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Der Exit aus dem Shutdown – nicht das „Wann“, das „Wie“ ist entscheidend

Menschen im Ausnahmezustand werden schnell ungeduldig. Kaum sinkt das Fieber, möchte der Kranke wieder aufstehen. Kinder wollen nach einer Grippe so schnell wie möglich wieder zum Spielen nach draußen. Die Arbeit ruft, auch wenn das Herz noch schmerzt. So werden auch noch in der Krankheit die STOP-Signale überfahren. Genau dieses jedem Menschen sehr vertraute Verhalten spiegelt sich in der seit Tagen entbrannten Diskussion darüber wieder, wann der sog. „Shutdown“, also das systematische Herunterfahren des öffentlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen Lebens, beendet werden kann. Natürlich wird die Debatte noch durch absolut nachvollziehbare Existenzängste derer befeuert, deren Einnahmen sich als Selbstständige oder Arbeitnehmer/innen von einem Tag auf den anderen in bis zu Nichts auflösen. Betont fürsorglich lassen sich die Bundeskanzlerin, die Ministerpräsident/innen und Virologen vernehmen: Nein, der Zeitpunkt für diese Diskussion ist noch nicht gekommen. Bis zum 19. April 2020 wird der Shutdown auf jeden Fall andauern – und damit auch die Diskussion darüber.

Doch leider erdrückt diese Debatte eine Auseinandersetzung, die politisch, gesellschaftlich dringend geboten ist: Wie wollen wir denn – abseits von Abstandsregeln – nach dem Shutdown das öffentliche, soziale, wirtschaftliche, kulturelle Leben wieder hochfahren? So, als wäre nichts geschehen? So, als ob es nur darum ginge, in Zukunft mehr Atemmasken und Schutzbekleidungen für den Notfall zu lagern? So, als ginge es jetzt nur noch darum, die Wirtschaft wieder schnell ins Laufen zu bringen, um möglichst bald den „Status quo ante“ zu erreichen? So, als hätte unsere Lebensweise nichts mit dem Virus zu tun?

Abseits aller Verschwörungstheorien (das Virus sei eine gezielt Kampfwaffe des internationalen Finanzkapitals) und aller Verharmlosungen (Covid-19 sei nicht gefährlicher als ein normaler Grippevirus) – wenn ich mich richtig erinnere, dann haben die Klimaforscher schon seit langem davor gewarnt, dass eine Folge des globalen Klimawandels das Aufkommen von Viren sein wird, die sich global schnell ausbreiten und die zu bekämpfen, sich als äußerst schwierig herausstellen wird: https://www.ndr.de/nachrichten/info/Kommentar-Die-Lehren-aus-der-Coronavirus-Krise,corona1192.html und https://www.aerzteblatt.de/archiv/170849/Infektionskrankheiten-Klimawandel-als-Katalysator. Covid-19 ist kein „chinesischer“ Virus, wie Donald Trump nicht müde wird zu behaupten. Covid-19 ist lediglich in China entdeckt worden. Die Möglichkeit, dass ein solches Virus auch in Schweden oder auf Teneriffa erstmals auftaucht, ist genauso gegeben. Also kommt es jetzt darauf an, dass sich jede/r die Zeit der Entschleunigung seines/ihres Alltags dazu nutzt, sich zu fragen: Wie soll es denn nach dem 19. April weitergehen, wenn sich wieder „Normalität“ einstellt? Natürlich fällt es jedem von uns schwer, von lieb gewordenen Gewohnheiten Abschied zu nehmen. Aber eine sehr persönliche, kritische Bestandsaufnahme ist für jede/n angebracht. Es würde uns auch sehr helfen, wenn wir den Zusammenhang von Coronavirus und Klimawandel ernst nehmen, wenn wir also alle Maßnahmen für den Klimaschutz verstärken, anstatt diese weiter als Hemmnis für das Wirtschaftswachstum zu verdrängen. Alle Häme gegen FridaysForFuture ist deshalb völlig unangebracht. Ihr Klima-„Streik“ war – um im Bild des Arbeitskampfes zu bleiben – der Vorlauf für die „Aussperrung“, die uns – und zwar Arbeitnehmer/innen wie Vorständen – global verordnet wurde.

