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Erbarmen für Uli Hoeneß

Um es vorweg zu sagen: Es geht im Fall Hoeneß nicht darum, sich über einen Menschen moralisch zu erheben, der wegen einer schweren Straftat eine Gefängnisstrafe absitzen muss. Straffällig kann jeder werden – auch der Autor dieser Zeilen. Und das ist dann zuerst und vor allem eine persönliche Katastrophe, in der man nur hoffen kann, dass sich nicht alle Menschen von einem abwenden. Also: Erbarmen für Uli Hoeneß. Doch was bei der Mitgliederversammlung vom FC Bayern München am 02. Mai 2014 geschehen ist, darf nicht unwidersprochen bleiben.

Da sitzt der zu dreieinhalb Jahren Gefängnisstrafe rechtskräftig verurteilte Uli Hoeneß in der ersten Reihe der Basketballhalle, eingerahmt vom ehemaligen Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern, Edmund Stoiber, und anderen Verwaltungsratsmitgliedern des FC Bayern München, Spitzenmanager der deutschen Industrie. Das wirft die erste Frage auf: Warum hat offensichtlich niemand aus der Vereinsführung Uli Hoeneß geraten, an dieser Versammlung nicht teilzunehmen? Warum wird stattdessen über die Medien ein Bild transportiert: Ach, dass unser Uli Hoeneß ins Gefängnis einrücken muss – wir konnten es leider nicht verhindern. Aber alles nicht so schlimm. Wir tun einfach einmal so, als stünde unserem Uli eine Art Kuraufenthalt bevor.

Und dann ergreift Uli Hoeneß auch noch das Wort. Und was er sagt, ist verheerend. Wörtlich: „Ich habe einen Riesenfehler gemacht. Ich habe aus meiner ganzen Spekuliererei drei Millionen Verlust gemacht und werde jetzt ca. 30-35 Millionen (nun mit erhobenen Zeigefinger und erhöhtem Tremolo in der Stimme) inklusive Zinsen an das Finanzamt bezahlen. Ich werde das tun und werde für alles gerade stehen. … Und dann, wenn ich zurück bin, werde ich mich nicht zur Ruhe setzen. (und dann mit fast drohendem Unterton) Das war’s noch nicht.“ Da fragt man sich: Was war denn nun der „Riesenfehler“? Dass er eine Straftat begangen hat? Davon hört man so gut wie nichts. Aber Verluste hat der arme Uli Hoeneß bei seiner Zockerei gemacht. Ist das nicht Strafe genug? Wieso muss er nun auch noch für das Verlustemachen Strafe zahlen? Ist das etwa gerecht? So scheint Uli Hoeneß die Menge fragen zu wollen, um sogleich seine Generosität zu unterstreichen: Obwohl ich Verluste zu verkraften habe, werde ich auch noch über 30 Mio Euro ans Finanzamt zahlen. Was bin ich doch für ein guter Mensch!

Diese Selbstgerechtigkeit, die die Straftat der Steuerhinterziehung zur Bagatelle degradieren soll, diese Selbstjustiz, dieses Zurechtschneidern der Gesetze auf die eigene Person, sind kaum zu ertragen und für das Rechtsempfinden des Bürgers und der Bürgerin verheerend. Alle, die Uli Hoeneß in der Sporthalle zugejubelt haben, sollten sich fragen, wie es ihnen ergehen wird, wenn sie einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Wird sich da auch eine Phalanx von Bossen und Politikern um sie scharen? Wohl kaum. Und niemand sollte deswegen traurig sein. Im Gegenteil: Denn das Verhalten derer, die sich zur gesellschaftlichen Elite zählen, ist im Fall Uli Hoeneß völlig inakzeptabel – und peinlich. Dass sie für das Schmierentheater eines Uli Hoeneß auch noch die applaudierende, rechtfertigende Kulisse abgeben, wirft ein bezeichnendes Licht auf den inneren Kompass einer Führungselite, die ansonsten schnell bei der Hand ist mit Parolen wie „Wer betrügt, der fliegt“. Wie gesagt: Nach seiner Gefängnisstrafe soll Uli Hoeneß jede Möglichkeit haben, sich frei und ohne Häme am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen. Doch wie wird ein resozialisierter Uli Hoeneß aussehen? Wer arbeitet jetzt daran, dass nach zwei oder drei Jahren nicht alles so weitergeht, als wäre nichts geschehen? Wer sorgt für das, was zur Re-Sozialisierung gehört: die Umkehr, die Einsicht in das falsche Tun und die Änderung des Lebens?

