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Beten auf Augenhöhe

Am Montag, 18. Oktober 2021, treffen sich viele Menschen um 17.00 Uhr zum Friedensgebet in der Nikolaikirche – wie jede Woche. Thema ist die aktuelle Auseinandersetzung zwischen Nikolai- und Thomaskirche auf der einen und dem sächsischen Landeskirchenamt (LKA) auf der anderen Seite. Bekanntlich sollen nach dem Willen des LKA die Kirchgemeinden St. Thomas und St. Nikolai quasi fusionieren (siehe auch www.wolff-christian.de/blog). Dagegen regt sich nicht nur in Leipzig Widerstand. Das bezieht sich sowohl auf die Sache als solche wie auf das Verfahren. Die vom LKA als Druckmittel verfügte Gehaltskürzung für Pfarrer Bernhard Stief und Pfarrerin Britta Taddiken wird genauso als unanständige Schikane angesehen wie die Verordnung der Fusion mitten in der Ferienzeit.

Nun wird ein Friedensgebet nicht das ersetzen können, woran es in diesem Konflikt mangelt: Gespräche zwischen den Betroffenen vor Ort und der Leitungsebene der Landeskirche. Auch wird man sich hüten müssen, einer in der Kirche nicht unüblichen Versuchung zu erliegen: statt einen Konflikt zu lösen, ihn unter den Teppich zu beten. Ein Friedensgebet kann dazu dienen, dass eine streitige Auseinandersetzung in Frieden, d.h. auf Augenhöhe ausgetragen wird. Wer betet, befindet sich mit dem, für oder gegen den er Gott anruft, auf gleicher Ebene – ein erster befreiender Schritt vom Sockel der Macht und aus der Ohnmacht. Beten kennt keine Hierarchie. Da geht es nicht um Gesichtswahrung. Vor Gott kann all das schonungslos offen- und dargelegt werden, was die Gemüter so erhitzt. Möge sich in diesem Sinn die Tageslosung erfüllen: „Gott spricht: Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, und du sollst mich preisen.“ (Psalm 50,15)

Niemand weiß, welche Signale vom heutigen Friedensgebet ausgehen. Aber es wäre zu wünschen, wenn der Landesbischof (er hält die Ansprache) die Anliegen, die in den Zeugnissen der Betroffenheit ausgesprochen werden, mit nach Dresden nimmt. Es wäre wünschenswert, wenn durch das Friedensgebet eine Grundlage für Verständigung geschaffen wird, damit die beiden Innenstadtgemeinden auch in Zukunft ihre wichtige Arbeit in größtmöglicher Eigenständigkeit tun können. Vor allem aber ist zu hoffen, dass durch das Friedensgebet Machtstrukturen und Ohnmachtsgefühle aufgebrochen werden. Schließlich müssen Lösungen gefunden werden, durch die das geschieht, was Aufgabe von Kirche ist: Gott die Ehre geben und den Menschen dienen.

  • Friedensgebet in der Nikolaikirche Leipzig
  • Montag, 18. Oktober 2021, 17.00 Uhr
  • mit Landesbischof Tobias Bilz, Pfarrer Bernhard Stief, Pfarrerin Britta Taddiken u.a.

4 Antworten

  1. Zum gestrigen Friedensgebet las ich eben 2 Beiträge bei evangelisch.de
    https://www.evangelisch.de/inhalte/191881/19-10-2021/hoffnung-auf-gemeindefrieden-leipzig und https://www.evangelisch.de/inhalte/191877/19-10-2021/bischof-schaltet-sich-streit-um-leipziger-innenstadtgemeinden-ein