Jetzt geht es darum, die Bedingungen des globalen Zusammenlebens neu zu justieren. Dabei kommt es darauf an, dass die Rückkehr zur Normalität nicht dazu missbraucht wird, um alle missliebigen und dringend zu beschließenden Maßnahmen für den Klimaschutz erst einmal außer Kraft setzen bzw. nicht in Angriff nehmen. Vielmehr sollte die Zeit des Shutdowns genutzt werden, um das Hochfahren der Wirtschaft ohne aus Kohle gewonnene Energie zu erreichen; um die Autoproduktion entschlossener umzustellen. Dazu gehört, dass wir das Mobilitätsverhalten kritisch überprüfen – sowohl im Berufsleben wie bei der Freizeitgestaltung, in der Wirtschaft wie in der Kultur. Dazu gehört, dass wir die durch das Coronavirus erzwungenen Beschränkungen des Lebens in Freiwilligkeit umwandeln. Dazu gehört, sehr genau abzuwägen zwischen digitaler und analoger Kommunikation.

Und noch ein „Wie“ ist überfällig: Wie wollen wir in Zukunft in Europa leben? Ein Europa, dem jede friedenspolitische Vision abhandengekommen ist? Ein Europa, das seine eigenen Werte auf Lesbos im Schlamm überfüllter Flüchtlingslager verrotten lässt und die Menschenwürde mit Füßen tritt? Ein Europa, das meint, mit der Reaktivierung von Grenzen globale Entwicklungen abwehren zu können statt Zusammenarbeit zu verstärken? Ein Europa, das jede Solidarität, die über Spontanhilfe hinausgeht, vermissen lässt? Solange wir uns vor diesen Fragen drücken, sie nicht offen debattieren, werden wir die Einflugschneisen für neue Viren, vor allem auch für den Virus Rechtsnationalismus und Autokratie, öffnen. Übrigens: Für letztere Viren liegt der Impfstoff schon bereit: „Im Bewusstsein vor Gott und den Menschen … als Glied in einem geeinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk … dieses Grundgesetz gegeben“ (Präambel des Grundgesetzes). Kümmern wir uns also in der geschenkten Zeit um das „Wie“ – jede/r an seinem Ort durch Wort und Tat.

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P.S. Manch einer vermisst einen Abschnitt zum Thema „Wie weiter in der Kirche?“. Dazu jetzt nur ein paar Hinweise. Sie müssen später vertieft werden:

  • Welche Bedeutung hat die digitale Kommunikation für Seelsorge und Verkündigung bzw. soll sie bekommen? Wie sieht das Verhältnis von digitaler und analoger Kommunikation aus?
  • Wie gehen wir mit der Sehnsucht nach Bedeutung und Anerkennung derer um, die das gesellschaftliche Alleinsein besonders stark verspüren – gerade in einer Krisenzeit, in der alle zusammenrücken und damit Randgruppendasein noch schmerzlicher wird?
  • Welche Bedeutung messen wir der Gerechtigkeit zu in einer Zeit, in der wir in Kirchgemeinden angesichts einbrechender Einnahmen Personalkürzungen/Kurzarbeit vornehmen müssen?
  • Krisenbewältigung in einer säkularen Gesellschaft: Woraus ziehen Menschen Kraft und woran knüpfen sie an und was ist der Beitrag der Kirchen?
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28 Antworten

  1. Heute vor 10 Jahren, am Karfreitag 2. April 2010, fielen bei einem Angriff der Taliban in Afghanistan drei deutsche Soldaten, vier weitere wurden schwer verletzt. Die Soldaten waren dort aufgrund eines Auftrages der bundesdeutschen Regierung und des deutschen Parlaments. Insgesamt hat die Bundeswehr bei ihr politisch aufgetragenen Einsätzen im Ausland rund 250 Soldaten verloren. Vor zehn Jahren hätte wohl zB Frau Göring-Eckardt den Ausdruck „Heldinnen und Helden“, den sie jetzt – durchaus zu Recht – auf viele unentbehrliche Helfer in der Corona-Krise (Sanitätspersonal, Kassiererinnen, LkwFahrer) anwendet, als weder angebracht noch als überhaupt Teil der deutschen Nachkriegssprache akzeptiert. Aber es ist eben so, daß es zum Glück bei uns schon lange Heldinnen und Helden gibt: Soldaten, Polizisten, Einzelpersonen im öffentlichen Leben (die anderen beistehen) und alle, die wie oben genannt die Grundlagen unseres Lebens aufrecht erhalten – auch Müllabfuhren, Energie- und Wasserver- und entsorgunsgunternehmen.
    Schön, daß man die rechte Bezeichnung für alle diese Leute auch da wiederentdeckt, wo bisher eher (auch sprachliche) Ideologie vorherrschte. Man möge sich daran erinnern, wenn wieder Normalität für die meisten von uns herrscht. Und man möge sich daran erinnern, wenn massenweise Menschen in größter persönlicher Sicherheit und ohne jedes Heldentum, sowohl persönlich wie auch rechtlich, sich öffentlich versammeln, um irgendwelche Meinungen auszudrücken.
    Mit herzlichem Gruß,
    Andreas Schwerdtfeger

