Eine 34-jährige Mitarbeiterin eines Immobilienunternehmens wird am Sonntagabend in ihrer Wohnung von zwei Tätern angegriffen und verletzt. Anschließend wird dieser Gewaltakt in einem Bekennerschreiben „politisch“ begründet: brennende Bagger auf Baustellen hätten nur „symbolischen Charakter“, deshalb müsse man jetzt körperliche Gewalt anwenden. Dies auf einer Internetseite, die als Sprachrohr der sog. Linksextremisten gilt „Indymedia“, in einer Sprache, die von einer kalt-gewalttätigen Arroganz getränkt nur noch Übelkeit verursacht: „Wir haben uns deswegen entschieden, die Verantwortliche für den Bau eines problematischen Projekts im Leipziger Süden da zu treffen wo es ihr auch wirklich weh tut: in ihrem Gesicht.“ (https://de.indymedia.org/node/43891). Dieser skandalöse, menschenverachtende Vorgang vom 03. November 2019 ist der – hoffentlich nicht vorläufige – Höhepunkt von Gewaltakten, für die sog. Linksradikale aus der sog. Connewitzer Szene verantwortlich zeichnen: angezündete Autos, brennende Mülltonnen, Anschläge auf Baustellen und jetzt Gewalt gegen Menschen in ihrem persönlichen Umfeld. All das ist erschreckend, völlig inakzeptabel und durch nichts zu rechtfertigen – vor allem nicht durch den Hinweis auf politische Fehlentwicklungen in der Stadt. Schon gar nichts hat dies etwas mit „sozialen Kämpfen“ zu tun. Denn mit dieser Gewalt wird der soziale Zusammenhalt in einer Stadtgesellschaft zerstört und allen in den Rücken gefallen, die sich für soziale Gerechtigkeit und Pluralität einsetzen – in Gewerkschaften, Parteien, Kirchen, Initiativen.
Gerade wer für bezahlbaren Wohnraum, für soziale Mischung in allen Stadtteilen, für gesellschaftliche und kulturelle Vielfalt, für die freiheitliche Demokratie und gegen alle Versuche insbesondere von Rechtsextremisten bei Pegida/AfD, diese einzuschränken, eintritt, muss solche Gewaltakte ohne Wenn und Aber verurteilen. Dabei ist es keinesfalls übertrieben, wenn Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) diese Gewaltakte als Vorstufe zu politischen Morden einstuft. Denn wer so brutal gegen einzelne Menschen vorgeht, dem mangelt es an jeder Form von Empathie und an den Maßstäben, deren Beachtung im menschlichen Miteinander und in der politischen Auseinandersetzung unerlässlich ist. Wer Menschen ins Gesicht schlägt, der will sie erniedrigen und trifft die Menschenwürde. Er hat jedes Recht verwirkt, das Wort „sozial“ in den Mund zu nehmen. Er ist ein mieser, gemeiner Straftäter, für dessen Gewaltakt es nur eines gibt: Verachtung – ganz abgesehen davon, dass solche Straftaten konsequent verfolgt und nach den Prinzipien des Rechtsstaates geahndet werden müssen.
„Keine Gewalt“ – diese Grundlage und damit Ermöglichung der Friedlichen Revolution muss in einer demokratischen Gesellschaft uneingeschränkt gelten. Das Gewaltmonopol des Staates muss von jedem/jeder Bürger/in anerkannt werden. Wer meint, in der politischen Auseinandersetzung diese Basis verlassen zu können, der verabschiedet sich von dem, was unsere Gesellschaft auszeichnet: Pluralität im gesellschaftlichen Leben und die Möglichkeit, im offenen demokratischen Diskurs gesellschaftliche Veränderungen zu initiieren und den sozialen Zusammenhalt zu stärken. So traurig es ist: In diesem Abschied sind sich selbst so nennende Linksextremisten und Rechtnationalisten, die sich in Pegida/AfD zusammengefunden haben, erstaunlich einig. Mit solchen Leuten kann es keine Gemeinsamkeiten geben – keine! Darum sollte niemand, der sich einer linken Politik verbunden fühlt, den gefährlichen Fehler machen, den wir bei den Rechtsnationalisten feststellen können: in falsch verstandenem „Verständnis“ für Gewalttaten die Trennlinien zur Menschenverfeindung verschwimmen zu lassen.
P.S. Noch ein Wort zur immer wieder geforderten „Distanzierung“: Distanzieren kann ich mich nur von etwas, dem ich nahe war. Mit Menschen und Gruppierungen, die Gewalt programmatisch rechtfertigen, habe ich noch nie Gemeinsamkeiten entdecken können. Bei denen gilt auch nicht: In den Zielen sind wir uns einig, wir unterscheiden uns nur im Weg. Nein, wer seinen Weg mit Gewalt pflastert, dessen Ziele können nicht gut sein.
