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22 ist nicht 89 – Wir leben in keiner Diktatur

Seit einigen Tagen hängen die Banner an den Leipziger Innenstadtkirchen: „22 ist nicht 89 – Wir leben in keiner Dikatur“. Dies geht zurück auf eine Initiative der evangelischen und katholischen Kirche in Leipzig. Damit soll dem zunehmenden, schamlosen Missbrauch des ’89er-Narrativs durch rechtsnationalistische Gruppierungen wie AfD und „Freie Sachsen“ entgegengetreten werden. Diese führen seit einigen Wochen montags ihre „Spaziergänge“ durch. Auf denen erklären sie das, was ’89 durch die Friedliche Revolution erreicht wurde, nämlich die freiheitliche Demokratie, zur „Diktatur“, um so den „Systemwechsel“ und Regierungssturz zu fördern. Das ist ein so durchsichtiges, niederträchtiges Treiben, dass man sich nur wundern kann, dass darauf überhaupt noch jemand hereinfallen und den rechten Rattenfängern nachlaufen kann. Denen aber geht es weder um soziale Gerechtigkeit noch um Freiheit noch um Demokratie. Sie haben nur eines im Sinn: wie während der sog. Flüchtlingskrise 2015 und der Corona-Pandemie 2020ff Menschen gegeneinander aufzubringen und ihre autokratisch-nationalistischen Absichten durchzusetzen. Wer dennoch bei diesen rechten Aufmärschen mitmacht, kann und muss wissen, wen er oder sie damit unterstützt.

In der Erklärung zu dem Banner schreiben die Initiator*innen:

An der Propsteikirche

Die Friedliche Revolution im Herbst 1989 ermöglichte den Weg aus der Diktatur in die Demokratie. Wir leben heute in demokratisch begründeten und verfassten Verhältnissen des Rechtsstaates. Dafür sind Bürgerinnen und Bürger damals auf die Straße gegangen und haben die Freiheitsrechte errungen. Soziale Missstände, ökologische Verwerfungen und eine desolate wirtschaftliche Lage motivierten vor 33 Jahren Bürgerinnen und Bürger, sich für ihre Belange und Interessen einzusetzen. Entscheidend war nicht, etwas von anderen zu verlangen, sondern selbst für die Gemeinschaft einzutreten.

Diesen Leipziger Sinn für gesellschaftlichen Zusammenhalt braucht es heute wieder. Weniger Ich und mehr Wir: Das trägt zum Wohl aller bei! Die gegenwärtigen Krisen und Herausforderungen zwingen zum Nachdenken, das in ein Umdenken führen wird. Die ökologische Krise verlangt von uns einen neuen, bescheideneren Lebensstil. Die ökonomische Krise erfordert ein faires und nachhaltiges Wirtschaften. Die bedrohte Sicherheitslage der Welt braucht eine Stärkung der Weltgemeinschaft, in der die Würde des Menschen, Freiheit und Gerechtigkeit und verteidigt werden.

2022 ist nicht 1989. Aber der Geist von 1989, schier Unmögliches möglich werden zu lassen, gemeinsam stärker zu sein, füreinander einzustehen und den anderen im Blick zu behalten, dieser Geist bewegt auch heute. Stärken wir die demokratische Ordnung, lernen wir nachhaltig und gerechter zu leben!

Leipzig, am 11. Oktober 2022

Superintendent Sebastian Feydt, Kirchenbezirk Leipzig – Pfarrer Bernhard Stief, Nikolaikirche – Pfarrer Martin Hundertmark, Thomaskirche – Pfarrerin Britta Taddiken, Thomaskirche – Propst Gregor Giele, Propsteikirche St.Trinitatis

Demo und Kundgebung am 15. Oktober 2022

Der DGB Leipzig-Nordsachsen sowie alle Einzelgewerkschaften rufen auf zu einer Demonstration und Kundgebung am Samstag, 15. Oktober 2022, um 14.00 Uhr ab dem Volkshaus, Karl-Liebknecht-Straße und um 15.00 Uhr Kundgebung auf dem Augustusplatz unter dem Motto „Solidarisch durch die Krise!“. Eine wichtige Initiative! Sie bietet allen die Möglichkeit, ihre Anliegen, ihren Protest gegen soziale Ungleichheit, ihren Gestaltungswillen in der demokratischen Gesellschaft auf die Straße zu tragen.

