Eine merkwürdige Stimmung breitet sich im Lande aus. Nach eineinhalb Jahren Leben mit und in der Corona-Pandemie und nach Monaten des Lockdowns mit all seinen Begleiterscheinungen führt die Rückkehr zur sog. „Normalität“ offensichtlich nicht dazu, dass jetzt die in der Krise aufgebrochenen gesellschaftspolitischen Problemfelder breit debattiert und zielstrebig einer Lösung zugeführt werden. Vielmehr scheinen viele Menschen nach der Pandemie große Veränderungen zu scheuen. Jung und Alt richten sich in einer Wohlfühlzone ein: Urlaub und endlich Partyspaß: JA! (für sich genommen nachvollziehbar und gerechtfertigt); aber bitte keine Debatten über grundlegend neue gesellschaftspolitische Weichenstellungen. Ausdruck dieses Stillstandmoments sind die durchaus selbst verschuldete, aber dennoch gnadenlose Demaskierung von Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und der neue, gewohnt inhaltsleere Slogan der CDU für die Bundestagswahl „Deutschland gemeinsam machen“. Beides dient einer inhaltlichen Entleerung des Bundestagswahlkampfes und vor allem einer auch von Medien geförderten Veränderungsblockade. Sollte sich diese Stimmungslage verstärken, dann könnte das fatale Folgen haben. Denn sie stärkt die gesellschaftlichen Kräfte, die das, was die Große Koalition vor allem dank der SPD auf den Weg gebracht hat, rückgängig machen und sich damit vom Merkel-Deutschland verabschieden wollen. Man denke nur an die in der CDU gewünschte Rückkehr zur Kernenergie, Erhaltung des Verbrennungsmotors, AfD-affiner Stopp von Demokratieförderprogrammen, eine verschärfte Abschiebungspraxis u.a.m.. Der Maaßen-Flügel in der CDU formiert sich – nicht nur in Ostdeutschland.
Doch alle Sehnsucht nach „Normalität“ ändert nichts daran, dass die Corona-Pandemie die Erneuerungsbedürftigkeit unserer Gesellschaft sehr deutlich offenbart hat. Dabei denke ich weniger an die Digitalisierung – so wichtig diese ist. Digitalisierung und KI sind Werkzeuge und Medium, aber nicht Inhalt von Politik und gesellschaftlichem Leben. Darum: Wer dem Stillstand, der Normalität nicht erliegen will, sollte sein Augenmerk auf das richten, was jetzt dran ist:
- Dem Klimawandel mit seinen vorhersehbaren, durchaus katastrophalen Folgen muss viel entschlossener begegnet werden als bisher vorgesehen: Kohleausstieg jetzt, mehr erneuerbare Energiequellen, umweltschonende Mobilität (z.B. Güterverkehr von der Straße auf die Schiene). Dies alles nicht um Lebensmöglichkeiten einzuschränken, sondern um Freiheit zu gewinnen.
- Unser Gesundheitswesen darf nicht weiter privatisiert werden. Wirtschaftlichkeit und öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtungen von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sind vereinbar. Krankenhäuser und Arztpraxen dürfen regional nicht weiter ausgedünnt werden.
- Soziale Gegensätze gefährden den Gesundheitsschutz aller. Darum ist es zwingend, dass zum Gesundheitsschutz notwendig ein Mindestmaß an sozialer Gerechtigkeit hergestellt werden muss. Die derzeitigen Verhältnisse tragen aber dazu bei, dass die sozialen Gräben zwischen Bevölkerungsgruppen immer tiefer werden. Das lässt sich nur ändern über eine gerechte Besteuerung von Vermögen, das nicht nachhaltig investiert wird und nur der eigenen Geldvermehrung dient, und einer präventiven Arbeit in den sozialen Brennpunkten.
- Sozialer Wohnungsbau, Kitas und Schulen müssen dem Erfordernis Rechnung tragen, dass Menschen in geschlossenen Räumen mehr Entfaltungsmöglichkeiten benötigen.
- Die Landwirtschafts- und Ernährungspolitik muss dazu beitragen, dass das Immunsystem des einzelnen Bürger gestärkt wird – eine entscheidende Prävention gegen weitere Pandemien.
- Gesundheitsschutz (Artikel 2 Abs. 2 GG), die Anerkennung der Endlichkeit des Lebens und die Hilfe im/beim/zum Sterben müssen abgewogen und in das richtige Verhältnis gesetzt werden. Das ist nur über die in Art.1 Abs. 1 GG als Grundwert festgestellte Menschenwürde und einer ethisch-rechtlichen Verankerung der Nächstenliebe möglich. Immerhin: Im April des vergangenen Jahres haben nicht die Kirchen, sondern Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) auf dieses Problem hingewiesen.
Diese Themen sollten den Bundestagswahlkampf bestimmen – auch im Blick auf die Europa- und Außenpolitik. Denn wer Menschenwürde und Nächstenliebe zum Maßstab aller politischen Entscheidungen macht, der kann und darf sie nicht an den Grenzen Deutschlands oder Europas enden lassen – und so ganz nebenbei landet er bei ur-sozialdemokratischen Zielen. Es liegt in der Verantwortung einer jeden Bürgerin, eines jeden Bürgers, dafür zu sorgen, dass in den kommenden Wochen die genannten Themen den gesellschaftspolitischen Diskurs bestimmen. Lassen wir uns also nicht ablenken von oberflächlichem Personen-Bashing und nicht einlullen von nichtssagenden Slogans. Streiten und ringen wir um die wichtigen Ziele zukünftigen Lebens.
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P.S. Das lohnt sich anzuschauen: https://www.youtube.com/watch?v=jXKsdmv878Y
36 Antworten
Nur kurz eine Wortmeldung an Sie, lieber M. Käfer – Skandinavien, eindeutig, erlebenswert! Auch die Geschwindigkeitsreduktion übrigens dort längst kein Thema – eben Gelassenheit auch auf den Straßen, fast ein Sinnbild (in DEU noch immer ein elendiges Wahlkampfgetöse…).
Während mancher unserer individuellen Reisen nach Schweden und weit bis ins hohe Norwegen haben wir u.a. eines als sehr angenehm und wohltuend empfunden: es wird nicht viel geredet, und wenn geredet wird, dann substanziell, so jedenfalls unsere Wahrnehmungen.
Was ich sagen will: Selbst, sollte die Bundestagswahl 2021 im Herbst Ergebnisse zeitigen, die wohl Herr Haberland heiß ersehnt, sollten Sie mit Ihrer Familie hier bleiben. Nicht die populistischen Banal-Verbalien bereichern diese sicher ziemlich wankenden Demokratie, sondern vielmehr das Denken vor dem schreiben/reden. Da sind Sie und Joh. Lerchner und freilich Chr. Wolff (wenn auch unbequem, aber eben mit Substanz!) viel zu wichtig, als dass man das Exil bevorzugen sollte.
