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Friedliche Revolution – oder doch wieder nur verbrannte Erde?

Am 3. Oktober 2025, dem Tag der Deutschen Einheit, blicken wir zurück auf 35 Jahre vereintes Deutschland in der europäischen Gemeinschaft. Doch vor der Vereinigung der beiden deutschen Staaten 1990 stand die Friedliche Revolution im Oktober 1989. Mit den Friedensgebeten und Demonstrationen vor, am und nach dem 09. Oktober 1989 in Dresden, Plauen und Leipzig befreite sich die Bevölkerung von der SED-Diktatur und dem System von Bevormundung und Demütigung. Insofern sind die Tage im Oktober dazu angetan, über die anhaltende Bedeutung der Friedlichen Revolution, des Aufbruchs zur Demokratie und des vereinten Deutschlands, eingebettet in die Europäische Union, nachzudenken. Noch wichtiger ist aber: dass sich das vereinte Deutschland auch heute versteht als ein Land im Aufbruch, ein Land, das dieser Welt eine neue Geschichte erzählen kann: wie sich ohne Gewalt und Blutvergießen eine Revolution vollziehen und Demokratie, Freiheit, Menschenrechte errungen werden können.

Auf diesem Hintergrund sollte es jede:n im Rückblick mehr als erschrecken, dass sich schon wenige Monate nach der Friedlichen Revolution 1990 auf dem Balkan neue kriegerische Auseinandersetzungen abzeichneten und Anfang 1991 der zweite Golfkrieg vom Zaun gebrochen wurde – so, als ob den Menschen ganz schnell die Hoffnung auf gewaltfreie Veränderungsprozesse genommen und das Diktat militärischer Interventionspolitik schnell wieder eingetrichtert werden sollte. Niemand sollte der „Illusion“ (die aber eine erfahrene Wirklichkeit war!) aufsitzen, dass friedliche Veränderungsprozesse abseits von gegenseitigen militärischen Bedrohungspotentialen und ohne kriegerische Gewalt möglich sind. Parallel dazu war 1991 die damalige Bundesregierung der Überzeugung, dass die deutsche Einheit „aus der Portokasse“ bezahlt werden könne, während gleichzeitig 17 Milliarden DM für den zweiten Golfkrieg locker gemacht wurden. An dieser friedenspolitischen Schieflage hat sich in 35 Jahren bis heute leider wenig geändert – und dies, obwohl alle Kriege und militärischen Interventionen nichts anderes als verbrannte Erde und unendliches menschliches Leid hinterlassen haben.

Von daher gesehen ist es eine ziemlich absurde Anmaßung, 35 Jahre nach der Friedlichen Revolution und im vollen Wissen um die verheerenden Auswirkungen der in dieser Zeit geführten Kriege jetzt eine unbegrenzte Aufrüstungspolitik in Gang zu setzen (mit einer völlig willkürlich festgelegten Prozentzahl Anteil am Bruttosozialprodukt, nämlich Fünf, und einer nach oben unbegrenzten Ausgabesumme). Diese sind Ausdruck der gleichen Schieflage, wie 1991 entstanden ist: Dringend notwendige Investitionen im Bildungsbereich und zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen werden zugunsten der Ausgaben für militärische Zwecke zurück- bzw. eingestellt. Diese Entwicklung hat in den vergangenen Jahren zu der absurden Situation geführt, dass sich rechtsnationalistische Bewegungen wie die AfD als „Friedenspartei“ aufspielen und damit bei Wähler:innen punkten können – ganz zu schweigen von der höchst gefährlichen Situation, dass den Rechtsnationalisten, sollten sie jemals an die Schalthebel der Macht kommen, dann ein riesiger Militärapparat zur Verfügung steht. Wenn man dann noch bedenkt (Donald Trump macht es derzeit vor), wie Rechtsnationalisten nach innen wie nach außen mit dem Militär zündeln, kann einem nur angst und bange werden.

Darum ist es höchste Zeit, dass wir 35 Jahre nach 1990 den neuerlichen Aufbruch zur Demokratie mit einer Politik verbinden, die nichtmilitärischen Konfliktlösungen den Vorrang gibt und an die Erfahrungen mit dem KSZE-Prozess der 70er/80er Jahre und der Friedlichen Revolution in Ostdeutschland und Osteuropa anknüpft. Wir haben allen Grund, einen solchen Politikwechsel und eine europäische Friedenspolitik sehr selbstbewusst anzumahnen. Denn nicht die auf Minimierung von kriegerischer Gewalt setzende Politik ist eine Illusion, sondern die Vorstellung, mit militärischer Intervention Frieden herstellen zu können. Dabei sollte alarmierend genug sein, dass sich derzeit immer mehr Mächte dieser zerstörerischen Strategie bedienen: Russland, China, USA, Israel und die vielen Zellen privatisierter militärischer Gewalt auf dem afrikanischen Kontinent. Doch diese Politik hinterlässt – wie der verheerende Afghanistan-Krieg gezeigt hat –  nichts als verbrannte Erde im Innern wie nach außen. Wollen wir als Europa und nach den Erfahrungen der Friedlichen Revolution uns weiter auf dieser Ebene bewegen bzw. auf sie ziehen lassen? Es ist höchste Zeit, hier umzusteuern und an die Traditionen anzuknüpfen, die friedliches Zusammenleben verheißen. Der 3. und 9. Oktober 2025 sind Anlass genug, die Weichen neu zu stellen.