22 Antworten

  1. Besser können unsere „Zwei“, die angeblich „kritisch und kühl“ argumentieren, ihre Intoleranz gar nicht beweisen: Der eine bittet darum, von anderen Argumenten als den seinen „verschont“ zu bleiben, der andere – ich nannte ihn früher mal einen „Papagei“, weil er nur nachplappert; das wurde vehement als „unanständig“ kritisiert, nun klaut er selbst seine Tiervergleiche (die offensichtlich nicht unanständig sind) bei anderen und beweist meine Papageienthese – bemüht Vokabeln wie „Anstand, gegenseitigem Respekt und Achtung vor der Würde“, die er gerade selbst mit Füßen getreten hat und wohl auch nur nachplappert. Der eine ist, wie ich schrieb, unbeherrscht und doppelbödig; dem anderen fehlt das Instrumentarium zum Denken – dafür kann er gut belehren: „bedenken Sie bitte, was Sie schreiben“ – er liest wohl seine eigenen Texte nicht.
    Ich stimme Haspelmath ausdrücklich nicht zu, was seine Impfthesen angeht; ich stimme schon gar nicht zu, was die ewigen Entschuldigungsforderungen angeht; und immer gibt es in der Geschichte irgendwelche Parallelen, die man so oder so interpretieren kann, weswegen die Frage der Vergleichbarkeit sich eigentlich gar nicht stellt. Daß (vermeintlich) eingängige Slogans (oder Begriffe) gelegentlich von phantasielosen Menschen „geklaut“ werden, hat uns gerade unser Dresdner bewiesen – man muß das nicht so ernst nehmen.
    Fest steht, daß 1989 nicht in erster Linie den – trotz allem natürlich – sehr mutigen Menschen in Polen, Ungarn, der damaligen Tchechoslowakei und eben auch in Ostdeutschland zu verdanken ist, sondern dem totalen wirtschaftlichen Zusammenbruch der führenden Macht des Ostblocks und aller ihrer Satelliten. Insofern ist ja schon der erste Satz des Aufrufs falsch – aber er paßt eben in das Narrativ der Rechthaberei und Geschichtsklitterei, die heute so populär sind.
    Fest steht ja auch, daß Wolffs geschichtliches Bild von Biedenkopf und sein aktuelles von Kretschmer nicht von Sachlichkeit, sondern von Emotionen und eigener “Verblendung“ gekennzeichnet sind – und also er selbst beweist, wie unnütz solche Ablenkungen von den augenblicklichen Tatsachen sind. Richtig bleibt nur, daß – wenn man schon 1989 mit 2022 vergleichen will – die Menschen damals in der Ungewißheit agierten und also mutig waren; die Menschen von heute mißbrauchen auf allen Seiten ihre demokratischen Rechte zum Nachteil anderer und nicht vorrangig, um die Situation zu bessern, sondern fast ausschließlich, um unter der Überschrift „Mein Recht“ Recht zu haben – aber Recht und Recht haben sind zwei verschiedene Dinge.
    Fest steht auch, daß die Bezeichnung anderer Meinungen als „Verblendung“ und „Umwertung aller Werte“ demjenigen gut ansteht – ich meine das aufrichtig -, der früher noch gegen andere Meinungen mit der These vorging, ihre Vertreter „gehen auch über Leichen“. Und fest steht schließlich, daß einer, der so „argumentiert“ natürlich gerne auf „Schuldbekenntnisse“ verzichtet, denn sonst müßte er ja an sich selbst arbeiten.
    Andreas Schwerdtfeger