Also Beharrungsvermögen und nicht das unkrautwuchernde Feld den kurzatmig-erhitzten Demagogen überlassen!
Appelliert Herr Haberland an Entspannung, ja da kann ich ihm tatsächlich nur empfehlen: Skandinavien. Denn nach seinen Kommentaren wird dem Leser mit einiger Aufdringlichkeit deutlich, dass da wohl einige Verspannungen vorliegen müssen…
Den Blog bereichert so etwas allerdings nicht!
Einen guten Sonntag via Leipzig!!
Ich stimme Herrn Flade völlig zu,
seine Antwort wirkt ungeheuer kompetent, denn, ja, es sind oft nur wenige Worte nötig:
1) Interessant zu lesen, wie Sie versuchen, den Herrn Haberland ideologisch einzuordnen.
Quod erat demonstrandum: Wenn Sie sachlich keine Antwort geben, wird für den Diskutanten eine negative ideologische Ecke gewählt.
2) Sie beschreiben unsere Demokratie als „ziemlich wankend“. Interessante Formulierung, Herr Flade.
Weil objektiv nichts darauf hindeutet, dass unsere Demokratie wankt, ist wohl der Wunsch Vater dieses Gedankens. Hätten Sie es gerne so? Ist das Ihre ersehnte Alternative?
Ein Schelm, wer sich Böses dabei denkt.
Werte Herren,
damit soll es von meiner Seite aus gut sein.
Sie werden auch ohne mich sicher noch viel Grund zum Nachdenken finden.
Völlig ohne Ironie und gut gemeint: Das wünsche ich Ihnen, Nachdenken ohne ideologisches Geländer.
Martin Haberland
Es ist ja nicht so, dass ich mir während meiner beruflichen Tätigkeit mit „Name-dropping“ nicht manche kritische Nachfrage oder komplizierte Erklärung erspart hätte….
Gleiches will ich aber H. Haberland’s Verweis auf Hegel’s kurzen Abschnitt „Wer denkt abstrakt?“ nicht unterstellen, habe diesen also heute „gegoogelt“ und gelesen.
Zu meiner großen Schande muss ich gestehen, intellektuell völlig überfordert gewesen zu sein! Wenn ich also schon den zur Dechiffrierung der Meinung von H. Haberland notwedigen Text nicht verstehe, wie will ich mir da anmaßen, mich mit ihm auf Augenhöhe auseinandersetzen zu können!
Mea culpa, mea maxima culpa.
Wenn er nun ankündigt, hier nicht mehr weiterdiskutieren zu wollen, kommt mir das allerdings von der Geburtstagsparty meiner Enkelin durchaus bekannt vor….
Sehr geehrter Herr Haberland,
GRÜNE, LINKE und SPD haben also nach Ihrer Ansicht nur ideologische Konzepte, die zur Lösung der aktuellen Aufgaben wenig bis gar nicht taugen. Darf ich daraus schließen, dass Sie dagegen bei CDU/CSU, AfD und FDP taugliche Konzepte erkennen?
Haben Sie in der ZEIT Nr. 28 vom 7.7. die Interviews mit Baerbock, Laschet, Weigel und Lindner zur Frage „wie werden Sie das Klima retten?“ gelesen?
Sie legen Wert auf „Charme“ in der nächsten Koalition, schließen Baerbock aber aus, weil Regieren für sie „wirklich ein paar Nummern zu groß“ sei – wie denken Sie über Alice im Wunderland Weidel? Halten Sie sie für besser geeignet?!?
Ich überlege, mit meiner Frau nach der Bundestagswahl u.U. die skandinavischen Länder näher in Erwägung zu ziehen; dort soll es jetzt auch immer wärmer werden – für uns Rentner nicht ganz unwichtig.
Einen sonnig erfolgreichen Tag wünscht Ihnen
Michael Käfer
Hallo Herr Käfer,
bemerkenswert, wie Sie sich mit wenigen Worten ideologisch darstellen und vorwurfsvolle Projektionen kundtun.
Lesen Sie bitte einfach mal F.W. Hegels kurzen Abschnitt zur Frage: Wer denkt abstrakt? in seiner PhdG. Dann wissen Sie was ich meine.
Wenn Sie nach der Wahl nach Skandinavien ziehen, ist ein ideologischer Denker hier weniger. Auch gut.
Sine ira:
Werte Herren Käfer und Lechner, glauben Sie ernsthaft, dass auf diesem Niveau Ihrer Beiträge ein sinnvoller Diskurs entsteht?
Entspannen Sie sich ein wenig.
Martin Haberland
Die Zeiten, da arrogante Pseudo-Intellektuelle bei mir psychische Spannungen verursachten, sind Gott sei Dank lange vorbei. Insofern muss sich niemand um mich sorgen. Und um gegen Anstandsdefizite, Kurzsichtigkeit, gar Dummheit anzukämpfen, wie sie nach dem 26.9. in Deutschland die politische Landschaft möglicherweise prägen könnten, bin ich zu alt.
Sollte sich Deutschland für das „Weiter so“, Rückbesinnung auf das Nationale und Relativierung der Geschichte entscheiden, wird das in der Tat nicht mehr mein Land sein.
Allen, die dies anstreben und sich damit wohlfühlen, kann ich dann nur viel Vergnügen mit Ihresgleichen (für die vermutlich wiederum nicht 1000 Jahre dauernde Zeit, die ein solcher Spuk anhalten würde) wünschen.
Ich will ja gern einräumen, dass die seriöse Identifizierung von Ideologischem eine gewisse intellektuelle Herausforderung darstellt. Es läuft leider lediglich auf substanzlose Beschimpfungen hinaus, gerät der eine oder andere diesbezüglich an seine Grenzen. Möglicherweise liegt eine solcher Fall hier vor. Vielleicht sollte man aber wirklich alles nicht so ernst nehmen.
Meine Position ist klar:
Es gibt genug Stellschrauben im politischen Entscheidungssystem, die es erlauben, die großen Herausforderungen von der Klimakrise über gesellschaftliche Ungleichheit bis zum Kampf gegen Rassismus zu bewältigen.
Dazu braucht es nicht „alternative Denkansätze“. Ich spreche mich deutlich gegen ideologische Instrumentalisierung von gesellschaftlichen Herausforderungen aus. Ideologische Abwege hatten wir schon genug.
Ja, ich wünsche mir durchaus ein „Weiter so“, aber natürlich eines, in dem die Möglichkeiten und Chancen zu einer Bewältigung der Herausforderungen ganz entscheiden genutzt werden.