22 Antworten

  1. Lieber Herr Wolff,
    „Darum ist es höchste Zeit, dass wir 35 Jahre nach 1990 den neuerlichen Aufbruch zur Demokratie mit einer Politik verbinden, die nichtmilitärischen Konfliktlösungen den Vorrang gibt und an die Erfahrungen mit dem KSZE-Prozess der 70er/80er Jahre und der Friedlichen Revolution in Ostdeutschland und Osteuropa anknüpft.“ schreiben Sie.
    A) Ausgangslage aus meiner Sicht
    Diesem Ziel kann man nicht widersprechen und ich unterstütze dieses Ziel ausdrücklich.

    Ich frage aber, wie soll das aber gehen, wenn
    1) wir alles am Völkerrechtsbruch des März 2014 bzw. 22.2.2022 festmachen, dem militärischen Angriff auf die Ukraine durch Russland,
    2) die EKD in Ihrer Friedensethik von 2017 genau den Weg freimacht für die Wiederherstellung des Rechts durch die Mittel , die wir seit Jahren erleben: Gewalt wird durch Gegengewalt beantwortet. Die Katholische Kirche scheint mir da in Nuancen anders.
    3) nicht die UNO-Maßnahmen ergreift zur Wiederherstellung des Rechts, sondern ausschließlich beteiligte Parteien, nämlich der Westen, ohne dabei das Prinzip der friedlichen Lösung von Konflikten zu bedenken, was zumindest aus moralischen Gründen auch geboten wäre, statt nur Selbstverteidigung mit Waffen? Die Kirchen fordern das nicht einmal laut ein.
    4) Wie soll das gehen, wenn wir nur die westliche Sicht haben und nicht fragen, ob sich der Westen u.a. auch dem Sinn nach an die Nato-Russland Grundakte gehalten hat?
    Wir tun so, als sei alles so eindeutig. Aber wir sind nicht objektiv, weil wir zugleich Betroffene und Interessenvertreter sind.
    5) Wie passen die Nato-Russland Akte und darauf fußende Vereinbarungen und das Völkerrecht zusammen? Wer spricht hier Recht?

    Für den Westen ist der Fall klar. Wir haben Recht, so wie wir es erklären. Beteiligter, Richter und Exekutor zugleich. Dabei sind wir heuchlerisch
    • Wir berufen uns ausschließlich auf das von uns interpretierte Recht. Andere Meinungen sind Interessenvertretungen.
    • In Fällen von Eigeninteressen treten die Großmächte das Recht mit Füßen wie wir wissen, manchmal tun das auch Mittelmächte wie Israel, wenn sie gedeckt sind. Sogar ein Präventivschlag wird gebilligt…Bei Russland sieht man das anders.
    • Manchmal sind es auch demokratische, europäische Staaten, die sich bewusst klarer Interessenvertretung bekennen, gegen das Rech..

    Jüngstes Beispiel aus Europa, wo auch das Recht mit Füßen getreten wurde: Der polnische Regierungschef Tusk lehnt es ab, einem Auslieferungsersuchen Deutschlands betreffend einen im Zusammenhang mit den Sprengstoffanschlägen auf die Nord-Stream-Pipelines in Polen einsitzenden Ukrainers stattzugeben. Begründung: „Das Problem Europas, der Ukraine, Litauens und Polens ist nicht, das Nord Stream 2 in die Luft gesprengt wurde, sondern dass es gebaut wurde“. Dann weiter: Es liegt sicherlich nicht im Interesse Polens, diesen Bürger an ein anderes Land zu übergeben“. (RP vom 8.10.25). Sofort erinnert man sich an das Interviews Merkels in Ungarn, wo schon einmal Polen und die baltischen Staaten bezichtigt wurden, kein Interesse an weiteren Verhandlungen mit Russland zur Lösung der Ukraine Frage gehabt zu haben (diese Staaten waren schon seit 2014 in voller Harmonie mit den USA).
    Es stimmt einfach nicht, dass die Staaten bei wichtigen Fragen mit dem Gesetzestext unter dem Arm herumlaufen, wie wir so tun. Sie arbeiten mit allen möglichen, auch illegalen Mitteln.

    Man sieht an dieser Einstellung (zur Pipeline) aber auch, dass es nicht auf die Frage letztlich ankommt, ob alles rechtlich sauber umgesetzt wurde, sondern ob es im Sinne nachbarschaftlicher Beziehungen geschieht.
    Dieses Recht und diese Pflicht gilt gegenüber allen Nachbarn, auch gegenüber Russland. Man kann und darf nicht mit dem Kopf durch die Wand.

    B) Vorschläge
    Der von ihnen vorgeschlagene Weg wird deshalb nur gehen,
    • wenn wir auch den dicken Balken bei uns im Auge erkennen. Für andere können christliche Werte helfen, wonach das Leben das höchste Gut ist, was zu schützen ist . Es kann nicht um Land oder Prinzipien alleine gehen.. Es geht um ein vernünftiges Miteinander von Staaten und Systemen*).
    • Fangen wir dann mit dem verbalen Abrüsten an. Worte schaffen Realität und verkleistern das offene Denken.
    • Eine KSZE neuen Typs könnte erst dann angedacht werden, wenn der Westen entweder die Balken im eigenen Auge gesehen hat oder sich im Klaren darüber ist, dass der Weg der permanenten Eskalation da seine Grenzen hat, wo die Menschen nicht mitmachen. Konferenzen dieser Art erfordern mehrjährigen Vorbereitungen auf beiden Seiten. Zudem fiele mir nicht ein, wer eine solche Konferenz einberufen könnte, außer dem Papst + Kyril I. Vielleicht sieht jemand eine andere Lösung. Alles

