Dass die Synode der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens zwischen dem 15. und 18. November 2019 eine schwierige Tagung zu absolvieren hatte, war nach dem Rücktritt von Dr. Carsten Rentzing vom Amt des Landesbischofs vorhersehbar. Die Schwierigkeit lag nicht nur darin, dass Rentzing eine Würdigung seiner Arbeit eingefordert hatte und durch den Vorsitzenden der Synode Otto Guse auch erfuhr. Auch seine 25-minütige Rede, die zu halten er sich ausbedungen hatte, war nur schwer zu ertragen. Denn in dieser ließ er nicht nur zwei seiner Töchter zu Wort kommen und sich durch diese auf den Opfer-Sockel heben. Von diesem Sockel herab gab er auch noch zwei Empfehlungen an die Landeskirche und -synode: zum einen nicht in den Biographien von Menschen „herumzuwühlen“; zum andern solle man verweigerte Loyalität zu den Beschlüssen von kirchlichen Gremien, die „einzufordern“ ist, mit einer „Exkommunikation aus der kirchlichen Gemeinschaft“ gleichsetzen. Sehr ernüchternd, dass all dies in der Dresdner Lutherkirche mit viel Beifall bedacht wurde.
Doch die Landessynodalen beließen es nicht beim Beifall. Als ob sie die Rentzing-Rede als Auftrag betrachten, fassten sie mehrheitlich (inzwischen wurde ich korrigiert: der Beschluss fiel einstimmig aus) einen mehr als abenteuerlichen Beschluss:
Das Landeskirchenamt wird gebeten, Richtlinien für die Nutzung und Kommunikation über soziale Medien für alle kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erstellen. Diese Richtlinien sollen dem Umstand Rechnung tragen, dass jegliche öffentliche Kommunikation kirchlicher Beschäftigter in der Regel als Äußerung der Kirche wahrgenommen wird. Die Richtlinien sollen als Orientierung zum Verhalten im öffentlichen Leben der Medienkommunikation unter Wahrung der bürgerlichen Freiheitsrechte dienen.
Mit diesem Beschluss stellt die Landessynode die Ereignisse auf den Kopf. Denn ungesagt wird hier die Mär weiter kolportiert, als sei die Kommunikation in den sozialen Medien die eigentliche Ursache für den Rentzing-Rücktritt (so wie er es auch selbst darstellt). Ursache für den Rücktritt ist aber das, was Rentzing in den vergangenen 30 Jahren öffentlich geäußert hat und wie er damit umgegangen ist und geht. Was Rentzing in der Zeitschrift „Fragmente“ veröffentlicht hat, war und ist völlig unabhängig von der Auflagenstärke öffentlich zugänglich. Die Zeitschrift trug eine ISBN-Nummer und kann in Bibliotheken eingesehen werden. Da musste weder geschnüffelt noch gewühlt werden. Was heute eine online-Petition ist, war früher ein „offener Brief“, ein Flugblatt oder ein: Thesenanschlag.
Aber davon abgesehen zeigt der Beschluss der Landessynode vor allem eines: Zu viele in der Landeskirche haben entweder überhaupt kein oder aber ein völlig verqueres Verhältnis zur Öffentlichkeit. Öffentliche Kommunikation gibt es nicht erst seit dem Internet, Facebook, Twitter und Instagram. Öffentliche, freie, unkontrollierte Kommunikation war zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Voraussetzung für den Erfolg der Reformation! Sie ermöglichte das Priestertum aller Gläubigen und Befreiung aus selbst verschuldeter und autoritär verordneter Unmündigkeit – also genau das, was uns durch Jesus Christus zugesprochen wird. Seit dieser Zeit sprechen wir in den Kirchen von öffentlicher Wortverkündigung und lösen damit nur das ein, was Jesus den Jüngern aufgetragen hat: in alle Welt zu gehen (Die Bibel: Matthäus 28,16-20). Daran hat sich durch eine online-Petition an den damaligen Landesbischof und durch Debatten im sog. Netz nichts geändert. Oder stellt sich die Landessynode vor, das Landeskirchenamt könne nun kirchlich angestellte Nutzer/innen der sozialen Medien durch „Richtlinien“ disziplinieren oder gar zensieren? Offensichtlich gibt es immer noch Leute, die der Überzeugung sind, sog. innerkirchliche Vorgänge und Debatten hätten in der Öffentlichkeit nichts zu suchen. Wir sind aber als Kirche eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Alles, was wir tun und lassen, was wir reden und verschweigen, spielt sich in der nicht nur kirchlichen, medialen Öffentlichkeit ab, kann von jedermann/frau zur Kenntnis genommen, hinterfragt und kritisiert werden und muss dem Recht standhalten. Das ist kein Schaden oder Nachteil. Das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass wir als Kirche in aller gebotenen Freiheit unserem Auftrag gerecht werden – und natürlich um den richtigen Weg ringen.
Darum kann die Aufforderung ans Landeskirchenamt, „Richtlinien für die Nutzung und Kommunikation über soziale Medien für alle kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erstellen“, kaum anders als eine verdeckte Aufforderung zur Zensur gewertet werden. Offensichtlich soll dadurch eine freie, offene Debattenkultur in der Landeskirche eingeschränkt werden. Da darf man gespannt sein, ob nicht schon die hier vorgebrachte Kritik an dem Beschluss der Landessynode als ein Beitrag zur Loyalitätsverweigerung angesehen, als „Selbst-Exkommunikation“ gewertet und in Zukunft durch eine entsprechende Richtlinie verhindert werden soll. Jedenfalls kann ich der Landessynode, dem Landeskirchenamt und der Kirchenleitung nur dringend empfehlen, statt „Richtlinien für die Nutzung von sozialen Medien“ zu erlassen, sich über zwei Dinge zu verständigen:
- Was macht den Unterschied zwischen „Kritik“ und „Richten“ aus? Hier eine Anregung: Kritik wird geäußert, um einen Meinungsstreit zu initiieren oder an ihm teilzunehmen – ist also immer vorläufig und veränderbar. Richten hat etwas Endgültiges an sich. Darum wird theologisch gesehen das Richten/Gericht allein Gott vorbehalten. Darum auch das Verbot der Todesstrafe, weil diese materiell Endgültigkeit beinhaltet.
- Wie können in den landeskirchlichen online-Auftritten Anonymität verhindert und darauf geachtet werden, dass zu jeder Meinung ein Name und Gesicht gehört. Mir ist jedenfalls aufgefallen, dass der größte Teil der zahlreichen, mich mehr beschimpfenden als kritisierenden Mails aus dem Kreis evangelikaler Christenmenschen entweder anonym oder mit gefälschten IP-Adressen gesandt wurde. Anonym war übrigens auch die online-Petition, die Rentzing unterstützten sollte. Die angeblich über 20.000 Unterstützer/innen blieben weitgehend anonym. Aber da sind wir wieder bei dem gestörten Verhältnis zur Öffentlichkeit.
Abschließend frage ich am heutigen Buß- und Bettag: Soll so, wie die Landessynode sich das vorstellt, der Weg aussehen, der uns aus der Vertrauenskrise herausführt?
38 Antworten
Zitat von Herrn Dr. Hans Georg von Heydebreck (s.d.):
„Im Himmel ist mehr Freude über einen reuigen Sünder denn über neunundneunzig Gerechte“.
Es sei diesem Kommentator dringend angetragen, dass – liest man die Erklärung des nun Nichtmehr-Bischof Dr. C. Rentzing vom 15.11.2019 nun wirklich einmal sehr genau – Herr Rentzing kaum bereit war, die Rolle des reuigen Sünders anzunehmen. Nein – er signalisierte ganz andere Auffassungen, die partiell von Selbstgerechtigkeit und Angriff wider den anderen Sündern (die ihn mobbten, nachtraten, übel Nachreden verbreiteten etc.pp.) gar nicht weit entfernt war.
Inzwischen erkannten kluge Kirchenleute, dass die Rechtfertigungsrede Rentzings „seiner“ Kirche und vor allem dem Bischofsamt per se großen Schaden zufügte.
Und, Herr Heydebreck:
Fokusieren Sie bitte mit Ihren wenig erbaulichen Verbalien nicht dauernd auf Chr. Wolff; außer ihm gibt es Unmut allerorten in Sachsen zu Rentzings Causa; divide et impera taugt auch hier gar nicht!
Und anständig ist es allemal nicht.