Damit unterscheide ich mich von Ihnen, die offensichtlich eine Alternative (alternativ zu was genau?) anstreben. Gerade damit schwächen Sie das Erreichte. Sehen Sie sich um:
Mit vielen Fehlern behaftet, ja, aber insgesamt hat Deutschland und hat die EU ein großartiges politisches System aufgebaut.
Ich möchte, dass wir weiter darauf aufbauen und reagiere etwas energisch, wenn hier so getan wird, als müsste es jetzt darum gehen „Alternativen“ durchzusetzen.
Bitte denken Sie Ihre Ansätze mit allen Implikationen bis zum Ende und vergleichen es mit dem, was wir haben – und was wir, darin könnten wir einig sein, viel viel besser nutzen müssen/sollten/können.
Martin Haberland
„Für ein Land, in dem wir alle gerne und zufrieden leben“, das bitte schön durch „Keine Experimente“ gestört werden möge, ein Deutschland, in dem gerne Heidi und Peterle mit Meister Pumuckl fröhlich toben, dafür wollen wir uns alle gerne einsetzen….
Z.B. als „Patriotische Europäer….“ jeden Montag in der sächsischen Landeshauptstadt, oder als „Querdenker“ gegen die Corona-Diktatoren im November 2020 in Leipzig!
Und wenn ein Martin Winterkorn seine 16 Mio Jahreseinkommen damit begründet, dass er halt eine sehr große Verantwortung und Arbeitsbelastung trägt und es daher „gerecht“ ist, wenn er das ca. 400-fache eines Durchschnitts-Angestellten bekommt, dann kann man das zumindest solange hinnehmen, bis derselbe H. Winterkorn meint, dass Diesel-Manipulationen in „seinem“ Konzern natürlich nichts mit ihm zu tun haben, sondern von kriminellen Ingenieuren ersonnen wurden.
Oder wenn u.a. die filigran-komplizierte Steuergesetzgebung in Deutschland erfolgreiche Unternehmensgründungen nicht gerade fördert, diese Gesetzgebung es gleichzeitig aber den Inhabern international agierender Großkonzerne ermöglicht, einen irrwitzigen Wettlauf, wer von ihnen als Erster einen Weltraumflug erleben kann.
Oder wenn in einem deutschen Bundesland das Spitzenpersonal der nicht-ideologischen Parteien aus H. Maaßen, H. Höcke und H. Kemmerich besteht, dann ist es für mich nicht mehr sinnvoll, „Weiter so“ zu propagieren
Ok, damit trifft mich automatisch der Vorwurf des Ideologie-verblendeten Kleingeistes, das muss ich hinnehmen, zumal mir scheint, dass die Definition, wer (nur) ideologische Konzepte verfolgt und wer nicht, ausschließlich bei einer Person liegt…
Vielleicht ist es für H. Haberland hilfreich, den zugrundeliegenden Blog-Beitrag von Christian Wolff noch einmal unvoreingenommen und ernsthaft zu lesen!
Hallo Herr Haberland,
mit diesem Beitrag kann ich etwas anfangen. Deshalb doch noch ein paar kurze Anmerkungen: Die Frage, ob mit den vorhandenen Stellschrauben auf die von Ihnen genannten Herausforderungen der Zukunft hinreichend reagiert werden kann oder ob es grundlegender Alternativen („Paradigmenwechsel“) bedarf, ist berechtigt. Kann man „Bidenomics“ nicht als einen solchen Paradigmenwechsel ansehen? Folgt die neue amerikanische Wirtschafts- und Sozialpolitik ideologischen Trugbildern oder ist sie nicht aus der Not geboren? Verfolgen Sie den Streit Larry Summers vs. Paul Krugman! Hier in Deutschland brennen die Probleme zwar nicht ganz so unter den Nägeln wie in den USA. Im Grunde ist sind es aber die gleichen Fragen, die derzeit auch bei uns heftig diskutiert werden: Was kann man dem Markt überlassen und wie aktiv soll der Staat steuernd und mit finanzieller Power auch in die Wirtschaft eingreifen? Die Alternativen lauten also grob gesprochen „Reaganomics“ oder „Bidenomics“. Ich interessiere mich für das Für und Wider beider Ansätze und würde es begrüßen, wenn es ab und zu eine sachliche, mit Argumenten geführte Debatte dazu auch auf diesem Blog gäbe.
Beste Grüße,
Johannes Lerchner
Es geht hoch her in diesem Teil des Blogs,
vor allem wenn es darum geht, einzelne Personen zu bashen.
Das ist nicht unbedingt schön zu lesen, aber vor allem sachlich ist es an vielen Stellen zweifelhaft.
Ich bin der Meinung, dass wir in einer postideologischen Zeit leben und Lösungskonzepte für die vorhandenen gesellschaftlichen und politischen Fragen vor allem unideologisch entwickelt werden müssen. Ich spare es mir, das hier en detail zu begründen.
GRÜNE, LINKE, und die SPD sind weithin von sehr ideologischen Konzepten getragen.
Aus ihrem Blickwinkel ist nie das Ganze im Blick und Schieflagen werden gerne denen in die Schuhe geschoben, die der eigenen Ideologie nicht folgen.
Deutschland ist (noch) – Gott sei Dank – ein ideologiekritisches Land. Ich hoffe, dass das so bleibt. Es war ja nicht immer so.
Und ich hoffe sehr, dass die politischen Angebote nicht weiter abdriften in ideologische Haltungen.
Die Pandemie hat übrigens auch gelehrt, dass kluge unideologische Konzepte die besten Lösungen bieten. Sie sind anpassbarer, konkreter, flexibler.
Nein, ich möchte keine Diskussion der ideologischen Mammutfrage. „was wir denn alles gelernt haben“ was zu verändern wäre, um dann wieder mit großartigen Vorstellungen/Kritiken zu hantieren, die doch nur verpuffen, weil sie nicht in eine komplexe und freiheitliche Gesellschaft passen.
Und ich möchte mir auch nicht gerne vorschreiben lassen, über was ich nachzudenken habe.
Ich bin hingegen sehr daran interessiert, dass diejenigen, die mit ihrem Engagement neue Wege eröffnen, geschützt und unterstützt werden. Das sind in der Regel nicht die großen Wortführer.
Es ist schlicht Ideologie, permanent den Klimaschutz zu reklamieren, aber keine wirtschaftspolitisch tragfähigen Vorstellungen zu äußern, wie das geschehen soll.
Werte Herren, dazu braucht es nicht nur auffordernde Worte, es braucht auch einen entsprechenden Rahmen, es braucht Unternehmen, die entscheidende Schritte vorwärts gehen. Und es barucht Konzepte wie ein disruptiver Übergang gesellschaftsverträglich umgesetzt werden kann.
