nicht!
Mir schwant, dass in Leipzig nach dem 11. Gebot nun bald auch das 12. Gebot verkündet werden muss: „Du sollst Deine Kirche selbst bezahlen!“
Was geschehen ist, kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Es ist zwar zulässig, dass das Gebäude in Erinnerung hieran wie eine Kirche aussieht – aber deswegen ist es noch lange keine Kirche! Wenn der Freistaat Sachsen besser sein will als die DDR, dann täte er gut daran, sich an das Grundgesetz zu halten. Wir haben in der Verfassung den Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche. Dieses Prinzip gilt vor allem institutionell, d.h. eine öffentliche Hochschule darf nicht mit einer Kirche verbunden sein. Und erst recht muss diese Trennung bei den Finanzen beachtet werden: Mit Hochschulgeldern darf daher keine Kirche gebaut werden.
„…dass sowohl der Kirchenbau als auch seine Ausstattung schon immer fortwährendem Wandel unterworfen sind…..“
Dies im Zusammenhang mit der Sprengung der Universitätskirche! O weh, Sprache ist Ausdruck des Denkens!
Zunächst einmal möchte ich klarstellen, dass Pfarrer Christian Wolff über eine Ausstellung urteilt, die er nicht gesehen hat: Sie wird erst morgen eröffnet. Man muss also schlussfolgern, dass seine Meinung schon im Vorfeld feststeht und die Auseinandersetzung mit der Ausstellung offenbar entbehrlich wird.
Es steht mir völlig fern, die Bedeutung der Kirchensprengung als Akt der Barbarei und als singuläres Ereignis zu negieren. Sie ist prominent in der Ausstellung vertreten, u. a. durch ein 4 x 3 Meter großes Foto der Sprengung. Ich habe mich seit 15 Jahren mit den Folgen der Sprengung auf die mir anvertrauten Objekte auseinandergesetzt und deren Restaurierung auf den Weg gebracht. Da sind solche Belehrungen wirklich unangebracht.
Wie man historische Ereignisse bewertet, steht auf einem anderen Blatt. Dass die Kirchensprengung einen tragischen Punkt in der Geschichte der Kirche darstellt, ist unbestritten. Umgekehrt kann man m. E. auch nicht leugnen, dass sowohl der Kirchenbau als auch seine Ausstattung schon immer fortwährendem Wandel unterworfen sind. Dieses und nichts anderes besagt der Titel. Der Neubau ist eine neue Phase dieser Geschichte, die in vieler Hinsicht an die Zeit vor 1968 anknüpft.
Und natürlich arbeiten wir in der Kustodie der Universität daran, die Erinnerung an die historische Universitätskirche wachzuhalten bzw. sie jüngeren Generationen, die hier von vielleicht gar nichts wissen, überhaupt erst bewusst zu machen. Dem Tenor des Artikels ist freilich zu entnehmen, dass ich damit bei Herrn Wolff keine Punkte machen kann…
Zunächst einmal danke ich Herrn Hiller von Gaertringen, dass er sich an der Debatte auf diesem Blog beteiligt. Gerne bestätige ich auch, dass ich die Ausstellung bis jetzt nicht gesehen habe. Das ist auch erst morgen möglich. Ich werde sie in den nächsten Tagen besuchen. Hinweisen möchte ich darauf, dass ich mich vor allem mit dem Titel der Ausstellung kritisch auseinandersetze und mit dem bisherigen Wirken des Kustos der Universität Leipzig.
