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80 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki: Ein Nein ohne jedes Ja

In den Erinnerungen meines Vaters Kurt Wolff (1916-2003) hat er festgehalten, wie er nach dem Ende des 2. Weltkriegs am 8. Mai 1945 in einem britischen Gefangenenlager irgendwo in Schleswig-Holstein am 6. August 1945 um 12.00 Uhr mittags über den Lagerlautsprecher hörte, „dass über der japanischen Stadt Hiroshima die erste Atombombe gezündet wurde. Die Stadt sei nach vorläufigen Beobachtungen der beiden Begleitflugzeuge vollständig zerstört worden.“ Weiter notierte er: „Von Hiroshima hatte ich noch nie etwas gehört. Und dass Japan immer noch Krieg führte, hatte ich fast vergessen. Dass etwas Besonderes geschehen war, kam mir erst langsam zu Bewusstsein.“ Drei Tage später, am 9. August 1945, „wusste der Lautsprecher in der Lagermitte zu berichten, dass eine zweite Atombombe die japanische Stadt Nagasaki zerstört habe. … Der Lautsprecher war voller Begeisterung, dass nun dem Krieg mit Gewalt ein Ende gesetzt wurde – und das für alle Zeiten.“ Doch das Ende mit einem großen Schrecken leitete, wie mein Vater schon damals vermutete, weltweit einen „Schrecken ohne Ende“ ein. Auch wenn bis heute keine weitere Atombombe eingesetzt wurde – der Krieg wurde dadurch nicht zu einer Vergangenheit. In vielen Regionen dieser Welt wurde und ist er grausame Gegenwart. Und selbst in Zentral-Europa, das auf eine 80-jährige Friedenszeit zurückblicken kann, ist er zur greifbaren Zukunft geworden.

Dass dies so ist, hat wesentlich mit der atomaren Abschreckung zu tun. Diese hat nicht nur bis heute den weiteren Einsatz von Atomwaffen verhindert – die atomare Abschreckung hat das Führen von Kriegen mit konventionellen Waffen weiter ermöglicht. Vor dieser bitteren Tatsache sollte – bei aller berechtigten Sorge um einen atomar geführten Krieg – niemand die Augen verschließen. Zwar ist es nicht nur richtig, sondern notwendig, dass gerade die Kirchen Atomwaffen ächten, ihren Einsatz grundsätzlich ablehnen und für eine von Atomwaffen befreite Welt eintreten. Doch sollte uns immer bewusst sein: Alle Argumente, die dafür herangezogen werden, gelten auch im Blick auf einen mit sog. konventionellen Waffen geführten Krieg. Ein solcher ist nicht ein moralisch oder ethisch „besserer“ Krieg. Er kann genausowenig gerechtfertigt werden wie der Einsatz von Atomwaffen.

Wenn wir in diesen Tagen an den Abwurf der beiden Atombomben vor 80 Jahren mit seiner Totalzerstörung alles Lebens und seinen grauenhaften, bis heute wirksamen Folgen für die Menschen in Hiroshima und Nagasaki denken, dann ist es Aufgabe der Kirchen, nicht nur „ein Nein ohne jedes Ja“ zur Herstellung, Lagerung und zum Einsatz von Atomwaffen zu sagen – so wie es 1982 die Reformierte Kirche getan hat. Dieses „Nein ohne jedes Ja“ muss die Kirche auch zum Ausgangspunkt ihrer Haltung zur Herstellung, Lagerung und Anwendung von konventionellen Waffen zur Kriegführung machen. Damit sind die Waffen nicht verschwunden und kriegerische Handlungen auch nicht weggezaubert oder -gebetet. Doch wie sonst wollen wir als Kirche und als Christ:innen eine Alternative aufbauen zu all dem, was jetzt die Weltpolitik, aber auch unser gesellschaftliches Leben bestimmt: eine hemmungslose, gigantische Hochrüstung, eine ideologische Ertüchtigungswelle für die politische Institution des Krieges auf breiter Front, die militärisch-kriegerische Intervention als fast selbstverständliche politische Option im Konfliktfall – und: eine zunehmende Gerwaltbereitschaft unter uns Menschen. Gerade weil uns die atomare Abschreckung nicht vor Krieg und seinen zerstörerischen Folgen schützt, benötigen wir eine neue, grundsätzliche Ächtung des Krieges. Diese muss sich politisch und ethisch niederschlagen in einer klaren Option für eine auf Minimierung von kriegerischer Gewalt ausgerichteten Friedenspolitik, die sich auch im innergesellschaftlichen Miteinander auswirkt.

Nun ist mir der Einwand „Aber was machst du, wenn dich jemand mit kriegerischen Mitteln angreift?“ sehr bewusst. Das trifft auf den Angriffskrieg Putin-Russlands gegen die Ukraine in besonderer Weise zu. Ja, es ist legitim, sich zu wehren – notfalls auch mit Gewalt. Nur: Es ist gefährlich und aus meier Sicht mit dem christlichen Glauben unvereinbar, wenn die ultima ratio immer mehr zum Ausgangspunkt alles Handelns, zur Normalität erklärt wird. Darum benötigen wir die Überzeugung: Nicht ein „Ende mit Schrecken“ verheißt Frieden. Vielmehr sollten wir das grundsätzliche NEIN ohne jedes Ja zum Krieg als Möglichkeit immer wieder erneuern. Das unter den gegebenen Umständen ethisch und politisch umzusetzen, heißt für mich, die richtigen Konsequenzen aus der verbrecherischen Katastrophe von Hiroshima und Nagasaki zu ziehen.