Ich denke, niemand von Ihnen ist Unternehmer und weiß um die Chancen und Risiken desruptiver Entwicklungen. Sie belassen es gerne bei Worten. Im ungefährdeten Beamtenstatus lässt sich das leicht so räsonieren.
Es ist indes von Bedeutung, dass in einer disruptiven Veränderungsphase die Balance gewahrt bleibt und hier sind politische Verantwortungsträger aufgefordert, ausbalancierte Lösungen zu präsentieren.
Tut mir Leid, bei denjenigen, die Sie hier rühmen, sehe ich leider nur das Interesse an der eigenen Ideologie. Manche geben sich geradezu erschreckend unerfahren.
Sehen Sie sich doch bitte die praktische Politik an, bitte genauer, was Herr Scholz als Finanzminister zu verantworten hat. Da reicht es nicht, von den alten SPD-Idealen zu schwärmen. Sehen Sie wirklich einen roten Faden in seiner Finanzpolitik?
Und sehen Sie sich doch bitte die Wirtschaftskompetenz der GRÜNEN an, die Außenpolitik der Linken.
Da waren die alten Granden der Grünen, Fischer und Trittin, noch ein wirklich anderes Kaliber. Die wollten etwas umsetzen, Politik machen und nicht nur Klimaideologie verkaufen. Bitte, das Kanzleramt ist für Frau B. wirklich ein paar Nummern zu groß.
Ich vermute, dass einige mich jetzt als frauenfeindlich einstufen, weil ich F und T gelobt und B kritisiert habe.
Mir wäre es auch lieber, Fischer und Trittin wären Frauen gewesen, dann wäre noch etwas mehr Charme dazugekommen.
Ich belasse es bei dieser Anmerkung.
Martin Haberland
Sehr geehrter Herr Haberland,
ob wir jemals postideologische Zeiten erreichen werden, wage ich zu bezweifeln. Gegensätzliche Interessen, so auch sozial-ökonomische, führen in der Regel zur Verabsolutierung bestimmter Denkkonzepte, nicht zuletzt um diese zu stützen und zu schützen.
Den Gegensatz – hier die Sachbezogenen, dort die Ideologen – kann ich schon gleich gar nicht erkennen. Ist die ständig wahrnehmbare Steuersenkungsrhetorik oder das ausgeprägte Austeritätsdenken der konservativen Parteien nicht Ausdruck einer Wirtschaftsideologie, die seit der Gründung der Mont-Pelerin-Gesellschaft durch Hayek und Co. (1947) und deren politischer Durchsetzung durch Ronald Reagen und Magaret Thatcher das ökonomische Denken bei uns bestimmt? Einer empirischen Prüfung halten die dahinter stehenden Theorien nicht Stand, trotz aller Wirtschaftsnobelpreise.
Nachdem die letzte Weltfinanzkrise es nicht bewirkt hat, ist es aber jetzt die Pandemie und insbesondere die Klimakrise, die alternative Denkansätze durchsetzungsfähig erscheinen lässt. Und es gibt diese selbstverständlich. Sollten Sie das noch nicht wahrgenommen haben (Ihre Ausführungen lassen darauf schließen), zeigt das nur, wie enge das ideologische Korsett insbesondere in unserem Land geschnürt ist.
Zum Beispiel konnte man letztens eine interessante Debatte im Ökonomenblog Makronom verfolgen, in der bekannte, eher linksorientierte Ökonomen wie Tom Krebs und Gustav Horn für eine neue Rolle des Staates bei den ins Haus stehenden grundlegenden Transformationen argumentieren (ehrlich gesagt, habe ich Probleme mit der Einordung gegensätzlicher ökonomischen Positionen in ein Rechts-Links-Schema. Das betrifft z. B auch die Einordnung der aktuellen Biden-Politik). Im gleichen Sinne hat Mariana Mazzucato vor einigen Wochen in der FAS (27.11.2020) ausführlich die Kernthesen einer umfangreichen Studie dargelegt, in der er für einen Staat plädiert, der in der Lage ist, als Investor der ersten Wahl zu agieren, neue Arten von Wachstum zu katalysieren und dabei Innovationen des privaten Sektors anzulocken, alles äußerst relevant für die Ökonomie der Klimawende (übrigens, disruptive Entwicklungen sind auch nicht nur privatwirtschaftlich bestimmt). Mit der die ökonomischen Debatten immer stärker beeinflussenden „Modern Monetary Theory“ (MMT) und deren Implikationen für ein vernünftigeres Verständnis von Geld und Schulden will ich Ihnen gar nicht erst kommen (ich nehme mal an, dass Olaf Scholz keinen allzu großen Respekt hat vor „schwarzer Null“ und Schuldenbremse; das nur, weil Sie nach einem roten Faden gefragt haben).
Diese oben angedeuteten Denkansätze stehen gewiss im krassen Gegensatz zum dominierenden Paradigma der Wirtschaftspolitik, in der der neoliberale Rumpfstaat in seinen wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Aktivitäten strikt einzugrenzen ist, um angeblich privaten Initiativen den nötigen Freiraum zu schaffen. Offensichtlich liefert es (dieses Paradigma) immer noch den gedanklichen (ideologischen) Hintergrund der aktuellen Wahlprogramme von CDU und FDP. Woran werden letztendlich Erfolg oder Misserfolg dieses oder jenes Konzepts zu messen sein? Einmal muss sich zeigen, ob die definierten Klimaziele überhaupt erreichbar sind. Und zum anderen wird entscheidend sein, inwieweit die klimagerechte Transformation unserer Wirtschaft ohne weitere soziale Verwerfungen gelingt. Besonders beim zweiten Punkte werden sich wohl die Geister scheiden.
Beste Grüße,
Johannes Lerchner
Sie haben völlig recht, Herr Lerchner.
Ja, es ist sehr deutlich:
Sie können die Argumentation nicht nachvollziehen.
Was und wie Sie dazu schreiben, bedeutet das aber auch nicht viel.
Ihnen einen guten Morgen und ein sonnig erfolgreicher Tag.
Martin Haberland
Nein, lieber Herr Lerchner, die Empörung zu HG Maaßen finde ich nicht nur nicht übertrieben, sondern das über Hand nehmende Schweigen zu diesem Casus bedenklich; hier erlaube ich mir Ihnen zu widersprechen.
Es geht ja nicht nur um dessen Äußerungen zum Öffentlich-Rechtlichen, sondern es sollte klar sein, dass da zuvor von ihm – Sie wissen es doch – höchst gefährliche Wortmeldungen zu hören waren.
