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Abenteuerlicher Beschluss der sächsischen Landessynode

Dass die Synode der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens zwischen dem 15. und 18. November 2019 eine schwierige Tagung zu absolvieren hatte, war nach dem Rücktritt von Dr. Carsten Rentzing vom Amt des Landesbischofs vorhersehbar. Die Schwierigkeit lag nicht nur darin, dass Rentzing eine Würdigung seiner Arbeit eingefordert hatte und durch den Vorsitzenden der Synode Otto Guse auch erfuhr. Auch seine 25-minütige Rede, die zu halten er sich ausbedungen hatte, war nur schwer zu ertragen. Denn in dieser ließ er nicht nur zwei seiner Töchter zu Wort kommen und sich durch diese auf den Opfer-Sockel heben. Von diesem Sockel herab gab er auch noch zwei Empfehlungen an die Landeskirche und -synode: zum einen nicht in den Biographien von Menschen „herumzuwühlen“; zum andern solle man verweigerte Loyalität zu den Beschlüssen von kirchlichen Gremien, die „einzufordern“ ist, mit einer „Exkommunikation aus der kirchlichen Gemeinschaft“ gleichsetzen. Sehr ernüchternd, dass all dies in der Dresdner Lutherkirche mit viel Beifall bedacht wurde.

Doch die Landessynodalen beließen es nicht beim Beifall. Als ob sie die Rentzing-Rede als Auftrag betrachten, fassten sie mehrheitlich (inzwischen wurde ich korrigiert: der Beschluss fiel einstimmig aus) einen mehr als abenteuerlichen Beschluss:

Das Landeskirchenamt wird gebeten, Richtlinien für die Nutzung und Kommunikation über soziale Medien für alle kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erstellen. Diese Richtlinien sollen dem Umstand Rechnung tragen, dass jegliche öffentliche Kommunikation kirchlicher Beschäftigter in der Regel als Äußerung der Kirche wahrgenommen wird. Die Richtlinien sollen als Orientierung zum Verhalten im öffentlichen Leben der Medienkommunikation unter Wahrung der bürgerlichen Freiheitsrechte dienen.

Mit diesem Beschluss stellt die Landessynode die Ereignisse auf den Kopf. Denn ungesagt wird hier die Mär weiter kolportiert, als sei die Kommunikation in den sozialen Medien die eigentliche Ursache für den Rentzing-Rücktritt (so wie er es auch selbst darstellt). Ursache für den Rücktritt ist aber das, was Rentzing in den vergangenen 30 Jahren öffentlich geäußert hat und wie er damit umgegangen ist und geht. Was Rentzing in der Zeitschrift „Fragmente“ veröffentlicht hat, war und ist völlig unabhängig von der Auflagenstärke öffentlich zugänglich. Die Zeitschrift trug eine ISBN-Nummer und kann in Bibliotheken eingesehen werden. Da musste weder geschnüffelt noch gewühlt werden. Was heute eine online-Petition ist, war früher ein „offener Brief“, ein Flugblatt oder ein: Thesenanschlag.

Aber davon abgesehen zeigt der Beschluss der Landessynode vor allem eines: Zu viele in der Landeskirche haben entweder überhaupt kein oder aber ein völlig verqueres Verhältnis zur Öffentlichkeit. Öffentliche Kommunikation gibt es nicht erst seit dem Internet, Facebook, Twitter und Instagram. Öffentliche, freie, unkontrollierte Kommunikation war zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Voraussetzung für den Erfolg der Reformation! Sie ermöglichte das Priestertum aller Gläubigen und Befreiung aus selbst verschuldeter und autoritär verordneter Unmündigkeit – also genau das, was uns durch Jesus Christus zugesprochen wird. Seit dieser Zeit sprechen wir in den Kirchen von öffentlicher Wortverkündigung und lösen damit nur das ein, was Jesus den Jüngern aufgetragen hat: in alle Welt zu gehen (Die Bibel: Matthäus 28,16-20). Daran hat sich durch eine online-Petition an den damaligen Landesbischof und durch Debatten im sog. Netz nichts geändert. Oder stellt sich die Landessynode vor, das Landeskirchenamt könne nun kirchlich angestellte Nutzer/innen der sozialen Medien durch „Richtlinien“ disziplinieren oder gar zensieren? Offensichtlich gibt es immer noch Leute, die der Überzeugung sind, sog. innerkirchliche Vorgänge und Debatten hätten in der Öffentlichkeit nichts zu suchen. Wir sind aber als Kirche eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Alles, was wir tun und lassen, was wir reden und verschweigen, spielt sich in der nicht nur kirchlichen, medialen Öffentlichkeit ab, kann von jedermann/frau zur Kenntnis genommen, hinterfragt und kritisiert werden und muss dem Recht standhalten. Das ist kein Schaden oder Nachteil. Das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass wir als Kirche in aller gebotenen Freiheit unserem Auftrag gerecht werden – und natürlich um den richtigen Weg ringen.

Darum kann die Aufforderung ans Landeskirchenamt, „Richtlinien für die Nutzung und Kommunikation über soziale Medien für alle kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erstellen“, kaum anders als eine verdeckte Aufforderung zur Zensur gewertet werden. Offensichtlich soll dadurch eine freie, offene Debattenkultur in der Landeskirche eingeschränkt werden. Da darf man gespannt sein, ob nicht schon die hier vorgebrachte Kritik an dem Beschluss der Landessynode als ein Beitrag zur Loyalitätsverweigerung angesehen, als „Selbst-Exkommunikation“ gewertet und in Zukunft durch eine entsprechende Richtlinie verhindert werden soll. Jedenfalls kann ich der Landessynode, dem Landeskirchenamt und der Kirchenleitung nur dringend empfehlen, statt „Richtlinien für die Nutzung von sozialen Medien“ zu erlassen, sich über zwei Dinge zu verständigen:

  1. Was macht den Unterschied zwischen „Kritik“ und „Richten“ aus? Hier eine Anregung: Kritik wird geäußert, um einen Meinungsstreit zu initiieren oder an ihm teilzunehmen – ist also immer vorläufig und veränderbar. Richten hat etwas Endgültiges an sich. Darum wird theologisch gesehen das Richten/Gericht allein Gott vorbehalten. Darum auch das Verbot der Todesstrafe, weil diese materiell Endgültigkeit beinhaltet.
  2. Wie können in den landeskirchlichen online-Auftritten Anonymität verhindert und darauf geachtet werden, dass zu jeder Meinung ein Name und Gesicht gehört. Mir ist jedenfalls aufgefallen, dass der größte Teil der zahlreichen, mich mehr beschimpfenden als kritisierenden Mails aus dem Kreis evangelikaler Christenmenschen entweder anonym oder mit gefälschten IP-Adressen gesandt wurde. Anonym war übrigens auch die online-Petition, die Rentzing unterstützten sollte. Die angeblich über 20.000 Unterstützer/innen blieben weitgehend anonym. Aber da sind wir wieder bei dem gestörten Verhältnis zur Öffentlichkeit.

Abschließend frage ich am heutigen Buß- und Bettag: Soll so, wie die Landessynode sich das vorstellt, der Weg aussehen, der uns aus der Vertrauenskrise herausführt?

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