Vor allem ein Satz lässt mich aufhorchen: „Dass die Kirchensprengung einen tragischen Punkt in der Geschichte der Kirche darstellt, ist unbestritten.“ Genau das ist die Sicht, die ich kritisiere. Denn die Kirchensprengung ist kein „tragischer Punkt in der Geschichte der Kirche“, die Sprengung, von der Universität Leipzig gewollt und gefordert ist ein Skandal in der Geschichte der Universität! Das war keine „Transformation“ sondern eine Vernichtungstat. Weil das auch durch Hiller von Gaertringen verleugnet wird, ist es notwendig, dieser geschichtsklitternden Sicht immer wieder entgegenzutreten. Christian Wolff
„Dass die Kirchensprengung einen tragischen Punkt in der Geschichte der Kirche darstellt, ist unbestritten. Umgekehrt kann man m. E. auch nicht leugnen, dass sowohl der Kirchenbau als auch seine Ausstattung schon immer fortwährendem Wandel unterworfen sind.“
RUDOLF HILLER VON GAERTRINGEN 15. NOVEMBER 2017 – 16:25
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Es gibt Sätze, von denen man sich wünscht – hat man sie denn einmal ausgesprochen -, man hätte sie nie gesagt.
Es gibt Sätze, die an einem haften bleiben.
Mitunter für lange Zeit.
Manchmal auf Lebenszeit.
Man muß Herrn Schubert zustimmen, lieber Herr Wolff, auch wenn Sie jede Kritik mit der beleidigten Reaktion beantworten, daß Sie nur „Ihre Meinung äußern“. Es ist eben keine Meinungsäußerung, wenn Sie dem anderen, mit dem Sie nicht übereinstimmen, mit folgenden „Argumenten“ begegnen: verleugnet, Propagandashow, Geschichte auf den Kopf gestellt, Wirklichkeit ideologisch verbogen, teure Schnapsidee, willkürlich, gegen jeden Sachverstand, penetrant, hat weder begriffen noch erfasst, inhaltsloser Widerstand, hilflose Zuckungen, ideologischer Nonsens. Ist das nicht eine großartige Kette von wirklich schlagkräftigen „Argumenten“? Oder ist es vielleicht nicht doch purer Haß und völlige Verbohrtheit? Wie Herr Schubert richtig schreibt, ist die Universität heutzutage kein Raum mehr mit einer kirchlich-religiösen Leitidee; das Universtätsgebäude einschließllich des Kirchenraumes wurde mit öffentlichen Geldern in einer Stadt gebaut, die kaum noch Christen aufweist; eine Universität heutzutage braucht wohl kaum eine Kirche – dann auch noch aufgeweicht für „interreligiöse“ Zwecke, also der Beliebigkeit anheimgegeben –, sondern sie braucht in der Tat einen für vielerlei Zwecke nutzbaren Kultur- und Festsaal. Und auf jeden Fall ist es angebracht, in der Kontroverse sprachlich und argumentativ aufeinander zuzugehen.
Ihre Meinung, lieber Herr Wolff, in Ehren und auch Ihr Streiten für die Kirche und die geschichtliche Gradlinigkeit. Aber gerade die Geschichte kennt weder Wahrheit noch Wirklichkeit; sie ist vielmehr eine Wissenschaft der Interpretation. Der Historiker Stefan Weinfurter hat jüngst im Katalog zur „Päpste-Ausstellung“ in Mannheim den bemerkenswerten Satz geschrieben: „Die Wahrheit, nach der man über Jahrhunderte gestrebt hat, benötigt eine eindeutige und nicht hinterfragbare Instanz, die damit ihrerseits ebenfalls unangreifbar sein muß. Ob wir heute die „Wahrheit an sich“ überhaupt noch brauchen oder noch wollen, ob wir uns heute nicht längst auf eine Pluralität von Wahrheiten ausgerichtet haben, wäre eine ganz andere Frage.“ Ist das nicht eine bemerkenswerte Erkenntnis? Die „Wahrheit“ kann man nur verkünden, wenn man selbst „unangreifbare Instanz“ ist – und das nehmen Sie ja zum Glück für sich nicht in Anspruch, obwohl Ihre Rethorik das vermuten läßt. Aber die „Pluralität von Wahrheiten“ scheinen Sie nicht zu akzeptieren – und doch ist deren Akzeptanz Voraussetzung für die Demokratiefähigkeit eines Menschen. Erst wenn Sie erkennen, daß eine andere Meinung als Ihre – auch zur Frage der Uni-Kirche – den gesamten Katalog von Beleidigungen (siehe oben) nicht nur nicht verdient hat sondern im Gegenteil durchaus ebenso legitim ist wie Ihre Meinung – erst dann sind Sie demokratiefähig und erst dann hat auch Ihre Meinung Gewicht. Es bedarf also einer „Transformation“ des Herrn Wolff.