Eines Tages sehen wir uns in Leipzig, bis dahin Adieu – Ihr Jo.Flade
Lieber Herr Flade, ich will natürlich nicht HG Maaßen verteidigen. Es sollte nur angedeutet werden, in welchen Traditionslinien er sich bewegt, vor allem, was die Medienpolitik betrifft. Beste Grüße aus Leipzig, Johannes Lerchner
Verehrter Herr Plätzsch – Ihre wiederholt so ziemlich apokryphen Wortgetöse erscheinen mir etwas kurzatmig. Dass A. Baerbock bedauerlicher Weise ziemlich fahrlässige Fehler unterlaufen sind, schadet dem Gesamtbild der Grünen nur insofern, als ich mit einem Spruch parieren möchte: „Wer nicht arbeitet, macht keine Fehler.“
Es kommt nur darauf an, wie Kritik formuliert wird in der Öffentlichkeit; Sie wissen, dass Sprache denken voraussetzt – ich wiederhole mich. Nach meiner Wahrnehmung und genaueren Kenntnis der GRÜNEN-Politik (ich beschäftige mich seit Jahrzehnten mit ihr und pflege Kontakt mit GRÜNEN-Machern auf kommunaler und landesherrlicher Ebene) kann von Moralisieren wohl kaum die Rede sein. Die komplexe Umweltproblematik, nicht nur diverse Wirtschaftsinteressen und globalisierte Kapitalanhäufungen können so nicht mehr fortgeführt werden. Wie problematisch alles ist, was da endlich (!) angepackt werden muss, zeigen u.a. die Kommentare derHerren Lerchner und Käfer zum Wolff-Blog deutlichst auf. Es muss Schluss sein mit gegenseitigen Schuldzuweisungen und billigem Politgerangel; die Lage ist allerorten mehr als ernst, und klar – die Bundestagswahl wird es aufzeigen, wie überzeugend, glaubwürdig und vor allem zukunftsorientiert die jeweiligen Parteien den Souverän das ersehnte Kreuz an der richtigen Stelle des Wahlzettels machen lassen werden.
Mit hefitegn Wortfetzen machen wir keinen Staat – sich einmischen, mittun und Verantwortung übernehmen, wo auch immer – das ist jetzt angesagt!
Schönen Sonntag auch.
Sehr geehrter Herr Flade, „apokryphes Wortgetöse“ ist zwar hübsch gesagt, doch kann ich damit nichts anfangen. Zwar weiß ich trotz meiner nur bruchstückhaften Kenntnis der Bibel was die Apokryphen sind – doch was diese mit meinen Äußerungen verbindet, erschließt sich mir nicht.
Ihnen eine schöne Woche.
Normalität? Dieser Zustand ist ziemlich vielfältig interpretierbar und per definitionem wie folgt einschlägig zu verstehen (Wikipedia):
Normalität bezeichnet in der Soziologie das Selbstverständliche in einer Gesellschaft, das nicht mehr erklärt und über das nicht mehr entschieden werden muss. Dieses Selbstverständliche betrifft soziale Normen und konkrete Verhaltensweisen von Menschen. Es wird durch Erziehung und Sozialisation vermittelt. In der Psychologie bezeichnet Normalität ein erwünschtes, akzeptables, gesundes, förderungswürdiges Verhalten im Gegensatz zu unerwünschtem, behandlungsbedürftigem, gestörtem, abweichendem Verhalten.
Ist in unserer Gesellschaft noch etwas normal, nicht erst seit der Corona-Pandemie ?
Sind nicht einige Dinge zu erklären und muss nicht endlich neu entschieden werden ? Nichts ist mehr selbstverständlich, schon länger nicht mehr, und Du, lieber Christian bringst all die Fragen, drängender als je, auf den Punkt, wobei ich zum Pkt. Schule (der rein rhetorisch hochstilisierte Bildungsstandort Deutschland wird hier hinterfragt) einiges ergänzen darf: Bauliche Realitäten an Schulgebäuden, katastrophaler Personalzustand, überdurchschnittliche Klassengrößen …). Und was die derzeit favorisierten Kanzlerkandidat*innen anbelangt, sehe ich ziemlich schwarz, bei Herrn Laschet sowieso, O. Scholz – tut mir leid, aber nein, und A. Baerbock – ach ja, das wird wohl nix!
DIE ZEIT hat nicht immer recht mit ihren temporären Analysen, aber ich empfehle die Interviews mit diesen dreien, zuzüglich Chr. Lindner (FDP), J. Wissler (Die Linke) und A. Weidel (AfD) – höchst empfehlenswert. Und auch der STREIT zwischen dem unsäglich wühlenden Österreicher Stefan Weber (welch niederen Gelüste reiten ihn eigentlich, sich dermaßen an Frau Baerbock zu reiben?) und dem Grün-Affinen Eurokenner Johannes Hillje, der allein sprachlich gut tut.
Und noch einmal kurz zu Herrn Laschet: erneut Fassungslosigkeit und dieses Mal über seinen erbärmlichen Eiertanz, was seine verbale und damit geistige öffentlich demonstrierte Nichthaltung zu H-G Maaßen und dessen Wortmeldung zu öffentlich-rechtlichem Journalismus betreffen. Dieser Mann ab Ende September 2021 Kanzler ? Nicht auszudenken!
Wo bleibt eigentlich der deutlich vernehmbare Aufstand der Öffentlich-Rechtlichen Institutionen auf diesen einst entlassenen und aktuell wiederkehrenden CDU-Höfling, der ggf. demnächst in ein paar Wochen eine Bundestags-Bank drücken wird?
Wie so treffend einst Helmut Schmidt konstatierte:“ Eine Demokratie, in der nicht gestritten wird, ist keine.“ Dies setzt freilich voraus Menschen-Bildung, Kenntnis über politische Realitäten und Einblick in die zukünftigen Notwendigkeiten, eine Zivilgesellschaft zu gestalten und vor allem geistige, intellektuelle Schärfe im Denken. Was da aus NRW kommt, hm…oh weh.
Ergo: Was da also derzeit in unserem Lande so abläuft, ist wohl kaum normal! Oder ?
Zu den „niederen Gelüsten“ des Stefan Weber:
Dieser Mann leistet Großartiges: Er stutzt die moralinsaueren Grünen auf Normalmaß. Das ist nur ausgleichende Gerechtigkeit. Wie ist die Linkspresse mit dem früheren Bundespräsidenten Wulff umgegangen, mit welcher Häme hat der SPIEGEL MP Laschet als „Häuptling Wirdwohlnix“ auf dem Titel karikiert, während das Titelbild Baerbocks engelsgleich erschien. Die Quittung kommt am Wahltag!
Die Empörung über HG Maaßen und seine Äußerungen zum Personal des öffentlich-rechtlichen Rundfunks finde ich übertrieben. Die Ausmerzung des „Rotfunks“ in der ARD ist doch bereits vor Jahrzehnten erfolgreich geschehen.