26 Antworten

  1. Wiederholten den Zusammenhang zwischen Friedens- und Verteidigungsstrategie erklärt zu bekommen, ist ja gut und schön. Mittlerweile werden die meisten akzeptieren, dass eine der notwendigen Abschreckung dienende nukleare und konventionelle Verteidigung das strategische Gleichgewicht nicht gefährden darf und begleitet sein muss von Verhandlungen mit potentiellen Gegnern über eine verifizierbare Rüstungsbegrenzung und vertrauensbildende Maßnahmen. Dabei sind die Interessen und Positionen des Gegenüber zu berücksichtigen, menschenrechtliche Aspekte nicht unnötigerweise zu instrumentalisieren und im Interesse einer Schadensbegrenzung eventuell auf die dogmatische Durchsetzung von formalen Rechtspositionen zu verzichten. In diesem Sinne kann ich vor allem den Ausführungen von Schwerdtfeger und Tesch gut folgen.

    Was mir in der Debatte allerdings zu kurz kommt, ist eine offensive Auseinandersetzung mit den Kräften, die sich der Umsetzung einer derart verstandenen Friedensstrategie entgegenstellen. Zum Beispiel eine Auseinandersetzung mit den Unterstützern der Stationierung der neuen US-amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland, von Waffensystemen, die, wie gut begründet wurde, die Sicherheit nicht erhöhen und mit deren Stationierung sich die Amerikaner dem Verdacht aussetzen, damit ihre Erstschlagkapazitäten verbessern zu wollen. Ebenso ist die CDU-Enquete- Kommission „Frieden und Sicherheit in Europa“ zu kritisieren, deren Ende 2024 veröffentlichter Bericht sich auf über mehr als 70 Seiten ausschließlich der Forcierung der Konfrontation mit Russland und China widmet (https://www.cducsu.de/sites/default/files/2025-01/FE.FSE-Abschlussbericht%20%282025-01-24%29.pdf). Kaum ein Gedanke ist darin zu finden, wie denn eine neue europäische Sicherheitsarchitektur aussehen könnte. Ich denke auch an diejenigen, die vor einigen Wochen mit fadenscheinigen Begründungen versucht haben, friedensbewegte SPD-Leute zu diskreditieren, weil sie den Geist der KSZE haben aufleben lassen wollen. Wurden nicht schon damals (1975!) Gedanken entwickelt (und dann in die Praxis umgesetzt), die heute wieder als Bestandteil denkbarer Friedensstrategien aktuell sein könnten? Und was die richtige Bemerkung Schwerdtfegers über entideologisierte Wirtschaftsbeziehungen angeht: Waren es nicht die Grünen, die in der Vergangenheit immer wieder versucht haben, engere Wirtschaftsbeziehungen mit China zu verhindern? Das von der letzten Merkel-Regierung weitgehend ausgehandelte deutsch-chinesische Investitionsschutzabkommen CAI wurde abgewürgt und Druck auf eine Verschärfung der Chinastrategie der damaligen Ampelregierung ausgeübt.

    Im Übrigen finde ich Wolffs Klagen über eine“ hemmungslose, gigantische Hochrüstung“ und eine „ideologische Ertüchtigungswelle für die politische Institution des Krieges auf breiter Front“ zu Unrecht und überhaupt ziemlich oberflächlich abgebügelt. Der aktuelle Rüstungshype (egal, ob man diesen als Hochrüstung bezeichnet oder nicht) hat sicherlich nichts mit Ausgewogenheit zu tun. Es ist nicht Sache militärischer Laien, dieses nachzuweisen. Von der Politik ist zu fordern, nachvollziehbare Begründungen für z. B. das 5%-BIP-Ziel für Rüstungsausgaben zu liefern. Solche gibt es aber nicht. Jedenfalls keine, die sich an realen Sicherheitserfordernissen orientieren. Es wird dagegen versucht, mit einer um einen möglichen russischen Angriff auf Deutschland oder die baltischen Staaten geschürten Hysterie, die Bevölkerung für die vorgesehenen Rüstungsanstrengungen gefügig zu machen (https://www.nachdenkseiten.de/?p=137238). Wer das unwürdige Geschleime von NATO-Chef Rutte noch im Ohr hat, dem ist klar, dass sich die europäischen NATO-Mitglieder, eingeübt in jahrzehntelangem Vasallentum, von Trump haben erpressen lassen. In der abwegigen Annahme, nur auf diese Weise die USA in der NATO halten zu können. Sollte es tatsächlich zu der vorgesehenen Ausgabenexplosion für Rüstung kommen und das dann noch auf Kosten von Sozialausgaben, brauchen wir uns in Anbetracht der daraus resultierenden gesellschaftlichen Verwerfungen über den weiteren Aufstieg der AfD nicht zu wundern. Aber anders als durch das Wirken einer starken Opposition wird wohl der Rüstungswahnsinn nicht zu bremsen sein.

    Auch beim zweiten Punkt teile ich Wolffs Ansicht. Es stimmt, Verteidigungsfähigkeit erfordert auch Verteidigungsmentalität (Schwerdtfeger). Was wir derzeit erleben, geht aber weit darüber hinaus. Als Merz neulich in Nazijargon von der „Drecksarbeit“ sprach, die die IDF gerade erledigen, wurde deutlich, wie sehr sich die Verrohung des Denkens bereits in der Verrohung der Sprache niederschlägt (Hartmut Rosa; „Kriegstüchtigkeit heißt, besser darin zu werden, Menschen umzubringen“, Berliner Zeitung, 13.07.2025, https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/geopolitik/hartmut-rosa-kriegstuechtigkeit-kritik-li.2339135). Eine solche Verrohung wird von der sich überall ausbreitenden neuen Kriegsrhetorik befördert. Am Ende wird eine Gesellschaft entstanden sein, die Krieg als Normalität akzeptiert. Der Russe ist dann auf ewig der Feind (Johann Wadepuhl), er ist ja sowieso von Natur aus gewalttätig. Und der Feind ist das Böse, dass potenziell vernichtet werden muss. Ein hoher Grad von Militarisierung macht sich auch dadurch bemerkbar, dass bei der Lösung eines jeglichen Problems erst einmal zur militärischen Option gegriffen wird (s. Rosa) und nicht vorrangig über friedliche Alternativen nachgedacht wird. Wie Wolff ganz richtig anmerkt, erfasst Militarisierung irgendwann dann auch das Innere der Gesellschaft, indem sie z. B. Gewaltbereitschaft unter den Menschen befördert.