    Schneller ginge es, in Verbindung mit dem verhassten Trump doch einen Deal zu machen auf Basis des bisher Bekannten. Wir sollten nicht seinen Verlockungen glauben, die Ukraine und Europa könnten letztlich mit vielen in den USA gekauften Waffen das Blatt entscheidend wenden. Ich interpretiere seinen neuesten Move so: „Na wenn ihr meint, das sei für euch nicht akzeptabel, dann könnt ihr gerne bei mir kaufen.. „ Oder: Ich komme im Moment nicht weiter, macht mal..“ Glaubt jemand wirklich, das ist die Lösung?
    • Kommen wir zu Ende. Plädieren wir für Frieden, auch Frieden mit Russland, so schwer es auch ist und greifen wir das ursprüngliche Paket von Trump auf. Aber setzen wir noch eins drauf: Fordern wir gleichzeitig eine militärische Abrüstung, die Trump nicht im Paket hat und vielleicht auch nicht will. Finden wir es raus.
    • Wenn ich es richtig sehe, begann die friedliche Revolution in Deutschland einst mit Friedensgebeten. Kann man daran nicht anknüpfen und eine Bewegung machen? Unterstützen wir diejenigen in Politik und Gesellschaft und Kirchen , die den Weg des Friedens suchen, nicht die Leute, die an den Buchstaben des Gesetzes alleine glauben.
    • Suchen wir von Seiten der Kirchen auch den Kontakt zu Kyril I. Alle glauben doch an denselben Gott.
    • Schlecht wäre es nur auf Pazifismus zu setzen. Dafür ist die Lage jetzt zu sehr eskaliert. Beides müssen wir tun, so schnell wie möglich verteidigungsfähig werden und den Weg des Kompromisses suchen.
    *) Natürlich ist Russland heute ein undemokratisches Land. Aber was haben wir getan, in Russland selbst die Vorteile der Demokratie, so wie wir es uns vorstellen, erlebbar zu machen? Sehr, sehr wenig. Wir müssen auch mit Staaten zusammenleben können, die eine andere Sicht haben als wir. Das ist deren gutes Recht, predigen wir doch immer.

  2. Inwieweit der weitgehend friedlich verlaufende Umbruch 1989/90 in der untergehenden DDR und in Osteuropa beispielhaft sein kann für eine gewaltfreie Lösung der aktuellen Konflikte in der Welt, sei dahingestellt (s. Schwerdtfeger). Der Apell, einen Politikwechsel hin zu nichtmilitärischen Konfliktlösungen anzumahnen und sich für eine europäische Friedenspolitik einzusetzen, ist auf alle Fälle zu begrüßen.
    Dieser Apell scheint mir besonders in diesen Tagen angebracht, da mit den hysterischen Reaktionen auf vermeintliche, unbewiesene russische Aggressionsakte (angebliche Luftraumverletzungen, mutmaßliche Sabotageakte auf kritische Infrastruktur) die Kriegsstimmung im Lande angeheizt, das Gefühl eines Abwehrkampfes gegen eine reale Gefahr simuliert und eine „Strategie der Spannung“ verfolgt wird. Offenbar soll damit dem Widerstand gegen die in der Folge auch unsoziale Militarisierung der Gesellschaft begegnet werden. Manche scheinen sich nicht darüber im Klaren zu sein, dass das ständige Gerede über einen bevorstehenden Krieg zwischen Russland und Europa (es zu diesem nahezu keine Alternative gäbe), sowie das Bemühen, gegenseitig das Bild eines „existentiellen Feindes“ zu malen (Wadepuhl: „Russland wird immer unser Feind sein“, Merz: „Putin ist der schwerste Kriegsverbrecher unserer Zeit“), zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden kann. Eine wohltuend sachliche Bewertung der jüngsten Vorkommnisse im NATO-Luftraum ist von General a. D. Harald Kujat zu hören. Er war seinerzeit Vorsitzender des NATO-Militärausschusses (https://www.youtube.com/watch?v=3BoFf9WS9Ec).
    Eine europäische Friedensordnung zu fordern, ohne auch nur andeutungsweise auf denkbare, wesentliche Elemente einer solchen einzugehen, ist allerdings ziemlich schwach. Sicherlich erfordert es derzeit hier im Lande einige Courage und Standfestigkeit, öffentlich festzustellen, dass sich das Problem „europäische Sicherheit“ nur unter Einbeziehung des zu Europa gehörenden Landes Russland nachhaltig lösen lässt (Man verfolge nur, welche Mühe die Publizistin Ulrike Guérot in einer Diskussionsrunde bei ServusTV ON hatte, diesen Gedanken sachlich mit ihren Gesprächspartnern zu diskutieren, https://www.youtube.com/watch?v=jZiUCzF24BQ). Konkret hieße das, sich ernsthaft mit den Sicherheitsinteressen aller, also auch der Russlands auseinanderzusetzen, auf die Aufrüstung von Frontstaaten zu potentiell aggressionsfähigen militärischen Bollwerken zu verzichten, die noch vor wenigen Jahren gültigen Abrüstungsverträge wieder einzuführen bzw. zu aktualisieren und nicht zuletzt auch den wirtschaftlichen und kulturellen Austausch zwischen den derzeitigen Gegnern in beiderseitigem Interesse wieder aufzunehmen bzw. zu forcieren. Die durch den Maidan-Putsch erzwungene Abkopplung der ukrainischen Wirtschaft von der russischen hatte zu einem schlagartigen Absinken der Wirtschaftsleistung der Ukraine um ca. 35% geführt, was bis heute nicht wettgemacht ist. Der Verzicht auf kostengünstige russische Energieträger widerspricht deutschen Interessen. Frau Guérot schlägt die Schaffung eines deutsch-russischen Jugendwerkes vor, eines wie es nach dem Zweiten Weltkrieg von Deutschland und Frankreich ins Leben gerufen wurde. Auch wenn manche der Punkte utopisch klingen mögen, auf diese Weise könnte aber ein Verteidigungs- bzw. Kriegsfall wird sicherlich am ehesten unwahrscheinlich gemacht. Das gegenwärtige Kriegsertüchtigungstheater führt dagegen zu weniger Sicherheit. Die sozialen Kosten der vorgesehenen Aufrüstungsorgie werden zudem die Gesellschaften in NATO-Europa in ihrem Inneren weiter destabilisieren. Leider ist bisher auch nicht zu erkennen, dass die NATO-Staaten sich vernünftig mit den Bedingungen auseinandersetzen, unter denen Russland bereit wäre, die Kampfhandlungen in der Ukraine zu beenden.