„Die niedersächsische CDU-Landesregierung wird Schritte unternehmen, um mehr der jetzt beim NDR angestellten, politisch linksorientierten Journalisten von ihren gegenwärtigen Positionen in andere Abteilungen zu versetzen, wo sie keinen Schaden mehr anrichten können.“ (der ehemalige MP Dr. Ernst Albrecht zitiert vom Stader Tagesblatt vom 21.01.1980; aus „Dich Macht um Acht, der Faktor Tagesschau, Gellermann, Klinkhammer, Bräutigam, PapyRossa 2017).
Außerdem sollte der sog. „Radikalenerlass“ nicht vergessen werden.
Die Forderungen, dem Klimawandel entschlossener entgegenzutreten, das Gesundheitswesen nicht weiter zu privatisieren oder noch besser zu entprivatisieren, soziale Gegensätze durch Besteuerung großer Vermögen zu reduzieren, den sozialen Wohnungsbau auszuweiten sowie die Landwirtschafts- und Ernährungspolitik zu reformieren, finden sicherlich umfangreiche Zustimmung. Um diese durchzusetzen, muss aber nicht das „Merkel-Deutschland“ gerettet werden, im Gegenteil, es ist zu überwinden! Die weit verbreitete Glorifizierung der Kanzlerschaft von Angela Merkel scheint mir sonderbar und ist wohl einer etwas oberflächlichen Sichtweise geschuldet.
Es waren Merkel-Regierungen, die nach dem populistisch motivierten Kernenergie-Ausstieg die Energiewende verschleppt haben. Es ist Deutschland unter der Führung von Kanzlerin Merkel, das durch die forcierte Austeritätspolitik einen wesentlichen Anteil an der Zerrüttung der innereuropäischen Beziehungen hat. Frau Merkel hat es nicht geschafft, die Flüchtlingskrise sozial verträglich zu bewältigen, was wesentlich zu einem Erstarken der AfD geführt hat. Und nicht zuletzt hat sie mit ihren unbedarften Sprüchen vom guten Wirtschaften einer „schwäbischen Hausfrau“ gezeigt, wie sehr sie dem neoliberalen ökonomischen Mainstream verhaftet ist. Aber gerade dieses Denken muss überwunden werden, wenn ein gesellschaftlicher Paradigmenwechsel geschafft werden soll.
Das Problem dabei sind nicht Leute um Hans-Georg Maaßen und die Werteunion. Sich an denen abzuarbeiten, lenkt vom Wesentlichen ab. Der Widerstand gegen grundlegende gesellschaftliche Veränderungen im Land kommt aus dem Zentrum von CDU und FDP. Es sind Persönlichkeiten wie Christian Lindner und Friedrich Merz, die versuchen, mit politischen Konzepten von Gestern den Zug aufzuhalten (Adam Tooze: „Ein Finanzminister Merz wäre ein systemisches Risiko für die EU“, ZEIT 10.05.2021). Forderungen wie Steuern für Unternehmen zu senken, die Schuldenbremse schnellsten wieder wirksam werden zu lassen, ein Steigen des Spitzensteuersatzes zu verhindern, über eine Anhebung des Rentenalters nachzudenken, wieder mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen zu ermöglichen und mehr Ausnahmen vom Mindestlohn zu gewähren, sind dafür typisch (Thomas Fricke, SPON 04.06.2021). Deren publizistische Hilfstruppen bemühen sich z. Z. nach Kräften, das Schreckgespenst einer Inflation an die Wand zu malen, um das Klima für eine neue Welle von Sparpolitik vorzubereiten (besonders dumm und dreist der LVZ-Starkommentator Matthias Koch am 21./22.02.21: „Inflation: Das Monster kehrt zurück“). Angesichts dessen, was derzeit in den USA unter dem Label „Bidenomics“ abläuft, ist allerdings eine gewisse Nervosität unter den Apologeten der Mainstream-Ökonomie zu registrieren (Verdopplung der Steuern auf Kapitalerträge, Erhöhung des Spitzensteuersatzes für Haushalte mit mehr als 400.000 Dollar Jahreseinkommen, 1400 Dollar Zuschuss für jeden Haushalt, 3000 – 3600 Dollar pro Kind und Jahr, mehrere zehn Mrd. Dollar für neue Pflegejobs, zig Milliarden staatliche Ausgaben zur Förderung privater Investitionen – Blätter 5/2021).
Warum stehen die Zeichen für Veränderungen schlecht? Warum ist die Lage so, wie sie von Herrn Wolff richtig beschrieben ist? Warum ist im September wieder mit einer deutlich konservativen Mehrheit zu rechnen (CDU/CSU, FDP, AfD), die wegen der Stigmatisierung der AfD keine inhaltlich halbwegs konsistenten Koalitionen zulässt? Es reicht offensichtlich nicht, sich wie die SPD durch zahlreiche ehrenwerte Aktivitäten als Reparaturbrigade zu produzieren (früherer Renteneintritt für Langzeitbeschäftigte, Kindergrundsicherung, Anhebung Mindestlohn, Vorschlag Vermögenssteuer, Deckelung überhöhter Mietpreise). Verunsichert durch die ökonomischen Auswirkungen der Pandemie werden wahrscheinlich alle Vorhaben, die mit großen wirtschaftlichen Veränderungen einhergehen, und das sind nun mal alle ernsthaften Klimamaßnamen, nur Akzeptanz finden, wenn sie mit einer deutlichen sozialen Stabilitätsgarantie einhergehen (A. von Lucke, Blätter 7/2021). Solche bieten derzeit weder die SPD noch die Grünen an (s. Benzinpreisdiskussion). Deswegen verstehe ich bis zu einem gewissen Grad die Linken, die gegen eine CO2-Steuer sind. Die Unionsparteien vermitteln die Illusion, als gäbe es gar keinen grundlegenden Veränderungsbedarf, um der Klimakrise Herr zu werden. Bei den Grünen kommt noch als Negativum dazu, dass sie in den Außenbeziehungen Interessenpolitik durch Schwenken der Regenbogenfahne ersetzen (Roger Köppel, Weltwoche).
Wann wird es endlich so wie es nie war? So ähnlich lautete einmal ein Buchtitel. Das trifft es im Moment sehr gut. Da will man nach der Zeit endlich wieder „normal“ leben und sich nicht schon wieder Problemen stellen, die uns die Zukunft vermiesen können. Du triffst es in deinen Punkten sehr gut. Der harte Ausbremser leider nicht bewirkt, dass sich leicht etwas ändern wird. Die Lifestyle Gesellschaft denkt weiter, dass Demokratie ein Selbstbedienungsladen ist. Schlimmer noch, sie macht einfach alles mit und hinterfragt oft gar nicht mehr die Sinnhaftigkeit. Es ist schön umsorgt zu werden…
Lieber Christian,
Deiner These, es darf kein simples „weiter so“, bzw. „zurück zur Normalität“ nach der Pandemie geben und das müsse auch zentraler Inhalt des beginnenden Bundestagswahlkampfs werden, stimme ich voll und ganz zu. Auch Deine Themen (Klimaschutz, soziale Gegensätze reduzieren, sozialer Wohnungsbau, Agrarpolitik und Gesundheitsschutz) finde ich richtig gesetzt.