Ich grüße Sie in diesem Sinne herzlich,
Andreas Schwerdtfeger
Nur eine ergänzende Bemerkung zu den engagierten Worten angesichts der bevorstehenden Eröffnung des Erinnerungs- und Erneuerungs-Neubaues an der Stelle von Universitätskirche und Universitätshauptgebäude:
Auch das letztgenannte Bedeutende Bauwerk Leipziger Universitätsgeschichte, in das wir – Studenten 1956-61 – im kleinsten noch „bespielbaren “ Teil „HÖRSAAL 40“ begeistert geströmt sind, um die Vorlesungen von Hans Mayer, Ernst Bloch und Werner Heisenberg zu hören, wurde nach der Kirchensprengung abgerissen !
Man sollte also wenigstens so viel anerkennen, daß nicht nur eines Kirchenraumes zu gedenken ist, sondern auch einer künstlerisch wertvollen und historisch bedeutenden Aula der Universitas Studii Lipsiens darf an dieser Stelle gedacht werden.
Im Architektenwettbewerb ging es um die Erinnerung an die Kirche, nicht um die Neu-Errichtung einer Kirche. Schon gar nicht um ein Glaubensbekenntnis der Universitätsleitung, -mitarbeiter und der Studierenden.
Um die Begrifflichkeit wurde hart gestritten und ein Kompromiss gefunden. Ein Kompromiss bedeutet immer auch Abstriche, aber er soll einen Streit beenden, der noch mehr Schmerzen verursacht.
Mit Ihrer Scharfmacher-Rhetorik rufen Sie immer wieder die alten Geister wach. Wenn Sie auf Ihrem Standpunkt bestehen, können auch die anderen Parteien nicht mehr mit dem Kompromiss leben.
Das Verhältnis der Universität zur christlichen Glauben hat sich doch im letzten Jahrhundert deutlich geändert. War die Theologie einst Leitwissenschaft und Glaubenseinigkeit selbstverständlich, sieht es heute doch ganz anders aus! Ganz unabhängig von Sprengung und Kulturbarbarei. Ich kenne die Ausstellung inhaltlich nicht, aber Transformation scheint mir ein guter Begriff für den Wandel der Beziehung von Universität und Glauben zu sein. Denn Transformation drückt aus, dass etwas bestehen bleibt, sich dabei aber ändert. Die Ausstellung titel nicht „Verschwinden“ oder „Auslöschen“.
Lassen Sie uns doch lieber aufeinander zugehen. Ist es nicht schön, dass sich ein Kompromiss finden ließ zwischen „keiner Erinnerung“ und „Komplettwiederaufbau“. Architektonisch großartig und mit großer Strahlwirkung. Jeder Tourist kann staunend betrachtend die Geschichte der unglaublichen Sprengung hören.
Und es ist sogar möglich, mitten in der Universität einen Gottesdienst zu feiern! Wäre in heutiger Zeit nicht viel eher eine Bankfiliale (Wirtschaftswissenschaften) oder ein öffentlicher High-Tech-OP (Medizin) an einer Wissenschaftseinrichtung zu erwarten gewesen?
Nachdem ich immer ein Gegner des Baus war, freue ich mich heute, dass die Universität mit dem Bau ein deutliches Zeichen setzt. Erinnerungskultur heißt aber Reflexion nicht Wiederinstandsetzung einer vergangenen Kultur. Eine Ausstellung mit dem Titel „Transformation“ macht mich persönlich daher neugierig, nicht zornig.
