Es war vor 30 Jahren. Ich hatte gerade meine Tätigkeit als Pfarrer an der Thomaskirche Leipzig aufgenommen. In einem der vielen Gespräche, die ich mit dem damaligen Superintendenten Johannes Richter führte, sächsisches Urgestein und Lutheraner vom Scheitel bis zur Sohle, sagte er zu mir: Wenn die DDR nicht implodiert wäre, die evangelische Kirche hätte nicht mehr lange durchgehalten. Auf meine Frage, wieso er zu dieser Einschätzung komme, antwortete er: Wir waren personell ausgebrannt. Die Kirche musste ihr Personal aus einem immer kleiner werdenden Pool rekrutieren. Irgendwann schlägt mangelnde Quantität auch in mangelnde Qualität um. Mich überraschte diese nüchterne Sicht damals, aber sie bestätigte sich auch. Nur: Wenn ich das als „Wessi“ damals geäußert hätte … Sup. Richter aber zeichnete sich durch einen sehr klaren Blick auf die Wirklichkeit aus. Natürlich steht eine solch nüchterne Einschätzung zunächst quer zu der Rolle, die die Kirche und mit ihr etliche Pfarrer*innen Gott sei Dank während der Friedlichen Revolution gespielt haben. Aber Richter wollte mit seiner Einschätzung keine falsche Verklärung betreiben und sich den Blick für die Zukunft nicht verstellen lassen. Werden wir für die kommenden Jahrzehnte das Personal, die Pfarrerinnen und Pfarrer finden, die wir in einer Minderheitskirche benötigen?
Inzwischen ist das von Richter beschriebene Problem zu einem gesamtdeutschen geworden. Mit ungebremster Rasanz nähern wir uns der Situation, die Richter für Ostdeutschland beschrieben hatte: Angesichts des dramatischen Mitgliederschwunds der evangelischen Kirche und der drei ungebremst wirkenden Krisenmomente – Säkularisierung, Verlust der Menschennähe und Missbrauchsskandal vor allem in der katholischen Kirche (aber der Außenstehende differenziert hier nicht mehr) – wird das Reservoir, aus dem Nachwuchs geschöpft werden kann, immer kleiner. Die Zahl der Theologiestudierenden wie derer, die sich als Gemeindediakon*innen ausbilden lassen wollen, schrumpft rapide. Wer will heute noch Pfarrer*in werden? Kann Kirche heute sagen, welche Qualitätsmaßstäbe sie an den Beruf anlegt? Die Krise der Kirche ist Ausdruck einer tiefen Krise des Berufsstands der Pfarrerinnen und Pfarrer. Sie tragen einen wesentlichen Teil der Verantwortung für die jetzt entstandene Situation. Das gilt nicht nur für die derzeit aktiven Pfarrer*innen. Auch diejenigen wie ich selbst, die inzwischen im sog. Ruhestand sind, müssen sich fragen lassen, was sie in den vergangenen Jahrzehnten versäumt haben. Denn die jetzt eingetretene Entwicklung war schon vor fünf Jahrzehnten absehbar! Aber wir haben kollektiv die Augen davor verschlossen.
Was ist zu tun? Wenn es stimmt (was alle seriösen Untersuchungen belegen), dass sich die Bindung an die Kirche vor allem über die Beziehung der Kirchenmitglieder zu den hauptamtlich tätigen Menschen bildet, dann liegt darin sowohl eine (sicher nicht die) Erklärung für die Misere wie ein (sicher nicht der) Schlüssel für den Weg aus der Krise. Nach wie vor spielt also die Stellung des Pfarrers/der Pfarrerin eine zentrale Rolle. Aber wird er/sie ihr noch gerecht? Nun ist mir bewusst: Wer dieses Thema anspricht, setzt sich einem doppelten Vorwurf aus. 1. Er übersieht, dass viele Pfarrer*innen unter schwierigen Bedingungen eine sehr qualifizierte Arbeit leisten; 2. Er betreibt Nestbeschmutzung, hält sich für etwas Besseres. Beide Vorwürfe sind nicht von der Hand zu weisen, sollten aber nicht verhindern, dass wir uns der dramatischen Situation stellen und Auswege suchen müssen. Eines sollten wir sehen: Wie Kirche beurteilt wird, entscheidet sich nicht in den Verwaltungsebenen der Kirchenleitungen, sondern vor Ort durch die konkrete Arbeit und das Auftreten derer, die Kirche repräsentieren und für diese hauptamtlich tätig sind: Pfarrer*innen, Gemeindediakon*innen, Kirchenmusiker*innen, Sozialarbeiter*innen. Mir sagte einmal ein Familienunternehmer, der weltweit große Handelsketten besitzt: Mein Geschäftserfolg ist total abhängig von meinen Filialleitern. Wenn die nicht vor Ort qualifiziert arbeiten, laufen mir die Kunden weg. Das trifft auch für die Kirche zu: Pfarrer*innen sind so etwas wie Filialleiter*innen, sollten auf Kunden- und Angebotsorientierung achten – also die Kirchenmitglieder und die Botschaft im Blick haben. Ihre Kompetenz entscheidet darüber, wie eine Filiale, eine Kirchgemeinde geführt wird. Doch das spielt in den vielfältigen Strukturpapieren kaum eine Rolle – und wenn, dann nur in Form von Stellenumfängen und der/die Pfarrer*in als Umsetzungsfunktionär*in. Was aber eine Kirchgemeinde vor Ort soll, warum es sie geben muss, wofür sie einsteht und welches Personal dafür benötigt wird und wie in Zukunft qualifizierter Nachwuchs rekrutiert werden soll – über all die inhaltlichen Fragen schweigen sich die meisten Strukturpapiere aus.
Leider befördern die berufsständischen Vertretungen der Pfarrer*innen (Pfarrvereine) den inhaltlichen Mangel noch. Sie beschäftigen sich hauptsächlich damit, die angeblichen und tatsächlichen Belastungen der Pfarrer*innen aufzulisten, die Arbeitszeit zu quantifizieren und den Abschied von der unmittelbaren Ansprechbarkeit insbesondere des Gemeindepfarrers und der Gemeindepfarrerin einzuklagen. Kein kritisches Wort dazu, dass mit der inzwischen weit vorangeschrittenen Aufgabe des Pfarrhauses auch das verlorengegangen ist, was gerade im ländlichen Raum wichtig und prägend ist: die Menschennähe. Kein Wunder, dass das dazu führt, das immer mehr Menschen ihre Bindung zur Kirche verlieren. Damit möchte ich nicht nostalgisch alte Zeiten beschwören. Aber wir sollten uns verstärkt fragen, welche auch gesellschaftlichen Folgen es hat, wenn wir die Chancen der Unmittelbarkeit menschlicher Beziehungen und kirchlichen Lebens aufgeben und stattdessen uns in zunehmender Selbstbeschau ergehen.
Wenn Kirche Wege aus der Krise sucht, dann muss sie die Ideenlosigkeit ihrer Strukturreformen schnellstens beenden. Die Kurzform der meisten Strukturpapiere liest sich so: Weil 2030/35 nur noch soundsoviele Menschen der Kirche angehören und das Kirchensteueraufkommen sich um soundsoviele Millionen Euro reduziert, müssen soundsoviele Gebäude aufgegeben, Kirchen geschlossen, Stellen gestrichen werden. Unabhängig davon, dass Kirche natürlich wirtschaftlich arbeiten muss – eine solche „Reduktionsstrategie“ ohne jede Wachstumsperspektive ist der Tod im Topf! Wenn Kirche nicht mehr in der Lage ist, den Kirchenmitgliedern zu verdeutlichen, warum es wichtig, hilfreich, attraktiv ist, der Kirche anzugehören, die Grundwerte des Glaubens im Alltag zu leben, sich als Christ in der Gesellschaft zu erkennen zu geben, wenn Kirche selbst nicht mehr für qualifizierten Nachwuchs sorgt, wenn es ihr an Zukunftsperspektiven mangelt, dann darf sich niemand wundern, dass sich immer mehr Menschen von ihr abwenden.
