Liebe Freundinnen und Freunde der SPD, liebe Bürgerinnen und Bürger, die sich von der SPD noch viel erhoffen, liebe Genossinnen und Genossen,
seit Januar 1970 gehöre ich der SPD an. Aber noch nie habe ich mich so veräppelt gefühlt wie am heutigen Tage. Nicht, weil ich mich über eine politisch falsche Weichenstellung ärgere. Nein, weil ich mich hinters Licht geführt vorkomme. Offensichtlich sollen die Parteimitglieder wie dumme Jungen und Mädchen behandelt werden. Da erklärt heute die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen und stellvertretende SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft: „Ich weiß, wer es wird, aber ich sage es Ihnen nicht.“ Selten habe ich eine so arrogante, gouvernantenhafte Äußerung gehört, die gleichzeitig alle SPD-Mitglieder beleidigt. Offensichtlich ist also eine Entscheidung gefallen, wer Kanzlerkandidat der SPD wird. Diese soll aber noch acht Wochen geheim gehalten werden. Was hat das mit innerparteilicher Demokratie zu tun? Nichts. Die SPD-Spitze erweist so der Demokratie einen Bärendienst und beschädigt jetzt schon denjenigen, der Kanzlerkandidat wird. Schlimmer noch: Die Partei-Spitze liefert selbst den Beweis, wie falsch ihre derzeitige Strategie ist. Denn die SPD hat nur eine Chance: Martin Schulz als Kanzlerkandidaten zu nominieren und mit diesem frischen Wind ins neue Jahr zu starten (wobei ohne Not schon viel Schwung verloren gegangen ist).
Darum kann es nur eine Forderung geben: Schluss mit der Hängepartie! Macht bitte alle Druck auf den Parteivorstand, in den nächsten Tagen den Kanzlerkandidaten zu benennen: Martin Schulz. Die SPD ist eine urdemokratische Partei und nicht ein Verein, der andächtig auf eine präsidial-autoritär-einsame Erklärung eines Vorsitzenden wartet, wen er nun als Kanzlerkandidaten nominiert: sich selbst oder einen anderen. Die Zeit für taktische Spielchen und peinliche Hinhalte-Erklärungen a la Kraft ist längst vorbei (wobei einzuräumen ist: sie hat es gar nicht gegeben!). Es darf nicht sein, dass ein paar sich selbst abschottender Parteigranden meinen, weiser zu sein, als die vielen Parteimitglieder, die schon längst eine Entscheidung getroffen haben: nur mit Martin Schulz hat die SPD eine reale Chance, bei den Bundestagswahlen ein Ergebnis 20 Prozent plus zu erreichen, Angela Merkel auf Augenhöhe zu begegnen und ihr die Kanzlerschaft streitig zu machen. Und warum? Martin Schulz vertritt glaubwürdig die Grundwerte der Sozialdemokratie, das Friedensprojekt Europa, soziale Gerechtigkeit und die freiheitliche Demokratie und kann die Menschen erreichen. Er ist derjenige, der jeder nationalen Abschottung entgegentritt, die europäische Idee mit Leben erfüllt und an keiner Stelle den Rechtspopulisten nachgibt.
Nachtrag: Es sollte die SPD alarmieren, wie relativ verhalten die Reaktionen in den Medien auf die Äußerung von Hannelore Kraft sind. So groß ist der Bedeutungsverlust der SPD inzwischen geworden. Unter „normalen“ Umständen wäre das Kraft-Zitat die Top-Meldung gewesen, und der Druck auf die SPD, den Kanzlerkandidaten zu benennen, würde täglich wachsen.
6 Antworten
„Andock-Versuche“ – lieber Herr Wolff – hat was mit dem Dock, aber wenig mit Hunden zu tun!
Welch‘ eine Phantomdiskussion wird hier geführt. Und wie kommen wieder die Gutmenschen zu Wort – Leute die mit dem Kopf fühlen und mit dem Herzen denken (wie ich neulich mal gelesen habe), also ehrenwert aber nicht zielführend (ist das besser, lieber Herr Wolff?).
1. Martin Schulz als Kanzlerkandidat. Er hat bessere Werte als Gabriel und es wäre also logisch für die SPD, ihn zu nominieren. Aber der Herrgott möge uns bewahren vor so einem kleinkarierten Oberlehrer wie ihm. Schulz verbindet enorme fleissige Erfahrung mit durchschnittlicher Intelligenz (eine eher unsympathische Kombination), phänomenale Besserwisserei, undiplomatische Sprache und einen entsetzlichen Mangel an Zurückhaltung zu einem Konglomerat, das Deutschland in der europäischen und Weltbühne noch unangenehmer auffallen liesse. Es reicht zum Kanzler nicht, wenn man immer schon vor dem Nachdenken öffentlich spricht. Er sollte, bitteschön, nicht Kanzler werden, zumal er es nur in einer rot-grün-roten Koalition schaffen könnte – und die wäre fatal für unser Land.
