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Jetzt von Gandhi lernen: Politik mit Prinzipien

1925 benannte Mahatma Gandhi (1869-1948), ein glühender Anwalt des gewaltlosen Widerstands, sieben Sünden der modernen Gesellschaft: „Politik ohne Prinzipien, Reichtum ohne Arbeit, Genuss ohne Gewissen, Wissen ohne Charakter, Geschäft ohne Moral, Wissenschaft ohne Menschlichkeit, Religion ohne Opfer.“ Damit schuf Gandhi so etwas wie einen gesellschaftspolitischen „Beichtspiegel“, also eine Hilfe, um öffentliche Vorgänge kritisch zu hinterfragen und gewissenhaft zu prüfen. Er ist so aktuell wie vor fast 100 Jahren. Schließlich bedarf auch heute alle politische, wirtschaftliche, wissenschaftliche Tätigkeit der Rückbindung an das, woraus sich unsere Grundwerte speisen, will sie sich nicht im billigen Opportunismus verlieren. Drei der genannten Sünden sind mehr als präsent:

  • Reichtum ohne Arbeit, wenn wir daran denken, wie sich Geldmengen vermehren, ohne dass derjenige, der den Gewinn einstreicht, einen Finger krümmen muss – aber dieser Reichtum Armut produziert.
  • Genuss ohne Gewissen, wenn wir die (eigene) Bedenkenlosigkeit betrachten, mit der wir wie selbstverständlich alles in Anspruch nehmen und verbrauchen, was die Erde an Ressourcen hergibt –ohne die Lebensmöglichkeiten kommender Generationen im Blick zu haben. Die FridaysForFuture-Bewegung prangert diesen Genuss ohne Gewissen ziemlich unerbittlich an.
  • Geschäft ohne Moral, wenn wir bedenken, dass ethische Maßstäbe im Wirtschaftsleben eher in Sonntagsreden entwickelt werden, als dass sie sich im Alltagsgeschäft niederschlagen. Die kriminellen Vorgänge in der Autoindustrie in den vergangenen Jahren haben das überdeutlich werden lassen.

Die Sünden der modernen Gesellschaft rufen die modernen Ablasspriester auf den Plan. Sie pressen den Menschen aber kein Geld ab. Vielmehr beruhigen und beschwichtigen sie (was aber auch jedem teuer zu stehen kommt): Alles nicht so schlimm, säuseln sie; oder sie poltern: Mit moralischen Werten lässt sich weder wirtschaften noch regieren. Ihr Ziel ist klar: Prinzipien und Moral sollen im politischen Alltagsgeschäft keine zu hohe Bedeutung erlangen. Denn sie sind Sand im Getriebe. Das wird in diesen Tagen vor allem bei der Diskussion über Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien und die sog. NATO-Verpflichtung, zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) für die Verteidigung auszugeben, überdeutlich. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz bemerkte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), dass wir Deutschen nicht so tun sollten, als seien wir moralischer als die Franzosen oder menschenrechtspolitisch weitsichtiger als die Britten. Das hört sich so wunderbar demütig an – ist aber eigentlich nichts anderes als rhetorische Moralinsäure, in der sich grundsätzliche Erwägungen zur Unkenntlichkeit auflösen sollen. Abgesehen davon, dass der Waffenhandel mit Saudi-Arabien seit Jahren blüht (im vergangenen Jahr 400 Mio Euro), geht es aktuell um die Frage, ob sich Deutschland weiter an Waffenlieferungen in ein Land beteiligen soll, das im Jemen als Kriegspartei auftritt, in allen militärischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten involviert ist und den internationalen Terrorismus fördert, ganz zu schweigen von den Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land. Eine Politik mit Prinzipien müsste eigentlich zu dem Schluss kommen, dass sich jede Form von Waffenexporten in ein Land wie Saudi-Arabien verbietet. Es sind Menschen, die mit diesen Waffen getötet und deren Lebensgrundlagen zerstört werden. Das ist unvereinbar mit dem Ziel, das sich Deutschland in der Präambel des Grundgesetzes gesetzt hat: dem „Frieden in der Welt zu dienen“. Was aber hat die militärische Unterstützung eines Krieg führenden Landes mit diesem Verfassungsauftrag zu tun? Diese Frage müssen die Verantwortung tragenden Politiker beantworten. Und auch diese: Wann endlich kommt es dazu, dass Voraussetzung für Waffenproduktion und –handel eine überzeugend friedenspolitische Perspektive Deutschlands in einem vereinten Europa ist?