Ein wesentlicher Schritt aus der Krise wird darin bestehen, dass sich Kirche verstärkt um ihren Nachwuchs kümmert – vor allem im Blick darauf, dass sich Kirche, Gemeinde verwirklicht über analoge und digitale Beziehungen zwischen den Menschen vor Ort. Außerdem gilt es eine lebendige Antwort auf die Frage zu geben: Was habe ich eigentlich von meiner Mitgliedschaft in der Kirche? Warum soll ich Mitglied der Kirche werden? Dabei wird Kirche nicht umhinkommen, die Kompetenzen zu benennen, über die ein Pfarrer/eine Pfarrerin verfügen sollte. Für mich sind es vier:
- theologische, liturgische Kompetenz (das ist Sache der Theologischen Fakultäten und der ersten Ausbildungsphase)
- gesellschaftspolitische Wachheit (politische Bildung muss in den Ausbildungskanon für Pfarrer*innen);
- Kommunikationsfähigkeit in Seelsorge, Unterricht, Verkündigung und im öffentlichen, säkularen Raum (analog und digital; darauf sollte nicht erst in der zweiten Ausbildungsphase der Fokus gerichtet sein);
- wirtschaftliche, personelle, organisatorische Führungskompetenzen.
Der Beruf des*der Pfarrer*in ist höchst anspruchsvoll – und durchaus attraktiv. Wir müssen aufhören, ihn kleinzureden bzw. durch ehrenamtlich Tätige ersetzbar zu machen. Vor allem gilt es, das Theologiestudium wie die zweite Ausbildungsphase kritisch zu überprüfen, ob sie diesen Kompetenzzielen dienen. Es ist meine feste Überzeugung: Ohne eine entschlossene Qualitätsinitiative im Blick auf den Nachwuchs, werden wir die Krise der Kirche nicht bewältigen können. Ohne qualifizierten Nachwuchs kein neues Wachstum!
28 Antworten
Hallo Herr Wolff,
In Ihrem jüngsten Beitrag sprechen Sie ein wichtiges Thema an: Superintendent Richter war sicher ein umsichtiger Mann, sah die wertvollen Impulse seiner Kirche, aber auch die schwachen, die ratlosen Stellen und er war einer jener Theologen, die sehr unvoreingenommen Neues aufnehmen wollen. Mit dieser Offenheit und ehrlichen Umsicht wird er mir in Erinnerung bleiben.
Eine seiner Äußerungen haben Sie hier zum Anlass genommenauf, auf bestimmte Defizite heute hinzuweisen und Richtungen einer notwendig Veränderung zu markieren.
Sicher ist an jedem Ihrer Spiegelstriche etwas dran, aber aus meiner Sicht muss man bei der Analyse in jedem dieser Felder noch präziser werden und ich bin der Meinung, dass EIN Versagen der Kirche in besonderer Weise für die gegenwärtige Situation verantwortlich ist, der eklatante Mangel an glaubwürdiger Theologie und theologisch begründeter Verkündigung.
Aber lassen Sie mich mit den Strukturen unserer Kirche beginnen, die vermutlich immer weniger zum Pfarrdienst heute ermutigen:
Die evangelische Kirche in Deutschland gliedert sich in 20 einzelne Landeskirchen, größer als die Zahl der Bundesländer. Jede Pfarrperson gehört einer bestimmten Landeskirche an und es ist wohl äußerst schwierig, diese Zugehörigkeit zu wechseln. Das geschieht in einer Umgebung, in der normale Fachkräfte sich nicht nur in Deutschland, sondern auch in der EU beruflich relativ frei bewegen können. Als Pfarrperson „gehören“ sie aber ein Berufsleben lang einer einzigen Landeskirche. Diese Struktur führt zu einer maximalen Undurchlässigkeit mit den hieraus folgenden Konsequenzen: Schmoren im Eigenen, Netzwerke und Beziehungen innerhalb einer Landeskirche sind oft wichtiger als Kompetenz. Man kennt sich.
Das alles geschieht in einer Zeit, in der es immer selbstverständlicher wird, örtlich flexibel sein zu wollen und oft flexibel sein zu müssen.
Wer möchte sich als junge(r) Theologe/Theologin darauf einlassen, dass er/sie ein Berufsleben lang an die Grenzen einer Landeskirche gebunden ist? Das ergibt zwangsläufig eine Auslese, bei der diejenigen besondere Vorteile haben, bzw. besonders angezogen werden, die immer „lieber zu Hause“ bleiben. Will die Kirche eine solche Auslese?
So ist es in vielen anderen Bereichen auch: Die Kirche pflegt ein Inselleben, auch eine Inselsprache. Wer kennt allein nur die Titel der Leitenden Geistlichen innerhalb der EKD? Es gibt Bischöfe, Superintenden, Kirchenpräsidenten, Pröpste, Dekane, Generalsuperintendenten, Regionalbischöfe, Ratsvorsitzende, Präsidies usw usw. , noch dazu mit ganz unterschiedlicher Bedeutung der Titel in den einzelnen Landeskirchen. So ist ein Propst in der EKBO etwas ganz anderes als ein Propst in der EKHN.
Die Landeskirchen in Deutschland sind verbunden in dem Zusammenschluss zur Evangelischen Kirche in Deutschland EKD. Aber es gibt auch einen Extra-Zusammenschluss der unierten evangelischen Kirchen und noch einen der lutherischen Landeskirchen und einen Zusammenschluss der reformierten Gemeinden Deutschlands. Außenstehende werden sich fragen: Was soll das?
Das Inselleben der Kirche wird auch darin deutlich, dass sie sich oftmals überaus schwer tut, in einer partnerschaftlichen Haltung auf gleicher Augenhöhe zu kooperieren.
Das gravierendste Defizit der Kirche, wie ich finde, ist indes ihr eklatanter Mangel an glaubwürdiger Theologie und Verkündigung.
Ich möchte hier nicht zu einer Pfarrerschelte ausholen, aber Predigten verkümmern immermehr zu theologischem Small Talk: Oft nimmt jemand einen Vers aus NT oder AT, erzählt ein wenig von eigenen Geschichten, nicht selten wird nebenbei galant der hohe soziale Status der eigenen Familie oder die besondere eigene Bedeutung mitgeteilt, und deutet mit all dem, im Stile einer einfachen Übertragung, die Gegenwart „im Licht der biblischen Botschaft.“
Eine Reflexion des fast 2000 jährigen Abstands, des Charakter historischer Erzählungen als Verkündigung, eine fundierte Auseinandersetzung mit dem was uns heute vom Damals trennt, eine Reflexion des Verhältnisses von NT zu AT, etc. etc., findet immer weniger statt.
Kurzum, es fehlt Theologie.
Oft hören wir in Predigten von Einzelaussagen, die nicht zusammenstimmen und kein glaubwürdiges Gottesbild ergeben, z.B.
Die Allmacht Gottes und die Gottlosigkeit/Machtlosigkeit Gottes in der Welterfahrung.
Das Wesen Gottes als Liebe und die Tragik der Lieblosigkeit seiner Schöpfung.
Auch die Behauptung, dass Gott das Leben von Menschen führe, endet in drastischen Aporien: Wenn ein Gott das tun würde, warum führt dieser Gott dann die einen in den Abgrund und die anderen in ein wohliges Leben? Womit hätte jemand diese Vorsehung als Fluch oder Segen verdient?
Darauf haben Predigende kaum eine Antwort und behaupten oftmals, die Aporie müsse man aushalten, als ob logische Widersprüche durch „aushalten“ beseitigt werden könnten.
Manche nehmen für sich in Anspruch, Gott ganz nahe zu sein. Welchem Gott denn, dem Gott, der Liebe ist, oder dem, der angeblich verborgen dunkel sein soll? Was verdient es denn überhaupt „Gotteserfahrung“ genannt zu werden?