  2. Natürlich lohnt es, 80 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki darüber nachzudenken, wie kriegerische Auseinandersetzungen zu vermeiden sind. Ich finde, Christian Wolff und Dr. Tesche haben das sehr ausgewogen und mit Bezug auf Christliche Werte getan; ich unterstütze explizit auch den letzten Absatz im Blog-Text von Christian (er spricht vom „grundsätzlichen NEIN zum Krieg“, stellt nach meinem Verständnis Pazifismus auch nicht als einzig richtige Antwort dar).
    Soweit ich die Lösung von Konflikten mit Kriegs-Potenzial überhaupt beurteilen kann, scheint mir keinesfalls notwendig, dass die eine Seite unsere Erde X-fach mit Atombomben zerstören kann, die andere Y-fach. Analoges gilt für andere Waffengattungen. In D haben wir viele Jahre lang Fragen der Verteidigungsfähigkeit, der inneren Struktur, des Auftrags der Bundeswehr grob vernachlässigt, stattdessen lieber unsere Exportwirtschaft beschützt und gepusht. Hier müssen wir dringend nachjustieren. Wie viele Milliarden Euro das erfordert, kann ich nicht ernsthaft beurteilen, halte aber für sehr sinnvoll, jede einzelne Investition an Christian’s Überlegungen zu messen.
    War vor Jahren noch „Common Sense“, dass D nur Verteidigungs-, keine Angriffswaffen exportiert, ist davon heute keine Rede mehr (u.a. beeinflusst über Soziale Medien).
    Die USA, einst durchaus Musterland der Demokratie, gelangte ohne Bürgerkrieg in die Fänge des Autokraten Donald T., der zunehmend auch die „Fesseln“ von Checks & Balances ablegt…
    Ich klammere die Frage nach Militärischer Stärke im klassischen Sinn nicht aus, halte aber mittlerweile die ungezügelte Verbreitung von „Cyber-War“-Software, Troll-Armeen und Hackern für mindestens ebenso gefährlich.
    Europa, NATO, UNO brauchen dringend Reformen und Stärkung, wenn wir grundlegende Entscheidungen nicht ausschließlich in die Hände der Großen Zwei (USA, China), bzw. Drei (plus Russland) legen wollen.

    Die ersten hundert Tage der (kleinen) Koalition sind demnächst vorbei; ich bin gespannt, was vom „Aussenkanzler“ bleibt, welchen Einfluss er auf die Kriege in Nahost und der Ukraine nehmen kann…

    1. Wie wohltuend ist doch so ein sachlicher Beitrag, dem ich – abgesehen von Nuancen – zustimme und der auch beweist, dass wir in Zielen viel deutlicher übereinstimmen, als hier zugegeben wird, und nur in Wegen Dissens haben.
      Dass allerdings Wolff selbst sich immer mehr zum unangenehmen Rechthaber entwickelt, zeigen zwei seiner Reaktionen hier:
      Er bekundet trotz seiner Anhänglichkeit an das Grundgesetz, die Menschenwürde und den „demokratischen Diskurs“, dass eine andere Meinung als seine nur deshalb sein kann, weil der Gegner nicht aus seinem Tunnel herauskommt; die Frage, ob nicht vielleicht er im Tunnel (seiner Ideologie nämlich) steckt, stellt sich ihm nicht und was das mit „Diskussion“ zu tun hat, erschließt sich auch nicht.
      Und er spricht von der „Tatsache“, dass die Rüstungsgüter der EU diejenigen Russlands nach Quantität und Qualität übersteigen. Da macht einer auf der Basis von ein paar wahrscheinlich bei SIPRI abgeschriebenen Zahlen aus Strategie eine simple Mathematikaufgabe. Ich kenne die Zahlen nicht, die Wolff heranzieht – er wird sie auch nicht nennen. Fest steht, dass (wie oft betont) Verteidigung erstens eine Frage der gesellschaftlichen Kriegstüchtigkeit (Verteidigung wollen, um nicht zu müssen!) UND der materiellen und personellen Ausstattung der Streitkräfte ist. Fest steht auch, dass in einer notwendigerweise nuklearen Welt (wie dargestellt: Ideen lassen sich nicht mehr weg-ideologisieren) die atlantische Verbindung für Europas Sicherheit zwingend ist, weil dieser Kontinent keine eigenen solchen Waffen in einer gemeinsamen Strategie hat. Fest steht schließlich, dass Russland geostrategisch einen freien „Rücken“ hat, von dort sogar eher von Nordkorea und China unterstützt wird, während Amerika (und also die Nato) strategisch sowohl im atlantischen Raum als auch im pazifisch-indischen präsent sein muss. Einfache Additionen sind also nur Beweis von Unkenntnis.
      Das Wolff’sche Anliegen, Friedenslogik über Kriegslogik zu stellen, ist richtig und notwendig. Aber das ist eine Frage der politischen Strategie und nicht der militärischen Mittel. Diese letzteren müssen die Versicherung gegen das Versagen der ersteren sein und also alle, oder wenigstens sehr viele, Bedrohungen berücksichtigen – UND sie müssen, um Eskalationen zu vermeiden, auf vielen waffentechnischen Abstufungen reaktionsfähig sein. Aber alles das ist jenseits von Wolffs Horizont (was nicht seine Schuld ist, ich verstehe ja auch nicht soviel von der Bibel).
      Das westliche Problem derzeit und nach der falschen Politik der „Friedensdividende“ ist, dass eben keine politische Strategie vorhanden ist; dass wir nur von Moral und Besserwisserei geleitet sind, anstatt anhand der Fakten eine Friedenslogik zu entwickeln. Diese müsste zwei Säulen haben: Eine an den Realitäten gemessene Zielsetzung für den Frieden, die Multilateralität in der Rüstungsbegrenzung unabhängig von der Appetitlichkeit der Gesprächspartner enthält; die menschenrechtliche und ökologische Maximalforderungen als undurchsetzbar reduziert; die wirtschaftliche Zusammenarbeit fördert anstatt sie ideologisch zu bekämpfen. UND: Eine auf Abschreckung aufgebaute nukleare und konventionelle Verteidigung, die heutzutage auch zivile Infrastruktur, Ressourcenlager und jegliche Art von „Rechenzentren“ einschließt sowie zur Luftverteidigung befähigt ist und von der Bevölkerung aktiv unterstützt und bejaht wird.
      Andreas Schwerdtfeger