Jo.Flade
Lieber Herr Pfarrer i. R. Wolff, nachdem Sie sich so vehement am Mobbing gegen Altbischof Rentzing beteiligt und nun auch noch kräftig nachgetreten haben, befriedigt es doch sehr, dass Sie in Ihrem eigenen Blog in den letzten Tagen so überzeugend kritisiert, nein eigentlich widerlegt wurden, dass man dazu eigentlich weiter nichts zu sagen bräuchte. Zufällig, und leider erst heute, flattert mir aber ein Leserbrief aus der FAZ auf den Tisch, der genau in diese Diskussion passt und einige treffende Argumente enthält, die bisher noch nicht genannt wurden. Ich füge ihn daher im Original hier an:
„SAMSTAG, 19. OKTOBER 2019
Der Gipfel an Intoleranz
Zu „Verdrängte Vergangenheit“ von Reinhard Bingener (F.A.Z. vom 14. Oktober): Im Rahmen meiner früheren Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche ist mir noch die Sentenz geläufig „Im Himmel ist mehr Freude über einen reuigen Sünder denn über neunundneunzig Gerechte“.
Wenn ich nun in der F.A.Z. lese, dass der evangelische Landesbischof von Sachsen, Carsten Rentzing, von seinem Amt zurückgetreten ist, weil er als spätpubertärer Jüngling angeblich demokratiefeindliche und fragwürdige Texte in einem rechten Journal publiziert hat, dann kann ich mich über die dahinterstehenden Kirchenstrukturen und das hierarchische Machtgefälle in der EKD nur wundern!
Wozu gibt es den Begriff der Jugendsünde? Politiker wie Winfried Kretschmann oder wie Jürgen Trittin oder wie der ehemalige Außenminister Joseph Fischer sind in ihrem zweiten und dritten Lebensjahrzehnt Kommunisten und Angehörige anderer K-Gruppen gewesen, sie sind nach Läuterungsprozessen längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen und heute respektable Minister, Ministerpräsident und in anderen staatstragenden Funktionen tätig.
Auch als Nichtchrist danke ich meinem Schöpfer, dass niemand meine Briefe und Traktate aus der Sturm-und-Drang-Zeit auf Political Correctness und Demokratiegesinnung überprüft und ausgewertet hat.
Besonderen Anstoß nehme ich daran, dass die Gegner Rentzings in einer Petition gefordert haben, Rentzing möge seine Beziehungen zu seiner schlagenden Studentenverbindung „Alte Prager Landsmannschaft Hercynia“ unverzüglich beenden.
Dieser Gipfel an Intoleranz ist nur noch mit Ignoranz zu erklären. Die waffenstudentischen Verbindungen sind eine heterogene Gruppierung, und es zeugt von geradezu peinlichem Unwissen, wenn gewissermaßen alle schlagenden Verbindungen über einen Kamm geschoren werden.
Als Kösener Corpsstudent stehe ich für eine offene Gesellschaft, für Demokratie, für Gleichberechtigung der Geschlechter, für Toleranz sowie für Anstand, Rechtstreue und Ehrenhaftigkeit.
Vielleicht entspricht das nicht dem Zeitgeist. Die Ideale der Studentenverbindungen wie insbesondere die Freundschaft der Mitglieder auf Lebenszeit sind zeitlos, und deshalb überdauert die Mehrheit der Studentenverbindungen schon mehr als zwei Jahrhunderte!
Professor Dr. med. Dr. h.c. mult. Hans-Werner Springorum, Bad Mergentheim“
Soweit der Leserbrief. Vielleicht sollten Sie als Pfarrer i. R. in Zukunft in Ihrer Wortwahl auch etwas toleranter sein, damit unsere Kirche nicht noch mehr Mitglieder verlassen – wie Anhänger Ihre Partei, die SPD!
Viel interessanter und aufschlussreicher als dieser Leserbrief ist, lieber Herr von Heydebreck, der Artikel von Reinhard Bingener. Da ist der aufschlussreiche Satz zu lesen: Einen Bischof, der lügt, braucht niemand. Christian Wolff
Nun, Herr Weiss, die Frage von Herrn Schulten, wieviel Wahrheit die Menschen eigentlich vertragen können, haben Sie ja nun für sich erschöpfend beantwortet: Nicht viel! Wer nur seine Meinung für Wahrheit hält, der verträgt sie eben nicht. Und wer so stolz auf seine Fakten ist, der sollte mal die Bibel lesen: Fast die gesamte Genesis dort ist offensichtlich „fake fact“; die so wunderbare Weihnachtsgeschichte hält in weiten Teilen keinem Faktencheck stand; von den monotheistischen Religionen hat (nur) die christliche ihren einen Gott irgendwie in drei Einheiten unterteilt (die katholische umgibt diese Trinität noch mit allerlei Heiligen mit einem „Zwischenstatus“) – alles Fakten! Religion und Glaube sind wichtig und wunderbar – nur eben nichts Faktisches sondern vielmehr Hoffnung, Wunsch und Sehnsucht. Es ist eben so, daß überwiegend – und auch bei uns in der politischen Diskussion – die Fakten wenig umstritten sind, die Meinungen darüber aber sehr (auch wenn Sie sie dann in lexikalischer Pedanterie „subjektive Wahrnehmung“ nennen). Und daß jeder seine Meinung für unumstößliche Wahrheit hält, beweisen Sie doch gerade.
Ich werde jetzt zur Abkühlung – das Heilige Dreigestirn wird sich freuen – diesem gegenüber bis Weihnachten eine einseitige Waffenruhe verkünden. Wenn es sich lohnt, antworte ich Ihnen dann im neuen Jahr. Und deshalb wünsche ich schon jetzt eine fröhliche Adventszeit, ein besinnnliches Weihnachtsfest und viele gute Vorsätze fürs Neue Jahr.
Andreas Schwerdtfeger
Ein Lexikonartikel, Herr Schwerdtfeger, ist ja offenbar durchaus geeignet, Ihr Denken und Schreiben in gewisser Weise zu ordnen. Wunderbar. Nur scheint es ausserhalb ihrer Vorstellungskraft zu liegen, dass es Zeitgenossen gibt, die nicht im Traume darauf kommen wuerden, ihre subjektive Wahrnehmung… warm oder kalt …. als Wahrheit zu bezeichnen. Denn die Wahrheit ist fuer sie….17 Grad Celsius. Soweit hierzu. Dass Sie nun aber Ihre Kausalkette gleich auch noch zur eigentlich zutreffenden >Definition< von Demokratie erheben, ist schon der Wandel auf sehr duennem Eis. Wir werden das jetzt nicht weiter diskutieren. Nur scheint mir, dass wir langsam dem Kern des hier stattfindenden Missverstaendnisses naeher kommen. Und deshalb darf ich Ihnen auch diesmal dringend die Beschaeftigung mit dem Demokratiebegriff anempfehlen. Nutzen Sie dazu beherzt durchaus auch einschlaegige Lexika! Das hilft….
Schoenen Abend
Weiss
Ob Sie wohl (Ober-)Lehrer sind, Herr Weiss? Eher wohl nicht, denn wer ein Lexikon braucht, um zu wissen, was er denkt …
Also ein (bewußt) einfaches Beispiel: Es ist 17° – das ist Fakt. Der eine empfindet es als kalt, der andere als warm; für beide ist dies jeweils die „Wahrheit“. Fazit: Es sind überwiegend nicht die Fakten, die umstritten sind. Es ist vielmehr ihre Interpretation, die individuell die „Wahrheit“ ausmacht. Und das ist letztlich auch die Definition von Demokratie – daß jeder seine eigene Wahrheit haben und vertreten darf und diese Wahrheiten können und müssen unterschiedlich sein und sind es meistens auch, obwohl sie auf denselben Fakten beruhen. Sie bilden sich ja sogar eine Meinung – und halten sie für die Wahrheit – über andere ganz ohne die Fakten über diese zu kennen. Alles keine höhere Einsicht sondern common sense.
Auch Ihnen einen schönen Sonntag.
Andreas Schwerdtfeger
Lieber Herr Plätzsch –
wie sehr Sie doch irren! Ich bin nicht mit Trump in einer Liga – ich bin mit der Toleranz in einer Liga. Mit DER Toleranz nämlich, die in Bescheidenheit erkennt, daß Fakten unterschiedlich INTERPRETIERBAR sind, daß Wahrheit also ein subjektiver Begriff ist und jeder von „seiner“ Wahrheit entsprechend seiner Interpretation der Fakten ausgeht. Wenn Sie mir allerdings eine allgemeingültige Defintion des Begriffes „Wahrheit“ – und wir reden hier dann von Meinungen, nicht von Fakten – liefern können, werde ich gerne mich überzeugen lassen. Das gleiche gilt übrigens für den Begriff der (sozialen) „Gerechtigkeit“.