Es wäre eine zentrale Aufgabe der Kirche eine glaubwürdige Theologie zu formulieren, eine Theologie, die hilft zu verstehen, eine Theologie, durch die Gott glaubwürdig verstanden werden kann. Stattdessen finden wir weit auseinanderliegende Deutungen. z.B.:
In der gegenwärtigen Situation sehen wir einen maximalen Spagat in der Beurteilung angemessener Handlungen gegenüber der putinrussischen Agression in der Ukraine. Das Spektrum reicht von der Zustimmung zu Waffenlieferungen bis hin zur strikten Ablehnung einer solchen, gar mit dem Hinweis des Friedensbeauftragten, einem Bischof, dass man „manchmal einfach nur in der Zuschauerrolle“ bleiben müsse. An anderer Stelle Ihres Blogs wissen Sie von meiner eindeutigen Haltung, hier kommt es mir auf den grundsätzlichen Grad der theologischen Begründung an.
All die Stellungnahmen werden oft ohne vertiefte theologische Reflexion vorgetragen, sie sind Meinungen, die ohne theologische Tiefe auch keine Richtschnur sein können. Das ist das Gegenteil von dem was Kirche doch gerne tun möchte, „Orientierung“ geben zu wollen. Ohne eine Rückkehr zur theologischen Reflexion ist die Kirche ohne Kraft. Ich wundere mich nur, dass Theologen partout keine Theologie treiben möchten und denken, dass Sie modern seien, wenn sie mit nicht allzu tiefgründigen Reflexionen meinen, überall in der Welt und zu der Welt das Wesentliche sagen zu können. Da ist viel Hybris, aber auch eine Vergessenheit der eigenen, der theologischen, Aufgabe.
Und wenn es intellektuell schwierig wird, flüchten sich viele in Gottes Geheimnis. Na ja.
Oft zeigt das eher die Orientierungslosigkeit der selbsternannten Orientierungsbeauftragten.
Eine glaubwürdige Theologie und die Verkündigung eines glaubwürdigen Gottesglaubens kann wohl durch nichts anderes ersetzt werden, durch keine noch so flotte „Auf-die-Menschen-zugehen-Methode“
Dieser theologische elementare Dienst für den Glauben findet indes keine wirkliche Beachtung.
Gelegentlich habe ich Predigten von Eberhard Jüngel gehört oder gelesen. Man konnte ihm folgen und es war, als wäre auch ein Gott da, nah, gegenwärtig, wenn er sich in einem klaren aporiefreien Denken bemüht hat, Gott zur Sprache zu bringen.
Diese Erfahrung fehlt mir. Warum soll ich dann in einen Gottesdienst gehen? Um widerum nichts Neues zu hören?
Das Problem der Kirche ist in erster Linie das Versagen in Ihrer Kernaufgabe, der Verkündigung eines glaubwürdigen Glaubens, die Rede von Gott, so, dass ein Gottesglaube glaubwürdig verstanden und gelebt werden kann.
In meinem Zusammenhang spüre ich meist sehr gut, wenn mir ein anderer Mensch, ein Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin, ein Kollege/Kollegin, mir wirklich etwas zu sagen hat. Dann reden Menschen frei, überzeugt, offen, authentisch, in einem Wort: echt. Das spürt man.
In der Kirche spüre ich oft viel Unechtes: Gebete werden abgelesen, die Gebete sind vorher wohlgeformt, allumfassend usw. usw. Ist das echt? Ist das menschlich? Predigende trauen sich kaum, eigene Gedanken zu äußern, nur das, was sie vorher schön klingend aufgeschrieben haben. Das wirkt dann oft sehr unecht und verklemmt, weil man spürt, dass jemand ganz viel zu sagen haben will, aber doch wieder in Formeln endet.
Beim Segen hörte ich oft eine Leierstimme, aber keine Stimme, die mich umarmt, die mir etwas geben will. Evangelische Gottesdienste sind nicht selten erschreckend geistlos, spürbar gottlos. Ich möchte das keinem Predigenden persönlich vorwerfen, aber es zeigt einfach die theologieferne und geistlose Kultur der evangelischen Kirche
Ja, ich bin der Meinung, dass man in katholischen Gottesdiensten wenigstens spürt, dass es einen Gott gibt.
Und ich weiß garnicht, ob noch viele in der evangelischen Kirche wissen, dass der Glaube aus dem Wort kommt. Es können nicht viele sein, sonst müsste man ja sehen können, wie in Zeiten schwindender Bedeutung des Glaubens, um eine Theologie gerungen wird, die zu Worten führt, die glaubwürdig genannt zu werden verdienen.
Martin Haberland
Plätzsch behauptet – 30. Juni 13.48h – die Verantwortung für die Erosion der Bundeswehr trügen CDU-Minister, „insbesondere Guttenberg mit der Aussetzung der Wehpflicht“. Diese letztere war wohl u.a. angesichts der zunehmenden Ungerechtigkeit des Systems, der nur durch eine Verkürzung der Wehrpflicht und damit eine Verminderung der Ausbildungszeit ins Unsinnige hätte begegnet werden können, unvermeidbar, wenn auch für unser Land und die Bundeswehr fatal.
Aber das ganze Argument ist falsch: Die Verantwortung für die Einsatzbereitschaft von Streitkräften teilen sich die Außenminister und die Verteidigungsminister – der Außenminister nämlich trägt Verantwortung, denn Streitkräfte sind ja kein Selbstzweck, sondern SEIN Instrument. ER (oder sie) hat die Verantwortung für den Erhalt dieses Instrumentes bezogen auf die außenpolitischen Ziele und Verpflichtungen des Staates. Und wer waren in 12 Jahren Merkel-Regierung die Außenminister? Natürlich exkulpiert dies nicht die Verteidigungsminister der CDU (auch nicht die Kanzlerin). Aber sie mußten mit dem auskommen, was mit einem Koalitionspartner SPD machbar war – und dieser hat konsequent eine vernünftige finanzielle und materielle Ausstattung der Bundeswehr aus ideologischen und populistischen Gründen im Parlament verhindert und das von ihr selbst (mit-)beschlossene 2%-Ziel sabotiert. Erst dies hat ja den ungeheuren Investitionsstau von heute verursacht.
Und Plätzsch behauptet, ich betonte eine „hohe Autorität“ von Pfarrern und begründete dies mit Ansehensfragen. Er merkt hier nicht, daß es nicht um Populismus geht, sondern um die Autorität, die eine Institution ihren Angehörigen mit dem Amt verleiht (unabhängig davon, wie diese Autorität in der Öffentlichkeit beurteilt wird). Ein Pfarrer spricht eben immer auch als Mitglied der Kirche, so wie ein Polizist immer auch als Mitglied der Polizei, ein Abgeordneter immer als Mitglied seines Parlaments, ein Gewerkschaftsführer als Mitglied der Gewerkschaft, etc. spricht. Wolff schreibt uns, sein Status als „Pfarrer iR“ bedeute, „dass ich meine geistlichen Rechte (Gottesdienste, Kasualien wie Taufen, Trauungen, Beerdigungen) behalte.“ Er bestätigt also, daß er Handlungen ausübt, zu denen nur die Kirche ihn berechtigt, die nur im Rahmen der Kirchenlehre Bedeutung haben und die nur rechtmäßig von von der Kirche dazu beauftragten Menschen ausgeführt werden dürfen – was mehr brauchen wir also: Er handelt als Pfarrer, beansprucht die Autorität der Kirche für seine Handlungen (egal wie hoch diese Autorität anerkannt ist) und legitimiert sich über seine Eigenschaft als „Pfarrer iR“. Und dann vermischt er dieses alles, indem er seine von ihm allseitig bekannt gemachte Eigenschaft als Pfarrer zu politisch einseitigen Äußerungen mißbraucht. Und damit – hier ist der Bezug zum Thema – vertreibt er Menschen aus der Kirche, die seine politische Polemik eben nicht mögen.