    Nun läse ich gerne – als EKiR’ler aus der Ferne – mal die Eindrücke derer, die betroffen und beim Friedensgebet dabei gewesen sind.
    Wenn ich aus der Entfernung und ohne letztlich die Gemeinden zu kennen drauf schaue, dann melden sich in mir durchaus unterschiedliche Stimmen. Pointiert meint eine: da streiten 2 selbstverliebt profilierte Gemeinden für ihr Profil. Sollten sie nicht um die – pathetisch gesagt – lebensnahe und weltliche Zukunft des Evangeliums ringen? Und doch sind mir beide Profile wichtig: Das der politischen Gemeinde mit auch „sozialen Randgebieten“, aber auch als Liebhaber von Johann Sebastian Bach das auf den ersten Blick sehr bildungsbürgerlich-elitäre Profil der anderen. Wo bei ich den Verfasser dieses Blogs als ehemaligen Thomas-Pfarrer sehr politisch erlebe. Wie gesagt, das ist mein Blick von aussen, ohne z. B. die soziologische Zusammensetzung z. B. der von mir als bildungsbürgerlich-elitär wirkenden Gemeinde zu kennen. Mein Kopf ist momentan bei Nikolai, mein Bauch bei Thomas (wie gesagt, aus der Fernsicht)! Mich würden eigentlich mal Positionen engagierter Gemeindeglieder beider Gemeinden interessieren. Und die Argumente gegen das LKA kann ich nachvollziehen: profilargumentativ als auch das gelesene Argument, wirtschaftlich könnten beide Gemeinden leben. Letzteres klingt mir ein wenig wirtschaftsliberal. Was ist, wenn das wirtschaftlich nicht mehr so gut läuft. Mir fehlt insgesamt noch die Reflektion unter der Fragestellung „Ein Leib, viele Glieder“ und „Einer trage des anderen Last!“. Ich verfolge das jedenfalls sehr interessiert, da wir im Rheinland ja auch fast nur noch Fusionen und Strukturveränderungen diskutieren. Da gehts aber meistens nicht um Profile, da geht’s zu oft um Kirchturmsdenken. Obwohl, diese traditionsreichen Profile in Leipzig sollten aufpassen, dass man ihnen das nicht auch unterstellt! – Unausgesprochen geht es ja bei all diesen „Reformen“ um personelles Abspecken. Wie sieht es eigentlich damit konkret im zuständigen Landeskirchenamt aus? So als Vorbild! Ein Niederrheiner freut sich auf Rückmeldungen zu seinen Gedanken.

    1. Hier zur weiteren Meinungsbildung zwei Links:
      1. Die Fakten, die Pfarrerin Britta Taddiken und Pfarrer Bernhard Stief zusammengestellt und im Friedensgebet vorgestellt haben: https://wolff-christian.de/wp-content/uploads/2021/10/Fakten-Friedensgebet-18.-Oktober-2021.docx
      2. Die Predigt von Landesbischof Tobias Bilz: https://wolff-christian.de/wp-content/uploads/2021/10/LB_Text_Leipzig_18_10_21_final.pdf
      Das Problem bei der Predigt ist: Nirgendwo lässt der Landesbischof erkennen, welche Rolle er eigentlich in dem Konflikt einnimmt bzw. übernehmen will.

  2. Die gestrige Predigt von Landesbischof Bilz beim Friedensgebet hat mich sehr angesprochen. Ich hoffe, daß etwas in dieser verhärteten Situation in Bewegung kommt und neue Perspektiven entstehen, außerdem Versöhnung und neues Vertrauen wachsen kann.

  3. Lieber Herr Wolff,
    ich verbinde ähnliche Hoffnungen mit der Veranstaltung in St. Nicolai heute. Mir gefällt v.a. ihre Definition von ‚Kirche‘, würde sie aber auf das Gebet erweitern: GOTT die Ehre geben und den Menschen dienen. Ich hege allerdings auch die Hoffnung, dass dies auch mit zwei fussionierten Innenstadtgemeinden möglich sein wird, da ‚Kirche‘ und ‚Gebet‘ immer auch eine dialogische Struktur haben (Verhältnis GOTT/Mensch).

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