Wer unterschiedliche Interpretation von Fakten nicht zulässt, der ist in der Trump’schen Liga – und das ist genau das Problem, das einige hier in dieser Diskussion haben.
Andreas Schwerdtfeger
Herr Schwerdtfeger, wenn Sie so freundlich sein wollen, nehmen Sie doch bitte diesen kurzen Artikel zur Kenntnis
https://de.wiktionary.org/wiki/Faktum
Es geht beim Faktum oder factum also um… Tatsaechliches, Verifiziertes….
Die Gegenbegriffe… Vermutung, Behauptung, Hypothese …. sind wohl eher das, wovon Sie hier reden….
Aber, ich weiss, Sie haben da sicher hoehere Einsicht…
Beste Gruesse
Weiss
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Leipzig zeigt sich“ habe ich gestern Abend an einem Zeitzeugen-Gespräch mit Christian Wolff teilgenommen. Einmal mehr war ich beeindruckt von seiner Empathie, Überzeugung, Streitlust, seinem Engagement, organisatorischen Geschick und seinem tief verwurzelten Glauben!
Während der Veranstaltung dachte ich mehrfach, wie schön und hilfreich es doch wäre, säßen einige seiner Kritiker und Diffamierer im Auditorium und würden sich ein persönliches Bild dieses gläubigen, streitbaren, offenen und politischen Menschen machen. Wie er die dramatische Situation in der Landeskirche, aber auch der Kirche ganz allgemein beschrieb und Lösungsansätze zur Diskussion stellte, war für mich ein ernst zu nehmender Ansatz, Kirche zu reformieren (den Dialog führen zwischen Stadt- und Landpfarreien, konservativen und kritischen Mitgliedern; Positionierung in den drängenden Gegenwartsfragen; aktives Management der Kirchengemeinden…)!
Ich wünsche mir sehr, dass er noch lange Kraft hat, sich für seine Kirche, für Leipzig und seine politischen Überzeugungen einzusetzen.
Werter Herr Pfarrer i. R. Wolff,
Ihre aktuellen Darstellungen auf Ihrer Webseite (Stand 21.11.2019) zur Auseinandersetzung mit dem ehemaligen Landesbischof Dr. Rentzing offenbaren mir, dass Sie sich immer noch als positiver Held mit ehrwürdigem Charakter fühlen. Ich sehe das nicht so. Ganz im Gegenteil. Für mich haben Sie dem Ansehen der evangelischen Kirche schwersten Schaden zugefügt.
Auch wenn Sie es in den „Responses“ abstreiten, bleibt unverkennbar, dass Ihre Aktionen gegen Dr. Rentzing von Haß und Hetze geprägt waren – und jetzt, als Ihre Ziele mit seinem Rücktritt bereits erfüllt wurden, konnten Sie sich leider auf Ihrer Webseite auch nicht zurückhalten, nochmals „nachzutreten“, wie man das hierzulande bezeichnet.
Was treibt einen Pfarrer und angeblichen Christen dazu, 30 Jahre zurück zu suchen und akribisch zu recherchieren, damit man endlich einen plausiblen Grund findet, wie man einen anderen Christen und höher gestellten Würdenträger in der Öffentlichkeit angreifen und in Misskredit bringen kann? Und warum erst jetzt?
Offensichtlich sind Sie von sich selbst und Ihrer Meinung so eingenommen, dass Sie gar nicht zur Kenntnis nehmen – oder nehmen wollen, dass Ihre Petition innerhalb nur einer Woche über 20.000 Gegenpetitionen hervorgerufen und Ihr Handeln und Vorgehen bei einer Vielzahl von Christen Unverständnis und Empörung hinterlassen hat.
Nach dem Studium Ihres „Webauftritts“ bin ich überzeugt, dass politische und religiöse Meinungsunterschiede nicht der eigentliche Hass-Anlass gewesen sein können, den Sie hier zur Schau stellen. Ich vermute hier leider ganz persönliche und für mich niedere Beweggründe. Es tut mir leid, Ihnen das schreiben zu müssen, aber die Eigendarstellung über Ihre angeblichen Leistungen und Fähigkeiten sowie Ihre für mich rechthaberische und unsachliche Einschätzung der Arbeit der sächsischen Landessynode haben bei mir zu „Fremdschämen“ geführt. Das hat mich sehr betroffen gemacht, denn bisher hatte ich von Ihnen immer eine positive Meinung.
Vermutlich werden Sie meinen Standpunkt nicht auf Ihrer Webseite veröffentlichen und mir auch nicht antworten, obwohl ich mir das sehr wünschen würde. Aber ich musste Ihnen meine persönlichen Empfindungen unbedingt einmal mitteilen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Joachim Schmiedel
Annaberg-Buchholz
Sehr geehrter Herr Dr. Schmiedel,
es muss Ihnen nicht leid tun, dass Sie mir gegenüber Ihre Kritik und Ihre abgrundtiefe Ablehnung aller meiner Einlassungen zum Ausdruck bringen. Das ist Ihr gutes Recht. Und dafür biete ich mit meinem Blog auch ein Forum an. Aber allein die Tatsache, dass Sie vermuten, dass ich Ihren Kommentar nicht freischalten und Ihnen nicht antworten werde, zeigt, dass Sie mit Ihren Einschätzungen nicht unbedingt richtig liegen. Lassen Sie mich das an ein paar Punkten weiter verdeutlichen:
1. Sie fragen: Warum ich mich erst jetzt zu Rentzing äußere. Wenn Sie meine Homepage studiert haben, werden Sie feststellen, dass ich seit Jahren mich gegenüber Landesbischof Rentzing kritisch geäußert habe – mE immer wohl begründet, aber auch durchaus polemisch. Polemik ist aber etwas anderes als Hass und Hetze. Letzteres besteht aus herabwürdigen, persönlichen Verunglimpfungen ohne jeden Beleg. Das können Sie mir zwar vorwerfen, aber es ist nicht belegbar.
2. Sie wissen hoffentlich, dass die von Ihnen angeführte „Petition“ mit angeblich 20.000 Unterschriften zum einen anonym war, aber auf von katholischen Fundamentalisten Spaniens betriebenen Seite veröffentlicht wurde und ohne jede Rückmeldung „unterschrieben“ werden konnte, auch mit Phantasienamen und gefälschter IP. Damit ist diese Petition absolut unglaubwürdig.
3. Sie unterstellen mir „persönliche und für mich niedere Beweggründe“. Davon kann ich Sie nicht abhalten. Bitte nehmen Sie aber zur Kenntnis, dass ich persönlich mit Dr. Carsten Rentzing nichts zu tun habe. Da gibt es auch keine sog. „alte Rechnungen“. Meine Kritik richtet sich ausschließlich dagegen, dass unsere Landeskirche sich mit der Strukturreform aber einen selbstzerstörerischen Weg gemacht hat und Rentzing da genauso versagt hat wie er bis heute eine klare Positionierung der Kirche gegen den neuheidnischen Rechtsnationalismus ablehnt.
4. Dr. Rentzing ist nicht wegen der Petition oder meiner Kritik zurückgetreten. Er ist daran gescheitert, dass er – wie es in seiner Rücktrittsrede noch einmal klar wurde – sich gegenüber all dem, was er seit 30 Jahren gesagt hat, völlig indifferent verhalten hat.
5. Wenn jetzt die Dr. Rentzing sehr nahe stehende Agentur IDEA alle Aufsätze von Rentzing aus der Zeitschrift „Fragmente“ veröffentlicht, dann unterstreicht das, was ich unter 4. ausgeführt habe: Es soll vermittelt werden, dass das, was Rentzing damals ausgeführt hat, eigentlich gar nicht so „verstörend“ ist, sondern eine legitime Position beinhaltet. Diese Absicht (nicht die Veröffentlichung) ist in meinen Augen sehr gefährlich.
Gerne können Sie weiter davon ausgehen, dass ich von mir eigenommen, rechthaberisch, unsachlich und überhaupt ein fürchterlicher Mensch und Pfarrer bin. Das ändert aber nichts daran, dass ich mich weder als „positiver Held mit ehrwürdigem Charakter“ einschätze noch davon ablasse, mich für eine den Menschen nahe kirchliche Arbeit einsetze und alles dafür tue, damit wir als Kirche dem rechtsnationalistischen Treiben deutlich entgegentreten.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Wolff
@Andreas Schwerdtfeger, „Ich glaube an die Pluralität der Wahrheiten…“ – das sind Sie mit Donald Trumps „alternativen Fakten“ in guter Gesellschaft.