  2. Anmerkungen und Fragen zu „Gedanken zur Zukunft …“ von Andreas Schwerdtfeger (http://wolff-christian.de/wp-content/uploads/2020/03/Schwerdtfeger-Nach-dem-Virus.pdf)

    Gesundheitswesen:
    Die aus der Kommerzialisierung des Gesundheitswesens resultierenden Probleme werden nicht adressiert: Seit 1991 wurden mehr als 32 Prozent der Krankenhausbetten in Deutschland abgebaut („blutige Entlassungen“). Die Zahl der Krankenhäuser wurde drastisch reduziert. Allein im Zeitraum 2003 bis 2012 wurden 74 Krankenhäuser mit 5200 Betten geschlossen. Es fehlen aktuell in Deutschland 162.000 Beschäftigte, um eine zufriedenstellende Versorgung der Patienten zu ermöglichen. 63.000 Fachkräfte müssten zusätzlich im Bereich der stationären Altenpflege eingestellt werden. Massenhaft werden Ärztinnen und Ärzte und Krankenhauspersonal aus Drittländern abgeworben und nach Deutschland gebracht, obwohl sie dort dringend benötigt werden. Die Kliniken in Deutschland verfügen über rund 28.000 Intensivbetten, wobei gleichzeitig 4.700 Intensivpflegekräfte fehlen. Tatsächlich dürften nur rund 27.000 der Betten ad hoc bereitstehen. (https://www.nachdenkseiten.de/?p=59459)
    Es besteht zunehmend Einigkeit: „Die Gesundheitswesen (ist) nicht wirklich privatisierbar“ (Joschka Fischer gestern in der FAZ).
    Dazu gehört auch: Weil es nicht profitabel ist, wurde jahrzehntelang zu wenig in die Forschung zu Infektionskrankheiten und Pandemien investiert. (https://www.ipg-journal.de/regionen/global/artikel/detail/neuer-zeitgeist-gesucht-4178/)

    Logistik:
    Es ist richtig, die Externalisierung von Produktionskosten zu verhindern. Bahntransporte sind ein gutes Stichwort. Verstehe ich es richtig, dass Sie dafür plädieren, dem Staat mehr Mittel in die Hand zu geben, damit das Schienennetzt ausgebaut werden kann? Private Investitionen wären zu wenig rentabel. Wo soll der Staat die zusätzlichen Mittel hernehmen?

    Umwelt:
    Sie lehnen (staatliche?) Regulierungen, „phantasieloses“ Verteuern (Eingriffe in die Preisstruktur durch CO2-Steuer und/oder Zertifikatehandel?) sowie Verbote ab. Was sind die „Faktoren“, die zur drastischen Reduzierung der Nutzung fossiler Brennstoffe führen könnten? Demonstrationsbeschränkungen für „Fridays for future“? (Sorry, 1. April). Wollen Sie es mit Appellen an die Vernunft bewenden lassen? Haben Sie bedacht, dass ein Konzernmanagement gegenüber den Aktionären zur Gewinnmaximierung verpflichtet ist?
    Übrigens: Wegen des zwangsläufig sinkenden Rohölpreises könnte die Corona-Krise auch kontraproduktiv für die Klimapolitik sein.

    Finanzpolitik:
    Der aktuellen Propaganda folgend loben Sie die „Schwarze Null“. Wie beurteilen Sie den Zusammenhang zwischen den vergleichsweise niedrigen deutschen Staatsschulden und den anhaltenden hohen Leistungsbilanzüberschüssen, also der zunehmenden Verschuldung des Auslands gegenüber Deutschland?
    Es scheint Einigkeit darüber zu herrschen, dass eine schnelle, außerordentlich hohe Neuverschuldung (in D 300 Mrd. Euro) ein zu starkes Einbrechen der Wirtschaft verhindern und eine schnelle Wiederbelebung bewirken kann. Welche Auswirkung hätte eine Erhöhung des Schuldenstands von 60 % auf 80 % auf unser Leben, vor allem, wenn Sie berücksichtigen, dass Staatspapiere letztendlich bei der EZB landen (müssen!) und dafür ein 750 Mrd. – Aufkaufprogramm bereitstehen wird und die Zinsen an die Teilnehmerländer zurückfließen.
    Geht es bei den diskutierten Bonds um milde Gaben (ihr Bundesliga-Vergleich) oder lediglich um eine Absicherung der Staatsfinanzierung gegen Spekulationen auf den Finanzmärkten? Sie sollten dabei bedenken, dass Eurobonds von der Natur her ausfallsicher sind. (https://makroskop.eu/2020/03/europa-scheitert-an-deutschen-juristen/)