  2. Vielen Dank, Herr Wolff, dass Sie auch meinen dritten Kommentar freigeschaltet und darauf geantwortet haben, obwohl Sie nicht dazu verpflichtet waren! Privatleute müssen freie Diskussionen nicht zulassen (deshalb ist es großzügig von Ihnen), aber ein demokratischer Staat darf Proteste nicht verbieten, nur weil sie von unappetitlichen Leuten „gesteuert“ werden – diese Organisationen sind ja nicht verboten, und es unterscheidet die Demokratie von der Diktatur, dass auch missliebige Meinungen geäußert werden dürfen. Ich würde sogar sagen, dass kritische und unpopuläre Meinungen geradezu WILLKOMMEN sein sollten. Dass die damaligen Demonstrationen gegen die völlig fehlgeleitete Lockdown-Politik berechtigt waren, ist inzwischen unbestritten, denn niemand verteidigt mehr die damalige Impf-Diskriminierung, oder die Schulschließungen, oder die Demo-Verbote. Deshalb wäre es in der Tat wichtig, sich für die damaligen Verbote und antidemokratischen Aufrufe zu entschuldigen. Sie mögen die AfD pauschal als „Demokratiefeind“ bezeichnen (das ist Ihr Recht), aber es muss auch das Recht der Demonstrant:innen sein, die antidemokratischen Tendenzen (bis in die Spitze der Stadt; Jung hat ja auch unterschrieben) zu kritisieren. Demokratie und Meinungsfreiheit sind #unteilbar – deshalb gibt es leider Parallelen zwischen 1989 und 2022.

    1. Irgendwann werden Sie, lieber Herr Haspelmath, aus Ihrer Verblendung erwachen. Seien Sie gewiss, dass dann niemand von denen, die Sie jetzt beschuldigen, von Ihnen ein „Schuldbekenntnis“ erwartet. Alle werden dann froh und dankbar sein, dass Ihnen die Augen geöffnet wurden und Sie sich nicht mehr an der Umwertung der Werte beteiligen. Doch bis dahin verschonen Sie mich und andere bitte von weiteren Einlassungen dieser Art. Beste Grüße Christian Wolff

      1. Vilen Dank, Herr Wolff, aber welche „Verblendung“ meinen Sie? Ich verstehe das wirklich nicht. Natürlich machen wir alle Fehler, aber habe ich öffentlich einen antidemokratischen Aufruf unterschrieben? Wenn Sie mich auf so einen Fehler hinweisen, schaue ich ihn gerne an und werde mich entschuldigen. Oder haben Sie ein grundlegend anderes Verständnis von Demokratie als die meisten Leute (so dass die freiheitliche Grundordnung eben nicht für Leute gilt, die sich nicht scharf genug von AfD und Co abgrenzen)? Ich glaube nicht, dass Sie „verblendet“ sind, aber ich verstehe, dass es Ihnen schwer fällt, einen schlimmen Fehler einzugestehen, und dass Sie nicht sehen, wie wichtig das in diesen Zeiten wäre.

          1. Womit reicht es wirklich, lieber Herr Wolff? Mit Ihrer völligen Unfähigkeit, mit anderen Meinungen umzugehen? Haspelmaths Einlassungen sind doch von Sachlichkeit und Höflichkeit gekennzeichnet – was stört Sie an Ihnen? Man könnte sagen: Die Wiederholungen – aber wer wiederholt sich hier öfter als Sie selbst? Gehen Sie mal sachlich darauf ein!
            Andreas Schwerdtfeger

          2. Ich habe hier mal gelesen, dass Sie, lieber Herr Wolff, hier nur Hasskommentare nicht freischalten. Deshalb befremdet es mich, wenn Herr Haspelmath sich unterwürfig bedankt, dass seine Kommentare (deren Inhalt mir mißfällt) freigeschaltet werden.

  3. Unserem Herrn A.S, alias „Mops“ vielleicht nur auf seine Bemerkung (Zitat): „Verbal abrüsten“ – forderte im August einer Ihrer glühensten und unkritischsten Anhänger, und er hatte Recht. “ meine bescheidene Erwiderung: Sie ahnen gar nicht, wie wir beide, Chr. Wolff + ich, zu Sachthemen kritisch und kühl auseinandersetzen. Vor allem aber tun wir es mit Anstand, gegenseitigem Respekt und Achtung vor der Würde des Anderen. Da müssen Sie noch viel lernen; Ihr Kommentar demonstriert zum zigsten Male: Sie sind nicht lernfähig. Und zu Letzt: dieses Wort; 22 ist nicht 89 konnte nicht deutlicher formuliert werden. Ich weiß, wovon ich rede, denn im Herbst ?89 durfte auch ich mit vielen anderen bemerkenswerte Erfahrungen machen und stelle leider fest, dass das dumpfe Gebrüll (nicht mehr und nicht weniger kanalisierte Aggressionen) von Menschen kommt, die `89 nicht dabei waren! An Herrn Haspelmath: bedenken Sie bitte, was Sie schreiben! Es ist kaum erträglich!
    Einen gesegneten Sonntag – Jo.Flade

