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„Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“ – der neue Cantus firmus für den Kreuzchor?

Die ehemalige Oberbürgermeisterin von Dresden, Helma Orosz, hat am 18. März 2016 in der Sächsischen Zeitung (SZ) auf meine Kritik am Kreuzchor geantwortet (http://www.sz-online.de/nachrichten/kultur/kreuzchor-fuer-alle-3350592.html) . Dazu habe ich eine Entgegnung verfasst.

Zunächst ehrt es die ehemalige Oberbürgermeisterin von Dresden, Helma Orosz, dass Sie sich in die Debatte um die inhaltliche Ausrichtung des Dresdner Kreuzchors einschaltet. Dabei kann es nicht überraschen, dass sie noch ganz beseelt wirkt vom Festakt in der Semperoper und die Kritik daran – natürlich mit Fragezeichen versehen, denn ein/e Dresdner/in wird sich doch nicht eindeutig äußern – als kleinlich, eng, bösartig und bewusst missdeutend zurückweist. Aber setzt sie sich wirklich mit den Argumenten auseinander? Eigentlich an keiner Stelle. Unstrittig ist: Marketing muss sein, Popularisierung der geistliche Musik auch. Darum habe ich auch nichts gegen ein Weihnachtskonzert des Kreuzchores im Dynamo-Stadion. Auch muss der Dresdner Kreuzchor wie jede kulturelle Institution in städtischer oder kirchlicher Trägerschaft nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt werden und ist auf Sponsoren angewiesen. Soweit gibt es keinen Dissens. Die Kritik setzt da ein, wo Inhalte verloren zu gehen drohen. Wenn sich der Kreuzchor in seinem Werbeauftritt und Logo vom Kreuz verabschiedet, dann ist das keine gestalterische Frage – dann verbirgt sich dahinter eine inhaltliche Weichenstellung. Also muss man kritisch fragen: Warum diese Kehrtwende? Was stört den Chor, was stört die Stadt Dresden am Kreuz? Warum nimmt der Kreuzchor in seinen Publikationen zum Jubiläumsjahr kaum Bezug auf die inhaltlichen Aspekte der biblischen Botschaft, auf die reformatorische Verbindung von Bildung und Glauben, auf die Musik als die universal verstehbare Sprache der Überzeugungen der jüdisch-christlichen Glaubenstradition? Warum spielte das in den Reden in der Semperoper so gut wie keine Rolle? Das Wort „Reformation“ kam meiner Erinnerung nach nicht einmal vor. Und schließlich: Warum scheint es in Dresden niemanden zu interessieren, welches Sinn stiftende, Werte bildendes und in der Tradition verankertes Angebot wir in der multikulturellen Gesellschaft und im interreligiösen Dialog machen können? Ist es da ein Zufall, dass man die große Chance ungenutzt hat verstreichen lassen, beim Weihnachtskonzert im Dynamo-Stadion ein deutliches Zeichen zu setzen für die vielbeschworene Weltoffenheit und gegen das ekelhafte, deutschtümelnde Abgrölen von Weihnachtsliedern durch die Pegida-Hetzer am anderen Elbufer? Es mutet eben sehr merkwürdig an, dass auf der einen Seite OBM Dirk Hilbert beim „Bürgerdialog“ in der Kreuzkirche beklagt, dass in Dresden alle irgendwie „feststecken“, auf der anderen Seite aber wenige Tage später eine mögliche, klare Positionierung durch ihn oder den Kreuzkantor vor 12.000 oder 18.000 Menschen versäumt wird. Meine Vermutung: Das alles ist kein Zufall, sondern Folge von einer inhaltlichen Reduzierung des Chores auf schwammige Begriffe wie „Öffnung“, „Neues“. Aber womit soll sich der Chor öffnen? Welche Botschaft will er mit seiner Musik vermitteln? Was bedeutet ihm die Trias von „glauben, singen, lernen“? Es geht eben nicht nur um die Noten, sondern auch um den Text, der unter den Noten steht. Es geht um das Wort, das Wort des lebendigen Gottes. Dieses zu singen, ist Auftrag des Kreuzchores. Dass dieser sich wie der Thomanerchor Leipzig seit der Reformation in städtischer Trägerschaft befindet, hat wohl an der Finanzierung und Struktur etwas geändert, aber nichts an seinem geistlichen Auftrag. Dass die Erfüllung dieses Auftrags öffentlich geschieht, also allen Menschen offen steht, das allerdings war die große mit der Reformation verbundene Errungenschaft des Trägerwechsels. Frau Orosz sollte also zur Kenntnis nehmen, dass ihre Zukunftsvision „Kreuzchor für alle“ seit mindestens 475 Jahren schon längst auf der Tagesordnung von Kreuzkirche, Kreuzchor, Kreuzschule steht und Wirklichkeit geworden ist.

Dass aber nun Frau Orosz in ihrem Artikel die Verbindung zwischen der Stadt Dresden und dem Kreuzchor zur inhaltliche Grundlage des Jubiläums erklärt (ohne die Kirche zu erwähnen), um dann mit drohendem Unterton darauf hinzuweisen, dass die Stadt im Endergebnis die Kreuzkirche finanzieren würde und dass die Stadträte darum die Wortmeldungen der Kirche genau verfolgen – das zeigt unmissverständlich, um was es ihr wirklich geht: Kirche, halt dich bitte zurück, sonst werden wir dir den Geldhahn zudrehen. Diese Drohgebärde setzt sich in ihrem Artikel fort: „Die Kirche braucht den Chor stärker, als dies umgekehrt der Fall ist“ stellt Frau Orosz fest, um dann gleich noch nachzuschieben, dass man mit der Aufführung des Weihnachtsoratoriums auch in den Kulturpalast gehen könne. Das allerdings zeigt, dass es der „Christin und ehemaligen Oberbürgermeisterin“ in ihrem Artikel hauptsächlich darum geht, die „Vorherrschaft“ der Stadt zu reklamieren und die Kirche ein bisschen einzuschüchtern. Gleichzeitig versucht sie den Kreuzkantor mit Schmeicheleinheiten zum geschmeidig funktionierenden städtischen Angestellten zu degradieren. Schließlich wird er von der Stadt bezahlt. Da wünscht man sich ein deutlich-kantiges Wort des Kreuzkantors sowie der Verantwortlichen von Kreuzkirche und Kreuzschule. Denn jetzt ist offensichtlich, was hinter der Marketing-Strategie steht: den Kreuzchor zu einem x-beliebigen Stadtsingechor zu machen, der sich gefälligst nach dem Grundsatz zu richten hat: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“. Wenn jetzt Kirche, Chor und Schule weiter schweigen, dann sollen sie sich bitte nicht beschweren, wenn sie samt Choristen demnächst von biederen städtischen Kulturbürokraten am Nasenring durch Rathaus, Semperoper und Kulturpalast gezogen werden.

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