Was sich am vergangenen Freitag in München abgespielt hat, ist ein trauriges Kapitel einer Gesellschaftsschicht, die sich meint lossagen zu können vom gesellschaftlichen, rechtsstaatlichen Konsens, die sich, wenn es ihr in den Kram passt, kaltschnäuzig über das Gesetz stellt und ethische Prinzipien einfach suspendiert und dafür auch noch den Jubel einer geschickt und demagogisch verblendeten Anhängerschaft einheimst. Man kann für Uli Hoeneß nur hoffen und ihm wünschen, dass der Gefängnisaufenthalt lange genug andauert, um in ihm die Einsicht wachsen zu lassen: Ich habe nicht nur eine schwere Straftat begangen; ich habe zusätzlich den Riesenfehler gemacht, dass ich in der Zeit nach der Verurteilung so weitergemacht habe, als wäre nichts geschehen, anstatt sie zur Umkehr zu nutzen. In diesem Sinn: Erbarmen für Uli Hoeneß. Erbarmen für einen Menschen, der sich so korrupt wie ein Zöllner verhalten hat, aber dem der Schritt des Zöllners in den Tempel offensichtlich noch bevorsteht (vgl. Lukas 18,9-14).

10 Antworten

  1. Zu 1. Bitte verdrehen Sie nicht meine Worte: Ich habe mich ausdrücklich auf das Rechtsempfinden des Bürgers und der Bürgerin bezogen, auf welches Ihrer Meinung nach Hoeneß‘ Verhalten verheerend wirke, ohne damit seine Straftat zu relativieren. Dieses Rechtsempfinden, oder besser: das Unrechtsbewusstsein der Bürger und Bürgerinnen, wird durch fehlende Strafbarkeit von Steuergeldverschwendung bei gleichzeitiger kontinuierlicher Steuererhöhung viel negativer beeinträchtigt als durch die vielleicht etwas ungeschickte, aber ehrliche Erklärung des geständigen und reuigen Sünders Hoeneß.

    Zu 2. Wenn Sie nach meiner Erläuterung des einschlägigen deutschen Steuerrechts Hoeneß Erklärungen immer noch als „maßlose Selbstgerechtigkeit“ und nicht als Sündenbekenntnis bezeichnen, dann haben sie mich entweder nicht verstanden oder – wahrscheinlicher – wollen es nicht. Im letzteren Falle würde ich dann eher bei Ihnen von Selbstgerechtigkeit sprechen als bei Hoeneß.
    Die standing ovations der Vereinsmitglieder – wenn es welche gegeben hat, was mir bisher neu war, – galten sicher nicht der Straftat, sondern sollten in meinem Verständnis dem reuigen Sünder Trost spenden und ihm sagen, dass sie seine Leistung für den Verein trotz seines Fehlverhaltens auch weiter anerkennen.
    Zu 3. Ich verstehe, dass Sie im Gleichnis Lukas 18 Vers 9 bis 14 Hoeneß die Rolle des Zöllners und sich selbst die des Pharisäers zuweisen. Damit bin ich einverstanden, wenn wir uns schließlich darauf einigen können, Gott bzw. Jesus das Urteil zu überlassen, ob er reuig genug ist oder ob – in Ihren Worten – „ihm der Schritt in den Tempel noch bevor steht.“

  2. Drei kurze Bemerkungen zu Dr. von Heydebreck:
    1. Eine Straftat bzw. ein Fehlverhalten wird weder besser noch kann es relativiert werden, indem man auf andere, vielleicht viel größere Missstände hinweist.
    2. Das Problem, auf das ich hinweisen wollte, besteht zum einen in der maßlosen Selbstgerechtigkeit eines Uli Hoeneß und in dem moralischen Versagen seiner Umgebung, die offensichtlich bis heute nicht gemerkt haben, dass sie dem Menschen Hoeneß mit standing ovations einen Bärendienst erwiesen haben.
    3. Ob das, was ich geschrieben habe, christlich ist oder nicht, ist relativ unerheblich. Wichtiger ist, dass wir uns immer wieder mit der Geschichte vom Pharisäer und Zöllner im Tempel (Lukas 18) beschäftigen.