    Arbeits- und Sozialpolitik:
    Einerseits sprechen Sie sich gegen eine höhere private Vorsorge aus, treten dann aber für eine verstärkte Privatisierung ein. Das ist für mich ein Widerspruch. Dass private Vorsorge keine Vorteile gegenüber Umlageverfahre hat, ist seit Langem bekannt und hat sich durch den Flop der Riesterrente wieder bestätigt. Was halten Sie von der Mackenroth-These (1952!!!!)? „Es gilt der einfache und klare Satz, dass aller Sozialaufwand immer aus dem Volksaufkommen der laufenden Periode gedeckt werden muss. … es gibt kein ‚Sparen‘ im privatwirtschaftlichen Sinne, es gibt einfach gar nichts anderes als das laufende Volkseinkommen als Quelle für den Sozialaufwand.“ (Gerhard Mackenroth, Die Reform der Sozialpolitik …, 1952 (!!!)).
    Wieso ist sehen Sie Gefahren für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, da doch seit Jahren riesige Leistungsbilanzüberschüsse existieren? Ist die Übermacht der deutschen Wirtschaft nicht eher ein Problem, weil durch die zunehmende Verschuldung der Handelspartner die Exportmöglichkeiten untergraben werden?

    EU-Probleme:
    Es ist richtig, dass die Migrations-Krise 2015/16 auch etwas mit der ungerechten Verteilung der Ressourcen in Europa zu tun hatte. Ich stimme Ihnen auch zu, dass es wichtig ist, eine stabile Balance zwischen supranationaler und nationalstaatlicher Politik zu finden.
    Meinen Sie mit der Ablehnung von „Vereinigten Staaten“ von Europa den Widerstand gegen eine Abstimmung der Fiskalpolitik unter den Euro-Staaten? Was spricht Ihrer Meinung nach gegen die These mancher Ökonomen, dass gerade diese fehlende Abstimmung Ursache für die Ungleichgewichte in der Euro-Zone ist? Wäre es nicht einfacher, Fehlkonstruktionen zu beheben statt diffus über neue Visionen zu meditieren?

    Fazit: Sie sprechen viele wichtige Dinge an. Einiges bleibt ziemlich unklar und scheint mir zu wenig durchdacht zu sein. Ich sehe hier einen gewissen Widerspruch zu Ihrem sonst so meinungsstarken Auftreten.

  3. Zitat A. Schwerdtfeger (s.a. http://wolff-christian.de/wp-content/uploads/2020/03/Schwerdtfeger-Nach-dem-Virus.pdf / Linkverweis von Chr. Wolff):
    „Gesellschaft: Die Menschenrechte sind ein Grundpfeiler unseres Zusammenlebens – innerhalb und außerhalb der EU. Sie stellen – wie übrigens auch die 10 Gebote – den gesellschaftlichen Frieden bei gleichzeitiger größtmöglicher Freiheit und bei gleichzeitigem größtmöglichem Schutz des Individuums vor staatlicher oder mehrheitlicher Willkür in den Mittelpunkt. Wir sollten sie wieder mehr unter dem Gemeinschaftsblickpunkt und weniger unter dem Individualgesichtspunkt begreifen (Anregung, nicht Diktat!). Wir sollten sie stärker als Verpflichtung als als Recht ansehen, mehr als Blick auf die eigene Umgebung als Blick auf sich selbst.“
    Dieser letzte Absatz (Gesellschaft) Ihrer bemerkenswerten, partiell diskussionsnotwendigen Reflektionen auf die Komplexität gegenwärtiger Krisenproblematik sagt all das, was die Kritiker Ihrer vehement-scharfen Blogkritik-Kommentare reklamieren: …mehr als Blick auf die eigene Umgebung als Blick auf sich selbst! Die 10 Gebote sind ganz sicher ein solides Fundament – wem sagen Sie das.
    Danke für diese Ihre bedeutungsvolle Einsicht.
    So könnte man dann in der Sache per se weiterkommen!
    Freundlicher Gruß – Jo.Flade

  4. Uns stehen noch sehr schlimme Tage bevor und ein Ende der Krise in den nächsten 6 Monaten ist noch nicht abzusehen.
    Die Menschen werden danach erst einmal sehr erschöpft sein, wenn die Pandemie überhaupt so schnell abflaut. Schnell wird der lange Tod in den Metropolen und diese Hilflosigkeit jedenfalls kaum vergessen werden.

