Am frühen Ostermorgen werden vor vielen Kirchen Osterfeuer entfacht, an denen die Osterkerze angezündet und dann in die dunkle Kirche getragen wird. Die Botschaft ist eindeutig: Christus, das Licht, möge die Finsternis dieser Welt erhellen. In der Nacht von Karfreitag auf Karsamstag wurde in Tröglitz mutwillig ein Brand in dem Haus gelegt, das für die Unterbringung von 40 Asylbewerbern vorgesehen ist und dafür hergerichtet wurde. Eine Straftat, ein Verbrechen, das nur Dunkelheit verbreitet und Hoffnung vieler Menschen zerstört – insbesondere der Menschen, die bei uns Zuflucht suchen. Zurück bleibt ein Trümmerhaufen – nicht nur von verkohltem Gebälk, auch ein Trümmerhaufen rechtsradikalen Gedankenguts und kollektiven Beschwichtigens. Was in Tröglitz geschehen ist, wirkt wie ein Mikrokosmos dessen, was seit Monaten insbesondere durch Pegida/Legida an Hass geschürt worden ist und durch allzu viele beschönigend als „Sorgen und Ängste der Menschen“ verharmlost wurde. Doch wenn diese zu Flammenwerfern werden, muss es vorbei sein mit der Verständnisduselei. Es bedarf keiner besonderen analytischen Fähigkeiten, um zu erkennen: Die „Spaziergänger“ in Dresden und anderswo haben nur eines im Sinn: Fremde auszugrenzen, Freiheit einzugrenzen, Pluralität nicht zuzulassen – mit dem Ziel: Deutschland „rein“ zu halten, um sich der Schimäre einer hehren „abendländischen Kultur“ hinzugeben. Wer die montäglichen Reden verfolgt, dem kann nicht verborgen geblieben sein: Pegida/Legida will eine Stimmung erzeugen, in der das selbsternannte „Wir sind das Volk“ sich über alles hinwegsetzen kann, was die „Volksverräter“, also diejenigen, die in Stadträten und Parlamente, in Rathäusern und Regierungen sitzen, in einem demokratischen Prozess beraten und beschließen. Den Rest soll dann der „Volkszorn“ besorgen, der gezielt in Wallung gebracht wurde und wird – wie jetzt in Tröglitz, aber auch anderswo. Eine feine Arbeitsteilung zwischen Pegida/Legida und NPD! Und wie reagieren die Menschen, die Bürgerinnen und Bürger vor Ort? Noch am Donnerstag war in den Zeitungen zu lesen, wie auf der Bürgerversammlung in Tröglitz diejenigen die Debatte bestimmten, die gegen Asylbewerber und verantwortliche Politiker pöbeln und krakeelen, während sich der „Normalbürger“ weiter versucht herauszuhalten. Doch das geht nicht mehr. Jetzt heißt es auch in Tröglitz wie andernorts: einstehen für die Werte des Abendlandes, für die Grundwerte, die wir dem christlichen Glauben verdanken, für die Möglichkeiten, die uns durch die Auferstehung Jesu von den Toten eröffnet werden. Jetzt heißt es, ohne Wenn und Aber Front zu machen gegen die, die so tun, als ginge es ihnen um „besorgte Menschen“. Dabei geht es Pegida/Legida lediglich darum, die übelsten rechtsradikalen Strickmuster und Vorurteile salonfähig zu machen. Dem gilt es zu widerstehen – nicht nur in Tröglitz! Denn Tröglitz ist überall. Möge durch die Osterfeuer und die Osterkerze am morgigen Ostersonntag Licht in die Finsternis nationalistischer Borniertheit dringen und möge die Botschaft von Jesu Auferstehung von Toten uns darin stärken, unserer Gesellschaft das tödliche Gift von Pegida/Legida zu entziehen und keine Menschenverfeindung zuzulassen. Die Zeit des Betrachtens und Beschönigens ist endgültig vorbei.
Nachtrag am Ostermorgen: Im Ostergottesdienst in der Thomaskirche wurde heute die Choral-Kantate „Christ lag in Todesbanden“ (BWV 4) durch den Thomanerchor und das Gewandhausorchester aufgeführt. Im Zentrum der Kantate steht die 4. Strophe des Luther-Liedes:
Es war ein wunderlicher Krieg, da Tod und Leben ‚rungen; / das Leben behielt den Sieg, / es hat den Tod verschlungen. / Die Schrift hat verkündet das, wie ein Tod den andern fraß, / ein Spott aus dem Tod ist worden. / Halleluja.
Ein Tod frisst den andern – dieses Bild beschreibt nicht nur die grausame Wirklichkeit, die uns kaum an Auferstehung glauben lässt: wie die Todessehnsucht eines Piloten das Leben von 149 Menschen auffrisst; wie die Todessucht islamistischer Terroristen in Garissa/Kenia über 142 zumeist christliche Studierende mit tötet; wie tödlich-herrische Überlegenheit von Brandstiftern die Lebensmöglichkeiten von Asylbewerbern in Flammen aufgehen lassen will. Tod gebiert Tod. So scheint der Naturkreislauf zu funktionieren. So sehen es leider immer noch und wieder allzu viele Menschen, mit dem fatalen Nebengedanken: Der Stärkere wird sich durchsetzen. Das ist dann die Rechtfertigung für den nächsten tödlichen Fraß. Doch Luther verfolgt mit der Strophe noch einen anderen Gedanken: Ein Tod, nämlich der Jesu am Kreuz, frisst den allgegenwärtigen Tod und macht ihn unschädlich, zum Spott. Der Selbstvernichtungsmechanismus der Menschen wird unterbrochen. Wenn wir uns darauf einlassen, dann stehen wir zum einen fassungslos vor unseren eigenen Vernichtungsabsichten; zum andern können wir Alternativen des Lebens aufzeigen. Diese konkret werden zu lassen in Tröglitz, in Leipzig, in Kenia, in Haltern, ist die Herausforderung und Aufgabe von uns Christen.
Siehe auch Blog: http://wolff-christian.de/verfassungsschutz-bleibt-sich-treu-ein-notwendiger-nachtrag/