Dies alles, Herr Käfer, ist Logik und Argument – ich warte auf sachliche Gegenargumente. Aber Sie, um im Bild zu bleiben, gehen ja nicht ins feine französische Restaurant, sondern bleiben an der Bratwurstbude stehen.
In diesem fröhlichen Sinne grüße ich Sie,
Andreas Schwerdtfeger
Versuch eines Märchens
Es war einmal ein alter, weißer Mann. Er diente seinem Land und obersten Dienstherrn sein Leben lang in vielen Funktionen klug und treu.
Als er aber schließlich in den Ruhestand versetzt wird, macht er es sich zur Gewohnheit, regelmäßig ein erstklassiges Restaurant mit französischer Küche zu besuchen.
Kaum betritt er dieses, poltert er lauthals los: die Küche sei zwar prinzipiell nicht schlecht, es schmecke ihm hier jedoch absolut nicht, da regelmäßig Gewürze eingesetzt würden, die er nicht möge; auch seien die Portionen mal zu klein, mal zu groß. Die Betreiber des Restaurants sollten sich gefälligst überlegen, ob sie zur Abwechslung nicht auch mal italienische, spanische oder chinesische Küche anbieten könnten…
Und die meisten Gäste seien auch bloß ahnungslose Nahrungs-Konsumenten, die den Menu-Vorschlägen des Gastgebers hirn- und kritiklos folgten…
So ging das über Jahre.
Und wenn sie nicht gestorben sind, geht unser alter, weißer Mann noch immer regelmäßig in dieses Restaurant, poltert mit den stets gleichbleibenden Argumenten gegen Gastgeber und Gäste, es sei denn, einer der seltenen Dr. Jekyll-Momente besänftigt sein Wesen für kurze Zeit….
Lieber Herr Käfer,
Ihre Phantasie verdient eine 5.Sterne-Wertung und ich beglückwünsche Sie.
Schade nur, daß jeder Ihrer Beiträge nichts zur inhaltlichen Diskussion über das jeweilige Thema beiträgt, sondern sich eben immer nur mit meiner Person beschäftigt. Das zeigt leider Ihre ganze Unsicherheit, Ihre Komplexe, Ihre Unkenntnis. Ich vertrete hier klare, nachvollziehbare und durch Fakten untermauerte Meinungen, die im übrigen von vielen in unserem Lande aus allen politischen Denkrichtungen geteilt werden, ebenso wie es selbstverständlich auch andere Überzeugungen gibt. Sie aber gehören leider in keine der beiden Kategorien, sondern glänzen nur durch Ihre Phantasie. Wenn’s Ihnen reicht! Mir liegt mehr an sachlicher Diskussion mit guten Argumenten – und die, leider, kann man mit Ihnen wohl nicht führen.
Abndreas Schwerdtfeger
Viele der Überlegungen dieses Beitrags teile ich mit großer Zustimmung, weil ich ähnliche Erfahrungen schon länger beobachte und durch die Situation der Pandemie noch einmal verdichtet sah.
In meinem eigenen ehrenamtlichen Engagement habe ich oft genug wahrgenommen, dass die Qualitätsfrage ein absolutes Tabuthema auf allen Ebenen ist. Daran wird immer und immer wieder gekonnt vorbeidiskutiert, obwohl doch allen bewusst sein müsste, dass das Thema wie ein rosa Elefant im Raum steht. Gerade auch bei ehrenamtlichen Organistendiensten erlebt man Dinge, die wahrscheinlich keine Visitationskommission je zu Gesicht kriegen wird.
Die Aussage, dass die Choralbegleitung zu schnell zum Singen war, geht als Nachbetrachtung schneller über die Lippen, als dass geäußert würde: die Predigt war nichtssagend, der Ablauf schlecht vorbereitet etc. Dafür gibt es doch im Grunde keinen offenen Raum der Auswertung. Dabei geht es ja keinesfalls um ein „Niedermachen“, sondern vielmehr um ein Besserwerden.
Unsere damalige Landesbischöfin griff vor einigen Jahren das Thema Gottesdienstkultur in einem ihrer Synodenberichte auf: und zwar aus meiner Sicht seitenweise am Thema vorbei. Es ging darin um (niederschwellige) Form, ohne als erstes nach Zielgruppe (Niederschwelligkeit scheint mir schlicht kein Wert an sich) und Qualität zu fragen. Um im Wirtschaftsbild aus dem Beitrag zu sprechen, sollte doch die erste Überlegung sein, was man wie an welche Leute bringen will (und welche Nachfrage da besteht) und nicht, Hauptsache egal was und egal wem billig anzubieten. Ich habe ihr daraufhin einen längeren Brief geschrieben, um darüber vll eine solche inhaltliche Auseinandersetzung anzustoßen. Den hat sie sinngemäß so beantwortet: Schön, dass sie sich als junger Mensch so engagiert zu dem Thema äußern, ich leite das gern an den Referenten xy weiter, der sich dann bei ihnen melden wird. Das geschah aber nie. Da fragt man sich doch, warum das Thema überhaupt angestoßen wird, wenn man auf Diskussionen dazu nicht eingeht.
Mir ist bewusst, dass nicht alle Menschen denselben „Gottesdienstgeschmack“ haben wie ich. Ich habe aber immer öfter das Gefühl, dass man auch diese Ausdifferenzierung viel zu selten zielgruppenorientiert und qualitätsbezogen anschaut, sodass oft genug neue Formate ins Blaue geschossen werden, die aber auch wieder nur vom harten Kern besucht werden. Am Ende gibt man sich schlicht damit zufrieden: Es waren doch Leute da. Ja, schon: Die, die eben immer kommen.
In und nach den Lockdowns beobachte ich zudem: Wenn die Selbstverständlichkeit des sonntäglichen Gottesdienstangebotes erst einmal zur Disposition stand und man sich anderweitig sein geistliches Leben gestaltet (z.B. Wochenlesungen selbst lesen, Onlineformate, Hausandachten zu den größeren Festen) frage ich mich inzwischen doch öfter mal, ob ich das analoge Angebot vor Ort brauche, wenn die Qualität nicht überzeugt. Dabei bin ich nicht so überheblich, überall alles zu erwarten, aber man merkt ja doch schnell, wenn die Authentizität fehlt oder Potentiale nicht ausgeschöpft werden, sondern Lieblosigkeit durch pfarrherrliche Attitüde überspielt wird.
Nebenbei: Digitalität ist in diesem Zusammenhang auch kein Wert an sich, wenn sich analoge Defizite schlicht in den digitalen Raum übersetzen.
Man braucht auch nicht viel Sensibilität, um mitzubekommen, dass das keine Einzelwahrnehmungen sind. Oft wird das aber leider mit der Plattitüde abgetan: Solche Ansprüche nehmen doch die meisten garnicht wahr. Dieser Arroganz würde ich nicht vertrauen bzw. gehe ich davon aus: Selbst, wenn man das alles an sich nicht merkt, aber die Unterschiede werden doch mindestens wahrgenommen. Und vielleicht ist es eben gerade die Verantwortung der Hauptamtlichen, den Anspruch zu haben, diesen Unterschied auszumachen, zumal oft genug auch Vergleichsbasis besteht.
Im krassesten Fall denkt man sich dann eben auch: Das Benzin hätte sich der Bischof für seinen Predigtbesuch sparen können. Da sollte dann auch kein Blumenstrauß zum Abschied darüber hinwegtäuschen, dass die einhellige Meinung sein kann: Diese Predigt war einfach nichts! Umgekehrt kann die engagierte Lektorin positivere Resonanz auslösen. Schlimm nur, wenn das kaum reflektiert wird, dass der eine das Amt vor sich herträgt und die andere das Ehrenamt beflügelt.
Wenn ich mit einem Freund auf unser vergangenes ehrenamtliches Engagement in einem gemeindlichen Gremium zurückblicke, dann sind wir einerseits immer ziemlich begeistert, was alles möglich war. Und andererseits ziemlich ernüchtert, wieviel rückwirkend vor die Hunde gehen kann. Dabei geht es nicht darum, nicht damit leben zu können, dass dann andere schlicht Dinge anders machen, sondern dass in puncto Fehleranalyse und Qualitätsmanagement keine Kultur herrscht. Insbesondere keine Kultur hinsichtlich ordnungsgemäßer Übergabe von Aufgaben und Abläufen.