    Die politische Debatte wird deshalb danach erst langsam sich entwickeln und zu den Grundfragen finden, die Fragen sind nach den Prinzipien unseres Wirtschaftens und den Voraussetzungen für eine sozial verpflichtete demokratische Gesellschaft.

    Zuviel Verwüstungen werden die Selbstgewissheit erschüttert haben. Es wird Zeit brauchen, um mit klarem Kopf zu analysieren.

    Schauen wir zurück auf die Zeit 1947 / 49, dann könnte sich nach der Coronakrise aber doch eine Chance ergeben zu den Wurzeln eines solidarischen Zusammenlebens und eines sozialen Wirtschaftens zurückzufinden. Und vielleicht wieder das europäische Projekt erneut zu vitalisieren….
    Christian Wolff erinnert uns an eine „geschenkte Zeit“. Wir sollten sie nutzen!

  5. Nach meinem derzeitigen Wissensstand sehe ich (Nicht-Naturwissenschaftler und Nicht-Gesundheitsexperte) als Fakten an:
    • Covid-19 hat eine veritable Pandemie (s. Wikipedia) ausgelöst.
    • Es wird weitere Pandemiefälle geben. Der menschenverursachte Klimawandel wird die Häufigkeit ihres Auftretens sehr wahrscheinlich erhöhen (Ärzteblatt).
    • Scharlatane, Verharmloser und narzisstische Politiker (Dr. Wodarg, Trump…) haben die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen – zumindest zeitweise – erheblich gemindert.

    Die jetzt durch Covid-19 verursachten weltweiten Todesfälle und Belastungen der nationalen Gesundheitssysteme haben vielleicht das Bewusstsein/die Bereitschaft der Verantwortlichen gestärkt, über neue Lösungen nachzudenken und dabei auf eigene Entscheidungsoptionen unter bestimmten Voraussetzungen zu verzichten.
    Für die Debatte, WIE wir nach dem Ende der aktuellen Krise mit Pandemien generell umgehen wollen/sollen, wäre aus meiner Sicht hilfreich:
    • Ein weltweit anerkanntes Expertengremium, das den „Pandemiefall“ verbindlich für alle Staaten der Welt für einen definierten Zeitraum (mit Verlängerungsmöglichkeit) festlegen kann – unter Verantwortung der WHO.
    • Dieses Gremium sollte unabhängig von Regierungen und Interessengruppen sein. Seinen Weisungen ist unbedingt Folge zu leisten (z.B. Versammlungsverbote, Reise- oder Ernährungsbeschränkungen, Informations- und Meldepflichten).
    • Dieses Gremium hätte Zugang und Entscheidungsbefugnis über die Verteilung eines zu schaffenden und weltweit flexibel einsetzbaren „Hilfspools“ an Medikamenten, medizinischen Geräten, Krankenstationen, finanzieller Unterstützung, Nahrungsmitteln, Transportkapazitäten ….
    • Vor der endgültigen Erklärung einer Pandemie gibt es verschiedene Eskalationsstufen, die ggfs. für verschiedene Regionen unterschiedlich ausfallen können (lokal oder regional Verantwortliche dürften dann nicht mehr die Entscheidungshoheit für Veranstaltungen haben – siehe Ischgl, Karneval, Fußball…).

    Darüber hinaus sollten wir uns Gedanken machen, wie wir in Deutschland/Europa künftig umgehen wollen mit:
    • dem Zusammenhalt und der Zusammenarbeit innerhalb Europas
    • der Rolle und dem Selbstverständnis Europas in der Staatengemeinschaft
    • „systemrelevanten“ Tätigkeiten (in der Pflege, öffentlichen Ordnung, Grundversorgung….)
    • Kommunikation (Fakten/Fake News)
    • dem kulturellen Leben
    • Chancen und Risiken einer globalisierten Wirtschaft (Produktionskapazitäten, Bevorratung, Logistik)

    Nach der Lockerung des „Shutdowns“ werden wir auch einige grundsätzliche volkswirtschaftliche und wirtschaftsethische Diskussionen führen müssen:
    • In welchen Branchen kann/soll/muss privatwirtschaftlich/staatlich gewirtschaftet werden
    • Wie kann die Gesamtsumme aller Einkommen in Deutschland so aufgeteilt werden, dass systemrelevante Tätigkeiten angemessen honoriert werden (ohne das Totschlagargument „Reichensteuer“ zu benutzen). Analog – wie regeln wir das Thema Erbschaft besser, im Sinne der Förderung der Chancengleichheit der nachwachsenden Generationen, unabhängig von deren sozialer Herkunft
    • Wie kann das früher (mehr oder weniger) geltende Konstrukt des „ehrbaren Kaufmanns“ wieder mit Leben erfüllt werden (adidas, deichmann, c&a … haben die Mietzahlungen ihrer Verkaufsstellen ohne wirtschaftliche Not eingestellt), z.B. durch eine Art kfm. Ehrengericht