  3. Fast alles in diesem Beitrag kann man ja unterschreiben. Aber es ist eben „Ideologie“ und auf deren Widersprüche soll schon hingewiesen werden:
    Konventioneller Krieg sei „grausame Gegenwart“ und habe „wesentlich mit der atomaren Abschreckung zu tun“, weil diese ihn „weiter ermöglicht“. Konventionelle Kriege hat es seit Auszug aus dem Paradies gegeben – die atomare Abschreckung hat damit nichts zu tun. Der von Wolff kritisierte Zustand hat vielmehr mit der Natur des Menschen zu tun, der leider überwiegend nicht friedensfähig ist (siehe im Kleinen einige Kommentare hier im Blog, im Großen eben genau diese Vielzahl von Kriegen). Und dass Kriege generell nicht zu rechtfertigen sind, widerlegt Wolff dann kurz darauf, indem er von außen aufgezwungene Verteidigung flugs für legitim erklärt – man dürfe nur die „ultima ratio“ nicht zur Regel machen, was ja richtig ist, aber wer tut das schon, wie definiert er konsensual eine „ultima-ratio-Lage“, welche Gewalt hält er dann für legitim im Gegensatz zur „Hochrüstung“?
    Die Unzulänglichkeit dieses Beitrages liegt jedoch nicht in solchen offensichtlichen Widersprüchen. Sie liegt, wie so oft, darin, dass eine schöne und anstrebenswerte Welt so beschrieben wird, als wäre sie möglich. Sie legt ein Ziel fest, das jeder unterschreiben kann, das aber eben Utopie ist, seit Löwe und Zebra nicht mehr im Paradies nebeneinander weiden können, weil der Mensch sich selbst und sie daraus hat vertreiben lassen. Das hier beschriebene christliche Ziel bleibt Ziel – solange es nicht erreicht, ja nicht erreichbar ist, ist Vorsorge nötig.
    Die praktischen und realpolitischen Dilemmata der Zeit spricht Wolff nicht an:
    – Eine Erfindung, einmal in der Welt, ist nicht mehr auslöschbar. Insofern sind „atomwaffenfreie Zonen“ Unsinn;
    – Das Argument, Atomwaffen machten ihre Stationierungsorte/Länder zu Zielen widerspricht diametral dem Argument „wenn die UKR ihre A-Waffen nicht abgegeben hätte, hätte Putin nie angegriffen“; beide Argumente kommen aber immer von denselben Leuten;
    – „Eine hemmungslose, gigantische Hochrüstung, eine ideologische Ertüchtigungswelle“, das ewige Schleifen-Mantra Wolffs, ist eben Propaganda, solange man ein konkretes politisches Problem immer ideologisch (religiös) diskutiert und die realen Zustände in der Welt ausblendet. Wolff will uns zurück ins Paradies bringen; schön wär’s, aber man muss solange wohl besser Vorsorge treffen. Und Vorsorge schließt neben Hardware auch „Ertüchtigung“ ganz wesentlich ein: Genau gegen die unrealistische Ideologie Wolffs.
    Schön wäre es gewesen, wäre die Atomwaffen nie erfunden worden, obgleich das auf die ständige Präsenz von Kriegen in der Welt keinerlei Auswirkungen gehabt hätte. Aber sie ist nunmal da. Wir müssen also unsere Friedensstrategien an dieser Realität ausrichten, einer Realität, deren Ausweitung auf viele über das rein Militärische hinausgehende Bedrohungen auf viele zivil-militärische Felder (Infrastruktur, Energieversorgung, Logistik, Schaltstellen, Verkehr bis hin zur Erziehung, also Ertüchtigung) uns ja hier von Anderen beschrieben wurde.
    Ja, Atomwaffen sind schrecklich – aber das trifft leider auf JEDE Waffe zu, die erfunden wurde, vom Pfeil bis zum Bomber, und dennoch sind sie politische Realität, die sich nicht christlich abtreiben lassen. Also: Wir brauchen Strategien MIT ihnen und nicht mit Wunschdenken und diese liegen in der KONTROLLE von Waffen über verhandelte und verifizierbare internationale Vereinbarungen. Aber dazu gibt es zwei Voraussetzungen: Erstens müssen wir mit den Leuten auf der Gegenseite reden, die da sind, und nicht mit denen, die wir uns wünschen würden; und zweitens müssen eben auch diese bereit zum Reden sein (China ist es derzeit nicht; Russland hat es derzeit nicht mehr nötig).
    Andreas Schwerdtfeger

    1. Es wäre ja viel gewonnen, wenn Herr Schwerdtfeger einmal darlegen könnte, wieso die derzeitige, weltweite Hochrüstung bei gleichzeitiger Aufkündigung fast aller Abrüstungsabkommen alternativlos sein soll. Außerdem warte ich noch immer auf die Antwort auf eine für mich entscheidende Frage: Wieso Kriegführung, militärische Intervention und ungehemmte Aufrüstung „rationaler“ sein soll, als der Ansatz, grundsätzlich auf den Einsatz kriegerischer Mittel zu verzichten bzw. diese auf das absolut Notwendige zu beschränken? Angesichts der ungeheuren Zerstörungen, die vom Einsatz militärischer Mittel ausgeht, ist dieser Einsatz auch aus ökonomischen Gründen (von den ökologischen, menschlichen ganz zu schweigen) absoluter Schwachsinn, der uns aber nicht zuletzt durch einen Herrn Schwerdtfeger immer wieder als „vernünftig“ verkauft wird. Angesichts dieser Debattenlage bin ich sehr froh und dankbar, alle politischen Widersinnigkeiten durch die „Paradies-Perspektive“ sehr kritisch zu betrachten. In diesem Sinn allen einen gesegneten Sonntag!