    1. General a.D. Kujat ist kein besonders guter Kronzeuge. Im Januar 2022 sagte er, ein Angriff auf die Ukraine sei nicht das Ziel Russlands, nach dem 24. Februar prophezeite er im Deutschlandfunk die rasche Niederlage der Ukraine. An die Ukraine gelieferte Waffen würden doch nur bei den Russen ankommen.

      Wollen Sie bestreiten, Herr Lerchner, dass Putin ein Kriegsverbrecher ist? Und soll man das nicht sagen dürfen, weil man damit ein Feindbild malt? 19.000 Kinder entführt und ihrer Identität beraubt zu haben – nicht so schlimm? Unterseekabel reihenweise bloß von versehentlich abgelassenen Ankern beschädigt?

      Niemand hierzulande heizt Kriegsstimmung an – das ist eine polemische Verfälschung. Richtig ist, dass die meisten nicht bereit sind zuzusehen, wie das verbrecherische Regime Russlands die Fortentwicklung eines demokratischen, prosperierenden und kulturell vielfältigen Europa mit Gewalt behindert. Diese in der Ukraine gegenwärtige Gewalt wollen die meisten von sich selbst mit einer Armee fernhalten können, die eine Ausweitung der Gewalt durch glaubhafte Abschreckung zu verhindern in der Lage ist. Das, und nicht Krieg, meint „Kriegstüchtigkeit“. Die Armee haben wir aus den bekannten Gründen (zeitweise von Freunden umzingelt) gegenwärtig nicht mehr. Die gutwillige Annahme, dass eine Ausweitung der russischen Gewalt überhaupt nicht drohe, birgt das Risiko, dass im Fall, dass diese Annahme falsch ist – siehe General Kujat – es zu spät für jegliche Vorkehrungen sein wird, den Krieg bzw. die Unterworfenheit unter ein fremdes Gewaltregime zu vermeiden, abgesehen davon, dass es sich in einem solidarischen Europa gehört, bereits jetzt denen militärisch zu Hilfe zu kommen – Ukraine, baltische Länder – die von der russischen Gewalt akut überzogen bzw. bedroht sind. Worüber man in der Tat streiten kann, das ist der schier unbegrenzte Rüstungsetat als Carte blanche für Geschäftemacherei und teuerste Einzelposten (F 35) bei gleichzeitiger Hemmung, die allg. Wehrpflicht wieder einzuführen, Voraussetzung für eine ausreichende Reserve. Wobei auch die Reserve zählt für die Abschreckung, nicht bloß, um Verluste zu ersetzen. Die Gleichung, je größer die Reserve, desto höher der von den Planern bereitwillig in Kauf genommene Blutzoll, ist falsch.

  3. Als die Grenzen der „neuen Bundesländer“ geöffnet waren, habe ich mir einen schon länger gehegten Wunsch erfüllt und den Nordosten, mehrere Jahre lang, je eine Woche mit dem Fahrrad bereist. Beim Reisen von See zu See sind mir zuerst die zahlreichen Kinderferienlager aufgefallen, stets an den schönsten Stellen. Die meisten waren schon geschlossen.
    Als ich erstmals auf der Strandpromenade von Binz stand, befand sich dort der städtische Kindergarten. Ein Jahr später standen wir, mein mitreisender Nachbar und Freund und ich, wieder an derselben Stelle. Der Kindergarten aber nicht, er war einem Luxusrestaurant gewichen. Wir hatten es vorhergesehen. Es ergaben sich aber interessante Gespräch vielen fassungslosen Menschen, die berichteten, der Kindergarten sei jetzt in das Industriegebiet verlegt worden.

    Ich besitze seit langem eine LP der Gruppe Lift. Dort findet sich die „Ballade vom Stein“. Über diesen heißt es: „Um auf dem Schuttplatz zu verdorrn, bist du uns doch zu schade. Wir bauen uns ein Haus am Meer, aus Pflasterstein und Jade. Wir bauen uns am Meer ein Haus, wir lassen dich nicht liegen. Und auf dem himmelnahen Dach, lehr´n wir die Kinder fliegen.“

    Heute lehren wir die Kinder wieder einmal Kriegstüchtigkeit. Vielen Dank, Herr Wolff, für Ihren Beitrag.