2. Wagenknecht und die “Linke“ sind das linkspopulistische Pendant zur AfD – deshalb verstehen beide sich auch so gut in der Ablehnung unseres Staates. Über die AfD braucht nichts gesagt zu werden. Die „Linke“ hat im Grunde nur je EINE Lösung für alle vermeintlich erkannten innen- und außenpolitischen Probleme: die Reichen zu besteuern und die Sicherheitskräfte aller Art zu beschneiden – Populismus pur, denn jeder, der rechnen kann, weiß, daß „Reichenbesteuerung“ die Lage nur marginal beeinflussen würde (den außenpolitischen Unsinn der „Linken“ kommentiert man besser gar nicht), eine Lage im übrigen, die ja glänzend ist, denn
3. Soziale Gerechtigkeit: alle reden vom Überfluß der Steuern zur Zeit, warum also sollte man an Steuern was nach oben ändern? Der schwammige Begriff der „sozialen Gerechtigkeit“, die angeblich hergestellt werden müsse, ist ein Totschlag- aber kein politisches Argument. Ein Staat wie der unsere, der über verschiedene Töpfe fast 50% des Gesamtbudgets eines Jahres in Unterstützung von „Ärmeren“ ausschüttet (Arbeitslosen-, Renten- und Krankenversicherungszuschüsse, Hartz IV, Aufstocker, berufliche Fördermaßnahmen, ein ganzer Strauß von Kinder- und Familienförderung, etc) tut mehr für „soziale Gerechtigkeit“, als daß er dieses ewige Geschrei unentwegt hören sollte.
4. Und warum können wir uns das leisten? Weil Kanzler Schröder und sein Minister Steinmeier vor gut 10 Jahren die Notbremse gezogen und die modernste Staatsreform in Europa, vielleicht in der Welt, bewältigt haben. Unsere heutige wirtschaftliche Kraft ist ebenso direkte Folge der Agenda 2010 wie die „Wende“ Folge der Kohl’schen Nachrüstung war. Wir sollten dem damaligen Kanzler dankbar sein, denn nur seine große Leistung ermöglicht den ewigen Kritikern heute, über vermeintlich sprudelndes Steuergeld unsinnige Verteilungsvorschläge zu machen.
5. Schwarze Null: Jeder mit einigermaßen Verstand erkennt, daß Staatsschulden unsere Kinder und Enkel belasten, deren Lebensumstände, Handlungsspielräume und konkrete Gestaltungsmöglichkeiten sie einschränken. Jeder, der höhere Staatsausgaben fordert, will sich also zu Lasten der nächsten Generationen unredlich bereichern. Die Schwarze Null ist zwingend, gerade jetzt, und wir sollten dankbar sein, daß die derzeitge Regierung diesem Ziel verpflichtet bleibt, obwohl sie von Opportunisten und Populisten von rechts wie vor allem links belagert wird. Wer alle möglichen Bereiche aufzählt, in denen er Mängel erkennt (Infrastruktur, Krankenhäuser, Sozialausgaben, etc), der soll nicht die schwarze Null angreifen, sondern Einsparungen an anderer Stelle vorschlagen – denn, siehe oben, das populistische Konzept der „Reichenbesteuerung“ ist Unsinn bezogen auf das Ziel. Daß man damit ein paar Euro reinholen kann, sei unbestritten.
6. Die SPD war bisher in der Parteienlandschaft Deutschlands unverzichtbar. Sie hat sich selbst zu einer Splitterpartei abgewirtschaftet, ist aber teilweise auch an ihrem Mut zu notwendigen Reformen gescheitert. Sie sollte ihre Erfolgsbilanz, da wo Erfolge waren, nicht aufs Spiel setzen, indem sie sich zum Machtgewinn mit gefährlichen Linkspopulisten wie der „Linken“ verbündet, denn dies würde sie ins Abseits führen. Und sie sollte dem Wähler VOR der Wahl klar sagen, wie und mit wem sie sich das Regieren vorstellt – und nicht wie vor der thüringischen Landtagswahl den Wähler durch „offenhalten“ täuschen. Daß sie ihren Kanzlerkandidaten erst im Januar benennen will, ist dabei völlig zweitrangig, denn Schulz, Scholz oder Gabriel haben doch eines gemeinsam: sie müßten es alleine mit den Grünen zusammen schaffen, da alle drei wohl ihre Überzeugung vergewaltigen müßten um mit den „Linken“ zusammenzugehen.