    Zum Abschluss noch zwei ganz persönliche, eher nebensächliche Überlegungen, die mich derzeit auch beschäftigen:
    Wie verfahre ich (stark auf die 70 zugehend) mit meinen diversen Abonnements für Gewandhaus, Oper und Theater? Stand heute werde ich keine Abos für die Saison 2020/2021 abschließen.
    Wie kann ich helfen, dass „meine“ Stammkneipe/Lieblingsrestaurant/Kleinkunstbühne…, „mein“ Spargelbauer/Metzger/Fischhändler… vom Leipziger Markt überlebt?

    1. Die wichtigste Waffe, die die Naturwissenschaft und Medizin zur Bekämpfung von Viren und Pandemiegefahren beisteuern können, sind Impfstoffe und spezifische Medikamente. Beides kann heute dank effektiver molekularer Technologien gut gelingen, wenn der politische Wille stark genug ist. Allerdings sind damit kein Geschäft zu machen, Kosten zu senken, Personal einzusparen und Profite im Handumdrehen zu generieren bei Erkrankungen, für die es noch keinen Markt gibt. Die (Therapie)-Forschung und Gesundheitsvorsorge dürfen daher nicht hemmungslos von staatlicher Seite vernachlässigt und privatisiert werden.(Wäre nicht Bill Gates großzügig, sähe es mancherorts in Afrika in HIV-Gebieten sehr düster aus).

      Konkret: Das Center of Disease Control (CDC) in Atlanta/USA hat bereits 2014 spezifische Forschungsprogramme vorgeschlagen, die sich mit einem „Sprung“ von Viren tierischer Wirte auf den Menschen beschäftigen sollten. 2019 hat der grandiose Präsidentendarsteller der USA das Budget des CDC um 2/3 gekürzt und die Beendigung der Forschungen ausgelöst. Damit ist bezüglich Covid-19 schon fast alles gesagt.

  6. Andreas Schwerdtfeger, ein häufiger Kommentator und scharfer Kritiker meiner Blog-Beiträge, hat mir heute – ausgelöst durch den letzten Blog-Beitrag – einen Artikel zugesandt, der sich mit dem „Wie“ auseinandersetzt. Herr Schwerdtfeger schreibt dazu: „Ich halte Ihren blog gerade weil wir nicht übereinstimmen für ein wichtiges und eigentlich interessantes Forum. Ich finde auch, daß Polemik und „Angriff“ völlig in Ordnung sind. Es muß aber eben zusätzlich „Butter bei die Fische“ sein – und das fehlt, wenn man nur noch über die Personen und nicht auch über die Sache nachdenkt. Sollten Sie meinen Beitrag doch für veröffentlichbar halten, würde ich mich freuen.“ Hier also der Link zu dem Artikel: http://wolff-christian.de/wp-content/uploads/2020/03/Schwerdtfeger-Nach-dem-Virus.pdf

  7. Lieber Christian, habe herzlichen Dank für Deinen Beitrag. Und wirklich, Dein Beitrag zur Corona- Krise ist auch im besten Sinne eine nachdenklich machende Predigt.

  8. Lieber Herr Käfer – DANK für Ihre Kommentierung! Sachliche Debatten Ja, dümmliche Egomanie, Realitätsferne, Fehldiagnosen und Verächtlichmachung: Nein!
    Wir, Sie, Chr. Wolff, Herr Lerchner + ich, wissen, wovon wir reden!
    Bleiben Sie gesund und wohlauf; Ihr Jo.Flade

  9. Sehr gute und wichtige Denkanstöße, die Mut machen und die Zuversicht stärken, dass die Erde noch zu retten ist. Danke dafür! Nun müssen sie nur noch in die Köpfe derjenigen gelangen, die die Macht und die Ausdauer haben, das Steuer in diesem Sinne umzulenken. Aber wie?

