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„… dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging“ – Weihnachten in Coronazeiten

Sie beginnt mit einer staatlichen Anordnung, die Geschichte von Geburt Jesu:

Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. (Die Bibel: Lukas 2,1ff)

In diesem Jahr feiern wir Weihnachten auch unter den Bedingungen staatlicher Verordnungen: der Lockdown mit all seinen einschränkenden Bestimmungen. Doch im Gegensatz zu damals werden wir nicht in Bewegung gesetzt wie Maria und Joseph. Wir sollen möglichst unsere vier Wände nicht verlassen, unter uns bleiben und auch auf den Gottesdienstbesuch verzichten. Aber wie gesagt: Damit beginnt die Weihnachtsgeschichte. Es ist nicht ihr Ende. Denn das Erstaunliche ist: Mitten in dem Weltgeschehen, dass Augustus und seine Lakaien allein zu bestimmen scheinen, beginnt eine völlig neue Geschichte, die Geburt Jesu, die Menschwerdung Gottes – zugegeben unter erschwerten Bedingungen. Maria und Joseph mussten Nazareth verlassen und nach Bethlehem aufbrechen. Dort fanden sie keinen Raum. Sie waren unerwünscht. Doch die unwirtlichen Umstände hinderten Gott nicht daran, sein Versprechen einzulösen – so wie es vor langer Zeit dem Propheten Jesaja gegeben hat:

Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. … Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; … (Die Bibel: Jesaja 9,1ff)

Ja, um dieses Kind, um seinen Frieden geht es an Weihnachten – und das seit über 2000 Jahren. Die äußeren, widrigen Umstände in Bethlehem hindern Gott auch nicht, durch seine Boten die Menschen von dem wunderbaren Geschehen zu unterrichten, an denen normalerweise alles vorbeiläuft: die Hirten. Ihnen verkünden die Engel die entscheidende Botschaft: Gott die Ehre, der Erde Frieden, den Menschen Gerechtigkeit.

Mit dieser Botschaft wird eine neue Geschichte eröffnet – mit dem roten Faden der Hoffnung. Mit der Geburt Jesu wird diese zu einer dauernden, unser Leben erneuernden Wirklichkeit. Da geraten all diejenigen in den Blick, die im Dunkeln wohnen, die von der großen Politik gar nicht mehr wahrgenommen werden: die Hirten. Und all das, was durch uns Menschen immer wieder beschädigt wird, wird neu ins Recht gesetzt: die Barmherzigkeit, die Gewaltlosigkeit, die Ehrfurcht vor dem Leben.

Es sind genau diese Aspekte, die sich uns in diesem besonderen Jahr von neuem erschließen möchten. Es ist das eine, was aufgrund von staatlichen Verordnungen in Zeiten der Pandemie alles zu beachten ist, worauf wir Rücksicht zu nehmen haben. Etliches davon überzeugt uns, manches ärgert uns, anderes erregt Widerspruch. Doch entscheidend ist das, was wir heute feiern: die Geburt Jesu in Krippe und Stall abseits aller Bestimmungen und Verordnungen, Riten und Normen. Da spielen Augustus und Quirinius keine Rolle mehr. Sie haben nichts mehr zu sagen, obwohl sich Maria und Joseph auf ihren Befehl hin nach Bethlehem aufgemacht haben.

Ist diese neue Sicht nicht ein wunderbares Geschenk in einer Zeit, in der mancher denkt, er würde durch staatliche Eingriffe seiner Freiheit beraubt? Er würde um Weihnachten betrogen? Doch unser Glaube macht uns nicht zu Sklaven von äußeren Bedingungen. Unser Glaube lässt uns unabhängig davon neue Entdeckungen machen. Vor allem die: Es kommt auf dich selbst an, denn Gott sucht dich in deiner Verlorenheit auf. Auch wenn Du jetzt alleine bist, die Kinder und Enkel vermisst – Weihnachten, die Geburt Jesu, kannst Du dennoch feiern. Das ist nicht abhängig von geöffneten Geschäften, sondern von offenen Herzen; es ist nicht abhängig von Familienzusammenkünften, sondern von dem Glanz, der von dem einen Kind in der Krippe ausgeht. Dieser Glanz strahlt auch in Einsamkeit und Alleinsein, er erstrahlt auch in den Trümmern unseres Lebens.