Mit Gruß,
Andreas Schwerdtfeger
Ich glaube, was das Ziel einer Politik sein sollte, da sind wir uns ganz einig. Soziale Gerechtigkeit und Frieden. Und sicher wird Wagenknecht Ihre Vorstellungen (leider) nicht 1:1 umsetzen können. Nur, mit dem vorhandenen SPD Personal wird sich davon nichts – aber auch gar nichts umsetzen lassen.
Zum „Lob“ für Trumps Wirtschaftspolitik: Was ist bitte falsch daran, wenn Wagenknecht sagt, dass „sogar Trump offenbar mehr von Wirtschaftspolitik [begriffen hat] als sie“ ?
Warum soll es „daneben“ sein, so etwas zu benennen? Das verstehe ich nicht. Trump sagt, er will investieren – in die eigene Infrastruktur.
Bei uns wird dem Mantra der schwarzen Null gehuldigt, bei historisch niedrigem Zins und Steuerüberschüssen. Wahrenddessen die Infrastruktur verlottert. Und das soll Sinn ergeben? Unsere Wirtschaftspolitik ist derart vom neoliberalen Dogma geprägt, dass es keinen Trump braucht, um zu erkennen wie schädlich dies für die Mehrheit der Bevölkerung – und natürlich auch für so viele andere Länder ist. Mit unserer Wirtschaftspolitik wird nicht nur die Spaltung in unserer Gesellschaft, sondern auch die Spaltung Europas zutiefst befördert.
Nicht genug. Die SPD ist drauf und dran den Versicherungskonzernen mit dem Autobahnen-Deal ihre Profite zu sichern.
Und dass jetzt sogar Sie – als aufgeklärter wacher Geist – tatsächlich glauben, dass Wagenknecht „ständig“ an rechte Positionen andockt, macht mich einigermaßen sprachlos. da scheinen die Medienkampagnen ihre Arbeit gemacht zu haben.
Ich bitte Sie inständig sich bspw. selbst die Reden von Wagenknecht anzuhören, die Interviews zu lesen und sich dann ein Bild zu machen und den Tenor, der nach dem Medienfilter übrigbleibt, kritisch zu hinterfragen.
Sie wissen, wie sehr ich rechtes Gedankengut verabscheue. Ich bin hier selbst sehr sensibel dazu und behaupte diesbezügl. feine Antennen zu haben. Warum man Wagenknecht – und stets auch die Linke – in die Schmuddelecke stellt, hat sicher andere Gründe, als die behaupteten „Andockversuche“ an Rechts.
Und natürlich haben sie recht, es müsste ein SPD Kanzler sein. Nur, die SPD scheint einen Politikwechsel nicht zu wollen. Ich hoffe nur, dass die Linke sich treu bleibt und sich nicht für die immergleiche Politik in anderem Farbgewand hergibt.
Herzliche Grüße Ihnen.
Liebe Jona Gold, vielen Dank für die Replik. Was Trump angeht, so glaube ich ihm kein Wort, aber auch nicht eines. „Infrastruktur“ – er wird vor allem in die Rüstungsindustrie investieren. Darum sind diese Aktien auch enorm gestiegen. In Sachen „Schwarze Null“ und Privatisierung der Autobahnen sehe ich die SPD nicht im Lager derer, die das befürworten.
Was Wagenknecht und die Linke angeht, so ist auffällig aber nicht verwunderlich, dass die Linke am meisten unter der AfD zu leiden hat. Also bedient Wagenknecht mir entsprechenden Äußerungen diese Klientel. Das halte ich für fatal (übrigens komme ich zu diesem Urteil, ohne die mediale Bearbeitung der Wagenknecht-Reden). Für mich ist nach wie vor ein großes Problem, dass das Eintreten für soziale Gerechtigkeit, für eine ökologische Politik kompatibel ist mit rechtsradikalen Ansichten (das war schon in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts so). Darum reagiere ich hier besonders sensibel – und da sollte die Linke auch besonders vorsichtig sein.
So weit – alles Gute Christian Wolff
Oh ja – Wolff hat den Finger wieder einmal und diesmal in der Parteiwunde; es ist nach Jahrzehnten der offensichtlich gewachsenen Parteiensaturiertheit eine Realitätsferne und Unempfindlichkeit gegenüber deutlich vernehmbarer Aufschreie der Basis zu konstatieren, was vor allem der AfD und anderen Unmöglichkeiten die Themen geradezu wohlfeil serviert.