Das Ganze soll jetzt nicht der Abgesang auf die Kirche sein, aber soll unterstreichen, dass das Thema doch wesentlich öfter wahrgenommen, als ihm offizielle Beachtung geschenkt wird.
Lieber Herr von Heydebreck,
es bleibt die Tragik eines ansonsten ja durchaus intelligenten Menschen, daß er trotz zahlreicher Hinweise nicht merkt, wie er unentwegt – wie Sie richtig feststellen – „Bibelinterpretationen mit parteipolitischen Aussagen“ vermischt, wenn auch vielleicht nicht in seinen Predigten, sondern eben hier im Blog. Zwar darf man natürlich auch als Pfarrer SPD-Mitglied sein. Um Schaden von der Kirche im hier diskutierten Sinne, Mitglieder- und Nachwuchsschwund, zu wenden, wäre es allerdings geboten, diese beiden Eigenschaften, Vertreter einer Kirche und Mitglied einer Partei zu sein, säuberlich voneinander zu trennen. Betriebe Wolff einen Blog als Pfarrer iR in kirchlich-biblischen Fragen und unabhängig davon einen zweiten als „Herr Wolff“ mit parteipolitischen Aussagen, so wäre dies tadellos. So wie es ist, mißbraucht Wolff die ihm von der Kirche verliehene Autorität als Pfarrer für seine parteipolitischen Ziele und das ist unsauber und schadet der Kirche, wie Sie es richtig beschrieben haben. Denn es ist klar, daß man in der Kirche seelische Tröstung, ethische Anleitung – was auch immer sonst noch – sucht, nicht aber politische Belehrung und daß eine so aggressive und intolerante Festsetzung dieser (politischen) Meinung, wie Wolff sie betreibt, noch zusätzlich entfremdet.
Wenn dann dazu noch so feinsinnig-polemische, aber eben in ihrer beabsichtigten Wirkung hetzerische Feststellungen kommen, wie seine Nr 3 (28. Juni, 9:52h): „Merkwürdig, dass diejenigen, die in Sachen § 218 sehr schnell bei der Hand sind mit dem 5. Gebot, sehr schweigsam sind (vor allem die Evangelikalen in den USA), wenn es um Waffenhandel, Hochrüstung, Krieg geht“ – dann erkennt man zudem noch, daß dieser Mann bei aller Wertschätzung seiner religiösen Beiträge in Sachen Politik keinen Realitätssinn hat: Was für die Evangelikalen in den USA ja noch zutreffen mag, verallgemeinert er hier durch den Einschub „vor allem“ zu einer Aussage, die für jeden anderen auch gelten soll, und das zeigt, das Wolff eben politisch gar nicht begreift, wie die Welt funktioniert, obwohl er doch das Beispiel Ukraine vor Augen hat. Daß der Pfarrer Waffen nicht mag, ist nachvollziehbar; daß der Politiker (im Gegensatz dazu und zu Pazifisten, die ja Verantwortung für andere ablehnen – wir hatten das schon) Waffen zur Durchsetzung gerade auch einer friedenssuchenden Politik braucht, ist völlig klar und schon dadurch bewiesen, daß die größten politischen Friedensprediger in unserem Lande, die für die jahrelange Erosion der Bundeswehr die Verantwortung tragen – SPD und Grüne – jetzt nicht nur die Zeiten- sondern auch die eigene Kehrtwende in die Realität geschafft haben und gar nicht schnell genug „dabei“ sein können.
Mit herzlichem Gruß,
Andreas Schwerdtfeger
„mißbraucht Wolff die ihm von der Kirche verliehene Autorität als Pfarrer für seine parteipolitischen Ziele“
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Herr Wolff hat dargelegt, dass er in seinen Predigten nie Parteipolitik betrieben hat. Er hat keinerlei kirchliche Funktionen mehr und tritt hier als Privatmann auf. Es ist Ihr Problem, Herr Schwerdtfeger, wenn Sie Herrn Wolff eine besondere Autorität „als von der Kirche verliehen“ zuschreiben.
Unser kleiner Besserwisser (nett gemeint) ist wieder mal nicht à jour! Herr Wolff predigt nach wie vor in Kirchen und bei anderen Anlässen; er selbst hat hier mit Recht und richtig ausgeführt, daß man Pfarrer „auf Lebenszeit“ ist, auch im Ruhestand. „Keine kirchlichen Funktionen mehr“? Ich wundere mich, daß er nicht selbst protestiert und dies richtig stellt.
Selbstverständlich verleiht das Amt neben der persönlichen auch institutionelle Autorität, die vom „Apparat“, dem man angehört, ausgeht – insbesondere dann, wenn man unentwegt (und auch durch Ausweis im Impressum des Blogs) expressis verbis darauf hinweist und diese Autorität auch bewußt instrumentalisiert. Selbstverständlich also stützen sich deshalb auch Äußerungen, die man unter Hinweis auf dieses Amt vornimmt, zum Teil auch auf diese Autorität.
Daß man seine verschiedenen Funktionen sprachlich und sachlich besser trennt, hat ja gerade in einem zugegeben anders gelagerten, aber durchaus vergleichbaren Fall das Bundesverfassungsbericht im Hinblick auf Merkel-Äußerungen bestätigt, die eben auch nicht zwischen zwei „Eigenschaften“ – Amtsträger und Parteimitglied – unterschieden hat.
Andreas Schwerdtfeger
Tja, auch wenn jemand sich verbal mit der Aura umgibt, (fast) alles zu wissen und immer richtig zu liegen, bedeutet das nicht, dass ihm das auch immer gelingt. Darum noch einmal für alle: Ich bekleide weder in der Kirche noch in der SPD ein Amt oder eine Funktion. Beruflich lebe ich „im Ruhestand“. Die offizielle Bezeichnung dafür ist: Pfarrer i.R., das bedeutet, dass ich meine geistlichen Rechte (Gottesdienste, Kasualien wie Taufen, Trauungen, Beerdigungen) behalte, aber zu nichts verpflichtet bin oder verpflichtet werden kann, aber auch keine Ansprüche stellen kann. Insofern hat Herr Plätzsch völlig trecht. Christian Wolff
Es ist schade, Herr Wolff, daß Sie einen simplen Tatbestand, zu dessen Erkenntnis man sich gar nicht „mit der Aura … , (fast) alles zu wissen“, umgeben muß, nicht anerkennen können. Es geht nicht um die Frage, welches Amt Sie ausüben oder wozu Sie verpflichtet werden können oder nicht. Es geht um die simple Tatsache, daß Sie Ihre parteipolitischen Meinungen unter der Überschrift „Pfarrer iR“ äußern und damit die Autorität der Kirche in Anspruch nehmen. Ganz einfach – und Plätzsch hat insofern Unrecht.
Andreas Schwerdtfeger
Och nee, Herr Schwerdtfeger, meine Meinung äußere ich unter meinem Namen und füge die Berufsbezeichnung dazu – ganz simpel und gar nicht schwer zu verstehen.
„politischen Friedensprediger in unserem Lande, die für die jahrelange Erosion der Bundeswehr die Verantwortung tragen – SPD und Grüne“
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Die Verantwortung für die Erosion der Bundeswehr tragen insbesondere die Minister der CDU/CSU, z. B. K.-T zu Guttenberg mit der Aussetzung der Wehrpflicht.