Ich kann Dir aber nicht folgen, dass die SPD und Olaf Scholz hier für neue Akzente stehen – für mich verkörpert Scholz sogar noch am ehesten das „weiter so“ der Merkel-Ära, nimmt für sich immer wieder gern das Attribut „Sie kennen mich, ich beherrsche das Regierungshandwerk…“ in Anspruch. Dass er neuerdings öfter seine soziale/linke Seite entdeckt/betont, kann über seine Beteiligung an der Agenda 2010, deren Folgen für Betroffene und die SPD seither nicht hinweg täuschen. Seine Gedächtnislücken beim Cum-Ex- und Wirecard-Skandal machen ihn für mich auch nicht wählbarer.
Dass ausgerechnet Armin Laschet (bzw. das sog. CDU-Wahlprogramm) für dringend notwendige, neue Konzepte im von ihm ausgerufenen „Veränderungs-Jahrzehnt“ stehen soll, glaubt er vermutlich nicht mal selbst im Ernst!
Deshalb habe ich Anfang April beschlossen, mich erstmals für die Grünen im Wahlkampf zu engagieren. War es vor vier Jahren noch die SPD selbst (bzw. das Willy-Brandt-Haus), die den „Schulz-Zug“ ungebremst gegen die Wand krachen ließ, stelle ich jetzt fest, dass aus von mir nicht erwarteten Ecken heftig gegen Annalena Baerbock Stimmung gemacht wird: so schreibt Bettina Gaus bei Spiegel online bereits Anfang Juni eine Kolumne „Das war’s“ (für Baerbock); die beiden Tagesschau-Ausgaben rund um das EM-Aus der deutschen Nationalmannschaft bringen – trotz stark reduzierter Sendezeit aufgrund des Fußballspiels – ein Porträt-Bild von Baerbock mit dem Text „Plagiatsvorwurf“ ausführlich und an prominenter Stelle….
Natürlich hat das nichts mit „Verschwörung“ der „Mainstream-Medien“ zu tun, allenfalls mit der billigen und Auflagen-/Reichweiten-stärkenden Wirkung von negativen Schlagzeilen. Aber was sind die Konsequenzen? Wir werden ab Herbst auf Bundesebene voraussichtlich eine Regierung haben, die inhaltlich und handwerklich noch schlechter rumwerkelt als in den vergangenen 16 Jahren. Die unter „Klimaschutz“ das Verhindern eines Tempolimits und die weitere Subventionierung von Flugbenzin, fossilen Brennstoffen und landwirtschaftlichen Großbetrieben versteht. Die als Stärkung des europäischen Gedankens vermutlich die Verleihung des Aachener Karnevalsordens an Victor Orban ansieht…..
Kann ich meiner Enkelin da nächste Woche noch guten Gewissens zu ihrem 4. Geburtstag gratulieren???
Wie sollte ich etwas dagegen haben, wenn jemand BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN“ unterstützt und wählt? Ich frage mich nur, wie DIE GRÜNEN mit einer CDU koalieren will, die nicht mehr von Angela Merkel geführt wird, sondern von Leuten, die deutlich konservativer agieren werden und unter allen Umständen den Maaßen und/oder Merz-Flügel befriedigen wollen. Was Scholz und die SPD angeht, so stelle ich zumindest eines fest: Alle Beschlüsse der jetzigen Bundesregierung, die zumindest in die richtige Richtung gehen, wurden von der SPD initiiert und politisch durchgesetzt.
Sie haben noch Scholz`Aussage als 1. Bürgermeister von Hamburg vor den Gewaltexszessen um das G20-Treffen im Jahr 2017 vergessen:
„Wir richten ja auch jährlich den Hafengeburtstag aus. Es wird Leute geben, die sich am 9. Juli wundern werden, dass der Gipfel schon vorbei ist.“
Lieber Herr Käfer,
da Sie sich so engagiert für die Grünen einsetzten: es wäre hier die Gelegenheit, mit Sachargumenten für deren Wahl zu werben. Vieles, was aus dieser Richtung kommt, finde ich sehr gut: über die nächsten zehn Jahre jährlich 50 Mrd. Euro in die „sozial-ökologische Transformation“ von Wirtschaft und Gesellschaft investieren; bis 2030 die CO2-Emission statt um 55% um 70% senken; Umverteilung von 10 Mrd. Euro jährlich durch Beseitigung von Steuervergünstigungen, „zeitgemäße“ Gestaltung der Schuldenbremse, d. h. deren faktische Abschaffung; jährlich 1% Steuern auf Vermögen oberhalb 2. Mill Euro; Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 45% bzw. 48%; Hartz IV durch „Garantieleistung“ ersetzen; Erhöhung des Mindestlohnes usw. Es dürfte aber klar sein, dass so etwas mit der CDU/CSU nicht zu machen ist. Derzeit wird wirklich von konservativer Seite aus allen Rohren gegen die vermeintlichen „Verführungen eines neuen ökonomischen Denkens“ geschossen. Das war heute übrigens Thema eines ganzseitigen Beitrags in der FAZ, verfasst von den Spitzen der deutschen Ökonomen-Elite (u. a. Lars P. Feld und Clemens Fuest). Für die Grünen werben, kann deshalb eigentlich nur heißen, offensiv für eine grün-rot-rote Koalition einzutreten. Abstoßend finde ich allerdings, dass sich maßgebliche aktive und ehemalige prominente Grünenpolitiker (Reinhard Bütikofer, Marie-Luise Beck, Ralf Fücks) unter der Fahne einer wertebasierten Außenpolitik als Speerspitze der Konfrontation mit China und Russland betätigen. Damit sind die Grünen für viele Linke nicht wählbar, z. B. auch nicht für mich. Wie will man eigentlich China, den weltgrößten CO2-Emittenten, als Partner für eine globale Klimapolitik gewinnen, wenn zunehmend versucht wird, durch Boykott und Embargos dessen gedeihlicher Entwicklung Steine in den Weg zu legen?
Mit freundlichen Grüßen,
Johannes Lerchner
@ Johannes Lerchner, der Beitrag führender Ökonomen in der FAZ vom 9. 7. 21 ist vernünftig. Darin wird auf die Risiken einer Finanzpolitik hingewiesen, die nach der gigantischen Neuverschuldung des Staates wegen der Coronapandemie auf weitere Verschuldung setzt. Künftige Generationen werden über Gebühr belastet, ein Rückfluss von Gewinnen schuldenbasierter staatlicher Investititionen ist keineswegs gesichert.