Es ist erschreckend, wie weit entfernt die sogenannten Volksparteien von den tatsächlichen Alltagsproblemen herumagieren und schon gar nicht mehr registrieren, welch enormer Schaden dadurch der ohnehin wankenden Demokratie bewusst und unbewusst zugefügt wird. Der Eiertanz (vor allem seitens der CDU) um den Bundespräsidenten war schon eine Schmach; was jetzt mit der Kanzlerkandidatur dem Volk zugemutet wird, ist an Lächerlichkeit und Parteienarroganz nicht mehr zu überbieten. Und alle sehen ohne Murren zu (außer solchen wie Wolff); das macht mir einige Sorgen – und nicht nur mir! Jo.Flade
Lieber Herr Wolff,
woher nehmen Sie nur den Glauben an eine erneuernde Kraft einer SPD?
Ganz ehrlich: Aus meiner Sicht ist bei der SPD Hopfen und Malz verloren.
Spätestens mit Schröder hat die SPD die Seiten gewechselt und sie macht keine Anstalten den Kurs auch nur ansatzweise zu korrigieren.
Ein Jammer.
Steinmeier als Bundespräsident. Der Mann ist mit der Agenda 2010 verknüpft und somit mit der Grundsteinlegung der sozialen Spaltung in der Gesellschaft.
Dann ist er noch als Kanzleramtsminister unter Schröder für die Geheimdienste zuständig gewesen und hat diese unfassbaren Praktiken der Massenüberwachung zumindest mit befördert.
Das Gefasel von Verantwortung für die Welt…,das nur neue Kriegseinsatz meint….und und und.
Mir fällt eigentlich nichts ein, was die SPD in den letzten 15 Jahren Gutes geleistet hat.
Wäre ich ihre Generation, wäre ich sicher auch in die SPD eingetreten unter einem Brandt. Nur, der rotiert vermutlich wie ein Propeller in seinem Grab.
Es ist nur ein Jammer, dass man die SPD für einen Politikwechsel eigentlich braucht.
Nur, die will das gar nicht. Sonst hätte sie gemeinsam mit den Linken nach bspw. einem Kandidaten für das Bundespräsidenten-Amt gesucht.
Die Linken haben den renommierten Armuts- und Rechtsextremismusforscher Butterwegge nominiert. Dieser ist konsequenterweise aus der SPD ausgetreten und sagt, dass nicht er sich von der SPD abgewandt hat, sondern die SPD sich von ihren Grundwerten und von sozialer Gerechtigkeit. Hier, bei der Vorstellung ab ca. Min 14:
https://youtu.be/-_kqSyLzbIY
Nein, die SPD will offensichtlich ein weiter so, so wie Sahra Wagenknecht es in der absolut sehenswerten Haushalsrede klar benennt.
https://youtu.be/j9d4xOKfgME
Aber statt die Linke hier ernst zu nehmen, vertritt sie doch eigentlich nur ursozialdemokratische Positionen, diffamiert man sie und versucht sie in die Nähe der AFD zu rücken. Durchschaubar und billig. Nur, die Leute glauben es womöglich. Schauen Sie sich die Rede an und vergleiche dann das mit dem Presseecho.
Und Schulz?
Der Schulz, der die Griechen in herablassender Überheblichkeit abgewatscht hat. Unsäglich, der Mann.
Und jünger noch das:
http://www.kontext-tv.de/de/blog/nichts-gelernt-wie-christ-und-sozialdemokraten-die-europaeische-demokratie-untergraben
Nein, die SPD trägt seit vielen vielen Jahren die Politik, die eine AFD erst ermöglicht.
Ein radikaler Kursschwenk wäre nötig…..
Sorry für meine deutlichen Worte.
Ihneny Herr Wolff, wünsche ich dennoch das Beste und danke für Ihre Arbeit!
Herzliche Grüße!
Jona Gold
Da haben wir einen erheblichen Dissens. Keinen Augenblick bestreite ich die aufgezeigten Widersprüche. Nur habe ich nicht die Illusion, als könne z.B. Sarah Wagenknecht ihre politischen Vorstellungen 1:1 umsetzen – einmal ganz abgesehen davon, dass ich ihr Lob für Trump’s Wirtschaftspolitik in der besagten Rede wie ihre ständigen Andockversuche an die Rechtspopulisten ziemlich daneben finde. In Abwägung aller Gesichtspunkte halte ich es für günstig, wenn die nächste Bundesregierung von einem SPD-Kanzler geführt wird. Ich stimme Ihnen zu, dass dafür ein klares sozialpolitisches und friedenspolitisches Profil der SPD erforderlich ist. Dafür setze ich mich mit meinen Möglichkeiten ein. Christian Wolff