      1. Lieber Herr Wolff,
        gestatten Sie, dass ich an dieser Stelle noch ein Paar Bemerkungen einfüge, keineswegs anstelle von Herrn Schwerdtfeger:
        Sie weisen mit Recht darauf hin, dass es absoluter Schwachsinn ist, alle Abrüstungsvereinbarungen zu kündigen. Das ist genau falsch. Aber mir scheint, das die Adressaten die USA sind, die sich einen Vorteil versprechen, voller Hybris. Wir müssen das leider hinnehmen. Aber: Es wäre an uns eher auf generelle Abrüstung hinzuarbeiten und für eine Kontrolle des Rüstungsexports einzutreten. Das kann aber nicht mal so erklärt werden, muss Teil einer kooperativen Strategie Europas und Deutschlands sein. Soweit sind wir aber nicht und ich sehe leider das aktuell nicht „im Köcher“.
        Insofern müssen wir uns mit den Realitäten konfrontieren, aber das Ziel im Auge behalten.

        Natürlich ist Kriegführung, militärische Intervention und ungehemmte Aufrüstung… nicht „das Gelbe vom Ei“ und aus vielerlei Gründen falsch. Und natürlich ist der Einsatz militärischer Mittel auf das Minimum zu begrenzen. Aber das absolut Notwendige wird vom Gegner bzw. Angreifer bestimmt. Ich muss ein Gleichgewicht der Kräfte herstellen, auch in der Mittelwahl. Nicht umsonst stellen wir eine asymmetrische Kriegsführung fest (der Westen arbeitet gerne und erfolgreich mit eleganten Finanzinstrumenten -Dollar als Leitwährung- , eigene Auslegung des Rechts…, der Russe droht und haut irgendwann drauf oder macht fait accomplie, vergröbernd ). Vorwiegend geht es um die Durchsetzung von Interessen. Moral ist dabei in der Regel nur vorgetäuscht, auch vom Westen.

        Das soll nicht heißen, dass man alles Schreckliche mitmachen muss, nur bleibt einem manchmal nichts anderes übrig als Dinge zu tun, die man eigentlich ablehnt. Das nenne ich das Notwenige. Man nimmt Schuld auf sich, die man i.d.R. hätte vermeiden können, hätte man den Nachbarn auf gleicher Höhe behandelt.
        Dabei muss der Fehler nicht einmal bei uns selbst liegen. Hier waren die USA die treibende Kraft, die eine Entspannung in der Ost-Westbeziehung verhindert und hintertrieben haben, weil sie das kapitalistische System auf Russland nicht übertragen konnten und eine Kooperation zweier Systeme nicht vorstellbar schien. Man hatte es nicht nötig Lösungen zu suchen, um das gemeinsame Europäische Haus weiter zu bauen. Die Wende kam für mich im Oktober 2003, als Putin den Verkauf des Youkos Imperiums an westliche Investoren stoppte. Von da an verschlechterten sich die Beziehungen zunehmend bis heute*)
        Damals sind wir ihr brav gefolgt. Die Trumps Regierung lehnt eine Verantwortung/Mitverantwortung der US ab und will das Experiment beenden um sich des Problems zu entledigen. Wir bleiben auf dem alten Kurs (bisher). Welche Tragik.
        *) Georgien wird gerne mit als Grund genannt. Aber hier hatte der Westen vorher ein Angebot zum Einbezug in die Nato gemacht. Tschentschenien diente dem Aufbau Putins nach Jelzin, was der Westen ja auch wollte.
        Aber er blieb nicht so einfach wie Jelzin.

        Aus theologischer Sicht frage ich mich noch folgendes:
        Martin Luther schrieb in dem Buch: Von der Freiheit eines Christenmenschen von 1520 den Satz: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr aller Dinge und niemandem Untertan. Er schrieb auch: Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan. Heißt das dann auch, dass es nach Luther- hätte er die Lage heute zu beurteilen, meinte, es sei egal ,ob der Mensch dem Westen oder dem Osten untertan ist ?

        1. Luthers dialektische These steht sozusagen als „Motto“ über seiner Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“. Sie ist vor allem eine Problemanzeige, keine Lösung. Sie beschreibt den Spannungsbogen von Freiheit und Bindung. Angewandt auf die heutige Situation bedeutet die These vor allem, dass ein Christenmensch seine Freiheit gewinnt in der Bindung an Gottes Gebot und er sich innerhalb dieser Freiheit einlassen kann auf die derzeit bestehenden Verhältnisse. Nichts ist also „egal“, sondern alles bedarf der Prüfung und Abwägung.

          1. Lieber Herr Wolff,
            ich ziehe mein vereinfachendes „egal “ zurück, konkretisiere aber, dass nach der Aussage Luthers der Christ sich auf die jeweilige Obrigkeit einlassen muss und das hinnehmen muss, solange die Ausübung der christlichen Lehre und Praktizierung nicht infrage gestellt ist, die weltliche Macht hier nicht eingreift, so mein Verständnis. Ein Recht auf Widerstand gegen die Obrigkeit ist nur in Sondersituationen gegeben.

            Inwieweit dies im Falle „Ukraine-Krieg“ und der Fragestellung , wer das Sagen hat , ein Problem darstellt, müsste untersucht und dargelegt werden.
            Solange das nicht der Fall ist, steht es uns Außenstehenden mit Bezug auf die Bibel wohl nicht zu, hier Positionen zu beziehen, wer über bestimmte Gebiete das Sagen hat. So scheint mir.

            Mir ist klar, dass die dahinter stehende Zwei-Reiche-Lehre Luther heute in den Kirchen keinen dominierenden Stellenwert mehr hat. Man schämt sich ihrer sogar, (auch eingedenk des Missbrauchs im Dritten Reich).