  10. Die Frage nach dem „Wie?“ finde ich genau richtig. Prima.
    Wie Sie dazu kommen allerdings weniger, weil mir das – sorry – teilweise ein wenig „besserwisserisch“ vorkommt, so: „Ihr hättet doch, …“ . Das kann man im Nachhinein immer sehr gut und sehr schnell behaupten. Die erwähnten Themen von „Klima“ bis „Auto“ sjnd ja bekannt. Leider ist es nicht so einfach mit der „Umstellung“. Z.B. sind Elektroautos ganz und gar nicht umwelfreundlicher, wenn man sie wirklich ganz betrachtet von der Ausbeutung der Resourcen für die Batterin bis hin zur Stromerzeugung und so ist es auch mit dem Klima.
    Gewisslich ist es dringend nötig, über diese Themen nachzdenken und nach Verbesserungen zu suchen. Gleichzeitig muss die Wirtschaft aber sehr gut laufen, damit die Krankenversicherung, die Renten, das Arbeitslosengeld etc pp. und vor allem die Arbeitsplätze bereitgestellt werden können.

    So ist Ihr Aufruf „Zum-nicht-einfach-weiter-so“ genau richtig. Das „Wie“ leider gar nicht einfach. Aber jegliche Aufmunterung, die gegenwärtige Situation zum Aufbruch für einen gutbüberlegten Neuanfang in die richtige Richtung zu nutzen, ist dringend nötig.

    1. Lieber Herr Dr. Merz, ja es geht um das „Wie“. Dazu habe ich ein paar Anregungen gegeben – mehr nicht. Denn es gibt nicht nur eine Antwort. Ein Hinweis auf das „Elektroauto“ habe ich bewusst vermieden, weil ich Ihre Bedenken teile. Aber es gibt genug Alternativen. Was mir wichtig ist: dass wir den Zusammenhang zwischen Coronavirus und Klimawandel nicht leugnen und uns damit auseinandersetzen. Vor allem ist eines zu vermeiden: dass der Einwurf „Die Wirtschaft muss wieder laufen“ nicht als Totschlagargument eingesetzt wird gegen die Diskussion über notwendige Umsteuerungen. Beste Grüße Christian Wolff

      1. …..die Verbindung von Klimawandel und Coronavirus nicht leugnen….
        Hier wäre doch eine fundierte Quelle, am Besten mehrere Quellen nötig.
        Ansonsten ist diese Behauptung doch nichts anderes als die von Ihnen angeprangerten
        Verschwörungstheorien.
        In so aufgeregten Zeiten, in denen viele Menschen um ihre Existenz bangen oder kämpfen, können solche Schüsse ins Blaue,Phantasien und eben unbewiesene Vermutungen doch sehr gefährlich werden.
        Gerade als Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, sollten Sie sich in den Bereichen, in denen Sie kein Fachmann sind, sich lieber zurückhaltend äußern.
        MfG
        ErwinBreuer

          1. Sehr geehrter Herr Wolff,
            vielen Dank, dass Sie die angefragten Quellen so zügig zur verfügung gestellt haben.
            Sehr schön auch, dass Sie aus Ihrem Originaltext das Wort „leugnen“ entfernt haben.(Es hat so eine negative, diskreditierende Bedeutung.)

            Leider sind die Quellen in keiner Weise relevant bzw. nur ansatzweise beweiskräftig.
            Der NdR Beitrag ist einen reine Meinungsäußerung (steht auch drunter).
            Der Ärzteblatt Artikel ist ein ganz allgemeiner Artikel aus der Abteilung „aus aller Welt /
            Unterhaltung ,der Allgemeinplätze mit Spekulationen verbindet. „Corona“ kommt nicht einmal vor.
            Um mit dem von Ihnen verwendeten Zusammenhang korrekt arbeiten zu dürfen, bedarf es Messreihen, Experimente, Studien, die naturwissenschaftlichen Ansprüchen genügen.
            Die beiden Artikel sind nichtmal ausreichend für eine Schülerarbeit z.B. wie in Sachsen auf dem Niveau der sogenannten BELL üblich.
            Lieber Herr Wolff, so entstehen Fake News: Eine durch nichts begründete Meinung wird veröffentlicht, weitergetragen, vervielfälltigt und schließlich zu gefakten Fakten.

            Das wollen wir doch alle nicht!

          2. Noch einmal: Mein Hinweis auf die Zusammenhänge zwischen Coronavirus und Klimawandel haben nichts mit Verschwörungstheorien, Verharmlosung oder Fake News zu tun. Im Gegenteil: Es bedeutet nur, dass wir im Kampf gegen die Corona-Pandemie dem Klimaschutz höchste Aufmerksamkeit zukommen lassen müssen. Das wollen wir doch hoffentlich alle!