Ein ähnlich kritischer Einspruch ist zu richten an die völlig abstrakte und willkürlich erscheinende Vereinbarung in der NATO, jedes Mitgliedsland, also auch Deutschland, müsse zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung ausgeben. Es ist geradezu abenteuerlich, wie nicht nur bei Politiker/innen, auch bei sehr vielen Kommentator/innen so getan wird, als würde Deutschland, weil es derzeit „nur“ 1,2 Prozent des BIP für Verteidigung ausgibt, Zusagen nicht einhalten und Vertrauen zerstören. Dabei bleibt niemandem verborgen, dass die Hochkonjunktur der Rüstungsproduktion Teil der absolut a-moralischen, aggressiv-gewissenlosen Politik eines Donald Trump ist. Da sollen Milliarden Euro für militärische Aufrüstung aufgewandt werden, ohne dass dies mit einem friedenspolitischen Konzept unterfüttert, ohne dass eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufgemacht wird, ohne dass die Aktivitäten einbezogen werden, die zu jeder Friedenspolitik dazu gehören: nichtmilitärische Konfliktlösungsansätze und entwicklungspolitische Initiativen in Krisenregionen. Wenn man dann noch bedenkt, welche Misswirtschaft und Verschwendungsmentalität gerade im Rüstungssektor und in der Bundeswehr vorhanden sind, dann ahnt man, wozu eine so prinzipienlose Politik führt: zu einer gefährlichen Verselbstständigung des Militärischen. Das aber hat mit Friedenspolitik nichts mehr zu tun. Dem muss sich die Sozialdemokratie verweigern.

Es kann nur hilfreich sein, sich im politischen Diskurs uns des „Beichtspiegels“ von Gandhi immer wieder zu bedienen. Dabei sollten wir uns von niemandem vorschreiben lassen, welches Maß an Moral, Gewissen, Menschlichkeit anzuwenden ist. Wer Politik mit Prinzipien ausübt, macht sich nicht unangreifbar. Er erhebt auch nicht den Anspruch auf Wahrheit und Richtigkeit. Er bestreitet nur das Ansinnen, in den Bereichen, die unser aller Leben berühren, Grundwerte nicht mehr gelten zu lassen.

Nachtrag: Der Vorstandsvorsitzende von Airbus, Thomas Enders, hat der Bundesregierung „moralischen Rigorismus“ vorgeworfen, weil sie derzeit keine Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien exportieren will. Also: die Verweigerung, einen Krieg wie den im Jemen weiter mit Waffen zu füttern, Menschen zu töten und ihre Lebensgrundlagen zu zerstören, ist „moralischer Rigorismus“. Was aber ist dann das, was Enders verlangt? Nichts anderes als ein „Geschäft ohne Moral“, eine der sieben Sünden der modernen Gesellschaft.