            Vielleicht hilft die Erinnerung daran aber bei der Überlegung, was eigentlich Aufgabe der Kirchen ist. Ihre Aufgabe sollte sich aus Mt. 28,20 ergeben: …lehrt sie alles einhalten, was ich euch aufgetragen habe.
            Die Christen sollen es dann umsetzen und leben.

        2. Zitat Dr. Tesche: „Ein Recht auf Widerstand gegen die Obrigkeit ist nur in Sondersituationen gegeben.“
          _______________________________________________________________________________

          Wie definieren Sie eine „Sondersituationen“ ? In der DDR z. B. herrschten gewöhnliche Kriminelle, da war jedweder Widerstand (auch gewaltsamer) gerechtfertigt. Wie definieren Sie Widerstand? Auch heute kann es „Sondersituationen“ geben, bei denen Widerstand (gewaltfreier) gegenüber der „Obrigkeit“ gerechtfertigt sein kann.

      2. Irgendwie ist es erschütternd, wie Wolff immer seine Meinung Anderen unterstellt, weil er deren Meinung offensichtlich nicht liest oder versteht:
        1. Ich habe nie von „Hochrüstung“ gesprochen und im Gegenteil diesen Begriff ständig als aggressive Polemik verurteilt und ich habe ständig die Notwendigkeit der Dualität von Verteidigung und Rüstungskontrolle betont. Also unterstellen Sie mir nicht lügenhaft, was Sie für meine Meinung halten.
        2. Ich habe nie behauptet, dass „Kriegführung, militärische Intervention und ungehemmte Aufrüstung „rationaler“ sein soll“ und im Gegenteil behauptet, dass Streitkräfte, die der Bedrohung gerecht werden, und eine Bereitschaft der Bevölkerung, ihre Wertematrix verteidigen zu wollen, als Teil einer auswärtigen Strategie EIN Instrument der Politik sein müssen. Begriffe wie Wolffs Formulierung „auf das absolut Notwendige zu beschränken“ sind mir dabei recht; ich bezweifele nur energisch Wolffs Kompetenz, darüber zu urteilen.
        3. Und was den „absoluten Schwachsinn“ angeht, den Wolff als meine Meinung zu verkaufen sucht: Wir haben das schon oft diskutiert: Streitkräfte und Verteidigungsmentalität sind eine, ja eigentlich die einzige und beste Versicherung gegen einen Überfall von außen. Wer Versicherung ablehnt, nimmt Risiko in Kauf, und das ist solange sehr schön, wie nichts passiert – hinterher allerdings ist das Geschrei groß und der Ruf nach Entschädigung durch „die Politik“ allgemein. Im Verteidigungsfall gibt es dann allerdings nur noch die Politik des Besatzers. Wir haben das schon am Beispiel der Feuerwehr diskutiert, wo Wolff mit den kuriosesten Argumenten sich rauszuwinden suchte.
        Also, Herr Wolff, lesen Sie Dr Tesche, der dasselbe formuliert wie ich (wenn auch viel sanfter). Hantieren Sie nicht mit heuchlerischen Doppeldeutungen, wie es Ihr Freund Käfer tut, der mir Unterricht in Anreden geben will und selbst von „Donald S.“ spricht. Und, es wäre schön, bleiben Sie bei der Wahrheit, wenn Sie anderer Leute Beiträge kommentieren wollen.
        Andreas Schwerdtfeger

        1. Lieber Herr Schwerdtfeger, ich „hantiere“ nicht mit „heuchlerischen Doppeldeutungen“. Ich weise nur daraufhin, dass die derzeitige Rüstungs- und Verteidigungspolitik uns in die Sackgasse vielfältiger krigerischer Auseinandersetzungen führt. Wogegen ist mich wende, ist die Selbstverständlich- und Alternativlosigkeit, mit der dies politisch gerechtfertigt wird – wohlwissend, dass am Ende einer solchen Politik umfassende Zerstörung materieller, ideeller und menschlicher Güter steht. Dies möchte ich in die politische Debatte einbringen. Damit unterstelle ich weder Ihnen noch anderen irgendetwas, sondern halte Ihrer Meinung eine andere Sicht auf die Dinge entgegen. Das mögen Sie „erschütternd“ finden. Es entbindet aber niemanden davon, sich damit auseinanderzusetzen – wobei es hier nicht um „Wahrheit“, sondern um das politisch Sinnvolle und moralisch Angemessene geht.

          1. Sie bringen nichts in die Debatte ein, sie wollen andere Meinungen niedermachen, wie alle Ihre Reaktionen auf meine Beiträge beweisen. Sonst würden Sie ja vielleicht mal zugeben, dass eine andere Sicht der Dinge berechtigt ist, auch wenn es nicht die Ihre ist. Und Ihr Kommentar „es wäre viel gewonnen …“ – Sie wissen es doch, war absichtliche gezielte Beleidigung, weil Ihre gesamte dortige Kritik an mir längst beantwortet war. Es war, wie immer, der Versuch; Recht zu haben, bei dem Sie falsche Unterstellungen nicht gescheut haben – wie ich dargelegt habe. Also distanzieren Sie sich einfach von diesem peinlichen Versuch. Meine drei Punkte widerlegen Sie jedenfalls mit solch einem unbeholfenen Rückzieher nicht.
            Auch hier: Weiteres gibt es dann nicht m mehr zu sagen.
            Andreas Schwerdtfeger

      3. „Wieso Kriegführung, militärische Intervention und ungehemmte Aufrüstung „rationaler“ sein soll, als der Ansatz, grundsätzlich auf den Einsatz kriegerischer Mittel zu verzichten bzw. diese auf das absolut Notwendige zu beschränken?“
        ‐—————————-
        Was ist das absolut Notwendige? Wir sehen gegenwärtig eine gigantische Hochrüstung Rußlands. Entweder wir sind erpressbar oder wir rüsten auch auf. Ich sehe da auch kein Übermaß.