8 Antworten
Ich komme noch einmal darauf zurück, dass die Hintergründe der Gewaltanwndung bisher nicht geklärt sind und rufe zur Mäßigung in der Schuldzuweisung auf. Offensichtlich sind sich alle Kommentatoren einig, dass die Gewalt von links kam- wieso eigentlich? Auf welcher Grundlage? Soweit ich das den Veröffentlichungen entnehmen kann, ermitteln die Behörden in alle Richtungen. Schuldig ist zudem der, dessen Schuld bewiesen ist. Ist nach meinem Verständnis auch ein christlicher Grundsatz. In diesem zusammenhang verweise ich auf einen heute gelesenen Link in LVZ-online https://www.l-iz.de/politik/sachsen/2019/11/Wie-zwei-Anschlaege-in-Leipzig-von-ahnungslosen-Politikern-zum-Scharfmachen-missbraucht-werden-303262.
Im Übrigen scheint Herr Schwerdtfeger die Relität nicht zu sehen, wenn er meint ,dass mangelnder Wohnraum oder Gentrifizierung nicht eine Form der Gewalt darstellt. Vielleicht waren er oder die Menschen aus seinem Umfeld davon nicht betroffen.Es sit ein großes Problem, wenn Familien gezwungen werden, immer höhere Mieten zu zahlen, weil es der Markt nun mal hergibt. Letztlich müssen Sie ausweichen, wie bereits so viele – auf Land. Es bedeutet mehr als ein bloser Wohnortwechsel. Es ändern sich die Schulen und vielleicht Schulformen für die Kinder, die Wege werden länger und die vertrauten Menschen sind weit weg.
Ich würde mir doch wünschen, in diesem Forum mit Respekt zu argumentiertieren und nicht mit Vorwürfen. Mich der Unsachlichkeit zu bezichtigen ist völlig unangebracht, m.E. unsachlich und im Ton auch persönlich angreifend.
Genau so ist es – wie Chr. Wolff, Herr Käfer und Sie es darstellen; danke.
KEINE GEWALT – in unserer Zeit ein nicht zu unterlassender Ruf!!
Jo.Flade
Ich gratuliere Ihnen, lieber Herr Wolff, zu diesem Beitrag, der ja nur volle Unterstützung finden kann, nicht weil er „linke Gewalt“ verurteilt, sondern weil er „Gewalt“ verurteilt; nicht weil er Gewalt unterteilt in „zulässig“ (gegen Sachen) und „unzulässig“ (gegen Menschen), wie Herr Wirth das andeutet, sondern weil er Gewalt als unteilbar darstellt und zurückweist. Herr Wirth irrt ja übrigens auch in seiner Ansicht, denn er vergißt oder übersieht, daß die „linke Gewalt“ sehr wohl die Verletzung von Polizeibeamten in unserem Lande einkalkuliert und in Kauf nimmt – aber das nur am Rande.
Ich stimme mit Ihnen überein, Herr Wolff, und dies nicht, weil sie diesmal „linke“ Gewalt ins Visier nehmen, denn das ist unerheblich. Ich stimme überein, weil Sie Gewalt verurteilen. Und ich möchte gerne ergänzen, daß Gewalt auch verbal ausgeübt werden kann und deshalb die Warnungen unseres Bundespräsidenten zum Thema „Verrohung der Sprache“ sehr ernst zu nehmen sind.
Was dagegen Herr Wirth über „pure Gewalt“ auf dem Wohnungsmarkt schreibt, ist wohl wenig reflektiert. Der Staat (Bund und Länder) und die Gesellschaft haben möglicherweise Fehler gemacht in der Wohnungsbaupolitik und in der Einschätzung des sozialen Faktors in der Marktwirtschaft auf diesem Sektor – das mag man behaupten. Daß dies Gewaltausübung sei – auch noch aus staatlichem Monopol heraus in einem Sektor, der grundsätzlich richtigerweise dem Markt überlassen ist -, ist eben genau die Unsachlichkeit, die unserem gesellschaftlichen Frieden so schweren Schaden zufügt.
Mit herzlichem Gruß,
Andreas Schwerdtfeger
Grundsätzlich kann ich dem Artikel in weiten Teilen zustimmen. Nur bin ich vorsichtig mit Schuldzuweisungen, solange diese nicht eindeutig festgestellt sind. Momentan sprechen Indizien dafür, dass es linksradikale Menschen waren, die denÜberfall vorgenommen haben. Dagegen spricht, dass Linke sich bisher gegen Sachen und nicht gegen Personen gewendet haben. Bei Rechten ist es erfahrungsgemäß umgekehrt.