  4. Zitat A. Schwerdtfeger: „Nochmal: Ich bin natürlich kein Kriegsbefürworter. Aber ich erkenne, dass der liebe Gott mit seiner Paradies-Entscheidung den Menschen wohl absichtlich in eine Situation gestellt hat, in der er die Freiheit hat, sich für das Gute oder das Böse zu entscheiden und entsprechend zu handeln.“
    Nun denn Herr AS – fragen Sie nicht Gott (dieser ist nach Ihren Selbstentäuß0erungen offensichtlich weit entfernt und dies ist nicht lokal gemeint!), sondern fragen Sie sich selbst, welche der selbstgewählten Freiheiten für Sie entscheidend sind – nach all Ihren dauerhaft heftig konträren Anwürfen gegen Chr. Wolff muss Ihnen das Gute abhanden gekommen sein.
    Am 03. Oktober erinnern wir uns an den Friedlichen Herbst 1989, und während einer Podiums Diskussion im Dresdner Theaterkahn gestern (01.10.25) zur Buchpremiere der Publikation von Frank Richter: als Herausgeber von „Oasen im Osten“ waren die Diskutanten bald auch beim Nachwievorthema: Ost / West. Und Richters Buch beschreibt Menschen, die sich in den letzten Jahrzehnten und bis heute für konkrete Projekte engagierten und damit das Gegenteil von Maulen, Anwürfen, Wut, Gewalt, Destruktion praktizierten. Ich (als Mitautor unter 23 Autoren) empfehle Ihnen dieses Buch sehr (St. Benno-Verlag Leipzig), es könnte – so erhoffe ich es – in Ihnen Nachdenken auslösen.
    Ohne die Friedliche Revolution, ausgehend von aufrechten, gewaltfreien und entschlossenen Bürgern aus der einstigen SED-STASI-DDR wäre der 3. Oktober 1990 nicht möglich gewesen – daran gibt es wohl keinen Zweifel!
    Ihnen einen des Nachdenkens werten 3. Oktober…Jo.Flade

  5. Und jährlich grüßt das Murmeltier! Hatten wir das alles nicht schonmal im letzten Jahr? Und davor?
    Da will uns Wolff verkaufen, dass die sogenannte Friedliche Revolution – ein Prozess, der in Wirklichkeit dadurch möglich wurde, dass in der Sowjetunion ein Mann am Ruder war, der die wirtschaftliche, moralische und militärische Schwäche seines Landes erkannt hatte und deshalb nicht eingreifen konnte; dass in Deutschland ein „Auffangland“ für die Teilrepublik „DDR“ vorhanden war, in das die Bürger, wie hier schon angemerkt, ihre wirtschaftliche Hoffnung setzten und nicht alle realisierten, dass damit auch eigene Initiative und Verantwortung verbunden ist; dass schließlich der Aufbau eines zerrütteten Teil-Landes gegen die Sicherheit und Freiheit des Gesamtlandes nicht aufgerechnet werden kann – dass also diese Friedliche Revolution Leute wie Milosevic oder Saddam Hussein perfide dazu verleitet habe, Kriege vom Zaun zu brechen (oder wen meint er wohl sonst?), um die Amerikaner und ihre Unterstützer innerhalb und außerhalb des Bündnisses zu Feldzügen zu verleiten, die die „Priorität“ der Gewalt in der Politik wiederherstellen sollten. Dass der Prozess der deutschen Wiedervereinigung ein historisches Unikum in besonderer Lage war; dass dieses Unikum leider eben nicht die Realität, sondern eine spezielle und glückliche Ausnahme war und wohl auch bleiben wird; dass schließlich nicht jede Gewalt, insbesondere eben die zur eigenen Verteidigung, eine notwendige Voraussetzung für menschliches Leben nach unserer Vorstellung ist (ein Leben, das Wolff zwar nicht verteidigen will, aber selbst kräftig nutzt und propagiert) – dies alles geht für die Ideologie unter.
    Und dann schreibt er uns wieder mal seine Erkenntnis, dass Kriege nur verbrannte Erde hinterlassen. Wie richtig! Also brauchen wir Politik und Diplomatie als steuernde Elemente, die das notwendige militärische Instrument vorausschauend und klug als ultima ratio einsetzen. Wolff aber will das weder anerkennen noch politisch umsetzen, denn mit Leuten wie Putin oder anderen seinesgleichen will er ja nicht reden, weil sie moralisch pfui sind.
    Wolff schrieb uns neulich, dass bei ihm „in allen Blog-Beiträgen immer auch theologische Überlegungen mitschwingen“. Es würde mich interessieren, warum der liebe Gott den Menschen aus dem Idealzustand des Paradieses überhaupt in den Zustand von Zwist und Krieg überführt hat, wenn doch die Lage vorher prima war. Mir scheint, dass mit der Einführung des Begriffes „Versuchung“ in die Menschheit ganz bewusst die Eigenverantwortung, die selbständige Wahlfreiheit, die Logik von auch konfliktreichen Wettbewerben und die Konkurrenz von Gut und Böse in die menschliche Welt – im Gegensatz zum Paradies – eingeschleust und der Mensch dadurch zum freien Herrn seiner Entscheidungen gemacht wurde – und dass solche Entscheidungen eben dadurch gekennzeichnet sind, dass sie nicht nur zwischen paradiesischen Manna und Met, sondern auch zwischen Flexibilität und „roten Linien“ stattfinden müssen. Der von Wolff so verehrte Friedenskanzler Brandt hat das im Gegensatz zu seinem Bewunderer erkannt: Er nutzte die Diplomatie (auch im Zusammenwirken mit Diktatoren) auf der Basis von rund 5% Verteidigungsausgaben (wenn man – wie jetzt geplant – militärische und zivile Verteidigungsanstrengungen zusammenrechnet).
    Es ist Zeit, die inzwischen bei den Gutmenschen unserer Zeit selbstverständliche Opfer-Täter-Umkehr zu beenden. Militärische Verteidigung muss abgestuft und variabel sein; sie muss den Zwecken unserer Demokratien dienen (Erhalt von Freiheit und Sicherheit); sie muss von diplomatischen Initiativen und Zielen gesteuert sein; sie muss jederzeit beendbar bleiben; und sie darf deshalb politisch nicht (wie in Afghanistan) populistischen innenpolitischen „Verkaufsargumenten“ untergeordnet werden. Aber sie darf auch wiederum nicht mit Verschwörungstheorien verteufelt werden, indem man, wie Wolff, uns verkaufen will, dass die Bösen dieser Welt (Milosevic, Hussein, Hamas) gar nicht die Bösen sind, weil sie ja nur die eigentlich Bösen (insbesondere die USA) entlarven.
    Wolff muss noch lernen!
    Andreas Schwerdtfeger

