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Heraus aus der Kriegsspirale

Seit zwei Jahren dauert er an – der Krieg des Putin-Regimes gegen die Ukraine. Nichts deutet darauf hin, dass es in absehbarer Zeit zu einem Ende des Mordens und Zerstörens kommt. Diese Situation ist eine politische und humanitäre Katastrophe monströsen Ausmaßes. Nur unter dieser Perspektive ist es mir möglich, mich auf politische Diskussionen einzulassen – auch um zu vermeiden, mich auf die Ebene der sog. Kriegslogik ziehen zu lassen. Weil sich aber derzeit Parteien und Gruppierungen wie AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) als „Friedensparteien“ aufführen, die zum einen den Schulterschluss mit Putin suchen, zum andern aber wegen ihres Nationalismus den Keim des nächsten Krieges in sich tragen, sind in der politischen Debatte einige grundsätzliche Feststellungen nötig.

  • Russland wird mit Wladimir Putin von einem nationalistischen Diktator regiert. Er hat in seiner Regierungszeit in Russland systematisch eine faschistische Diktatur aufgebaut. Die Ermordung von Alexei Navalny ist ein deutliches Signal für den verbrecherischen Charakter des Putin-Regimes.
  • Russland führt seit 2014 einen Krieg gegen die Ukraine, um deren nationale Integrität zu zerstören. Der Krieg hat mit seiner Ausweitung vor zwei Jahren eine neue Dimension erreicht. Es geht Putin um die gewaltsame Einverleibung der ganzen Ukraine.
  • Die Ukraine hat das Völkerrecht auf seiner Seite, wenn sie sich mit allen, auch militärischen Mitteln gegen die kriegerischen Okkupationsabsichten des Putin-Regimes wehrt.
  • Es ist richtig, dass die Europäische Union und die Vereinigten Staates die Ukraine umfassend, also auch militärisch in ihrem Selbstverteidigungskampf unterstützt. Denn es ist davon auszugehen, dass das Putin-Regime weitere militärische Überfälle auf souveräne Staaten Europas plant.

Dennoch halte ich die derzeitige Verbindung zwischen anhaltender und umfassender Unterstützung der Ukraine und einer Forcierung der Rüstungsproduktion und Waffenlieferungen für höchst gefährlich. Denn damit wird die Unterstützung der Ukraine in öffentlichen Diskussionen auf Waffen- und Munitionslieferungen reduziert. Dabei fällt auf, dass die Waffensysteme, deren Lieferung umstritten ist, schnell zu kriegsentscheidenden erklärt werden – was sich später mit ziemlicher Sicherheit zumindest als übertrieben erweist. Denn angesichts des riesigen Waffenarsenals, über das Russland verfügt, ist es fraglich, ob es jemals zu einer militärischen Überlegenheit der Ukraine kommen kann.

Das wird auch an der gegenwärtigen, durchaus abenteuerlichen Debatte um die Lieferung der sog. Marschflugkörper „Taurus“ deutlich. Seit Wochen wird der Eindruck erweckt, als hänge die Existenz der Ukraine von diesem Waffentypus ab. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich jetzt gegen Lieferung der Taurus Marschflugkörper aus deutschen Beständen an die Ukraine ausgesprochen und auch die Andeutung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, man solle Bodentruppen in die Ukraine senden, zurückgewiesen. Dennoch wird in der Ampelkoalition über das Ob oder Ob-nicht weiter heftig gestritten. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) ist „fassungslos“ und Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) nennt die Entscheidung von Scholz „unverantwortlich“ und sieht in ihr „eine Einladung an Putin“ – wozu Putin angeblich eingeladen wird, bleibt allerdings offen. Nun kann man durchaus unterschiedlicher Meinung in der Einschätzung der Notwendigkeit von bestimmten Waffenlieferungen sein – die Frage ist aber: Woran soll eigentlich der Bürger, die Bürgerin erkennen, was Ziel der Ukraine-Politik der Bundesregierung, auch Ziel der Europäischen Union ist? Nur an der Art der Waffenlieferungen? Ist es nicht jetzt an der Zeit, dass das Ziel der Ukraine-Politik jenseits rein militärischer Überlegungen klar umrissen wird? Das kann mE nur lauten: Die Integrität und die Souveränität der Ukraine muss wiederhergestellt werden bzw. erhalten bleiben. Ziel der Ukraine-Politik kann und darf aber nicht sein, eine Entmachtung Putins oder einen Regime-Wechsel in Russland auf dem Kriegsweg zu erzielen – so wünschenswert beides ist!

Darum ist es dringend erforderlich, dass wir in der öffentlichen Debatte die Kriegsspirale verlassen. Wir müssen viel stärker in den Blick nehmen, was jetzt erforderlich ist: natürlich und vor allem Bedingungen zu schaffen, damit die Ukraine als eigenständiger Staat in einem demokratischen und friedlichen Europa existieren kann. Darüber hinaus müssen wir politisch dafür Sorge tragen, dass die Selbstverständlichkeit, mit der militärische Interventionspolitik weltweit betrieben wird, radikal infrage gestellt und systematisch zurückgedrängt wird. Dazu sind notwendig:

  • der offensiv geführte politische Kampf gegen den nationalistischen Autokratismus mit imperialem Anspruch auf nationaler und internationaler Ebene;
  • die absolute Priorität für eine europäische Friedenspolitik;
  • die Reduzierung der Rüstungsproduktion und der Rüstungsexporte auf das absolut notwendige Maß.

Ich bin nicht so vermessen zu behaupten, dass sei der allein richtige Weg. Nur halte ich es für dringend erforderlich, dass wir uns auch verbal nicht weiter und länger in die Kriegsspirale ziehen lassen. Wir benötigen eine Sprache des Friedens in der streitigen Auseinandersetzung, die sich orientiert an friedenethischen Grundwerten. Es ist geradezu absurd, dass wir auf der politischen Ebene schon seit Monaten im Blick auf die Ukraine über nichts anderes reden als über Waffensysteme, deren Herstellung und Lieferung. Wo bleiben die Friedensperspektiven jenseits von Putin-Bücklingen? Wo bleibt – im wahrsten Sinn des Wortes – die Ladehemmung, wenn es darum geht, einen Aggressor zu stoppen? Wie gehen wir mit dem horrenden Widerspruch um: einerseits die Menschenrechte verteidigen und die Menschenwürde wahren zu wollen, andererseits sich an dem Morden und Zerstören aller materiellen und menschlichen Werte im Krieg zu beteiligen?  Dazu möchte man einmal eine Marie-Agnes Strack-Zimmermann oder einen Anton Hofreiter vor den Fernsehkameras reden hören – auch wenn es nur ein Stottern sein wird.

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