Ich weiß gar nicht woher Sie die hohe Autorität von Pfarrern nehmen. Unter den zehn angesehensten Berufen (8. Platz Müllmänner) tauchen sie jedenfalls nicht auf.
https://www.suedkurier.de/ueberregional/panorama/Diese-zehn-Berufe-geniessen-bei-den-Deutschen-das-hoechste-Ansehen;art409965,10420188
Vor nicht allzu langer Zeit, Herr Wolff, schrieben Sie mir, meine Bewertungen störten Sie. Jetzt bewerten und abwerten („Sätzchen“) Sie selbst die Meinung anderer mal so eben als „reißerisch“ und machen auch sonst kurzen Prozeß mit der Meinung Anderer. In der Sache (219a) bin ich ja auf Ihrer Seite (es war einfach Unsinn, die Vorstellung einer Knieoperation als Information, die einer Abtreibung als „Werbung“ zu bestimmen), im Stil aber bleiben Sie sich selbst treu, alle anderen Meinungen herrisch abzuqualifizieren und kompromißlos festzulegen, was richtig ist. Da wird die Jugend gemäß Käfers Vorschlag mit Begeisterung zum Thomas-Kirchhof eilen!
Man muß Hahne nicht mögen; man muß mit Heydebreck nicht übereinstimmen. Dessen Argument aber, gerade Sie stiessen andersdenkende Gemeindeglieder durch das Betreiben von Parteipolitik vor den Kopf und verlören sie, ist nicht von der Hand zu weisen, und, wie ich schon oft schrieb, der entscheidende, weil polarisierende, Fehler der evangelischen Kirche im Umgang mit ihren Mitgliedern. Es ist ein zunehmendes Problem unserer Demokratie, daß Rechthaberei Diskussion ersetzt – bewiesen sowohl durch die Vielzahl unsinniger Demonstrationen, die ja gerade dem Gespräch ausweichen und es stattdessen durch einseitiges Plakathochhalten und besserwisserische Reden ersetzen, und durch die Zurückweisung von Argumenten in Ihrem Stil, der nicht den Austausch sucht, sondern die Rechthaberei zum Prinzip erhebt. Es ist die Tragik Ihres Blogs, daß Sie selbst und Ihre Unterstützer unentwegt in dem Stil argumentieren, den Sie aggressiv und moralisierend anderen vorwerfen.
Andreas Schwerdtfeger
Seit ich zur Thomasgemeinde in Leipzig gehöre, beschäftigt mich die Frage der Zukunftsperspektive der beiden christlichen Kirchen in Deutschland immer einmal wieder.
In meiner eigenen Familie bin ich mittlerweile ein Exot, der noch Kirchenmitglied, bzw. so „dumm“ ist, Kirchensteuer zu bezahlen (wie die meisten anderen denken/sagen). Für mich sind die Hauptgründe: Meinungsstarke, gegenwartsbezogene Pfarrer*innen, das (kirchen-) musikalische Angebot und weiterführende Aktivitäten (z.B. Thomasforum, Aufruf 2019, Christian’s Blog…). Mehr als einmal habe ich in den vergangenen Monaten nach einem Gottesdienstbesuch über Predigttexte mit meiner Frau diskutiert; eine Erfahrung, die ich in 50 Jahren zuvor praktisch nie gemacht hatte.
Christian hebt in seinem Beitrag ab auf die notwendigen Kompetenzen zukünftiger Pfarrer*innen, die schwindende Anzahl an Nachwuchs, zeitgemäße Ausbildungsinhalte und Führungswillen. Sein Hinweis auf den Familienunternehmer und dessen Filialleiter trifft meinen persönlichen Hintergrund als Betriebswirtschaftler mit Marketing-Schwerpunkt. Definiert man Marketing als: von den Kundenbedürfnissen ausgehend, mithilfe des Marketing-Mix (Produkt-, Preis-, Kommunikations- und Distributionspolitik) maximale Kundenzufriedenheit erzielen – sehe ich da noch erhebliche Defizite bei Ansprache und Bindung der Thomaskirche zu ihren Gemeindemitglieder*innen!
Als „Neu-Leipziger“ erhielten wir zwar schnell ein Begrüßungsschreiben, das uns als zur Thomaskirche gehörig einordnete; man konnte darin ankreuzen, ob man eine persönliche Kontaktaufnahme wünsche (worauf wir angesichts der Umzugsaktivitäten aber verzichteten). Seither beschränkt sich die offizielle Kommunikation der Thomaskirche mit uns auf die Zustellung des Gemeindebriefes und regelmäßige Spendenaufrufe zu diversen Themen….
Wohlgemerkt: ich beschwere mich darüber nicht, natürlich ist es auch meine/unsere eigene Aufgabe, aktiv(er) zu werden. Aber „Kundenbindung“, Identitätsvermittlung, Zugehörigkeitsgefühl entsteht so eher nicht.
Warum wurden die vielfach während der Pandemie erhobenen Daten z.B. nicht als Basis einer Kundensegmentierung genutzt?
Auf dem wunderbaren Thomaskirchhof könnte man (zumindest in den Sommermonaten) regelmäßige (z.B. Di, Mi, Do, 16 – 17 Uhr) offene Gesprächsangebote machen („Thomaskirche im Gespräch“); ein paar Stühle/Bänke, ein Tisch und ein oder zwei offizielle Betreuer*innen würden genügen, um mit Leipziger*innen und Tourist*innen in persönlichen Kontakt zu kommen.
Wenn es 2022 in der Thomaskirche 60 Konfirmand*innen gab, müsste man doch darauf aufbauend eine stärkere Bindung dieser jungen Leute an die Kirche erreichen können! Ich fürchte nur, es gelingt ebenso wenig, wie in meiner Jugendzeit, wo sich das „Vertrauen“ der Kirche in die Konfirmand*innen u.a. darin zeigte, dass man sich am Ende des Gottesdienstes durch Unterschrift des/r Pfarrer*in die Anwesenheit bescheinigen lassen musste…
Zusammenfassend ist der Fokus MEINER Überlegungen vielleicht etwas stärker auf der „Nachfrageseite“, Christian’s eher auf der „Angebotsseite“…
BEIDES wird dringend benötigt, um die Abwärtsspirale zu stoppen und ins Gegenteil umzukehren!
Auf den BlogBeitrag von Herrn Käfer möchte ich gerne eingehen. Auch ich gelte in meinem Bekanntenkreis in den alten Bundesländern als „Exotin“, da ich mich noch immer als Kirchenmitglied bezeichne. Zur Erläuterung: Seit 2009 gehöre ich als Gemeindemitglied der Thomaskirche an. Früher, in Köln wohnend, gehörte ich der römisch-katholischen Kirche an. Da ich zur Thomaskirchengemeinde gehören wollte, konvertierte ich. Habe mich voller Begeisterung in die Gemeinde eingebracht, und zwar im Motetteneinlaßdienst. Aus Altersgründen schied ich nach 10 Jahren aus. So langsam schlich sich eine Entfremdung zur Thomaskirche ein. Aufgrund meiner in letzter Zeit geäußerten Kritik zu einigen Dingen in der Leitung der Thomaskirche werde ich von ebendensenselben nicht mehr gegrüßt. Positiv möchte ich aber auch erwähnen, dass der Soziale Dienst den Kontakt hält, und mich aufgrund meines Altern und Alleinlebens öfters nach meinem Befinden fragt. Das beruhigt mich doch. Ja, und was Herr Käfer erwähnte, möchte ich auch die positiven Neuerungen aufgreifen: ThomasForum, Aufruf 2019, Blog Christian Wolff. Das ThomasForum wurde durch Pfarrer Wolff ins Leben gerufen, beim Aufruf 2019 war er als Gründungmitglied dabei und der BLOG sowieso. Durch diese meine Erfahrungen empfinde ich keine Kirchenbindung mehr, sondern eine Entfremdung. Diese Tatsache bedrückt mich sehr.
Christa Tönshoff, Leipzig 27.6.2022
Vielen Dank, Frau Tönshoff, für Ihren Beitrag – zeigt er doch, dass die Thomaskirche im Spannungsfeld zwischen „Tourismus-Hotspot“ und der Betreuung ihrer Gemeinde-Mitglieder in der Tat noch „Luft nach oben“ hat.