    1. „dass in der Sowjetunion ein Mann am Ruder war, der die wirtschaftliche, moralische und militärische Schwäche seines Landes erkannt hatte und deshalb nicht eingreifen konnte“
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      Gegen das kleine Litauen gewalttätig vorzugehen fühlte Gorbatschow sich noch mächtig genug. Doch hatte er nicht mit dem unbändigen Freiheitswillen der Litauer gerechnet. Am „Blutsonntag“, dem 13. Januar 1991, wurden insgesamt 14 unbewaffnete Zivilisten getötet, die Parlament und Fernsehturm in Vilnius verteidigten, über 1000 wurden verletzt. Der Putsch misslang. © Wikipedia https://ogy.de/rxno

      1. Sie haben völlig Recht, Herr Plätzsch, aber es ging ja hier um die Region „Dresden, Plauen und Leipzig“ und die „SED-Diktatur“, wie uns Wolff gleich anfangs und in seiner Antwort auf meinen Beitrag wissen lässt.
        Und diese Antwort ist wieder mal ein Meisterstück des Ausweichens und Sich-Drückens:
        zu 1: Ein Krieg beginnt immer mit einer militärischen Intervention
        zu 2: Wie oft muss wohl noch betont werden, dass niemand hier „allein“ auf militärische Intervention setzt? Wolff hat wohl nicht gelesen, was ich hierzu schrieb, und es passt auch nicht in seine Propaganda
        zu 3: Wolff ist ein Gegner des Verhandelns mit Putin bisher gewesen, weil dieser ja ein Bösewicht sei. Aber Abrüstungsinitiativen sind nunmal Diplomatie und Miteinander-Reden. Und nochmal: Ein „völlig unkontrolliertes Aufrüstungsprogramm“ plant niemand – jedenfalls ist der Fachmann Wolff bisher jeder inhaltlichen Diskussion dazu ausgewichen und hat bisher komplette inhaltliche Unkenntnis zu dem Thema bewiesen
        zu 4: Wolffs Meinung zu Israel und Netanjahu in Ehren. Aber es ist eine Meinung und mehr nicht. Zum Glück gibt es immer noch ein paar Vernünftige in dieser Welt, die einsehen, dass die Regierung Israels angesichts des 7. Oktober-Verbrechens der Hamas kaum Alternativen zu ihrem Vorgehen hat, wenn sie alle Geiseln zurückhaben will und wenn sie ihr Land für die Zukunft besser schützen will. Und dass die 2-Staaten-Lösung tot ist (egal, wie es dazu gekommen ist – und hier kann man Israel berechtigt Vorwürfe machen), das weiß inzwischen jeder, wie die hilflosen Lippenbekenntnisse und völlig andere inhaltliche Politik aller Akteure zeigen (einschl der Bundesregierung, die das ja auch weiß).
        Nochmal: Ich bin natürlich kein Kriegsbefürworter. Aber ich erkenne, dass der liebe Gott mit seiner Paradies-Entscheidung den Menschen wohl absichtlich in eine Situation gestellt hat, in der er die Freiheit hat, sich für das Gute oder das Böse zu entscheiden und entsprechend zu handeln. Dadurch hat er verfügt, dass es Menschen auf beiden Seiten dieser Schranke geben wird. Und die von Gott den Menschen gegebene Verantwortung verlangt dann wohl, dass man erkennt, dass Handeln genauso schuldig machen kann wie Unterlassen; dass Freiheit auch Leid und Opfer bewirkt, wenn sie verteidigt werden muss; dass der Verfolgung des Guten auch die Inkaufnahme von Wehrhaftigkeit mit allen harten Konsequenzen zugrunde liegt.
        Ich bleibe dennoch auf Wolffs Seite, wenn er an den KSZE-Prozess erinnert und Ähnliches fordert. Aber dieser Prozess stützte sich eben auf eine glaubhafte militärische Stärke und Abschreckung. Wenn dies anerkannt würde und daraus für heute sachliche Konsequenzen auf der Basis von Kenntnis und nüchterner Analyse gezogen würden (wozu Wolff der Wille und die Kenntnis fehlen), wären wir einen Riesenschritt weiter.
        Andreas Schwerdtfeger

        1. „Wolff ist ein Gegner des Verhandelns mit Putin bisher gewesen, weil dieser ja ein Bösewicht sei. “
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          Wo haben Sie das gefunden, Herr Schwerdtfeger? Jeder vernünftige Mensch ist der Auffassung, dass mit Putin geredet werden muss, da er der entscheidende Politiker in Rußland ist – und sei es nur, um den Beweis zu erbringen, dass er nicht verhandlungsbereit ist.