Lieber Herr Schubert, damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich bin nicht Teil einer der „Parteien“. Ich war an keiner Entscheidung aktiv beteiligt. Insofern bin ich auch nicht zu irgendwelchen Kompromissen verpflichtet. Ich äußere meine Meinung, für die ich auch niemanden in Anspruch nehme. „Alte Geister“ kann ich auch nicht wachrufen. Denn ich beteilige mich erst seit 2007 an der Debatte um die neue Universitätskirche. Aus allen meinen Einlassungen geht deutlich hervor, dass es mir weder um ein „Glaubensbekenntnis“ noch um eine Kirche als solche geht. Vielmehr befürworte ich ein geistiges und geistliches Zentrum der Universität, genannt neue Universitätskirche St. Pauli. Wenn die Universität nicht so verstockt bis verbohrt gewesen wäre, hätte ich mir an dieser Stelle auch sehr gut ein interreligiösen Raum vorstellen können in der Architektur des 21. Jahrhunderts. Aber in einer solchen Weite war kaum einer der Verantwortlichen bereit zu denken und zu planen. Warum? Weil die Religionsphobie sie daran hinderte. Gegen diese werde ich auch weiterhin meine Stimme erheben und weiter dafür plädieren, dass wir einen Ort, wie den jetzt geschaffenen benötigen, um die grundsätzlichen Debatte zu führen. Beste Grüße Christian Wolff
Leider ist es (noch) nicht so, dass jeder Universitätsgottesdienst in der neuen Universitätskirche gefeiert wird, wie es auch, zwar lange vor meiner Zeit, aber in der alten Universitätskirche üblich war, und danach in der Nikolaikirche. Zwar gibt es einen Rektoratsbeschluss, der das Feiern von Universitätsgottesdiensten an jedem Sonn- und Feiertag zusichert, allerdings auch einen Beschluss, der eine Betriebsruhe zwischen Heiligabend und Neujahr vorsieht. Die Unikirche benötigt während des Betriebs speziell geschultes Personal, da sie technisch einem gut ausgestatteten Veranstaltungsraum gleicht – was offenbar Fluch und Segen gleichzeitig ist. Das speziell geschulte Personal hat aber über die Feiertage frei.
Schon das Schließen und Öffnen der Vorhänge oder das Bewegen der Leinwand darf nur von diesem speziell geschulten Personal durchgeführt werden. Ich bin mir sicher, dass das in der heutigen Zeit aber lediglich eines Knopfdrucks bedarf.
Für mich stellt sich mehr die Frage, warum es nicht möglich ist, die Nutzer der Unikirche, also v.a. Mitglieder der Theologie und Unimusik auch „speziell“ zu schulen, um eben nicht bei jeder Nutzung um Betreuung bitten zu müssen? Immerhin, das Licht darf -nach Einweisung- in Eigenregie ein- und auch wieder ausgeschaltet werden.
Ach, und mit dem benötigten Wachschutz wäre sicherlich auch eine kurzfristige Lösung zu finden…
Danke!
1968 war ich elf Jahre alt. Ich erinnere mich genau, dass in diesem Jahr für meine Eltern und all ihre Freunde die Hoffnung auf eine bessere Welt zerbrach. Die gedämpften Gespräche bei Tisch waren von Enttäuschung, Zorn und auch Depression geprägt.
Das Jahr 1968 bedeutet hierzulande: Einführung der sozialistischen DDR-Verfassung (in der die Führungsrolle der SED festgeschrieben wurde) – Sprengung der Universitätskirche – Niederschlagung des Prager Frühlings. Es gehört auch das fassunglose Entsetzen darüber dazu, was in Vietnam vor den Augen der ganzen Welt geschah.
Hierzulande entstand eine andere 68-er Generation als “nebenan”. Sie gab – 10 Jahre vor den Unruhen in Polen und 20 Jahre vor Gorbatschow – die Hoffnung auf einen Wandel innerhalb des herrschenden Systems auf.
Es wäre spannend, die unterschiedlichen “68-er” aus West und Ost an einem Tisch zu versammeln und miteinander ins Gespräch zu bringen. Vielleicht geschieht das ja schon des öfteren, spätestens im kommenden Jahr wäre es ein Thema. Die Ost-68-er haben sich jedenfalls genau in diesem Jahr von der Vorstellung “Alles ist möglich dem, der glaubt” verabschiedet.