Es schmerzt, wenn der intensive Kontakt, wie er wohl lange Zeit zu Ihnen bestand, so rasch erodiert. Ich habe Respekt vor Ihrer anfänglichen Begeisterung für die Thomasgemeinde, die Sie sogar zum Konvertieren gebracht hat! Umgekehrt erlebe ich die neue katholische Propsteikirche, zunächst ausgelöst durch die Reihe „Abendlob“, als erstaunlich offen und innovativ; gänzlich neue Erfahrungen für mich mit der katholischen Kirche!
Gerade in den zunehmend schwierigen Krisen unserer Zeit, wünsche ich mir eine stärkere, wahrnehmbare, Orientierung gebende Kirche! Bitte lassen Sie uns weiterhin dafür engagieren.
Ihre Beobachtung, lieber Herr Käfer, betreffend der Propsteikirche, deckt sich mit den Erfahrungen einer Freundin, die Ihren Blogbeitrag las und Ihnen zustimmte.
Meine Beweggrund, mich zur Thomaskirche gehörend zu fühlen, war mein Ortswechel von Köln nach Leipzig, um Bach-Musik an Originalstätten hören zu können!
Und um auch in einer „Bach- Kirche“, eine „Heimat“ zu finden. Das war auch lange Jahre so.
Vielleicht trift der aktuelle Begriff “ Zeitenwende“ auch auf das kirchliche Miteinander zu. Aber dann bitte zum Wohle der Gemeinde.
Wie Sie formulierten, geben wir nicht auf und engagieren uns weiterhin!
Christa Tönshoff, 28.6.22
Gut, dass Sie die Schwachstellen unserer Kirchen benennen, lieber Herr Wolff. Neben den von Ihnen genannten drei großen Krisenmomenten – Säkularisierung, Verlust der Menschennähe und Missbrauchsskandale – sollten Sie aber auch einen vierten nicht vergessen, nämlich dass die Kirchen – weniger in den einzelnen Gemeinden als in der Leitung, z. B. der EKD – Parteipolitik betreiben und so die anders denkenden Mitglieder vor den Kopf stoßen und vielfach verlieren. Der ev. Theologe und (inzwischen pensionierte) bekannte Fernseh-Journalist Peter Hahne hat in seinen Büchern darauf aufmerksam gemacht. Noch nie sei ein Kirchentag, „der ja immer schon ein mit Liedern umrahmter rot-grüner Parteitag war, von der sonst so milden Presse dermaßen niedergemacht worden“ wie der von 2017. „Weniger durch ernsthafte Kommentare denn durch Hohn, Spott und blankes Entsetzen. … Die Naivität der politischen Debatten wurde nur noch durch die Anbetung Obamas übertroffen, der es … fertig brachte, alles andere zur Nebensächlichkeit und den Wittenberger Abschlussgottesdienst zu einer besuchsmäßigen Pleite werden zu lassen.“ 265.000 Liederbücher wurden zu diesem Event neu gedruckt, „weil man sich endlich von den patriarchalisch-autoritären Altherrenliedern dieser weißen Männer vergangener, Frauen verachtender Jahrhunderte emanzipieren wollte.“
An anderer Stelle zitiert Hahne den in seinen Augen recht liberalen Papst Franziskus: „Wenn finanzielle Hilfe für Entwicklungsländer an Bedingungen geknüpft werden, etwa die Lehre der Gender-Theorie in den Schulen, verlieren diese Länder ihre Identität.“ Dies sei nichts anderes als „ideologische Kolonisation“ durch westliche Geldgeber. Auch Mutter Teresa und Dietrich Bonhoeffer werden, wie Hahne feststellt, nur insoweit zitiert, wie es in das parteipolitische Weltbild passt.
Unsere evangelische Kirche schweigt oder stimmt sogar zu, wenn der Gesetzgeber in diesen Tagen nichts tut, um die in die Hunderttausende gehenden Abtreibungen in Deutschland zu reduzieren, sondern durch Abschaffung des ärztlichen Werbeverbots in § 219a StGB die Abtreibung noch erleichtert.
Wer denkt da noch an Mutter Teresas damals auch von unseren Kirchen umjubelte Dankesrede zur Verleihung des Friedensnobelpreises in Oslo: „Wenn eine Mutter ihr eigenes Kind in ihrem eigenen Schoß ermorden kann, was für ein schlimmeres Verbrechen gibt es dann noch, als dass wir uns gegenseitig umbringen…. Für mich sind die Nationen, die Abtreibung legalisiert haben, die ärmsten Länder.“
Meines Wissens hat sich bisher nur die katholische Kirche kritisch zu dieser jüngsten Gesetzgebung geäußert, während von unserer evangelischen Kirche Schweigen oder sogar Zustimmung kommt – eine weitere akute Schwachstelle!
Peter Hahne bietet in seinen reißerischen Polemiken keine Lösung von Problemen an, er ist Teil des Problems. Denn mit seiner „Schenkelklopfen-Rethorik“ (das wollen ja seine von Ihnen zitierten Sätzchen auslösen) bedient er eine sich christlich nennende Ideologie, die sich an den Standards konservativer Politik orientiert. Er macht also genau das, was er den Vertreter*innen der Leitungsebene der EKD vorwirft – und folgt damit den Narrativen evangelikaler Christen in den USA. Ich lese gerade das aufrüttelnde Buch von Annika Brockschmidt, Amerikas Gotteskrieger. Wie die Religiöse Rechte die Demokratie gefährdet, Rohwolt Polaris 2022. Das größte Problem für die Religiöse Rechte sind nicht Krieg, Hunger, Waffengebrauch, Rassismus (das ist ja Teil ihrer Ideologie) – das größte Problem ist Abtreibung. Dabei geht es weniger um den Schutz des Lebens und der Frauen, sondern um Macht. Der § 219a StGB, den es nun nicht mehr gibt, hat Abtreibungen weder erleichtert noch erschwert. Er war in sich Unsinn, weil er etwas verboten hat, was gerade im Blick auf Schwangerschaftsabbrüche nottut: Aufklärung.
„Dabei geht es weniger um den Schutz des Lebens und der Frauen, sondern um Macht“
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„Ganz abgesehen von ethischen Argumenten ist es nahezu absurd, dass der Staat durch die Finanzierung der Abtreibungen (über 90 Prozent) die negative Bevölkerungsentwicklung und den damit drohenden Kollaps der Sozialsysteme selbst aktiv unterstützt! Seit Einführung der Fristenregelung im Jahr 1974 sind mehr als acht Millionen ungeborener Kinder getötet worden. Jahr für Jahr eine Großstadt.“ – Peter Hahne, Schluss mit lustig! Das Ende der Spaßgesellschaft. Lahr, 2004,
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Herr Hahne befürchtet offenbar den Rückgang der biodeutschen Bevölkerung. Denn nach wie vor ist unser Land für Zuwanderung attraktiv, und das nicht nur für Muslime.
Ein extrem unsympathischer Zeitgenosse!
Sehr geehrter Herr Dr. von Heydebreck,
mit großem Erstaunen habe ich mir die Augen gerieben. 50 Jahre nach dem Stern Titelbild wollen Sie ernsthaft eine Diskussion wieder aufleben lassen, die momentan die USA heftig spaltet und die sie dem (Gott sei Dank) abgewählten Präsidenten Trump und dessen Ernennungen zum Amt der Obersten Richter*innen verdankt?
Und Sie berufen sich dabei auf die allseits akzeptierte moraltheologische Koryphäe Peter Hahne??
Die (ganz, ganz böse) Ampel-Regierung (Sie meinen vermutlich vornehmlich speziell den rot/grünen Teil als Wurzeln aller Übel auf dieser Welt!) habe „durch Abschaffung des ärztlichen Werbeverbots … die Abtreibung noch erleichtert“.
Information = Werbung??
Warum nicht gleich: Frauen an den Herd! oder Das höchste Glück der Frau ist die Mutterschaft!