  3. Eigentlich wollte ich etwas zu Ihrem Grundgesetzartikel sagen, da stieß ich plötzlich auf diesen schon etwas zurück liegenden Beitrag, dessen Kommentar mir viel wichtiger erscheint.

    Ja, es stimmt, Uli Hoeneß hat eine schwere Straftat begangen und ist dafür rechtskräftig verurteilt worden, nachdem er sich zuvor selbst – aber offenbar unvollständig – angezeigt und seine Schuld in vollem Umfang eingestanden hatte.

    Allerdings ist er weder zu Berufsverbot, noch zum Ausscheiden aus dem von ihm seit vielen Jahren sehr erfolgreich geführten Verwaltungsrat des FC Bayern München verurteilt worden. Sondern er ist aus freien Stücken von diesem Amt zurück getreten. Es war also sein gutes Recht, ja wahrscheinlich sogar seine Pflicht, an der Mitgliederversammlung teilzunehmen, in der es ja zu einem Großteil auch um seine Tätigkeit im Verwaltungsrat im abgelaufenen Jahr ging.

    Mit seiner Aussage „Ich habe einen Riesenfehler gemacht!“ hat Hoeneß noch einmal – auch und gerade vor den Mitgliedern seines Vereins – sein falsches Handeln und damit klipp und klar seine Straftat bekannt. Dass er anschließend auch seine Dummheit beklagte, sich damit nicht einmal bereichert zu haben, mag man für ungeschickt halten. Es war aber eine richtige und ehrliche Aussage und rechtfertigt noch lange nicht, derartig gehässig auf den Täter nachzutreten, wie Sie es mit Ihrem Artikel getan haben. Ach hätten Sie es doch bei den ersten Sätzen belassen und die Überschrift nicht nur zynisch gemeint!

    Entschuldbar ist das eigentlich nur, wenn man davon ausgeht, dass Sie sich im deutschen Steuerrecht nicht auskennen und nicht wissen, dass bei Spekulationen im Ausland gemachte, nicht deklarierte Gewinne nicht mit Verlusten verrechnet werden können, so dass eben der von Hoeneß beklagte Fall eintritt, dass ein hoher Gewinn zu versteuern ist, während in Wirklichkeit per Saldo ein Verlust eingetreten sein kann. Auch wenn Sie das nicht gewusst haben, hätte Ihnen aber Ihr gesunder Menschenverstand empfehlen müssen, sich zunächst einmal über den genauen Inhalt der Aussage von Hoeneß kundig zu machen, bevor Sie Ihrem eigenen eingangs aufgestellten christlichen Grundsatz untreu werden, sich nicht „über einen Menschen moralisch zu erheben, der wegen einer schweren Straftat eine Gefängnisstrafe absitzen muss.“ Dann wären Ihnen auch nicht so offensichtlich den Tatsachen und der Erklärung von Hoeneß widersprechende Sätze wie „dass nach zwei oder drei Jahren nicht alles so weitergeht, als wäre nichts geschehen“, oder „Selbstgerechtigkeit, die die Straftat der Steuerhinterziehung zur Bagatelle degradieren soll“, aus der Feder gerutscht.

    Ja, und was soll in dem Zusammenhang Ihr Rundumschlag gegen die übrigen Verwaltungsratsmitglieder, die Sie als „Phalanx von Bossen und Politikern“ titulieren, die „für das Schmierentheater eines Uli Hoeneß auch noch die applaudierende, rechtfertigende Kulisse abgeben“? Ist es wirklich christlich, wenn Sie von denen offenbar erwarten, dass sie Hoeneß auch vor den Vereinsmitgliedern noch an den Pranger stellen?

    Das Rechtsempfinden der Bürger dürfte wesentlich stärker durch die bisher praktisch straflose Verschwendung von Steuergeldern durch staatliches Missmanagement beeinträchtigt werden als durch diese Erklärung eines immerhin völlig geständigen und reuigen Steuersünders! Dazu gefiel mir neulich ein Radiokommentar viel besser, der scherzhaft die Rechnung aufstellte, dass Wowereit 300 Jahre ins Gefängnis müsste, die bei guter Führung auf 150 Jahre reduziert werden könnten, wenn man das Strafmaß von der Schadenshöhe abhängig macht und den Schaden, den er als Aufsichtsratsvorsitzender des BER dem Staat durch fehlende Aufsicht beim Berliner Flughafen gebracht hat mit dem ins Verhältnis setzt, den Hoeneß durch seine Steuerhinterziehung verursacht hat! Vielleicht sollten Sie sich mit diesem Thema auch einmal ernsthaft in Ihrem Blog befassen.