  4. Wenn aktuelle Umfragen die „rechten Rattenfänger“ als stärkste Kraft in Sachsen sehen, wenn sie (nach meinem Wissen  bislang)  ungestraft am Montag ukrainische Kriegsflüchtlinge in Leipzig mit „Nazis raus“ anpöbeln durften, dann wird (hoffentlich nicht nur) mir Angst und Bange vor dieser gefährlichen Melange aus Zukunftsängsten und bewusst inszenierter rassistischer Hetze!
    Ich hoffe sehr, dass Leipzig  am Samstag ein deutliches Zeichen gegen diese Entwicklung setzen kann. Kretschmer und Merz (Sozialtourismus!) haben mit ihrer Politik und Argumentation die AfD jedenfalls mitnichten „eingefriedet“, geschweige denn halbiert (wie Merz großspurig versprochen hatte).
    Und ich finde es absolut richtig, immer wieder klar darauf hinzuweisen, dass gilt: „22 ist nicht 89“! Das scheint inzwischen selbst einem H. Pellmann zu dämmern, der entgegen seiner lautstarken Ankündigungen, bislang auf weitere „Montagsdemonstrationen“ verzichtet hat.

  5. Es wird wohl der ewige Kummer bleiben, lieber Herr Wolff, daß Sie sich nicht im Griff haben: Nun haben Sie endlich mal ein politisches Thema, bei dem Ihnen keinerlei Kontroverse hier im Blog droht, denn der Aufruf wird wohl von allen demokratisch Gesinnten unterstützt werden, auch wenn das Mittel der Demonstration sowohl überflüssig als auch kontrovers ist, weil es die Diskussion nicht fördert, schon aber das Aufeinander-Einbrüllen von politischen Gegnern über Polizeiketten hinweg und damit die Spaltung.
    Leider befördern Sie ja auch noch genau dieses durch Ihre unbeherrschte Sprache im ersten Absatz, mit der Sie denen Zulauf bescheren, gegen die Sie sich zu Recht wenden. Denn es ist nunmal so, daß Menschen sich auch in Ihrem Irrglauben dann bestärkt fühlen, wenn Sie nicht mit sachlicher Argumentation, sondern mit diffamierenden Beleidigungen konfrontiert werden. Aber wir stellen es ja immer wieder fest: Ihnen geht es nicht um die Sache, nämlich die Überzeugung derjenigen, die anderer Meinung sind, sondern um deren Beschimpfung und um Ihre Selbstdarstellung. Ein solches Verhalten fördert eher den Radikalismus als ihn zu begrenzen.
    Gerade angesichts eines Herbstes, in dem viele Unbesonnene, Unkritische und Egoistische, vor allem aber Intolerante die Straße zu besetzen drohen, gilt es mit Überzeugung in der Sache und Zurückhaltung in der Sprache Positionen zu besetzen, die kompromißfähig und verbindend, ja versöhnlich sind. Den Gegner – bei aller vielleicht vorhandenen Berechtigung – zu beschimpfen, treibt die Leute in sein Lager – und genau das tun Sie!
    „Verbal abrüsten“ – forderte im August einer Ihrer glühensten und unkritischsten Anhänger, und er hatte Recht. Aber dann müßten Sie ja plötzlich sachlich diskutieren – und das können Sie wohl inzwischen überhaupt nicht mehr.
    Ich grüße Sie,
    Andreas Schwerdtfeger

  6. Als im Winter 2021/22 viele Demonstrationen gegen die Impf-Diskriminierung verboten wurden, hatte das durchaus einen Anklang an 1989 – in einer Demokratie darf man ja eigentlich keine Demos verbieten. Besonders erschütternd war, dass eine Leipziger Erklärung vom 17. Dezember 2021 die „staatlichen Organe“ zur „unmissverständlichen Durchsetzung“ der Verbote aufrief. Das klang für mich durchaus nach einem autoritären, undemokratischen Staatsverständnis, das offenbar bis in die höchsten Spitzen der Stadt Unterstützung fand. Müsste man nicht gerade wegen solcher Tendenzen mehr Demokratie einfordern?