Im Übrigen haben auch offizielle Linke die Gewalttat verurteilt, im Gegensatz zu Vertretern der AfD bezüglich des Attentates von Halle. Ein falsches Verständnis für diese Gewalttaten sehe ich daher nicht. Es ist zudem nicht richtig, Links- und Rechtsradikale in einen Topf zu werfen. Hier gibt es doch z. B. hinsichtlich der Zielrichtung deutliche Unterschiede und eine Differenzierung ist m.E. deswegen durchaus angebracht.
Auch fehlt mir momentan die Phantasie, wie dem sich auf dem Wohnungsmarkt zügellos gebärdenden Kapitalismus Einhalt zu gebieten sei. Seitens der Regierung passiert momentan eher das Gegenteil. Die Stadt unterstützt Investoren und verkauft die besten Grundstücke, statt sie zu verpachten, wie z.B. Hamburg. Sie tut acuh nichts, um den sozialen Wohnungsmarkt maßgeblich zu stärken. Eine Mietpreisbindung bei Förderung von Wohnungsneubau durch die Stadt von 10 Jahren ist deutich zu wenig. Nach spätestens 10 Jahren ist für Geringverdiener wieder eine Umzug angesagt. Die Stadt beut selbst aber keine oder über die LVB zu wenige bezahlbare Wohnung im inneren Stadtgebiet. Auf diesem Hintergrund muss man auch bedenken und bewerten, welche systemische Gewalt dadurch entsteht, dass Menschen aus ihren angestammten und bezahlbaren Quartieren gedrängt werden. Auch das ist pure Gewalt, die durch das stattliche Gewaltmonopol noch geschützt wird, z.B. durch Zwangsräumungen.Man kann auch sagen, eine Form von Krieg gegen Ärmere. Das in einem urprünglichen Wende-Verfassungsentwurf enthaltene Recht auf Wohnen existiert nicht und ist dabei doch ein grundlegendes Menschenrecht. Die Frage ist doch, wie Menschen mit der durch das ungezügelte kap. System erfahrenen systemischen Gewalt umgehen sollen und wer ihnen dabei hilft. Gute Worte und Erinnerung an die Werte der Revolution von 1989 sind da zu wenig und aus einer Perspektive maximaler Absicherung heraus gesprochen. Vorerst mit freundlichen Grüßen
Danke und Bravo, lieber Christian!
Klare Worte und klare Kante gegen jedwede Form von Gewalt in der politischen Auseinandersetzung in unserem Land/unserer Stadt!
Diese durchgeknallten Rowdies haben nichts, aber auch gar nichts mit einem „politischen Kampf“ für soziale Belange zu tun. Spätestens nachdem nun auch offen Gewalt gegen Personen ausgeübt wurde, begeben sich diese Verbrecher auf eine Stufe mit den Rechtsradikalen, wobei die Baustellenbrände der letzten Wochen und die Sachbeschädigungen das (politische) Klima in unserer Stadt bereits erheblich vergiftet haben.
Wir dürfen einen mir lieb gewordenen „Kiez“ nicht diesen Chaoten überlassen, sonst droht, dass die (damals vollkommen überzogene) Äußerung des ehemaligen BMI deMaizière, Connewitz sei eine „No-Go-Ära“, doch noch wahr wird!
In Gedanken bin ich bei der Projektentwicklerin der Immobilienfirma und wünsche ihr von Herzen, das Trauma dieses Überfalls möglichst rasch zu überwinden!
Oben stehende Verlinkung auf die Indymedia-Bekennerseite hätte besser unterbleiben sollen, da dort auch Name und Adresse der Geschädigten angegeben sind:
„*** wohnt aktuell (noch) in der XXXstraße 6 in 0xxxx Leipzig […].“
[Anonymisierungen von mir vorgenommen]
Übrigens steckt in diesem – tatsächlich ebenfalls an den Sprachgebrauch der RAF gemahnenden – „noch“ die Essenz jener menschenverachtenden Ideologie, die einst Millionen von Menschen, die zuvor ’noch‘ woanders gewohnt hatten, in die Gulags brachte, bevor sie dort zu Tode kamen.
Eine klares Positionierung eines bekennenden Christen, der den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt stellt. Danke, Christian!
„Wir haben uns deswegen entschieden, die Verantwortliche für den Bau eines problematischen Projekts im Leipziger Süden da zu treffen wo es ihr auch wirklich weh tut: in ihrem Gesicht.“
Das ist RAF-Jargon:
„Wir haben nach 43 Tagen Hanns-Martin Schleyers klägliche und korrupte Existenz beendet.“