Ganz so dramatisch, wie Sie die Lage schildern, Herr Schulten, ist sie nicht: Da ich häufig, wenn auch nicht immer, mit Herrn Wolff einig bin, ihm zumindest teilweise zustimme, besteht ja dann offensichtlich auch Übereinstimmung mit seinen so vehementen Unterstützern. Es gibt halt nur einen, der in seinem Eifer, meine Person unnützerweise in den Mittelpunkt zu stellen anstatt Argumente beizusteuern, dies nicht bemerkt. Und vom Heiligen Dreigestirn haben ja wie erwartet zwei Drittel meine Anmerkung gelassen und reaktionslos aufgenommen und nur ein Drittel fühlte sich humorlos gepiekst und zur Replik veranlasst.
Ihre philosophischen Ausführungen sind zweifellos interessant. Das Problem ist ja aber, daß wir hier meistens konkrete Politik diskutieren und daß dabei dann das Machbare im Vordergrund stehen sollte. Das ist ja der entscheidende Nachteil der Gutmenschen, die den hohen moralischen Standpunkt einnehmen und sich damit reinwaschen und diejenigen, die mit den Realitäten hienieden fertig werden müssen, dann post faktum kritisieren und sich besserwisserisch über sie erheben.
Ihre geschichtlichen Anmerkungen sind ja schon von Herrn Plätzsch kommentiert worden. Richtig an ihnen ist immerhin, daß in der Tat der überwiegende Teil kriegerischer Auseinandersetzungen in der Weltgeschichte entweder durch Religionen ausgelöst oder durch sie legitimiert worden ist. Pfarrer sind und waren immer streitbare Leute – was ja wohl auch dieser blog nachweist (und was keineswegs immer schlecht sein muß)
Und schließlich: „Die allgemeine Frage ist also: wieviel Wahrheit vertragen die Menschen eigentlich?“ schreiben Sie. Ich glaube, das ist die falsche Frage. Ich glaube, die Menschen werden erst friedlicher werden, wenn Sie einsehen, daß es absolute Wahrheit nicht gibt und daß sie sie also auch nicht haben. Mich jedenfalls beeindruckt Stefan Weinfurters Ausführung (Katalog der Ausstellung „Die Päpste“ des REM Mannheim, S. 23): „Ob wir heute ‚die Wahrheit an sich‘ überhaupt noch brauchen oder noch wollen, ob wir uns heute nicht längst auf eine Pluralität von Wahrheiten ausgerichtet haben, wäre eine ganz andere Frage.“ Ich glaube an die Pluralität der Wahrheiten und erkenne insofern an, daß meine Meinung immer nur EIN Standpunkt ist (den ich allerdings gerne mit Energie vertrete).
Mit freundlichem Gruß,
Andreas Schwerdtfeger
Als kirchenmusikalisch Engagierter grüße ich Sie, sehr geehrter Herr Schulten, herzlich – im Geiste musikalischer Tätigkeiten verbunden und lese, dass ganz gewiss Sie mit anderen zum Ewigkeitssonntag ihren Sakraments-GD mit besonderer Musik in Leutzsch feiern werden.
Wir in unserer Kirchgemeinde führen mit unserem Ensemble + Kammerchor „Maria am Wasser“ an östlichen Elbhang die tiefgehende Kantate des 22-jährigen J.S.Bach „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“, auch als Actus tragicus bekannt, auf. Ihnen als Kirchenmusiker wird dieses Frühwerk bestens vertraut sein.
Und Bach soll angeblich gesagt haben: „Bei einer andächtigen Musik ist allezeit Gott mit seiner Gnaden Gegenwart.“
Ich gebe zu, dass mich Ihre Kommentierung nicht nur zum Nachdenken anregte, sondern auch zum temporären Innehalten veranlasste.
Lassen wir mal Schopenhauer und Kant beiseite – zum Terminus Wahrheit gibt es die höchst bemerkenswerte Reaktion des Pilatus im Johannes-Evangelium auf die Rede Jesu hin. Der römische Stadthalter fragt doch: „Was ist Wahrheit?“. Und genau da liegt das Problem, was uns allesamt umtreibt, nicht nur in unserer Kirche, sondern generell und heutigen Tags.
Ich danke Ihnen jedenfalls für Ihre auch stilistisch guten Anregungen, die Dinge doch einmal im Kontext zu bedenken – ich werde es versuchen!
Ihnen eine gute Zeit – Jo.Flade
Ganz toll! Wenn einer eine andere Meinung hat, dann ist diese „an den Haaren herbeigezogen“, „nicht besonders originell“ und „völlig daneben“. Das, wohlgemerkt, ist „sachliche Kritik“ und keineswegs „richten“. Es ist Ausdruck „demokratischen Diskurses“ und – eigentlich Voraussetzung für diesen – des Interesses an der Ansicht des Anderen. Lieber Herr Wolff – warum nur sind Sie in Ihren Antworten so unglaubwürdig?
Bei Ihrem Echo wundert das nicht – es outet sich jetzt auch noch als humorlos und hat wieder in der Sache nichts beizutragen, weswegen sich drei Viertel seines Textes mit mir befassen – wofür ich danke – und ein Viertel mit vagen Hinweisen auf – ja was? Und daß er nichts begriffen hat, zeigt eben sein Komplex, ich reklamierte irgend etwas. Ich bringe Argumente – und warte mit Interesse auf Widerlegung (in der Sache).
Sicherlich kann man den Vergleich Fischer – Rentzing oder Hinweise auf Bonhoeffer nur für begrenzt anwendbar halten. Sicher kann man Rentzing so oder so beurteilen. Aber das ist es eben: Beide „so“ sind berechtigt. Und das sture und verbissene Festhalten an der Ansicht, die Causa Rentzing (abgesehen davon, daß sie ja nun eigentlich ausgelutscht ist) sei definitiv und nur in der Wolff’schen Richtung und der seines kleinen Echos zu interpretieren, ist nur Hinweis auf die Qualität der Diskussionsbereitschaft der Fanatiker. Wie sagte Churchill: „A fanatic is one who can’t change his mind and won’t change the subject“ – keine Basis für Demokratie!
Ich grüße Sie herzlich, lieber Herr Wolff. Den Dresdner grüße ich nicht – er mag das nicht! Honi soit qui mal y pense!
Andreas Schwerdtfeger
Huch….was war denn das, Herr Schwerdtfeger? Sie verlieren ja vollkommen Ihre Contenance… Also, wirklich, so etwas zerfasertes und nicht wirklich zuzuordnendes haben ich ja noch nie von Ihnen gelesen. Was, bitte ist denn eigentlich los?
MfG
Weiss
Mitglied eines >Heiligen Dreigestirns<
Schwerdtfeger kann es einfach nicht lassen – es spricht für seine narzisstisch immense Lust, verbal um sich zu hauen, er braucht es offensichtlich zur Pflege seines Egos – oder?
Vor allem sein letzter Absatz ist nun wirklich völlig daneben und dokumentiert seine grenzenlose Freude an Verächtlichmachung Dritten gegenüber.
Und die Differenzierung Richten / Kritik – nun ja, vielleicht sollte er mal Kant lesen! Da geht es z.B. um Vernunft im Umgang mit Kritik – Vernunft!
Wolff und viele andere richteten nicht über Bischof a.D. C.Rentzing, nein. Sie forderten Aufklärung und Wahrhaftigkeit. Die nachlesbare Erklärung zu Rentzings selbst gewähltem Rücktritt offenbarte unüberhörbar ein gespaltenes Verhältnis zur Wahrheit.
Und da Herr Rentzing nicht jedes Detail öffentlich zur nötigen Aufklärung brachte (aus welchen Gründen auch immer…), nahmen sich Pfarrerinnen, Pfarrer, Kirchenmitglieder etc.pp. das recht, dieses Lavieren zu kritisieren.
Sie suchten keinen Angelhaken in der Vita des Abgetretenen, sie forderten Aufklärung.
Ein legitimes Mittel in einer aufgeklärten Gesellschaft, zu der eben auch unsere Kirche gehört!
Aber auch ich weiß: Schwerdtfeger wird jetzt rasch die Mitte der Wahrheit für sich reklamieren.
Allerdings: nach all seinen Kommentaren hege ich einige Zweifel, ob er damit in der Mitte landet; in seiner eigenen ganz sicher.
Und all das Kommentieren noch „mit herzlichen Grüßen“ zu garnieren – ach, lassen wir es.
Die vermeintliche Trias wird sich keine chirurgischen Blessuren zufügen – die Herren des Heiligen Dreigestirns (eine wunderbare Wortschöpfung…) werden sich vielmehr vernünftig und mit Anstand und mit Vernunft allein zu Sachthemen äußern und darüber debattieren, nicht mehr und nicht weniger, vor allem aber mit Respekt.