          1. Ja: Jeder „vernünftige“ Mensch! Wenn man aber, wie Wolff es tut, über die zugegeben Unappetitlichen dieser Welt so schreibt wie er – lesen Sie seine Beiträge über Putin, Trump, Orban, Netanjahu, etc -, dann schließt man Gespräche logischerweise aus und verhindert sie jedenfalls. Wolff hat oft genug moralisiert, dass diese Leute aus seiner Sicht keine Gesprächspartner sein können. Und unabhängig davon: Wenn man solche Leute unentwegt vulgär beschimpft, dann schreckt man auch umgekehrt diese von jeder Gesprächsbereitschaft ab. Das ist es ja, was Egon Bahr uns gesagt, als er mit Breschnew verhandelte, oder Juncker, als er die zutreffende Anmerkung machte, dass er, wenn er nur mit Demokraten sprechen würde, seine Arbeitswoche dienstags mittags beenden könne.
            Andreas Schwerdtfeger

        2. zu 4.: „Wolffs Meinung zu Israel und Netanjahu – eine Meinung und mehr nicht.“ Dabei merken Sie offenbar nicht, Herr Schwerdtfeger, wie Sie sich mit Ihrer Meinung gemein machen mit Völkerrechtsverächtern und Kriegsverbrechern vom Schlage Ben-Gvirs und Smotrichs, wenn Sie es nach dem 7. Oktober und zur Befreiung der Geiseln als vernünftig und alternativlos ansehen, 65.000 Menschen getötet und noch mehr verstümmelt zu haben, ein Großteil davon Kinder, und wenn Sie die Zweistaatenlösung als tot ansehen, egal, ob Israel dafür verantwortlich ist.

  6. Wer will „mit militärischer Intervention Frieden herstellen“?
    Wie wird das schändliche Treiben militärischer Interventionisten gegen deren erklärten Willen ohne Waffen wirksam verhindert?
    Durch welche diplomatischen Aktivitäten wurde der Zweite Weltkrieg verhindert bzw. beendet?
    Mit welchen Verhandlungen wurde Napoleon davon abgehalten, halb Europa zu kolonisieren?
    Es ist wohlfeil, in den Zeiten keines „Kalten Krieges“, sondern eines bereits tobenden heißen Krieges in Europa, also direkt vor unserer Haustür, auf Demilitarisierung und Verhandlungen zu setzen, wenn es an einem seriösem Verhandlungspartner auf der Seite des Aggressors mangelt.
    Israel in die Liste der Aggressoren aufzunehmen, ist angesichts der permanenten militärischen Bedrohung und Aggressionen seitens militanter antijüdischer Organisationen und Staaten seit Gründung des Staates Israel am 14.05.1948 zynisch und antisemitisch in der Tradition des deutschen Faschismus.

    1. Ich versuche eine Replik mit etwas weniger Schaum vor dem Mund:
      1. Auch der Krieg des Putin-Russland gegen die Ukraine hat mit einer militärischen Intervention begonnen – und auch dieser Krieg wird sehr viel verbrannte Erde hinterlassen, ohne dass sich politische Verhältnisse verbessern (auch nicht für Russland!).
      2. Worte wie Verhandlungen, Diplomatie habe ich bewusst in meinem Beitrag nicht verwendet. Denn mir ging es vor allem darum aufzuzeigen, dass der Ausgangspunkt für Konfliktösungen entscheidend ist. Da – so bin ich überzeugt – hat die Friedliche Revolution in Ostdeutschland und in Osteuropa einiges beizutragen. Dieses nicht zu vergessen und es nutzbar zu machen für heutige politische Prozesse, statt weiter allein auf militärische Interventionen zu setzen, ist kurz zusammengefasst der Inhalt meines Beitrages.
      3. Ich habe mich mit keinem Wort gegen die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und Europas gewandt. Was ich kritisiere: ein völlig unkontrolliertes Aufrüstungsprogramm, was zusätzlich nicht verbunden ist mit Abrüstungsinitiativen (das ist ein großer Unterschied zu den 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts).
      4. Die derzeitige, rechtsextreme Regierung Israels gefährdet mit ihrer aggressiven Politik, dem völkerrrechtswidrigen Kriegführung im Gaza und der faktischen Verunmöglichung einer Zwei-Staaten-Lösung in gefährlicher Weise den mühsamen Aufbau einer Friedensordnung im Nahen Osten. Dieses festzustellen verharmlost weder die Verbrechen der Hamas und Hisbollah noch wird irgendetwas relativiert. Auch ändert die Kritik an der verhängnisvollen Netanjahu-Regierung etwas daran, hier in Deutschland sich aktiv für jüdisches Leben einzusetzen und jeder Form von Antisemitismus entgegenzutreten. Nur: Hier benötige ich persönlich keine Belehrungen.