5 Antworten

  1. Es ist ja vielleicht vernünftig, einmal ohne Polemik – der wir beide anhängen – ein paar Gemeinsamkeiten hervorzuheben. Ich habe mir mehrfach das Interview Schier – Verheugen (Phoenix, 29. März) angehört und nehme doch an, daß in der Zustimmung zu Verheugens Aussagen eine Gemeinsamkeit zwischen uns besteht. Schade nur, daß Schier nicht nachfragt, als Verheugen seine Vorstellung von einem künftigen Europa mit der Ablehnung der „Vereinigten Staaten von Europa“ beginnt und dann genau diese als sein Ziel beschreibt. Nun aber zu unserer Diskussion:
    Wir stimmen, glaube ich, lieber Herr Wolff, in folgendem überein (und dies ist sicherlich nur „pars pro toto“):
    1. Wir wollen ein starkes und gemeinsames Europa, dessen politische Strukturen wir wohl beide angesichts der vielen Bedenken bezüglich der Tiefe der Vereinigung nicht so genau definieren können. Der Dissens zwischen uns bezieht sich auf die Frage, wieviel an Kompromissen bezüglich der eigenen inhaltlichen und moralischen Forderungen für dieses übergeordnete Ziel möglich und vertretbar sind – und dieser Dissenz müßte eigentlich sachlich diskutierbar sein.
    2. Wir wollen europäischen Einfluß in der Weltpolitik, um auf diese Weise besonders auch in Krisengebieten mäßigend und helfend im Sinne unserer Weltanschauung eingreifen zu können. Der Dissenz besteht in der Frage, ob überhaupt und wieviel militärische Macht erforderlich ist, um eine solche Politik betreiben zu können – auch dies eigentlich sachlich abhandelbar.
    3. Wir sind uns einig, daß Friedenspolitik und Friedensstrategien die deutsche und europäische Politik leiten müssen und daß „die Politik“ – nicht die Wirtschaft, nicht das Militär, etc – die dazu erforderlichen Richtlinien und Strategien definieren muß. Nicht einig scheinen wir zu sein in der Frage, inwieweit eine Friedenspolitik der militärischen Untermauerung bedarf – das könnte man sicher ohne gegenseitige persönliche Vorwürfe diskutieren.
    4. Wir stimmen überein, daß Demonstrationen ein legitimes Mittel der freiheitlichen Meinungsäußerung in einer Demokratie sind. Unser Dissenz bezieht sich auf die Frage, ob nicht erstens ein solches Mittel auch überstrapaziert werden kann, und ob zweitens dieses Mittel wirklich zielführend ist bezüglich der Kompromißfindung, bezüglich der objektiven Problemlösung unter Achtung ALLER Meinungen, bezüglich des demokratischen Diskurses (im Gegensatz zur „dogmatischen Meinungsäußerung“) – ein Dissenz, den sachlich zu diskutieren es lohnen würde.
    5. Wir sind uns einig, daß es viele Krisengebiete in unserer Welt gibt – der Nahe Osten zuvörderst –, in denen hilfloses Zuschauen auf das Leid der Menschen quälend ist. Wir sollten uns dieses „Mitleid“ auch nicht gegenseitig absprechen, nur weil die Lösungsansätze unterschiedlich sind. Wir sind uns ebenfalls einig, daß militärische Mittel ALLEINE solche Probleme nicht lösen können. Unser Dissenz besteht ausschließlich in der Frage, ob militärische Mittel als ultima ratio problemverschärfend oder problem-“eingrenzend“ wirken können, eingrenzend in dem Sinne, daß ihr Einsatz zu einer geographischen Begrenzung des Konflikts führen und der Politik Zeit zur Entwicklung von Friedenskonzepten geben kann. Das müßte man sachlich diskutieren können.
    6. Wir sind uns einig, daß es „unappetitliche“ Regime in der Welt gibt, zu denen ohne Zweifel Saudi Arabien, aber eben auch der Iran gehören. Wir sind uns ebenfalls einig, daß es auch innerhalb der EU Regierungen gibt, die wir uns anders wünschen würden (Verheugen sagt dazu was in seinem Interview). Uneinig sind wir in der Frage, wie man mit diesen Regimen / Regierungen umgehen muß. Ist die Gefahr eines Sturzes der Saudis größer als die Gefahr, die von ihnen selbst ausgeht? Ist das einseitige Beschimpfen des Orban-Regimes zielführender als der Versuch, es „zurückzuholen“ und einzubinden? Das sind sachliche Fragen, die man diskutieren kann.
    7. Wir sind uns einig, daß die AfD grundsätzlich inhaltlich und ideologisch der völlig falsche Weg für Deutschland ist (ebenso wie die radikal rechten Parteien in anderen EU-Ländern für Europa). Uneinig sind wir bezüglich der Frage, ob eine Gefahr ebenfalls von den radikal Linken ausgeht, und auch über die Frage, wie man diesem Radikalismus begegnet. Meine Auffassung hierzu ist: Größere Gelassenheit, keine verbalen Beschimpfungen, keine Übertreibungen, vor allem keine Angst – alles, wie mir scheint, diskutierbar.
    Wenn ich Sie bitte, lieber Herr Wolff, in Ihrem blog auf solche Fragen und Argumente einzugehen, und Sie dies entweder ignorieren oder mit Hinweisen auf Ihre Ablehnung von „Befehlen“, auf den Knigge, etc, zurückweisen, so provoziert dies Polemik. Vielleicht ist es deshalb angebracht, einmal diesen Versuch der sachlichen Beschreibung unserer Differenzen zu machen, der doch eines verdeutlicht: Auch wenn wir vielleicht ein sehr unterschiedliches Weltbild haben, so bezieht es sich doch überwiegend auf die Methoden und Wege, nicht aber auf die Ziele. Und ich glaube eben, daß eine solche Erkenntnis viele der bei uns öffentlich ausgetragenen Konflikte entschärfen könnte.
    Ich wünsche Ihnen einen guten Sonntag,
    Andreas Schwerdtfeger