Bei Kant ist die Kritik nicht ein Vermögen der Vernunft, vielmehr ist die Vernunft selbst Gegenstand einer transzendentalen Kritik. Sie steht immer unter Gesetzen, das Sittengesetz etwa wird „aus Pflicht“ befolgt. In der Staatstheorie lehnt er eine allgemeine Demokratie ab. Das Volk hat bei ihm nicht das mindeste Recht, seine Obersten zu kritisieren, da alle Handlungen des Souveräns „ex lege“ rechtmäßig sind.
Damit ist klar: Rentzing ist Kantianer. Sie können nicht mit Kant gegen ihn argumentieren.
Für diesen Blog wäre eigentlich eher Schopenhauer einschlägig: In seiner „Eristischen Dialektik“ definiert er Eristik als Lehre vom Verfahren der dem Menschen natürlichen Rechthaberei. „Die angeborene Eitelkeit will nicht haben, dass was wir zuerst aufgestellt haben, sich als falsch und das des des Gegners sich als Recht ergebe.“
Die heilige Trias auf der einen und Herr Schwerdtfeger auf der anderen Seite haben sich hier in diesem Forum jahrelang noch nicht auf ein einziges Komma einigen können, ein diskurstheoretischer Bankrott. Meine Herren, lesen Sie doch mal Schopenhauer vor Ihrem nächsten Eintrag, da finden Sie systematisch erklärt, wie Sie jedes Argument gewinnen können. Indes, selbst bei Schopenhauer gibt es eine Ausnahme: das „Argumentum ad personam “ , denn das könne schnell zu einer Prügelei, einem Duell oder einem Beleidigungsprozess führen.
Deshalb kritisiert der hannoversche Landesbischof Ralf Meister auch an den Sachsen, dass sich Petitionen nicht gegen Personen richten dürfen.
Pfarrer Wolff sieht Blogs und Online-Petitionen in der Tradition von offenen Briefen, Flugblättern und nicht zuletzt Luthers Thesenanschlag. Das ist natürlich richtig. Nicht erwähnt wird aber:
– die 95 Thesen waren der Urknall zum 30jährigen Krieg.
– Der berühmteste offene Brief ist „J’accuse“ von E. Zola. Er zog die Dreyfuss-Affäre und eine französische Staatskrise nach sich. Nationalismus, Antisemitismus und falsche Behauptungen bildeten das explosive Gemisch.
– Die Flugblätter der Weißen Rose führten im Nationalsozialismus zur Verhaftung von Anne Frank, das NS-Regime war dasjenige der deutschen Geschichte, das mit Flugblatt-Verteilern kurzen Prozess machte. Das findet heute wieder Zustimmung.
– In der alten BRD wurde der gesellschaftliche Kampf in 68er Zeiten oft mit Antifa-Flugblättern geführt, und das ging auch nicht ohne Tote ab. Dutschke, Schleyer.
Also: Blogs und Petitionen sind möglicherweise nicht folgenlos, und wie mögliche Folgen aussehen, lehrt die Geschichte.
Dass die Wende als „friedliche Revolution“ bezeichnet wird, passt hier nicht recht ins Bild. Möglicherweise wird der Kampf jetzt nachgeholt.
Allerdings: Luthers Thesen, der J‘ accuse“-Brief, die Weiße Rose und sicher auch manches APO-Flugblatt sprachen ja durchaus die Wahrheit. Vielleicht auch die Vorwürfe gegen Rentzing.
In Platos Höhlengleichnis wird der Überbringer der Wahrheit allerdings von den Höhlenmenschen umgebracht. So auch in allen anderen Beispielen:
Zola musste fliehen, so wie Luther. Anne Frank erhängt. Und ja, Herr Wolff: die Synode will auch Ihnen an den Kragen.
Nicht zu vergessen: „Christus spricht, ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Wer aus der Wahrheit ist, hört auf mich.“ Er wurde bekanntlich gekreuzigt.
Die allgemeine Frage ist also: wieviel Wahrheit vertragen die Menschen eigentlich?
Bei Kant ist die Kirche übrigens ein vorläufiges historisches Prinzip, das erforderlich ist, solange die Menschen die Geltung des Sittengesetzes noch nicht begreifen können. Dieses „Vorläufige“ ist in Sachsen im Erzgebirge -Kreis mit seinen Krippenfiguren durchaus noch virulent. Die Leipziger als Träger der höheren Wahrheit (relativ zu Sachsen) müssen sich hierzu verhalten. Wahrheit hat einen Preis.
Es scheint mir durchaus zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht verkehrt, bei allem Eifer in der Sache solcherart allgemeinere Zusammenhänge mit in den Blick zu nehmen.
@Detlev Schulten, am 18. Februar 1943 fand die letzte Flugblattaktion der „Weißen Rose“ statt; Anne Frank (die nicht erhängt wurde, sondern im Februar 1945 an Entkräftung im KZ Bergen-Belsen starb) wurde am 4. August 1944 verhaftet. Wo ist da ein Zusammenhang?
Was soll Ihr Verweis auf Antifa-Flugblätter und die Ermordung Dutschkes und Schleyers? Ihr Posting mündet in die Frage, wieviel Wahrheit die Menschen vertragen und dass Wahrheit ihren Preis habe. Unterschwellig kritisieren Sie damit Herrn Wolff und seine Meinungsäußerungen an dieser Stelle. Sie warnen ihn sogar, dass die Synode ihm „an den Kragen“ wolle und führen ihm Christi Kreuzigung vor Augen. Das ist schon sehr abstrus.
Sie haben (leider) Sprache und teilweise auch Denken eines Mitdiskutanten übernommen, der den Begriff des „selbstzufriedenen, heiligen Dreigestirns“ geprägt hat, das mittlerweile als „Trias“ in diesem Blog fröhliche Urstände feiert. Als kleiner (unwichtiger) Teil dieser Trias kann ich definitiv für mich ausschließen, heilig zu sein; mit mir selbst zufrieden bin ich zwar bisweilen, zumeist aber nicht. Auch zum „auf die eigene Schulter klopfen“ neige ich eher wenig, sodass ich die Gefahr ernsthafter Verletzungen als minimal einschätze. Für die anderen Mitglieder der Trias dürfte Ähnliches gelten, was ich aber nicht gesichert behaupten kann, da ich sie bislang nicht persönlich kennengelernt habe.
Ob sich die „heilige Trias“ in jahrelangem Kleinkrieg auf kein Komma einigen konnte, kann ich ebenfalls nur bedingt beurteilen, da ich erst seit einem halben Jahr an diesem Blog teilnehme und bisher zu bequem war, alte Beiträge nachzulesen.
In die philosophischen Tiefen eines Kant oder Schopenhauer bin ich als gelernter Kaufmann in den zurückliegenden 67 Jahren nicht vorgedrungen (und habe mich auch nicht ernsthaft darum bemüht); ich nehme Ihre Ausführungen hierzu also entsprechend hin und zolle Ihnen meinen Respekt für dieses Wissen. Einem „Argumentum ad personam“ habe ich dennoch versucht, mich weitestgehend zu enthalten.
Kleine Anmerkung zum Schluss: Anne Frank musste sterben, weil sie ein jüdisches Kind/Heranwachsende war und verraten wurde; ihr Tagebuch, für das sie bis heute zu Recht weltberühmt ist, hatte damit nichts zu tun. Die Flugblätter der Weißen Rose wurden u.a. von Sophie Scholl verteilt, die bei einer ihrer Verteil-Aktionen von einem Hausmeister erwischt und später guillotiniert wurde.
Sehr geehrter Herr Wolff,
was ich sehr interessant finde, ist, dass Sie in Ihrem neuesten Beitrag viel Wert darauf legen, dass die Aufsätze, die Rentzing in den „Fragmenten“ veröffentlicht hat, öffentlich gewesen sind, so dass „weder geschnüffelt noch gewühlt“ werden musste. Als ich Sie neulich auf die Vergangenheit von Joschka Fischer ansprach und auf die entsprechende Ermahnung von Wolfgang Thierse hinwies, dass man einen Menschen nicht in das Gefängnis seiner Vergangenheit einsperren dürfe, da legten Sie viel Wert darauf, dass Fischers Vergangenheit ja bekannt gewesen sei, während Rentzing die seine verschwiegen habe. Das sehen Sie jetzt offenbar anders. Wenn die Texte in den „Fragmenten“ öffentlich waren, so dass jeder sie kennen konnte und niemand danach suchen musste, dann hatte Rentzing weder etwas zuzugeben noch konnte er überhaupt etwas verschweigen. Was ist denn nun anders als bei Joschka Fischer?