  7. Ja, nun steht der Tag der Deutschen Einheit, unser deutscher Nationalfeiertag, wieder im Kalender. Und dann dieser Blog. Ich möchte beschreiben, wie es mir beim Lesen des Beitrags gegangen ist. Es reizt mich schon, auf die ein oder andere Ausführung zu antworten. Z.B. wage ich zu bezweifeln, dass sich „die Bevölkerung“ als Ganze damals wirklich aus dem System von Bevormundung und Demütigung befreit hat. Vielmehr scheint mir die „friedliche Revolution“ doch die Angelegenheit eines kleineren Teils der Bevölkerung gewesen zu sein. Ich verstehe auch den Satz nicht, die Bundesregierung habe die Einheit „aus der Portokasse“ finanzieren wollen. Das haben zumindest alle die nicht so erlebt, die durch Solidaritätsbeitrag und persönliches Engagement zum Gelingen der Einheit beigetragen haben (zu denen der Verfasser des Blogs ja auch gehört). Ich kann die neuere deutsche Geschichte auch nicht als Militärgeschichte lesen, ein Eindruck, den man beim Lesen des Blogs gewinnen könnte. Eher erkenne ich einen traumtänzerischen Verzicht auf den Erhalt einer maßvollen Verteidigungsbereitschaft, die mühsam wiederherzustellen man jetzt versucht. Und ich sehe auch jetzt keine Ansätze zu einer „unbegrenzten Aufrüstungspolitik“. Es ist ja nicht einmal die erste Hälfte dieser Nachrüstung finanziert. (Wenn ich richtig informiert bin, waren es zu Willy Brandts Zeiten auch fast 5 %.) Aber was ich am meisten bedaure ist, dass der Tag der Deutschen Einheit auch in diesem Beitrag wieder nur ein Tag ist, an dem man Probleme erkennt und diskutiert. Dabei ist die Wiedervereinigung doch wie alles in der Weltgeschichte eine Mischung von Gelingen und Scheitern, von klugen Entschlüssen und Irrtümern. Deshalb sollte mit einem kritischen aber auch dankbar gnädigen Blick auf diese Wegstrecke schauen. Vielleicht ist es ja das größte Problem, dass wir Deutschen immer n u r Probleme sehen und dass wir nichts dankbar feiern können. So sehe ich dem 3. Oktober auch dieses Jahr wieder ohne Erwartungen entgegen. Es wird wohl auch diesmal nicht zu einer dankbaren und freudigen Würdigung der weltgeschichtlich einmaligen Leistung der Wiedervereinigung kommen. Die einzige Einheit wird auch dieses Jahr wieder darin bestehen, dass Links und Rechts und Mitte, jeder auf seine Art, nur mit Kritik auf dieses Ereignis blicken werden. Wir werden wohl auch dieses Jahr wieder nicht wirklich feiern, sondern bestenfalls griesgrämig Rituale ableisten. Ich glaube, dass es diese Haltung ist, die uns dann auch daran hindert, eine Einigkeit und einen Zusammenhalt zu entwickeln, die uns motivieren könnten, die vor uns stehenden Probleme gemeinsam mutig anzufassen.

    1. Lieber Rolf Fersterra, vielen Dank für diesen nachdenklich-kritischen Kommentar. Ja, mein Beitrag setzt sich kritisch mit einem Aspekt der Friedlichen Revolution und der nachfolgenden Deutschen Einheit auseinander: Welche Bedeutung hat es für uns heute, dass es 1989/90 in Deutschland und auch in Osteuropa zu keinem Blutvergießen und zu keinen kriegerischen Handlungen kam (Rumänien muss man teilweise ausklammern)? Mein Anliegen ist, dass wir das in einer weltpolitischen Situation voller Kriege und militärischer Interventionen nicht aus den Augen verlieren. Hintergrund meines Beitrages ist aber auch die Tatsache, dass sich Parteien wie die AfD als „Friedensbewegung“ ausgeben können und es jedenfalls hier in Ostdeutschland (aber ich glaube, dass es im Ruhrgebiet oder Stuttgart nicht ander ist) kaum vermittelbar ist, dass wir gigantische Summen für Rüstungs ausgeben und gleichzeitig erleben Menschen einen wirtschaftlichen Abstieg.
      Ansonsten stimme ich absolut zu, dass am 3. wie am 9. Oktober der Dank und die Zuversicht ihren Platz haben müssen. Denn „dumm ist, wer den Dank vergisst“ (Klaus Engelhardt 1997). Ich hoffe, dass ich das am 3. Oktober in Frankfurt nicht zu kurz kommen lasse.

  8. Ich lese das Buch:
    “ Die Evolution der Gewalt, warum wir Frieden wollen, aber Kriege führen.“
    Wie sah das “ WIR“ 1989 aus……..war es nicht für die Mehrheit der damaligen DDR-Bürger nur die Hoffnung nach MEHR …..mehr Autos, mehr Bananen, mehr Geld…??
    herzlich grüßt Hella Wend

    1. Natürlich spielten materielle Motive eine wichtige Rolle bei der Wiedervereinigung, aber auch Reise-, Presse- und Meinungsfreiheit und freie Wahlen.

  9. „Darum ist es höchste Zeit, dass wir 35 Jahre nach 1990 den neuerlichen Aufbruch zur Demokratie mit einer Politik verbinden, die nichtmilitärischen Konfliktlösungen den Vorrang gibt“
    ____________________________________________________________________________________
    Nur eine wehrhafte Demokratie, kann Kriege verhindern. Deshalb ist eine Aufrüstung, die den jämmerlichen Zustand der Bundeswehr beendet, dringend geboten.

    1. Das eine (Vorrang nichtmilitärischer Lösungen) schließt das andere (wehrhafte Demokratie) nicht aus. Die Kritik an rein quantitativer Rüstungsplanung ohne erkennbares Konzept (allg. Wehrpflicht nein, aber ja zu astronomisch angekündigter Steigerung der Rüstungsausgaben) ist berechtigt. Im Übrigen ist die Bundeswehr in keinem „jämmerlichen Zustand“. Sondern sie ist partiell (Artillerie) zu klein oder nicht mehr vorhanden (Heeresflieger, Flugabwehr).

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