Albrecht Dürer (1471-1528), Anbetung der Könige

Denken wir einen Augenblick an die Darstellung der Weihnachtgeschichte auf den Bildern alter Meister. Da sehen wir im Vordergrund die Krippe, Maria und Joseph, Ochs und Esel, die Hirten und die Könige, versammelt in einer verfallenen Vorhalle einer zerstörten Kirche – und im Hintergrund eine aufgewühlte Welt, Menschen, die übereinander herfallen, sich nicht das Schwarze unter den Fingernägeln gönnen, also die Augustus-Welt. Aber eben auch eine Kirche, die vor dem Zerfall steht.

Sollten wir nicht spätestens hier anfangen

Hugo van der Goes (1440-1482), Mittelteil des Portinari Triptychon (ca. 1477/78), Uffizien Florence
Foto: Christian Wolff

zu überlegen: Was will Gott uns an Weihnachten 2020 mit der Coronakrise sagen? Auch damit, dass wir in diesem Jahr das Fest der Geburt Jesu so ganz anders begehen (müssen) – ohne Weihnachtsmarkt, Glühwein, Familientreffen, Gottesdienstbesuch, Musik? Könnte es sein, dass spätestens jetzt die alten prophetischen Mahnungen von Neuem bedacht werden müssen:

Ich hasse und verachte eure Feste und mag eure Versammlungen nicht riechen – es sei denn, ihr bringt mir rechte Brandopfer dar –, und an euren Speisopfern habe ich kein Gefallen, und euer fettes Schlachtopfer sehe ich nicht an. Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören! Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach. (Die Bibel: Amos 5)

Was für eine Provokation! Aber müssten wir nicht spätestens jetzt alles auf den Prüfstand stellen? Ja, wir müssen es nicht nur, wir können es! Denn Gott droht uns nicht die Vernichtung an, sondern macht uns mit der Geburt Jesu ein großartiges Angebot, in welcher Weise wir „Brandopfer“ bringen können und wie Recht und Gerechtigkeit aufgerichtet werden können: trotz allem den Menschen mit Gnade und Barmherzigkeit, mit achtsamer Liebe begegnen – genau das, was Gott uns mit der Geburt Jesu und durch sein Wirken zukommen lässt. Daraus kann das erwachsen, was wir so nötig haben: Vertrauen, neues Gottvertrauen in einer aus den Fugen geratenen Welt. Vielleicht ist es gut, dass wir in diesem Jahr auf alle prächtigen Töne des Weihnachtsoratoriums und auf das gemeinsame Singen der so schönen Choräle verzichten müssen. Vielleicht entdecken in diesen Tagen so viel mehr Menschen, als wir vermuten, das Elementare: das Kind in der Krippe. Der Mensch in seiner Gebrechlichkeit und Verletzbarkeit, gleichzeitig die Verheißung des Friedens, die Gnade Gottes und sein Weckruf: Fürchtet euch nicht! Mit diesem können wir uns wie die Hirten auf den Weg durch die neue Geschichte machen.

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8 Antworten

  1. Herzlichen Dank für diese schöne Botschaft, lieber Herr Wolff. Aber wir wollen doch korrekt bleiben: „Augustus und seine Lakai*Innen“ muß es wohl heißen.
    Ein frohes Weihnachtsfest,
    Andreas Schwerdtfeger

    1. Lieber Herr Schwerdtfeger,

      wie nennt man eigentlich Menschen, die immer etwas zu meckern haben?
      Sind es möglicherweise Korinthenkacker, Querulanten oder Querdenker?