Übrigens habe ich mittlerweile etwas ausführlicher in diesen Texten gelesen, die nun leicht zugänglich sind unter: idea.de/fragmente. Man muss sicher nicht kommentieren, dass schon das Titelblatt der Zeitschrift in Fraktur und mit Kaiseradler ziemlich „schräg“ ist. Immerhin ringt der junge Rentzing mit Problemen, die nun einmal tatsächlich bestehen. Kann man z.B. eine Rechtsordnung allein auf Mehrheitsentscheidungen gründen? Wie ist das Verhältnis zwischen der Staatsgewalt, die vom Volk ausgeht und einer göttlich bzw. naturgesetzlich vorgegebenen Ordnung? Probleme dieser Art, die sich aus der neuzeitlichen Säkularisierung ergeben, haben auch Dietrich Bonhoeffer beschäftigt, der bekanntlich kein „lupenreiner Demokrat“ war, auch etwa Kurt Huber, den geistigen Mentor der „Weißen Rose“. Ich nenne zwei Opfer der NS-Diktatur, um zu zeigen, dass Ihre Diagnose fehlgeht, wenn Sie Rentzings Gedanken einseitig in eine Tradition einordnen, die dem Nationalsozialismus den Weg bereitet hat. Damit heiße ich diese Gedanken nicht gut – ich bin fest überzeugt, dass die Demokratie die beste aller möglichen Staatsformen ist und bin bereit, sie zu schützen und zu verteidigen -, aber ich bitte um eine differenzierte Bewertung, v.a., wenn man bedenkt, dass Rentzing als Anfang Zwanzigjähriger schreibt. Anderen jungen Leuten, die vergleichbare Jugendsünden im Bereich der Linken begangen habe, vergibt man sie zu Recht. Oder gibt es immer noch einen Unterschied zwischen Rentzings öffentlichen Texten und Fischers allseits bekannten Jugensünden?
Mit freundlichen Grüßen,
Meik Gerhards
Sehr geehrter Herr Gerhards,
ich weiß nicht, ob Sie mich beschäftigen wollen mit Ihren Einlassungen, die in diesem Fall sehr an den Haaren herbeigezogen sind. Auch ist es nicht besonders originell nun im Blick auf Joschka Fischer das noch einmal zu wiederholen, was Sie selbst und Herr Rentzing in seiner Rücktrittsrede dazu gesagt haben. Darum nur eine Bemerkung zu der Frage „Was ist denn nun anders?“. Joschka Fischer hat über seine Vergangenheit nicht erst geredet, als er darauf angesprochen wurde. Er hat weder etwas „verdrängt“, noch gebeichtet und dann darüber geschwiegen, noch sich entschuldigend auf irgendwelche Beispiele berufen.
Völlig daneben ist Ihr Versuch, Rentzing nun mit Bonhoeffer oder Huber zu vergleichen. Beide befanden sich auf dem langen Weg heraus aus einer Diktatur hin zu einer offenen, demokratischen Gesellschaft, Rentzing suchte Auswege aus dieser zurück in autokratische Systeme. Offensichtlich haben Sie immer noch nicht begriffen, dass es sich bei Rentzing nicht um „Jugendsünden“ handelt. Vielmehr muss man nach seiner katastrophalen Rücktrittsrede davon ausgehen, dass er immer noch in alten Denkstrukturen verharrt. Warum sonst forderte er die Synode auf, nicht mehr in Biographien herumzuwühlen und mangelnde Loyalität mit Exkommunikation zu beantworten?
Mit freundlichen Grüßen Christian Wolff
Sehr geehrter Herr Wolff,
meine Einlassungen sind keineswegs an den Haaren herbeigezogen.
1. Rentzing mag seine frühen Texte verdrängt haben, wie er selbst sagt. Es bestand aber auch keine Veranlassung, darüber zu reden, denn was er „in der Zeitschrift ‚Fragmente‘ veröffentlicht hat, war und ist völlig unabhängig von der Auflagenstärke öffentlich zugänglich. Die Zeitschrift trug eine ISBN-Nummer und kann in Bibliotheken eingesehen werden. Da musste weder geschnüffelt noch gewühlt werden“. Das sind Ihre Worte! Wenn die Aufsätze aber so öffentlich sind, wie Sie hier schreiben – wie konnte Rentzing sie dann überhaupt verschweigen. Oder hat doch jemand „geschnüffelt“ und „in seiner Vergangenheit gewühlt“? Dann würde der Vorwurf des Verschweigens Sinn machen, aber dann müsste man das Vorgehen der Rentzing-Gegner vielleicht auch anders bewerten.
2. Dass sich Huber und Bonhoeffer auf dem Weg in eine „offene, demokratische Gesellschaft“ befanden, kann ja nur heißen, dass sie diese Gesellschaft unter den Bedingungen der NS-Diktatur für erstrebenswert hielten. Das hätte ich dann aber gerne aus den Schriften der beiden belegt. Zu Bonhoeffer stellt Wolf Krötke fest: „Bonhoeffers Ideal eines Staates war der Obrigkeitsstaat, der von Gott und nicht vom Volke, ‚von oben‘ und nicht ‚von unten‘, gegeben und legitimiert ist“. Bonhoeffer fordert einen Staat, der von einer Ordnung geprägt ist, die ein „klares Oben und ein klares Unten“ kennt und spricht noch 1943 von einem „wohlverstandenen Gottesgnadentum der Obrigkeit“. Das scheint manchen Aussagen des jungen Rentzing nicht ganz ferne zu sein – Nazi-Theologie ist es aber nicht, sondern das Staatsverständnis eines Mannes, der im Widerstand sein Leben gelassen hat. Wo sehen Sie hier die Brücke zu einer offenen und demokratischen Gesellschaft? Das scheint Bonhoeffers Ideal nicht gewesen zu sein. Vielmehr war seiner Ansicht nach die Demokratie, weil sie keine göttliche Ordnung kennt, in den Nationalsozialismus umgeschlagen, der mit seinem totalitären Anspruch Gott ersetzen wollte. Wenn man das Beispiel im Hinterkopf hat, kann man vielleicht eher verstehen, was den junge Rentzing, auch etwa in seiner Kritik am überbordenden Individualismus, umtrieb. Tatsächlich gibt es die Probleme, die Rentzing und vor ihm Bonhoeffer anspricht. Dass ein Anfang Zwanzigjähriger damit vielleicht wenig lebensklug umgeht und die Demokratie zu wenig zu schätzen weiß, muss man ihm natürlich vorhalten – aber in dem Lebensalter, in dem manch einer seine Torheiten begeht, doch mit Nachsicht. Ich bin allerdings gerne bereit, Ihnen zu folgen, dass es sich bei Rentzing nicht um Jugendsünden handelt – aber dann hätte ich gerne Belege dafür, dass er noch in jüngerer Zeit so gedacht hat wie damals. Da arbeiten Sie bisher immer nur mit Unterstellungen, indem Sie darauf hinweisen, was er alles nicht gesagt hat. Zeigen Sie doch mal fundierte Belege! Ebenso bei Bonhoeffer, wenn Ihnen der Vergleich, den ich da ziehe, falsch erscheint.
Mit freundlichen Grüßen,
Meik Gerhards
Sehr geehrter Herr Gerhards, an den Vergleichen Bonhoeffer – Rentzing möchte ich mich nicht länger beteiligen. Das ist völlig unangemessen und dient nur der Verharmlosung von Rentzings Thesen, die – wie manche Äußerungen zeigen – auch heute als diskutabel angesehen werden – wie von Johannes Berthold (er war auch einmal Bischofskandidat). Dass es Rentzing in den vergangenen Jahren im Blick auf den Rechtsnationalismus an Klarheit hat fehlen lassen, habe ich oft genug kritisiert (siehe die entsprechenden Blog-Beiträge). Seine bewusst weiter geführte Mitgliedschaft bei „Hercynia“, seine persönliche Nähe zum AfD-Ideologen Wolfgang Fenske, sein Vortrag in der „Bibliothek des Nationalismus“ unterstreichen dies.