    1. Ich gehe einmal davon aus, dass Sie im Jahr 1989 an keiner Demonstration in Leipzig vor dem 09. Oktober 1989 teilgenommen haben – sonst hätte Ihnen die Hand beim Schreiben dieser Zeilen erstarren müssen. Alle Vergleiche zwischen heute und 1989 sind eine Beleidigung derer, die damals eine Diktatur zum Einsturz gebracht haben. Heute können wir in der Demokratie um die richtigen gesellschaftspolitischen Entscheidungen streitig ringen, den Klageweg beschreiten und bei Wahlen politische Weichenstellungen vollziehen. Vor allem aber können wir frei unsere Meinung äußern – Sie genauso wie ich selbst, ohne dass uns Sanktionen drohen.

      1. Wieso sind „alle Vergleiche zwischen heute und 1989 eine Beleidigung“? Damals im Jahr 1989 wurde auch für volles Demonstrationsrecht gestritten, und das ist jetzt offenbar nicht mehr gegeben – sogar das Verfassungsgericht erlaubt es jetzt, Demonstrationen mit fadenscheinigen Begründungen zu verbieten, und der Kanzler sagt, dass er davon auch Gebrauch machen will („Ich kenne keine roten Linien mehr“). Das wäre sicher nicht im Sinne der Demonstranten von 1989 gewesen, und auch nicht im Sinne derjenigen, die den „Aufbruch 2019 für mehr Demokratie“ unterzeichnet haben. Wir leben nicht in einer Diktatur wie vor 1989, aber die Demokratie ist durchaus gefährdet (auch durch übergriffige Behörden), und wir müssen uns immer wieder für die freiheitliche Ordnung einsetzen – im Jahr 2022 wie 1989.

    2. Vielleicht liegt es ja an meinem fortgeschrittenen Alter, dass ich mich nicht an „viele verbotene Demonstrationen gegen die Impf-Diskriminierung (?)“  Ende 2021 erinnern kann…
      Ebenso hatte ich eine gänzlich andere Erinnerung an Sinn und Formulierung der „Leipziger Erklärung vom Dezember 2021“ als H. Haspelmath!  Ich habe sie also nochmals „gegoogelt“ und bin doch sehr verwundert, wie er daraus ein „autoritäres, undemokratisches Staatsverständnis“ der Unterzeichner*innen der Erklärung ableitet. Ich kenne und schätze einige der Initiator*innen der Erklärung, stimme dieser auch aus heutiger Sicht nach wie vor zu, im Gegensatz zu H. Haspelmath.
      Aufrichtigkeit und Diskussionskultur scheinen mir in seinem Beitrag doch ziemlich ausbaufähig.

      1. Lieber Herr Käfer, können Sie sich nicht an die „Spaziergänge“ erinnern? Es gab hunderte, in vielen deutschen Städten, und sie waren eine Reaktion auf die Verbote legaler Demonstrationen. Herr Wolff kann sich bestimmt daran erinnern – er hat den Aufruf an die „staatlichen Organe“ ja auch mit unterzeichnet. Da ging es ja gerade darum, dass sehr viele Leute trotz der Verbote deminstriert haben (das war wirklich wie 1989)+, als die Demos ja auch verboten waren). Allerdings wurden diese Verbote in den Medien kaum thematisiert – das fand ich damals auch skandalös, und es hat mich an 1989 erinnert. Aber das Verfassungsgericht hatte der Politik absolut freien Raum für das Verbot von Demonstrationen gegeben („Ich kenne keine roten Linien mehr“), und deshalb gab es die illegalen Demonstrationen (oft mit dem Plakat: „Wir sind die rote Linie“; das sah man viel öfter als „Wir sind das Volk“). Ich sehe es als eine Reife der Bevölkerung, dass sehr viele Menschen trotz der Verbote auf die Straße gegangen sind, gerde in Ostdeutschland (aber auch im Westen). Man sollte diese Proteste ermutigen, statt sie zu diffamieren, denn wir brauchen eine lebendige Kultur des regierungskritischen Protests.