      Vielleicht mögen Sie sich einer der Gruppen zugehörig fühlen. Aus Ihrer Feder tropft jedenfalls stets ein Gift, das einen vernünftigen Diskurs fast unmöglich macht. Und man merkt beim Lesen Ihrer Einlassungen, daß Sie wahrscheinlich in der Vergangenheit traumatisiert worden sind.

      Trotzdem wünsche ich auch Ihnen ein besinnliches Weihnachtsfest.

      1. Lieber Herr Rupprecht,
        auch ich wünsche Ihnen ein frohes Weihnachtsfest und vor allem ein gesundes und glückliches Neues Jahr.
        Andreas Schwerdtfeger

      2. Das Jesus-Kind war ein sanfter Rebell und ganz bestimmt kein deutscher Kleinbürger!

        Davon können wir bis heute lernen. Möge der Untertanengeist dem Bürgersinn weichen.

        Leider haben wir das selber Denken, Fragen stellen und Kritik äußern fast schon verlernt unter dem Mehltau der Alternativlos-Politik von Frau Angela M. aus der früheren DDR …

        1. Also: Zumindest ich nehme für mich in Anspruch, das selbstständige Denken und kritische Hinterfragen nicht verlernt zu haben. Also eignet sich für mich auch nicht das Feindbild „Merkel“, obwohl ich sie nie gewählt habe. Jeder ist zunächst einmal selbst für das verantwortlich, was er tut und lässt. Also möchte ich Sie, lieber Herr Bunse, bitten mit dem „Wir“ vorsichtig umzugehen – vor allem, wenn Sie sich billigster Klischees bedienen.

  2. Lieber Christian Wolff, in den letzten Wochen konnte ich durch einen Hinweis meines Schwagers schon einige Artikel von Ihnen lesen – und ich danke Ihnen von Herzen dafür!
    Klar, deutlich, prägnant, profiliert und ohne falsche Scheu benennen Sie, was es (zumindest auch aus meiner Sicht…) zu benennen gibt und gilt!
    Erst seit knapp 7 Monaten lebe ich (wieder) in Leipzig – nach 35-jähriger Abwesenheit in einem anderen Land – und ich bin dankbar und froh für Ihre Worte!
    Diese sind etwas vom Besten und Wertvollsten, was ich bisher hier gehört, erfahren und gelesen habe – ich freue mich, wenn ich nun weitere – auch ältere Beiträge – lesen werde/will in Ihrem Blog. Sie ermutigen mich, meine gerade begonnene Pensionszeit in Leipzig fortzuführen…