Mit freundlichen Grüßen Christian Wolff
Sehr geehrter Herr Wolff,
Argumente zu haben, Dinge differenziert zu durchdenken scheint bei Ihnen nicht besonders beliebt zu sein. Rentzing hat sich mehrfach klar gegen Menschenhass und Fremdenfeindlichkeit ausgesprochen. Die Aussagen finden Sie noch immer im Netz. Seine Mitgliedschaft in der „Hercynia“ wäre nur dann ein Beleg für einen untragbaren „Rechtsnationalismus“, wenn diese Verbindung zum rechtsradikalen Milieu gehört. Haben Sie darüber Kenntnisse? Ich selbst bin Alter Herr in zwei Burschenschaften und kann die Zugehörigkeit zu diesem Milieu für meine Verbindungen ausschließen. Wissen Sie in dieser Frage Näheres über die „Hercynia“? Zur „Bibliothek des Konservatismus“, deren Arbeit ich schätze, vergleichen Sie einen Bericht des „Deutschlandfunkes“ aus diesem Herbst: https://www.deutschlandfunk.de/neuer-konservatismus-wandel-vertraeglich-gestalten.1148.de.html?dram:article_id=458528, in dem auch Fenske zu Wort kommt, oder sehen Sie sich Vorträge auf dem „YouTube“-Channel der Bibliothek an, und dann belegen Sie Ihre Vorwürfe bitte mit konkreten Argumenten. Sonst bleibt es dabei: Sie dämonisieren nicht nur Rentzing, sondern den gesamten konservativen Anteil der Bevölkerung.
Dass Ihnen der Vergleich Bonhoeffer-Rentzing nicht passt, war schon klar. Doch wäre es hilfreich, wenn Sie ein Gedankenspiel unternehmen: Wenn Bonhoeffer nicht von den Nazis ermordet worden wäre, und wenn er nach dem Kriege bei seinen Positionen zum Staatsverständnis, zur Rolle der Frau oder zur Inspiration der Heiligen Schrift (einschließlich christologischer Auslegung des AT) geblieben wäre – glauben Sie nicht auch, dass er dann in Ihren Kreisen seit den späten 60er Jahren als Unperson verunglimpft worden wäre? Ich bin mir da ziemlich sicher, denn so ist es manchen aufrechten, aber konservativen Nazi-Gegnern ergangen, die die 60er und 70er Jahre noch erlebt haben. Vielleicht ist ein solches Gedankenspiel hilfreich, um ein differenzierteres Denken einzuüben.
Mit freundlichen Grüßen,
Meik Gerhards
Sehr geehrter Herr Gerhards,
nun wird doch vieles klarer. Sie können gerne die „Bibliothek des Konservativismus“ schätzen. Das ist Ihr gutes Recht. Auch können Sie Wolfgang Fenske schätzen und von mir aus in vielen Burschenschaften Mitglied sein. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass Wolfgang Fenske ein Ideologe der AfD ist, dass er sich mit keinem Wort von irgendeinem Gedanken aus der „Fragmente“-Zeitschrift distanziert hat und offensichtlich weiter in dieser Richtung denkt. Das klärt dann auch die ideologische Grundausrichtung der „Bibliothek des Konservativismus“. Zu Ihren krampfhaften Bonhoeffer-Parallelen äußere ich mich nicht mehr. Das ist ebenso peinlich wie Ihr Versuch, mit „differenziertes Denken“ beizubringen, um irgendwie rechtsnationalistischen Denken salonfähig zu machen.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Wolff
Finden Sie nicht, lieber Herr Wolff, daß Sie sich in jeder Lage aus dem eigentlichen „Problem“ wortgewaltig aber eigentlich nicht ganz aufrichtig herauswinden?
Erstens hat doch Herr Krause völlig Recht mit seinem Einwand, daß die eindeutig erkennbare Zugehörigkeit eines Meinungsäußernden immer auch seiner Organisation zugeschrieben wird, wenn er als Mitglied derselben erkennbar ist oder sich selbst zu erkennen gibt (Sie schimpfen doch auch immer auf die GANZE Rechte, wenn dort EINER was sagt). Es ist ja gerade dies der Grund, weshalb ich Ihnen immer schreibe, daß Sie als Pfarrer Ihrer Kirche dann schaden, wenn Sie durch zu deutliche Parteipolitik und Parteinahme in concreto alle anders Denkenden ausschließen, und daß es deshalb angemessener wäre, grundsätzlicher und abstrakter zu formulieren. Und anstatt das einfach mal zuzugeben, kommen Sie mit einem Non-Satz: Der Kontext sei entscheidend.
Und zweitens arbeiten Sie jetzt in Ihrem Beitrag den feinen Unterschied heraus zwischen Kritisieren und Richten – zwei Vokabeln, die Sie wohlweislich nicht definieren, um „flexibel“ bleiben zu können. Was in Sachen Rentzing von Ihnen und anderen gemacht wurde, war eben Richten (jedenfalls nach der Meinung vieler und jedenfalls nach der steten „Endgültigkeit“ Ihrer Forderung in dieser Personalie) – und jeder, der das nachliest, wird es wohl in Fairness genau so sehen müssen. Ihre Unterscheidung taugte nur dann etwas, wenn Sie sie diskussionstauglich in politischer (nicht religiöser) Hinsicht definieren könnten und wollten, und dies in allgemein gültiger Form. Ansonsten ist und bleibt sie Alibi.
Der von Ihnen zitierte Ausschnitt aus dem Beschluß der Synode ist eigentlich eine wenig abenteuerliche Selbstverständlichkeit, der jeder nur einigermaßen Gutwillige zustimmen kann und muß, und der in jeder anderen Organisation nicht anders fallen würde (wie Herr Krause ja auch nachweist). Ihn als Einschränkung der Meinungsfreiheit anzusehen ist absurd.
Aber ist nicht der Ausdruck „abenteuerlich“ in Ihrer Überschrift bereits ein richtendes Urteil? Ich bin gespannt auf erneute Wolff’sche Dialektik.
Mit meinen herzlichen Grüßen an Sie verbinde ich auch Grüße an das selbstzufriedene Heilige Dreigestirn aus dem vorvorherigen Beitrag und bitte nur darum, daß dieses gut aufpaßt und sich nicht aus Versehen den Arm bricht, wenn es sich am nächsten Runden Tisch in Leipzig weiter im eigene-Schulter-klopfen übt.
Andreas Schwerdtfeger
Zur allgemeinen Information für diesen Blog meinerseits doch noch ein nicht unwichtiges PS:
Kommentierung von Herrn Nagel im DLF:
https://www.deutschlandfunk.de/evangelische-landeskirche-sachsens-der-bekenntnisfall.886.de.html?dram:article_id=463824
Jeder mache sich sein Urteil.
Mag sein, das es als sinnvoll erachtet wird, dass eine kirchenrechtliche Grundlegung zum Umgang mit der öffentlichen Kommunikation in der Kirche und durch die Kirche zu verfassen. Ich finde dass gar nicht schlecht, weil dadurch letztlich nur eine Manifestation evangelischer Freiheit geschehen wird.
Der Versuch einer Bewältigung von Gehörtem, Gelesenem, Erlebtem:
1.
Otto Guse, so trug er es am 15.11.19 in der Martin-Luther-Kirche Dresden zur Bischofsentpflichtung in seiner Laudatio auf Dr. C. Rentzing vor, überzeugte Herrn Rentzing, seine Erklärung doch besser im Anschluss, also nach dem Gottesdienst, den Anwesenden vorzutragen, nicht, so wie von diesem vorab angedacht, erst zu Beginn der Herbsttagung der Sächs. Landessynode.
Nicht ganz ohne Hintergedanken wohl, denn damit wurde eindeutig ein weitaus breiteres Publikum erreicht; die Ovationen nach Rentzings Rede war mehr als nur artiger Applaus.
2.
Wenn der hannoversche Bischof Ralf Meister u.a. in seiner bemerkenswerten Predigt zum Wochenspruch: „Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ (Mt.5,9) feststellt: „Es geht nicht um die Mobilisierung von Tausenden. Petitionen über Personen sind Gift.“, dann könnte man darüber an anderer Stelle trefflich streiten, denn Petitionen, Interventionen zu konkreten Sachverhalten (und um nichts anderes ging und geht es mit der Causa Dr. Rentzing!) sind legitimes Mittel in einer Demokratie.
Die von Chr. Wolff angeführte Petition, die angeblich 20 000 Unterstützer pro C. Rentzing auf den IT-Plan rief, bediente sich einer höchst fragwürdigen Methode: Bereits das Anklicken dieser „Petition“ zum Verbleib C. Rentzings im Bischofsamt galt als Unterschrift und damit Befürwortung.
Obwohl einige Pfarrer diese Praktik unmittelbar kritisierten, blieb die „Unterschriften-Sammlung“ noch einige Zeit im Netz.
3.
Es waren nicht allein die „Fragmente-Texte“ mit 30-jähriger Vergangenheit, nein, es waren auch Unwahrheiten und Nichtgesagtes, was nicht nur eine Minorität an diesem Bischof empörte.