        1. Ich erinnere mich vor allem daran, dass diese sog. „Spaziergänge“ von den rechtsnationalistischen Demokratiefeinden wie AfD und „Freie Sachsen“ und „Compact“ u.a. initiiert und gesteuert waren und dass diese zu einem Sammelbecken von Menschen wurden, die sich in Verschwörungsmythen ergehen, der Nährstoff des Rechtsnationalismus. Wenn Sie, lieber Herr Haspelmath, meinen, diese Gruppierungen unterstützen zu müssen und dazu noch die Chuzpe aufbringen, mich und andere aufzufordern, dem zu folgen, dann können Sie das gerne tun. Nur dürfen Sie nicht erwarten, dass wir uns auf diese Ebene begeben. Beste Grüße Christian Wolff

        2. Der Satz: Spaziergänge waren eine Reaktion auf die vielen verbotenen, legalen Demonstrationen verdeutlicht ganz gut, was ich mit fehlender Aufrichtigkeit Ihrer Argumentaion meine, H. Haspelmath.
          Ich kenne keine einzige „legale“ Demonstration, die „verboten“ wurde!
          Ich erinnere mich dagegen sehr wohl an geltende Richtlinien für Demonstrationen während der Corona-Pandemie, z.B. die Begrenzung von Teilnehmerzahlen, oder die Verpflichtung zum Tragen von Masken. Aus heutiger Sicht mag man über die damals geltenden Richtlinien  kontrovers diskutieren  – allein sie waren Stand der Diskussion. Und eine (mehrheitlich rechtspopulistische, verschwörungsideologische) Gruppe von Akteuren hat versucht, diese Richtlinien durch sogenannte „spontane“ Spaziergänge zu unterlaufen!
          Dies mit den Montagsdemonstrationen von 1989 zu vergleichen ist nicht nur unaufrichtig, es ist für mich infam!!
          Es beschämt mich zutiefst, wie Sie z.B.  Fr. Oltmans oder Fr. Kallenbach daraus ein autoritäres, undemokratisches Staatsverständnis unterstellen!

          1. Wie kommen Sie darauf, Herr Käfer, dass die „Spaziergänge“ mehrheitlich rechtspopulistisch waren? Aus den Medienberichten geht das nicht hervor – ich denke, die Menschen haben vor allem gegen die 2G-Diskriminerung und gegen die Veranstaltungsverbote protestiert. Und die behördlichen Verbote waren fadenscheinig – es gab niemals auch nur den Hauch einer Begründung dafür, genehmigte Demonstrationen auf 10 Personen zu beschränken. Da hat unsere Demokratie schlimm versagt, und wir müssen das unbedingt aufarbeiten – das gilt vor allem auch für meine Branche (die Wissenschaft, die viel zu unkritisch war).

          2. Für die völlig zutreffende Feststellung von Herrn Käfer brauche ich keine „Medienberichte“, sondern dazu reicht mir der persönliche Augenschein. Es gab auch keine „behördliche Verbote“, sondern Auflagen (wie bei jeder Demo).

  7. „Das ist ein so durchsichtiges, niederträchtiges Treiben, dass man sich nur wundern kann, dass darauf überhaupt noch jemand hereinfallen und den rechten Rattenfängern nachlaufen kann.“
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    Ich glaube nicht, dass ein Großteil der Demonstranten auf die rechten Rattenfänger hereinfällt. Vielmehr schließen sich viele Demonstranten ganz bewusst den Rechtspopulisten an – nur um ihrer Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien Ausdruck zu verleihen. Dass sie damit der Demokratie in unserem Land schaden, nehmen sie bewusst in Kauf. Der frühere Ministerpräsident Prof. Kurt Biedenkopf sprach von einem „Bodensatz“ in der Gesellschaft, der für Rechtsextremismus empfänglich sei. Ebenso der damalige sächsische CDU-Generalsekretär und heutige Ministerpräsident Michael Kretschmer (LVZ vom 29.09.2015).

      1. Ich sehe das nicht so. Sicher war Biedenkopf profilierter als alle seine Nachfolger. Doch wurde vor allem seine konservative Industriepolitik geschätzt. Insofern ist auch Kretschmer kein „gnadenloser Oppurtunist“ wie Sie schrieben, lieber Herr Wolff. Die erste SPD-Kandidatin für das Amt des Ministerpräsidentin, Anke Fuchs, war auch sehr profiliert. Doch ihre Partei konnte die Mehrheit nicht erringen. Und ob sozialdemokratisch geführte Landesregierungen das Erstarken der Rechtspopulisten hätte verhindern können, wage ich zu bezweifeln – siehe die kürzlichen Zugewinne der AfD bei der Niedersachsenwahl, wo mit Weil auch ein gestandener SPD-Ministerpräsident zur Wahl stand.

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