  4. Sehr geehrter Herr Wolff, Freunde haben mich auf Ihren Blog aufmerksam gemacht und ich stimme Ihrer Einschätzung zum Verhalten von Herrn Hoeneß und seiner Freunde, nach meiner Einschätzung sind es in der überwiegenden Mehrheit nur mehr Anhänger, vollumfänglich zu. Einsicht und Demut sehen anders aus. Es bleibt nur zu hoffen das Herrn Hoeneß während seiner Haftzeit Einsichten kommen, zu denen er bisher offensichtlich nicht gekommen ist.

  5. Hoeness hat eine Straftat begangen und wird dafür bestraft. Das ist gut, ein Beleg, dass unser System grundsätzlich funktioniert.
    Die Art, wie er (Hoeness) sich seit der Entdeckung (noch immer!) öffentlich inszeniert ist schwer erträglich. Dies gilt auch für sein prominentes Umfeld. Es geht eben nicht darum, dass man einem „Freund in schwerer Zeit zur Seite zu stehen“. Es geht um eine unverantwortliche, öffentliche Relativierung einer Straftat durch Leute, die -auch- durch ihre Position in der Gesellschaft angemessener mit der Angelegenheit umgehen müssten. Auch bei der Mitgliederversammlung des FC Bayern.

  6. Dieser Kult der Selbstgerechtigkeit existiert schon lange, Uli Hoeneß und BILD machen ihn aber sichtbar: die Management-Elite wähnt sich akzeptiert.
    Der Papst hat solchen Wahn attackiert: „Ihr werdet in der Hölle landen!“ prophezeite er den Mafiosi beim jährlichen Gedenkgottesdienst für die Opfer der Mafia. Damit beendete der Papst das kirchliche Beschweigen und Bagatellisieren dieser Verbrechen 2014 zu ersten Mal.
    Die Geschäfte der Mafia sind weniger blutig geworden: Die großen Einnahmen stammen aus Geldwäsche, Bilanzfälschung und Betrug. Nachdem die Betrügereien deutscher Elitefirmen wie SIEMENS, Deutsche Bank etc. endlich gerichtlich verfolgt werden, fehlt aber das prophetische Urteil über den Wahn der kriminellen Bereicherung. Der Blog zu Uli Hoeneß ist ein guter Anfang. Aber wir haben noch kein jährliches Gedenken für die Opfer tötlicher Gewalt durch Rüstungsindustie und Militär. Der Papst hat gezeigt, dass es auch eine zentrale Aufgabe der Kirche ist, ungerechten Mächten die Legitimation zu entziehen.

  7. Uli Hoeneß wird einsitzen. Sollen sich seine Freunde deshalb von Ihm abwenden? Warum soll er nicht nach verbüßter Strafe weitermachen? Soll er sich geißeln? Ihre Interpretationen sind schlicht unangemessen.

    1. Lieber Herr Löbler, nein, niemand soll sich von Hoeneß abwenden. Auch soll er nach seiner Gefängnisstrafe ganz normal leben und der Tätigkeit nachgehen, die ihm gefällt. Aber was bis heute gelaufen ist, wirft ein bezeichnendes Licht auf diejenigen, die sich zur Elite unserer Gesellschaft zählen. Da ist nichts zu spüren von Unrechtsbewusstsein. Vielmehr wird so getan, als müsse man bedauerlicherweise so etwas wie „Strafe“ hinnehmen, obwohl man das eigentlich nicht verdient hat. Wenn Hoeneß nach seiner Verurteilung sich zurückgezogen hätte und nicht mehr auf der MV des FC Bayern München aufgetreten wäre und wenn die Stoibers und Winterkorns Hoeneß zum Rückzug angehalten hätten, dann hätte sehr viel zur Reputation von Hoeneß, vor allem aber zur Glaubwürdigkeit dieser Herren beigetragen. So aber gerieren sich diese Leute so, als gehöre ihnen nicht nur eine Menge Geld, sondern auch das Recht und dieses Land. Zum Schluss: Hoeneß soll sich nicht geißeln – er soll einfach einmal über den Begriff „Glaubwürdigkeit“ nachdenken.

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