        1. Es ist hier schon des Öfteren auf die Tatsache hingewiesen worden, dass die in den Staaten der EU vorhandenen Rüstungsgüter von der Quantität die russische Rüstung bei weitem übersteigen, von den Qualität ganz zu schweigen. Auch auf diesem Hintergrund ist die von Trump herausposaunte, relativ beliebig gewählte Zahl „5 Prozent vom BiP für Verteidigung“ irrwitzig und ihrer Höhe nur zu erklären mit der Absicht Trumps, die amerikanische Rüstungsindustrie zu promoten.

          1. Die von den NATO-Ländern zugesagten 5 % Rüstungsausgaben vom BiP sind fürs Schaufenster. 1,5 % vom BiP sollen für zivile Infrastrukturmaßnahmen wie die Instandsetzung von Brücken und Straßen
            ausgegeben werden. Rußland darf man nicht unterschätzen. Dort werden Soldaten rücksichtslos ins Feuer geschickt, nordkoreanische Söldner unterstützen die regulären Truppen.

  4. Ich Teile die Sorge von Herrn Wolff vollkommen. Der letzte Absatz seines Beitrags ist in der Aussage unklar. Offenbar bin ich da aber alleine, wie ich den Kommentaren entnehme. Danach ist Pazifismus die einzige richtige Antwort. Dieser Meinung bin ich überhaupt nicht.

    Wir leben in einer Welt, in der zunehmend die Verrückten das Sagen und die Macht haben, mit Gewalt ihre Meinung umzusetzen, aller Vernunft zum Trotz, ohne Rücksicht auf die Position des Anderen. Darauf müssen wir uns einstellen.
    Die Erfahrung lehrt, dass es ein Fehler ist, auf gutes Zureden und sein verbrieftes Recht zu pochen und nur auf das Wiederherstellen des Rechts zu pochen. Es gibt keine Instanz, die a) objektiv das Unrecht in der Entstehung feststellt (außer Gott und der handelt nicht) b) eventuelles Unrecht verhindern und Recht gegen die Interessen der Veto-Mächte durchsetzen kann auf diesem Planeten. Unsere Weltordnung ist nicht perfekt und es gibt Leute, die das kleine Pflänzchen zerstören wollen. (Ich denke hier an Peter Thiel, der vom Antichristen spricht und als Milliardär hinter der Entwicklung von Tump & Co steckt).
    Ich verweise auf
    https://www.deutschlandfunk.de/die-peter-thiel-story-1-6-willkommen-im-thielverse-100.html
    Deals unter den Großen sind IN und wir schauen zu, staunend, klagend, das Unrecht beklagend, moralisch von oben herab.

    Gegen dieses Konzept müssen wir vorgehen und ein Gegenkonzept entwickeln, sowohl was hier in Europa die „politisch-wirtschaftliche Wiedereinbindung Russlands“ als auch die Konfliktlösungen auf internationaler Bühne angeht, sowohl in der EU und EU/NATO als auch die UN angeht.
    Wir müssen das schon selbst in die Hand nehmen. Das ist natürlich angesichts unserer Geschichtserzählung und unserer gefühlten Abhängigkeit von den USA äußerst schwierig und kurzfristig angesichts der wohl längeren Findungsphase der Regierung nicht zu erwarten.

    Dringend ist die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und Europas schnellst möglich herzustellen. Zuschauen, auf den Lieben Gott und die weltweit eintretende Vernunft hoffen oder gar auf die USA, geht nicht und wäre fatal. Wir müssen uns selbst gegen den Wahnsinn schützen.
    Dabei müssen wir kein schlechtes Gewissen haben. Pazifismus und Gewaltlosigkeit fordert die Bibel nicht von uns.

    Es heißt 3. Mose (Levitikus) 19,18: In der üblichen Übersetzung heißt es: Liebe den Anderen wie dich selbst. Es gibt aber auch die auf Naphtali Herz Wessely (1725-1805) zurückgehende Übersetzung , die durch Karl Barth bekannt wurde mit : Liebe den Anderen, denn er ist wie Du! Wessely begründete Das Wort kamocha in der Sprache der heiligen Schrift […] hat die Bedeutung: der dir ähnlich ist […] Die Begründung [zu dem Gebot] ‚Du sollst deinen Nächsten lieben‘ [lautet]: Denn er ist wie du, er gleicht dir, er ist dir ähnlich; denn auch er wurde erschaffen im Bilde Gottes, und so ist er ein Mensch wie du.“

    Die Bibel spricht nicht davon, dass ich mein Leben hergeben muss, wenn mein Leben bedroht ist. Das ergibt sich aus dem Vorstehenden. Absolute Gewaltlosigkeit im Ernstfall ist für mich keine Lösung.
    Das schließt nicht das Recht auf einen Präventivschlag ein, wie es die Juden unter Netanjahu offenbar verstehen. Aber ich habe das Recht, dass ich mein Leben verteidigen und im Extremfall den Angreifer töten kann (Notwehr-Prinzip). Kant hat sich ähnlich geäußert. Sein Leben im Ernstfall zu schützen ist keine Pflicht, aber doch ein unbestrittenes Recht.
    Da ein Staatsbürger sein Recht auf Verteidigung als Einzelner nicht umsetzen kann, fordert er das vom Staat ein. (ob er dies nicht günstiger und besser hinkriegen kann, ist eine andere Frage).
    Sofern die entsprechenden demokratischen Mehrheiten verfügbar sind hat die politische Führung das Recht, dass Deutschland so auszurüsten und einzustellen ist, dass im Ernstfall mein Leben geschützt werden kann. Ergibt sich daraus, dass alle wehrpflichtigen Bürger dafür notwendig sind, haben ALLE zu folgen. Hier gibt es für mich kein Wahlrecht.
    Zudem ist eine starke Bewaffnung auch ein Mittel der Abschreckung.

    Das heißt natürlich nicht, dass dies dabei bleiben darf.