    1. Lieber Herr Schwerdtfeger, vielen Dank für diese Darstellung, der ich uneingeschränkt zustimmen kann. Mit den Differenzen werden wir leben können, und sie sollen auch nach wie vor dargestellt werden. Denn das Verhältnis von Weg/Mittel zum Ziel (und umgekehrt) ist nicht statisch, sondern muss im Einzelfall austariert werden. Also werden wir weiter debattieren und uns streiten müssen. Beste Grüße Christian Wolff

  2. Ja, dann bringen Sie doch mal Ihre Argumente anstatt immer nur NEIN zu sagen. Es ist zu simpel, meinen beruflichen Hintergrund von der Sachkenntnis hinweg zur Befangenheit reden zu wollen, denn ich habe ja zB mit eben diesem Hintergrund mehr an Abrüstung und Frieden mitgearbeitet, als Sie je die Gelegenheit hatten. Ihre Kompetenz als Pfarrer bestreite ich nicht, Ihre politische Kompetenz dagegen erweist sich als völlig unzureichend – und dies nur aufgrund Ihrer eigenen – eben völlig inkompetenten Thesen, Ihrer Diskussionsverweigerung, Ihres Fundamentalismus‘.
    Ich biete Ihnen doch die Gelegenheit, sich inhaltlich zu äußern:
    Sie spalten Europa, weil Sie deutsche Richtlinien alleine als gültig anerkennen in Sachen Sicherheitspolitik, Rüstungs(export)politik, Umweltschutz, nationalen Wünschen und Eigenschaften, Schutz der (Außen)Grenzen, Sozialfragen, wahrscheinlich auch die neueste deutsche Hysterie in Sachen Artikel 13 des Schutzgesetzes zum Urheberrecht. Wenn Sie Europa wollen, dann müssen Sie nicht die Meinung von 80 Mio Deutschen, sondern die von 500 Mio Europäern sehen – und zu wieviel Prozent schon folgen Ihren Thesen diese vielen Europäer!
    Einen frohen Sonntag,
    Andreas Schwerdtfeger