          3. Letzendlich bleibt der Fakt, dass ein Zusammenhang zwischen Corona und Klimawandel in keiner Weise belegt werden kann. Ob eine solche Behauptung nun eine Hypothese, Fake News oder sonst etwas ist mag jeder selbst entscheiden.

          4. Vielen Dank für dieZusendung des Links von der Pressekonferenz unserer Umweltministerin.
            Leider stützt der Vortrag der Ministerin an keiner Stelle Ihre Hypothese vom Zusammenhang Klimaveränderung Coronakrise. Das Wort Klima kommt nur 1X
            in anderem Zusammenhang vor. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Stelle, die Sie meinen (..ab Min….) angeben würden.
            MfG
            ErwinBreuer

  11. (Vorab: Den unten stehenden Text hatte ich vor Veröffentlichung und in Unkenntnis des Inhalts von Christians neuem Blogbeitrag geschrieben!)

    Allen, die offenbar Interesse an einem sehr guten und informativen Blog haben oder auch zufällig darauf gestoßen sind: für mich sind die grundlegenden Beiträge des Pfarrers i.R. Christian Wolff immer sehr lesens- und diskussionswert, beleuchten aktuelle Fragen kritisch und geben bisweilen hilfreiche Empfehlungen, Rat oder Trost!

    Lassen Sie sich nicht beirren, wenn eine, bisweilen auch wenige andere Stimmen in diesem Blog Ihnen suggerieren, „die Deutschen“ seien besserwisserisch, belehrend, liefen hirnlos diversen NGOs nach, würden mehrheitlich spritfressende SUVs fahren und es gäbe eigentlich nur eine Person, die alle Gegenwartsfragen kompetent beurteilen und richtig lösen könne!
    Dem ist nicht so!

    Bleiben Sie diesem Blog erhalten, bereichern Sie die (sachliche) Diskussion; wie Christian Wolff anregt, sollten wir die aktuelle Zäsur nutzen, um uns grundlegende Gedanken über unser zukünftiges Zusammenleben zu machen. Lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenken, mit welchen Inhalten wir Begriffe wie Solidarität, Gerechtigkeit, Systemrelevanz, aber auch die Begriffe Demokratie, Partizipation, Grundrechte oder Glauben…. füllen wollen.
    Dies umso mehr, als ich persönlich vermute, dass wir in Deutschland die Pandemie (hoffentlich) einigermaßen glimpflich überwinden in den nächsten Monaten; die wirtschaftlichen Auswirkungen werden uns aber, spätestens ab Mai 2020, deutlich brutaler treffen und ein neues Denken erfordern; wir würden dieses entscheidend einengen, wenn wir alle Ansätze, über Arbeits- vs. Kapitaleinkommen zu diskutieren, Vermögens- und Erbschaftsfragen neu zu bewerten, neue Konzepte für Steuer- und Rentenpolitik zu entwickeln, von vorneherein als „sozialistische Ideologie, die noch nie die Lösung gewesen ist“ im Keime ersticken.

    Bleiben Sie alle gesund!

  12. „wenn ich mich richtig erinnere, dann haben die Klimaforscher schon seit langem davor gewarnt, dass eine Folge des globalen Klimawandels das Aufkommen von Viren sein wird“
    ================================================================
    Man geht davon aus, dass sich das neuartige Corona-Virus bei höheren Temperaturen weniger gut verbreitet als bei tieferen. Allerdings ist das Herunterfahren der Weltwirtschaft, des Flug- und Autoverkehrs gut für das Klima. Ob man die Pandemie grundlegend eindämmen kann, wird von der Bereitstellung von Impfmedikamenten zur Prävention bzw. Medikamenten zur Therapie abhängen. Danach wird alles so weitergehen wie davor.

        1. Ich habe nicht das „Corona-Notstandsregime als Modell für die Klimapolitik empfohlen“ (so Ralf Fücks). Vielmehr geht es um die Frage, dass das Coronavirus ein Teil des Klimawandels ist. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus?

          1. Dass der Klimawandel den Übersprung des Coronavirus vom Tier auf den Menschen begünstigt habe, habe ich noch nirgendwo gelesen. Auch hat die rasende Verbreitung des Virus über die gesamte Erdbevölkerung mit dem Klimawandel nichts zu tun. Daran trägt die Globalisierung einen Großteil der Schuld. In Warnemünde wird z. Zt. das größte Kreuzfahrtschiff der Erde für 9.500 Oassagiere gebaut. In einiger Zeit nach dem Abflauen der Pandemie wird es ausgelastet sein. Die Menschen werden sich wieder in engen Flugzeugkabinen drängen.

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