    Generell ist klar, dass ein militärischer Konflikt zu vermeiden ist, soweit es geht. Für mich gilt also eine Doppelstrategie nicht ein Entweder Oder, wie es heute fast den Anschein hat, sondern ein Sowohl als Auch. Ich darf als Christ nicht die Konfrontation suchen, muss immer zu einem Miteinander bereit sein und die Interessen des Anderen berücksichtigen. Insoweit muss ich auf Entspannung und Deeskalation hin arbeiten. Muss auf allgemeine Abrüstung hin arbeiten, aber das Gleichgewicht der Kräfte im Auge behalten. Vielleicht haben wir zu sehr auf das formale Recht gesetzt statt die Interessenlagen zu bedenken. Jetzt kann man das so schnell nicht ändern..
    Ich muss auch bereit sein, mich zu verteidigen und muss mich nicht durch den Anderen kaputt machen lassen, der Bibel wegen.

    Ich habe auch abzuwägen, wann die Durchsetzung von Recht keinen Sinn mehr macht. Aus verhaltensethischer Sicht sicher dann nicht, wenn ich mit weiterem Leid das Recht nicht durchsetzen kann.
    Bei der Suche nach Kompromissbereitschaft bringe ich die Übersetzung von Barth in Erinnerung: Der Andere ist wie du!
    (Übrigens: Letzteres gilt immer, auch in der Auseinandersetzung im kleinen Kreis bis hin zu den politischen Parteien und deren Vertreter).

    1. Vielen Dank, lieber Herr Dr. Tesche, für Ihre Überlegungen, denen ich gut folgen kann. Für mich sind zwei Dinge entscheidend:
      1. Wir sind immer wieder herausgefordert, vom anderen her zu denken, weil er eben ein Mensch wie ich selbst bin.
      2. Ausgangspunkt aller Überlegungen in Sachen Verteidigung sollte sein, den Einsatz von Gewalt soweit wie möglich zu minimieren.

  5. Angesichts der Drohnen mit Napalm ähnlichen Substanzen im Ukraine Krieg, fragt man sich wann kommen die ersten Nuklear bestückten Drohnen. Nicht zu vergessen die zahlreichen Atomwaffentests der letzten 80 Jahre. Das Bikini-Atoll für die Ewigkeit verseucht. Über 470 Atombomben wurden in Kasachstan bis zum Ende der Sowjetunion in die Luft gejagt. Die USA haben in Nevada über 1000 Atomwaffendetonationen durchgeführt. Das dabei auch Menschen zu schaden kommen hat man bewusst in Kauf genommen. Die Tierwelt lebt dort verstrahlt weiter, die kann nicht lesen Betreten verboten.
    Eine Buchempfehlung: https://www.media-maria.de/buecher/sonstiges/8268/unter-dem-atompilz

  6. Deinem Beitrag, lieber Christian, kann ich nur zustimmen und zudem beiden Kommentierungen von H. Löbler + M. Käfer bestätigen, wie recht sie haben! Militarismus derzeit demonstriert in katastrophaler Weise, wohin dies führt (Gaza, Ukraine etc.pp.). Und in diesem Zusammenhang empfehle ich sehr die aktuell erschienene Lektüre von Gerhart R. Baum: „Besinnt Euch“. Hier geht es um DEMOKRATIE!!! Bleiben wir aufrecht und aufmerksam; die Zeiten sind zunehmend hochproblematisch! Danke an all Diejenigen, die sich für FRIEDEN (in Gedanken, Worten und Werken) unentwegt und aktiv engagieren!!! Jo.Flade

  7. Ich möchte noch zu bedenken geben, wie fürchterlich auf mich die Information gewirkt hat, dass Russland den gesamten Markt an angereichertem Uran beherrscht und dieses Uran auch an USA, Frankreich , GB und den Iran verkauft.
    Die Uran-Minen in USA waren ja unrentabel geworden und sind stillgelegt. Erhard Wagner

  8. “ Es ist gefährlich und aus meier Sicht mit dem christlichen Glauben unvereinbar, wenn die ultima ratio immer mehr zum Ausgangspunkt alles Handelns, zur Normalität erklärt wird. “
    _____________________________________________________________________________________________

    Wer macht denn das?

  9. Lieber Herr Wolff, „Vielmehr sollten wir das grundsätzliche NEIN ohne jedes Ja zum Krieg als Möglichkeit immer wieder erneuern“. Dem stimme ich sehr zu. Vielleicht sollten wir nicht über eine Wehrpflicht nachdenken sondern über ein Jahr, in dem man gewaltfreien Wiederstand lernt. warum tun wir das nicht schon in unseren Schulen? Das wäre dem Menschlichen angemessener als Gewalt zu üben und, wie die historischen Analysen zeigen, auch erfolgsversprechender. Hierzu sehr aufschlussreich ist das Buch von Erica Chenoworth „Civil Resistance“. Man kann dort jeden einzelnen Fall ausführlich nachvollziehen. Ziviler Wiederstand ist eben weit mehr als „nichts tun“.

  10. Ich teile die Gedanken von Christian Wolff anlässlich des 80. Jahrestages des Einsatzes von Atombomben in Hiroshima und Nagasaki.
    Mir fehlt dabei aber ein wesentlicher, m.E. zunehmend wichtig werdender Teil zukünftiger Kriegführung. Durch Computer-Hacking, Datenklau (mit anschließender Erpressung) bis hin zur Meinungsmanipulation lassen sich „Kriege“ heute auch weitgehend ohne „klassische Waffensysteme“ führen; amerikanische Hightech-Firmen mit ihren Quasi-Monopolen (z.B. bei KI, Raumfahrt, Satelliten-Navigation und -Kommunikation) sind ebenfalls hochgefährlich (insbesondere unter einem Präsidenten wie Donald Trump). Migrationsströme werden angesichts des Klimawandels, der Ausbeutung von Ressourcen, des zunehmenden Einkommens- und Vermögens-Ungleichgewichts und fehlender Bildungschancen zunehmen und verstärkt als politische Waffe eingesetzt.

    Die Diskussion dieser Aspekte dürfen wir keinesfalls ausser Acht lassen, insbesondere wenn wir über die immensen Summen für Hochrüstung entscheiden. Bundeskanzler Merz hat als Ziel für Investitionen in die Verteidigung lediglich formuliert, Deutschland müsse die stärkste konventionelle Armee in Europa werden…

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