  3. Wolffs Märchenstunde, wirklich niedlich (eine genehmigte Vokabel, sie stammt aus der Feder des Meisters)!
    Der Fundamentalismus unseres Pfarrers führt ihn immer wieder in den Konflikt zwischen gutmenschlichen Moralpredigten mit kräftigen Übertreibungen – hier zB eine davon: „mit moralischen Werten lässt sich weder wirtschaften noch regieren. Ihr Ziel ist klar: Prinzipien und Moral sollen im politischen Alltagsgeschäft keine zu hohe Bedeutung erlangen“, so die nicht näher beschriebenen „modernen Ablaßpriester“ und welche bösartigen Unterstellungen an Politiker, die sich mühen! – und den Notwendigkeiten einer der Verantwortungsethik unterliegenden Realpolitik in einer nicht perfekten Welt, in der (noch so eine Übertreibung) „rhetorische Moralinsäure, … grundsätzliche Erwägungen zur Unkenntlichkeit“ auflöse. Ein wunderbarer Brei von „ich bin ja so gut“ gegenüber dem Abschaum von „die sind ja so böse“ – gutmenschliche Heuchelei in anderen Worten, die zur Lösung der realen Probleme nichts beiträgt, aber diejenigen, die – wie Herr Enders zB – die tatsächlichen Gegebenheiten berücksichtigen müssen, kräftig und heuchlerisch beschimpft. Wer „Prinzipien“ anstelle von Werten zur Überschrift seiner politischen Vorstellungen macht, zeigt schon wes unflexiblen Geistes er ist.
    Sie, Herr Wolff, gerieren sich als der große Befürworter Europas, das Sie in Wirklichkeit in jedem Ihrer Beiträge zu zerstören sich größte Mühe geben, indem Sie mit deutscher Oberlehrerhaftigkeit und moralischer Besserwisserei den anderen sagen wollen, wo’s NUR langgehen kann. Sie wollen das „deutsche Europa“ – und das ist eben zerstörerisch, weio glücklicherweise nicht durchsetzbar:
    – Gemeinschaftsproduktionen erfordern Gemeinschaftsgrundsätze; Sie aber lehnen diese ab, wenn es nicht die deutschen sind. Das ist eine spalterische Haltung sowohl in der Sache als auch bezüglich der moralischen Arroganz.
    – Die von Ihnen stets (zu Recht) geforderten „friedenspolitischen Konzepte“ – zu denen Sie freilich inhaltlich nichts beitragen – erfordern eine starke militärische Komponente, denn die Welt und insbesondere die Radikalen in dieser Welt (Iraner, Palästinenser, die Assads, Maduros, und so viele weitere) nehmen moralisch-gutmenschliches Geschwafel alleine nicht wirklich ernst. Und Sie verkennen dabei mit einer gewissen verbohrten Penetranz, daß militärische Stärke die bessere Garantie enthält, sie nicht einsetzen zu müssen, als daß man durch eigene Schwäche zum Zusehen und Mitleiden gezwungen wird, wenn andere die ihre einsetzen. Die anderen Europäer werden Ihnen da nicht folgen – so blöd sind sie nicht.
    – Ihr Kanzler Schröder, der dem 2%-Ziel zugestimmt hat, war da, zusammen mit seinem grünen AM Fischer und seinem VgMin Struck, schon ein bißchen weiter als Sie. Er hat den Unsinn einer Feststellung wie „ … (man) ahnt … , wozu eine so prinzipienlose Politik führt: zu einer gefährlichen Verselbstständigung des Militärischen“ durchaus erkannt. Interessant an dieser Feststellung ist nur ihre psychologische Komponente: Daß man sich aus fundamentalistischer Ideologie heraus in solche populistische Scheinwelten verrennen kann. Europa wird diese deutschen Sentimentalitäten nicht adoptieren. Es kann es auch gar nicht, denn Machtlosigkeit bedeutet, zwischen Fronten, die andere festlegen, zerrieben zu werden.
    Daß Sie inhaltlich von sicherheitspolitischen Strategien und den dazu erforderlichen Mitteln nichts verstehen, ist Ihnen nicht vorwerfbar – eher schon, daß Sie trotzdem in diesem hochsensiblen Politikbereich herumphantasieren. Daß Sie friedenspolitische Ziele formulieren (aber das tun Sie ja eigentlich gar nicht), die nicht nur nachvollziehbar sondern ehren- und erstrebenswert sind, könnte dann Anlaß zu Hoffnung sein, wenn Sie nun bereit wären, diese Ziele gemeinsam mit Leuten, die sachkundig sind, in realpolitische Kompromissvorschläge umzusetzen. Das ist Ihnen offensichtlich nicht gegeben, weshalb Sie in Ihrem deutschen Dogmatismus zum Spalter längst geworden sind. Das deutsche Europa, das Sie anstreben, wird es nicht geben.
    Im übrigen liegen Sie mal wieder mit Ihrer Verfassungsinterpretation völlig daneben: Das GG schreibt vor – Sie stellen es richtig fest – „dem Frieden zu dienen“. Es schreibt aber eben nicht vor, daß man dem Frieden nur auf Wolff’sche Weise dienen kann; es sagt schon gar nicht, daß alle Menschen, die den Wolff’schen Weg für für eher konflikt- und kriegfördernd halten, falsch liegen (müssen).
    Sie, Herr Wollf, laufen, wie augenblicks unsere Jugendlichen, einem Jeanne-d’Arc-Verschnitt von heiler Welt hinterher und verschlimmern die Lage mit deutscher Gründlichkeit. Und während Sie Ihre Moral über den grünen Klee anpreisen, verunglimpfen Sie die, die sehr wohl einem Wertesystem anhängen, aber erkennen, daß es besser ist, ein Stück des Weges zu gehen und einen Teil des Zieles zu erreichen, als durch 100%-igen Fundamentalismus zu Spaltung, Konflikt, Rechthaberei und Dogmatismus beizutragen.
    Seien Sie gegrüßt,
    Andreas Schwerdtfeger

    1. Angesichts des politischen, gesellschaftlichen und menschlichen Desasters, das in den vergangenen vier Jahrzehnten allein im Nahen Osten durch militärische Interventions- und Hochrüstungspolitik angerichtet worden ist, sind Ihre Ausführungen, lieber Herr Schwerdtfeger, mehr als abenteuerlich und lassen sich auch damit nicht schönreden, dass Sie aufgrund Ihrer beruflichen Tätigkeit „befangen“ sind. Denn dazu gibt es zu viele ehemalige Bundeswehrangehörige, die ein sehr viel kritischeres Verhältnis an den Tag legen, als Sie es vermögen. Beste Grüße Christian Wolff

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