    Herzlich, Bettina Stephan

  3. Lieber Christian Wolff,
    Obwohl ich die Weihnachtsbotschaft schon 73 Mal gehört habe, habe ich bisher kaum so eindringlich und berührend begreifen können, was nun schon übrr 2000 Jahre verhandelt wird : in jedem geborenen , so verwundbaren und abhängigen Kind kommt Gott zur Welt. … und es wird und wurde auch von mir lange übersehen, das Ungeheuerliche begreifen zu können. Diese Unempfindlichkeit werfe ich mir nicht vor, hab sogar Verständnis, das so lange zwar gefeiert zu haben , aber nicht wirklich begreifen und anerkennen zu können. Ein Geistlicher , der das auch vom erhöhten , unerreichbaren Altar mir zehnjährigem naiven Kind verkündet hat, oft gehört von ihm mit einer gewissen andächtigen unspezifischen Anrührung, die seine Worte der frohen Botschaft in mir ausgelöst haben , hat mich als 10-13 jährige Kind im erzbischöflichen Konvikt ungehemmt sexuell missbraucht. Er hatte wohl auch das wunderbare Kind in sich selbst nicht begreifen können, ist in der Bewusstseins-Spaltung stecken geblieben.. und ich?:
    Als Arzt stand ich auch ganz schön auf dem öffentlichen Podest und da sprechen sich manche Hoffnung spendenden Worte leichter. Habe ich mich auch dahinter versteckt? Sicher eine ganze Zeit! Ein Kind hat mir geholfen, das Podest zu verlassen, eines unserer Kinder, die , ausgestattet mit vielen guten Geben durch die Folgen eines schweren , lebensbedrohlichen Unfalls in eine ganz schwere Lebenskrise geriet und die dann alles in mir prüfte, auch, ob hinter meinen Worten Rückhalt , Zuversicht , Liebe , Geduld , Frustrationstoleranz zu spüren sein könnte. Statt Belehrung : begreifbare und belastbare Erreichbarkeit und das Ehrliche , schmerzliche und beschämende Zumuten meiner sehr begrenzten Möglichkeiten und meiner Grenzen, meiner Ungeduld, Verstrickung. Das mir Zuversicht fehlte ehrlich zu bekennen vor ihr , damit begann das Wunder zwischen uns: meine bei bedrohlich empfundener Belastung einsetzende Ungehaltenheit, Besserwisserei und Einseitigkeit, sie verzieh mir , ich begann das Kind allmählich besser zu spüren, ihres und das verleugnete beschädigte Kind in mir auch mit Verständnis und Herzlichkeit . Ja, das Wunder begann,,als ich versuchte meine Scham zu überwinden , und mich in meiner Niedrigkeit , Zerrisenheit und mein Minderwertigkeitsgefühl begreifbar machte , mich nicht zu entschuldigen, sondern mich zu stellen in meiner beschädigten Wesentlichkeit. Marie ließ mich spüren, dass sie nicht meine erlernte , aufgesetzte Kompetenz brauchte, sondern mir nah, offen und herzlich verbunden sein konnte, in dem, was ich habe und was mir fehlt oder nicht innerlich mit mir wesentlich verbunden ist, wenn ich nur begreifbar bin und mich begreifbar mache in allem, was mich ausmacht.
    Lieber Christian Wollf,
    Bei Ihnen kann ich auch so etwas spüren. Sie haben sich „entrüstet‘ vonnihrer Rolle und damit begreif- und angreifbar gemacht und dafür danke ich Ihnen. Da beginnt für mich die Wirkung des Wunders , wenn Gott ganz unschuldig , ungeschützt und bedürftig zur Welt kommt.
    So kann ich es heute wenigstens manchmal ahnen und mich zugewandter , neugierig staunend öffnen. So bin ich besser begreifbar, das wirkt, für alle offenherzig Beteiligten.
    Ihr
    Berthold Viertmann

  4. Dietrich Bonhoeffer:
    „Wer von uns wird Weihnachten recht feiern ? Wer alle Gewalt, alle Ehre, alles Ansehen, alle Eitelkeit, allen Hochmut, alle Eigenwilligkeit endlich niederlegt, an der Krippe, wer sich hält zu den Niedrigen und Gott allein hoch sein lässt.“
    Uns allen Schreibenden in diesem wichtigen und wie nachzulesen sehr stark frequentierten Blog von Chr. Wolff vor allem in dieser unserer ziemlich problematischen Zeit wünsche ich, diese starke Empfehlung von Bonhoeffer zu verinnerlichen.
    Vor allem aber wünsche ich mir (und offensichtlich nicht nur ich) für 2021 Respekt vor dem Andersdenkenden, Vermeidung von Angriffen und Persönlichkeits-Verletzungen im geschriebenen Wort und inneren und äußeren FRIEDEN.
    Und besonders Dir, lieber Christian, gerade in diesem auch für Dich persönlich schweren Jahr, eine gesegnete und hoffnungsstarke Weihnacht mit DANK für alles, was Du bewegst und mitträgst und tust.
    Bleibe Du wie andere ebenso hellwach und streitbar; klare nachdenkenswerte Haltungen sind in dieser zunehmend von Allgemeinplätzen, Vielrederei und Verachtung dominierten Zeit von Bedeutung!
    Herzlichst Adieu –der Jo.Flade

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