Allein die Anwesenheit des Leiters der „Bibliothek des Konservatimus“, Wolfgang Fenske, zur Amtseinführung 2015 hätte einige aufmerksam machen müssen, ganz unabhängig davon, dass C. Rentzing 2013 in diesem Bibliothekskreis noch 2013 Vorträge hielt.
Dies verschwieg Herr Rentzing in seinem Erklärungsversuch am 15.11.19 in Dresden.
Der Theologe und Journalist Arnd Henze veröffentlichte dies in seinem Text unter http://www.feinschwarz.net. Und u.a. auch in der SZ-Ausgabe für Dresden vom 15.11.19 – genau zur Entpflichtung des Bischofs!
4.
Was mich erschütterte, war die mehr als fragwürdige Zitier-Variante des gewesenen Bischofs in seiner Rede nach dem o.g. Gottesdienst, nämlich seine Töchter mit ihren Befindlichkeiten indirekt zur Rede kommen zu lassen.
Warum spricht er nicht für sich und ganz direkt über seine ureigensten Aufgewühltheiten?
Ich saß auf der Empore und bemerkte überdeutlich, wie sich zahlreiche Kirchenvertreter zunehmend in Verweigerung und ablehnende Körperhaltungen in ihren Kirchenbänken mit offensichtlichem Unbehagen verharrten. Sicher nicht nur ob der lautstarken Kritik Rentzings an „seiner Kirche“.
5.
Viele glaubten, die Landessynode würde Klartext reden – eine Chance wurde erneut vertan – wo soll das nur enden???
Die Debatten zu notwendigen Strukturreformen nehmen kein Ende.
Mit dieser erneut festzustellen Schlaffheit im Herbst 2019 wird ganz sicher „Kirche mit Hoffnung“ wohl kaum möglich sein.
Und nach dem Gottesdienst in der M-L-Kirche fragte mich ein Pfarrer fast resignierend:
„Was würde Jesus dazu sagen?“.
Ja, was wohl…
Ein ausgezeichneter Beitrag zum Fall Renzing. Die geplante Reglementierung geht offenbar davon aus, das kritische Äußerungen von kirchlichen Beschäftigten als offizielle Äußerungen missverstanden werden könnten. Aus meiner Erfahrung: Da können die Kirchenleitungen unbesorgt sein. Mein Blog ist durchaus kritisch, oft auch polemisch, doch meine Kirchenleitung hat noch nie erkennbar Anstoß daran genommen. Das ist allerding in Württemberg, nicht im AFD-affizierten Sachen. #adfVerbotJETZT!
Eine Richtlinie für den Umgang in sozialen Medien kann nicht mehr sein als eine Orientierung für die dort stattfindende Kommunikation. Viele Unternehmen und Einrichtungen, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter öffentlich in den Netzwerken mitreden, haben solche Richtlinien. Sie dienen dazu, denjenigen, die sich dort äußern, einige Anhaltspunkte zu geben, wie ihre Kommunikation gestaltet sein sollte. Vermeintlich private Äußerungen von Angestellten werden schließlich vom Empfängerkreis gern der Institution zugeordnet: Das betrifft persönliche Posts von Journalisten – die dann als Posts ihres Mediums gelten – ebenso wie Äußerungen von Pflegedienstmitarbeitern, die von den Rezipienten dann dem Pflegedienst zugeordnet werden. Wenn kirchliche Mitarbeiter sich an dieser Kommunikation beteiligen, müssen sie damit rechnen, dass ihre Äußerungen dann als „kirchlich“ gelten. Das ja erst recht, weil die evangelische Kirche das Priestertum aller Gläubigen kennt und dieses Prinzip inklusive der persönlichen Freiheitsrechte weiter gilt.
Aus einer Bitte zur Erstellung einer Social-Media-Guideline, die weit unterhalb des Dienstrechtes hängt, nun eine verdeckte Aufforderung zur Zensur zu entnehmen, ist eine abenteuerliche und gefährliche Interpretation dieses einstimmigen (und nicht: „mehrheitlichen“) Synodenbeschlusses.
Hier einfach mal ein Link zu ähnlichen Richtlinien der Caritas: https://www.caritas.de/diecaritas/deutschercaritasverband/mitarbeitende/caritaswebfamilie/social-media-leitlinien
Die Synode hat sich mit diesem Beschluss eben gerade nicht angemaßt, über die Art und Weise der Kommunikation zu richten. Die Diskussion über die Frage der Angemessenheit von Online-Petitionen zu Personalfragen war deshalb später u.a. Gegenstand der Diskussion der Synode über eine Erklärung zum Rücktritt des Landesbischofs. Diese wurde mehrheitlich mit einigen Gegenstimmen beschlossen.
1. Der Kontext ist entscheidend in der Beurteilung dieses Beschlusses.
2. Dass er einstimmig gefasst wurde, macht ihn nicht besser.
3. Nur noch eine Frage: Was unterscheidet die analoge von der digitalen Kommunikation. Auch als Pfarramtssekretärin werde ich mit Kirche identifiziert und wie ich auftrete und was ich sage, hat Auswirkungen auf die Kirche als Institution. Die Regeln, die dort gelten, gelten natürlich auch in der digitalen Kommunikation. Doch davon ist in dem Beschluss mit keinem Wort die Rede.
Christian Wolff
1. Zum Kontext gehört, dass die Synode weitere Beschlüsse gefasst hat, z.B. für einen Prozess zur Unterscheidung von Christsein und Extremismus.
2. Der Hinweis zur Einstimmigkeit beschreibt wertungsfrei die Sachlage.
3. An manchen Stellen unterscheidet sich die digitale Kommunikation durchaus von der analogen. So sind digital bspw. schnell Hallräume und Echoblasen eröffnet, in denen sich diejenigen finden, die weitgehend einer Meinung sind. Ein Effekt: Gegenteilige Äußerungen kommen kaum zur Geltung bzw. die jeweils lauteste Haltung gewinnt Oberhand, weil andere in dieser Kommunikation eher verstummen oder aufgeben. Das alles noch in Echtzeit bzw. so gut wie ohne Rückholmöglichkeit und – wie von Ihnen beschrieben – in Teilen auch anonym.
Danke für die Replik. Das Verstummen und Aufgeben findet auch in der analogen Kommunikation statt – angefangen von der Partnerschaft über das Gruppengespräch (auch im Unterricht) bis hin zu größeren Foren.
Lieber Herr Wolff,
ich lobe zwar nicht gern (eine alte Hemmung von mir, die ich rational zu überwinden versuche), aber dieser Kommentar zu den unglaublichen Vorgängen in Dresden ist wirklich Spitze. Besonders die beiden „Dinge“, die Sie zum Schluss gesagt habe. Ich frage mich nur, ob die Leute, die das hören bzw. lesen sollten, überhaupt den Geist dazu haben, es zu verstehen. Die scheinen (scheinen, sage ich) in ihrer innerkirchlichen Borniertheit zu gefangen zu sein (eine Art babylonische Gefangenschaft der Synodalen und des LKA), dass sie es gar nicht verstehen KÖNNEN, sondern sich in ihrer absurden Haltung nur noch verstärkt fühlen. So ist das nun mal. Aber zum Trost. Nicht nur in der Kirche ist das so, sondern gesamtgesellschaftlich. Das macht die Sache aber nicht besser, sondern noch schlechter.
Aus der immer ruhigen badischen Landeskirche, die anscheinend andere Probleme hat: September 2019: Landesbischof Cornelius-Bundschuh bestätigte im persönlichen Gespräch die Frage, dass folgender Absatz das wichtigste Anliegen in seinem Rundbrief an die „Verkündiger“ war: (Auf S 3 oben):
„Für eine nachhaltige Entwicklung brauchen wir mehr Rückmeldungen: von denen, die selten kommen, aber auch unter den Engagierten und denen, die Verantworung tragen. Dazu ist eine Feedbackkultur wichtig mit offenen, konstruktiven und kritischen Resonanzen auf Gottesdienste und kirchliches Leben;“…….
Ich meinte dazu, dass die meisten Empfänger diesen Punkt aus dem langen Brief nicht bemerkt hatten…
Nur einige Rückmeldungen (5-6) seien gekommen….
Beim Umgang des Landeskirchenamtes mit seinen Mitarbeitern fällt mir nur ein, dass meinem Vater, der den Haushaltplan für seine Gemeinde nicht fristgerecht abgeliefert hatte, kurzerhand die Gehaltszahlung eingestellt wurde. Der dafür Verantwortliche, spätere Justizminister Heitmann, fand das offenbar rechtlich zulässig. Mich wundert bei diesen Beschlüssen nichts mehr.