Wenn Sie in einen aktuellen Kalender schauen, werden Sie feststellen, dass wir im 21. Jahrhundert leben; es herrscht Krieg in der Ukraine; die Erde, wie wir sie kennen, läuft Gefahr, in einigen Jahren nicht mehr bewohnbar zu sein…
Und der aktuelle Blog-Beitrag von Christian Wolff hat die Krise/den Mitglieder- und Mitarbeiterschwund der christlichen Kirchen in Deutschland zum Thema. Wenn ich Sie richtig interpretiere, glauben Sie, diesen durch eine neuerliche Abtreibungsverbotsdiskussion aufhalten zu können. Ich bin entschieden gegenteiliger Meinung!
Es erstaunt mich nicht, lieber Herr Wolff, dass Sie sich durch meine – Ihre Analyse ergänzende – Benennung von Schwachstellen unserer ev. Kirche persönlich getroffen fühlen, denn tatsächlich mischen Sie ja selbst in Ihren Predigten Bibelinterpretationen mit parteipolitischen Aussagen. Allerdings hätte ich erwartet und das auch akzeptiert, wenn Sie diese Mischung sachlich begründet und erklärt hätten, warum Sie Parteipolitik als Bestandteil Ihres theologischen Berufs für richtig und vertretbar halten. Statt dessen werten Sie, wie Herr Schwertfeger richtig feststellt, einen von mir zitierten evangelischen Theologen (übrigens auch ein Mitglied unserer Kirche wie ich) als „Teil des Problems“ ab, indem Sie ihm ohne sachliche Begründung „reißerische Polemiken“ und „Schenkelklopfen-Rethorik“ vorwerfen.
Über die Abschaffung des § 219a StGB kann man tatsächlich geteilter Meinung sein. Ich betrachte es aber als weitere Schwachstelle unserer Kirche, dass sie kaum noch die Stimme zu den in die Hunderttausende gehenden Abtreibungen in Deutschland erhebt. Dass die evangelische Kirche – anders als die katholische – zu dem jetzt verabschiedeten Gesetz m. W. gar nicht Stellung genommen hat, hat mich enttäuscht. Eine Erklärung der EKD z. B. in Ihrem Sinne, dass der § 219a Abtreibungen weder erleichtert noch erschwert habe, hätte mit entsprechender Begründung ja ausgereicht, um zu dokumentieren, dass die Kirche jedenfalls Abtreibungen nicht weiter fördern will. Herrn Käfer gebe ich insofern Recht, dass allein der stärkere Bezug auf das 5. Gebot in der Abtreibungsfrage nicht ausreicht, um den Mitglieder- und Lehrerschwund in unserer Kirche zu bekämpfen. Auch die anderen von Herrn Wolff aufgezeigten Schwachpunkte müssen bekämpft werden.
Lieber Herr von Heydebreck, vielen Dank für Ihre Replik. Drei Bemerkungen dazu:
1. Es wird Ihnen schwerfallen, mir nachzuweisen, dass ich in meinen Predigten, die alle öffentlich zugänglich sind, biblische Interpretation mit parteipolitischen Aussagen mische. Die einzige Ausnahme sind die Ansprachen bei den Friedensgebeten in der Nikolaikirche um den 23. Mai zum Verfassungstag und Gründungstag der SPD. Aber auch diesen Ansprachen wird man kaum „parteipolitische Aussagen“ finden.
2. Sie möchten von mir eine Erklärung für die „Mischung“ haben, warum ich „Parteipolitik als Bestandteil Ihres theologischen Berufs für richtig und vertretbar“ halte. Eine solche Erklärung wird und kann es nicht geben. Denn ich bin Mitglied in der SPD als Bürger dieses Lande, der seine politische Verantwortung wahrnimmt. Meine berufliche Tätigkeit als Gemeindepfarrer habe ich nie „vermischt“ mit meiner Parteizugehörigkeit. Ich habe zu keinem Zeitpunkt innerhalb und für die Partei eine Funktion eingenommen oder ein Mandat ausgeübt. Allerdings habe ich immer kommuniziert, dass ich Mitglied der SPD bin – in einer Demokratie wohl eine Selbstverständlichkeit!
3. Merkwürdig, dass diejenigen, die in Sachen § 218 sehr schnell bei der Hand sind mit dem 5. Gebot, sehr schweigsam sind (vor allem die Evangelikalen in den USA), wenn es um Waffenhandel, Hochrüstung, Krieg geht.
Beste Grüße Christian Wolff
Ich kann Ihnen, Herr Wolff, nur zustimmen, es kann nicht unsere einzige Aufgabe sein, die Kirche erfolgreich abzuwickeln, sondern „auf der anderen Seite“ aufzubauen!
Aes… Gemeindediakon, Kirchengemeinderat, Prädikant
Lieber Christian,
es ist gut, dass Du dieses heikle Thema in unserer Kirche (in unseren Landeskirchen) besprichst und klar analysierst. Nach meiner Beobachtung gibt es hier unterschiedliche Einschätzungen in den Landeskirchen, Kirchenbezirken und Gemeinderäten. Es ist schon ein Schritt in die richtige Richtung, dass sich so langsam auch in Pfarrgemeinderäten und Presbyterien herumspricht, dass wir weniger werden, weniger Finanzmittel haben werden und auch älter werden. Ich stimme Dir ausdrücklich zu, dass die Pfarrerinnen und Pfarrer an der Entwicklung einen Teil Mitverantwortung tragen und der Vergleich mit dem Filialleiter trifft zu großen Teilen zu.
Gleichwohl weiß ich, dass der große Teil der Pfarrerinnen und Pfarrer eine gute Arbeit macht. Ich ermutige uns alle, in evangelischer Freiheit offen und ehrlich auch Selbstkritik zu üben und aus dieser die notwendigen Folgerungen zu ziehen. Die wesentliche Kompetenz einer Gemeinde darf sein, dass sie Freude am und durch das Evangelium hat. Daraus entsteht wie von selbst das Pflegen von Gemeinschaft, gesellschaftlicher Wachheit und das Fördern von guter Theologie. Ich weiß, wie viel Herzblut die Verantwortlichen in die Aktualisierung der zweiten Ausbildungsphase stecken. Für uns alle gibt es eine schöne Aufgabe: Freude an der Gemeinde auszustrahlen und jungen Menschen Mut zu machen, einen kirchlichen Beruf zu ergreifen.
Herzliche Grüße
Hans
Lieber Herr Wolff, ich kann Ihrer doch sehr pessimistischen Sicht nicht zustimmen. Sie urteilen aus dem Augenblick heraus mit vielleicht einem Blick 50 Jahre nach hinten und nach vorn zur Lage der Kirche: Die Kirche ist aber 2000 Jahre alt und wird noch 2000 Jahre und länger leben. Als ehemaliger Hauptpastor von St. Katharinen (Hamburg) musste ich zur Kenntnis nehmen, dass Katharinen zur Zeit Napoleons (als er HH besetzte) zum Pferdestall umgewidmet wurde, Untergang der Kirche als Pferdestall argwöhnten viele!!! Und heute? Katharinen blüht und gedeiht, als wäre nix geschehn. Also nicht nur kurze 50 Jahre, sondern 2000 Jahre und länger sehen, bitte! Also bitte mehr Gelassenheit im Blick nach vorn. Nicht die Gegenwart überdramatisieren.
Axel Denecke
Ja, auch die Thomaskirche war während der Völkerschlacht Lazarett und Waffenlager und für 18 Monate als Gotteshaus nicht nutzbar. Ich habe auch wenig Zweifel daran, dass Kirche in welcher Form auch immer existieren wird. Untergangsstimmung wollte ich nicht erzeugen. Aber der nüchterne Blick auf die Wirklichkeit schadet nicht. Einfach alles laufen lassen, der liebe Gott wird es schon irgendwie richten … das wird nicht funktionieren. Habe ich „überdramatisiert“? Ich fürchte: nein! Zuversichtlich bin ich trotzdem, gelassen auch – aber das entbindet ja nicht, die Schwachstellen zu benennen, lieber Herr Denecke. Beste Grüße nach Hamburg Christian Wolff