Ich bin froh, dass es noch Grünen-Politiker wie Reinhard Bütikofer, Marie-Luise Beck und ihren Ehemann Ralf Fücks gibt, die dem zynischen Pragmatismus sog. Realpolitik widerstehen. Allerdings sind sie eine kleine Minderheit, und die Herren Putin und Xi werden nicht einmal ihre Namen je gehört haben. Sie können also unbesorgt sein, Herr Lerchner, die Grünen werden sich gegenüber diesen Machthabern lammfromm verhalten. Wer allerdings eine Kanzlerkandidatin ohne jede Regierungserfahrung, dafür auf anderen Gebieten irrlichternd mit 98 % kürt, nur weil sie eine Frau ist, statt den Vorsitzenden zu wählen, der schon mal Landesminster war und drei allgemein anerkannt gehaltvolle Bücher verfasst hat, dürfte für viele unwählbar sein.
Entschuldigen Sie bitte, Herr Plätzsch, Ihre Replik hatte ich leider übersehen. Nur ganz kurz dazu: Es würde den Rahmen sprengen, alle Punkte in der von mir zitierten Klage über das „neue ökonomische Denken“ zu diskutieren. Es werden die bekannten konservativen Positionen präsentiert, für mein Dafürhalten etwas oberflächlich und ohne stringente Beweisführung. Zur angeblichen Belastung zukünftiger Generationen durch die aktuelle staatliche Schuldenpolitik gibt es übrigens starke Gegenpositionen (kann auch alles in der FAZ nachgelesen werden).
Eine werteorientierte Außenpolitik halte ich aus folgenden Gründen für problematisch: Erstens verbirgt sich dahinter die Anmaßung, dass alle Welt unsere Wertvorstellungen zu teilen hat. Zweitens kann eine vordergründig werteorientierte Außenpolitik nur erfolglos sein, weil sie Kompromisse ausschließt. Über Werte lässt sich schließlich nicht verhandeln. Und drittens besteht die Gefahr, dass eine Wertediskussion vorrangig der Diskreditierung des Gegenübers dient. Letztendlich, um besser die eigenen Interessen durchsetzen zu können. Dieses wird wohl im Verhältnis USA-China eine Rolle spielen.
„Jung und Alt richten sich in einer Wohlfühlzone ein: Urlaub und endlich Partyspaß: JA! Aber bitte keine Debatten über grundlegend neue gesellschaftspolitische Weichenstellungen.“
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Jetzt lassen Sie doch mal die geschundenen Menschen sich erholen. Wahlkampf war schon immer wie Waschmittelwerbung. Wer möchte, findet genug Informationsmöglichkeiten.
Und so einfach wird es nicht, sich von „Merkel-Deutschland“ zu verabschieden. Nicht umsonst wurde Laschet zum CDU-Chef gewählt. Und die Grünen als Koalitionspartner werden in einer neuen Regierung ein Wörtchen mitzusprechen haben.
Vorsicht mit Laschet. Merkel habe ich nie gewählt, aber sie ist eine Persönlichkeit. Laschet ist schlicht eine ehrgeizige Person mit unrealistischer Selbsteinschätzung (Selbstüberschätzung). Er ist letztlich ein rechter Wolf im Merkelpelz. Beleg dafür ist für mich der Entwurf zur Änderung des NRW-Versammlungsgesetzes und seine „Eierei“ bzgl. Maaßen.. Sein Corona-Experten*innenteam strotzte vor Wirtschaftsexperten*innen, Gewerkschafter*innen gehörten dem Gremium nicht an. Und Laschets Staatskanzleichef, der mit Sicherheit unter ihm zum Kanzleramtschef aufstiege, wurde in einem eng mit Opus Dei verbundenen Elternhaus sozialisiert. Es wird sich noch so mancher nach der unprätentiösen und rationalen Protestantin im Kanzlerinamt sehnen, die 2015 auch ihre christlich-affektive Seite zeigte. Ich hoffe, die Union wird nicht die Regierung bilden können!
Laschet wird Deutschland gemein(sam) und (gem)einsam machen (wie irgendwo ein Forist ironisch formulierte).
Dazu passt die Äußerung Laschets im Interview mit der Leipziger Volkszeitung (LVZ) am 05. Juli 2021: „Zentral ist es, die Technologien zu verbessern, anstatt unsinnige Debatten wie die über ein pauschales Tempolimit zu führen. Warum soll ein Elektrofahrzeug, das keine CO²-Emissionen verursacht, nicht schneller als 130 fahren dürfen? das ist unlogisch. Wenn das Elektroauto nur noch 130 fahren darf, ist dem Klima nicht geholfen.“ Selten liestman einen solchen Unsinn: 1. fahren derzeit kaum Elektroautos, 2. bleibt das Energiesparen der wichtigste Beitrag zum Klimaschutz, 3. geht es beim Autofahren auch um Menschenschutz. All das hat inzwischen sogar der ADAC begriffen, offensichtlich aber nicht Armin Laschet.
Ich kann mich nicht erinnern, dass Fr. Merkel sich je für ein Tempolimit ausgesprochen hätte, also kein Beispiel für die Abkehr von Merkel-Deutschland.
Es geht nicht um Angela Merkel sondern um Armin Laschet.
Sie haben die „Notenaffäre“ vergessen, die Laschet den Spitznamen „Würfel-Armin“ einbrachte.
https://www.waz.de/politik/armin-laschet-das-hat-es-mit-der-notenaffaere-auf-sich-id232083435.html
„Es geht nicht um Angela Merkel sondern um Armin Laschet.“
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Den Begriff „Merkel-Deutschland“ haben Sie eingeführt. Ich habe nur einen Vergleich angestellt.
Nachtrag:
Der o. g. Entwurf zum NRW-Versammlungsgesetz soll übrigens erst im Dezember 2021 durch den NRW-Landtag beschlossen werden. Zeitlich mit Abstand nach Bundestagswahl,
damit die Diskussionen um das Gesetz vor der Wahl nicht die Wahlchancen des Kandidaten beeinträchtigen. Bei einer Demo gegen das Gesetz hat sich die Polizei nicht mit Ruhm bekleckert, das musste letztlich auch der NRW -Innenminister zugeben. Ein WDR5-Journalist bezeichnete den Polizeieinsatz als alle gegen das Gesetz bestehenden Bedenken bestätigend. Das Gesetz und seine parlamentarische Behandlung zeigen, was innenpolitisch mit einem Kanzler Laschet auf uns zu kommt! Selbst die CDU-nahe Rheinische Post ging äußerst kritisch mit dem Polizeieinsatz um.