Seit Wochen schwirrt er herum: der sog. „Masterplan Migration“ des Bundesinnenministers. Doch niemand kennt ihn. Dauergrinsend gefällt sich Horst Seehofer darin, das bis jetzt geheime Machwerk als „großen Wurf“ zu verkaufen. Ein Punkt allerdings ist öffentlich: die Nummer 63. Der wird nun rauf und runter debattiert: Zurückweisung von Geflüchteten, die in einem anderen Land der EU registriert wurden oder dort einen Antrag auf Asyl gestellt haben. Doch es geht schon lange nicht mehr um einen Sachverhalt. Gezielt wurde die sog. „Grenzsicherung“ als Streitpunkt hochgezogen, der in den Koalitionsverhandlungen kaum eine Rolle spielte. Schließlich kann der Umgang mit Geflüchteten an den Grenzen nur auf europäischer Ebene gelöst werden. Allerdings konnte die CSU davon ausgehen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel diesen Passus des „Masterplan“ nicht durchwinken wird. Denn er widerspricht der Rechtslage und trägt gerade nicht zur Rechtssicherheit bei.
Und nun geschieht etwas sehr Typisches: Die CSU-Granden erklären den Punkt 63 zum Casus Knacksus – und ziehen als Rechtfertigung für ihre geheuchelte Prinzipientreue die angebliche Stimmungslage in der Bevölkerung heran. Doch diese reden sie selbst herbei: die Bevölkerung sei tief beunruhigt und gespalten; sie glaube den Politikern nicht mehr; dann ist da noch der Mordfall Susanna F. … spätestens jetzt müsse eine Wende in der Asylpolitik vollzogen werden; darum könne man nicht mehr warten; darum werde am kommenden Montag Seehofer den Punkt 63 durchsetzen. Doch merkwürdig – über eines reden die Herren von der CSU nicht: über die Integrationsarbeit vor Ort, über Spracherwerb, über Schul- und Ausbildung, über Arbeit und Wohnen der Menschen, die bei uns Zuflucht gesucht haben und sich nun in die Gesellschaft integrieren wollen. Es wird auch nicht geredet über die Arbeit von nach wie vor Hundertausenden Menschen, die sich beruflich und ehrenamtlich Tag für Tag um Geflüchtete kümmern, ihnen beistehen und helfen, sie begleiten und manche Enttäuschung zu verkraften haben. Dabei gehört das zu den vornehmsten Aufgaben des Bundesinnenministers, Integration zu fördern.
Stattdessen boykottiert Seehofer den Integrationsgipfel in der vergangenen Woche und lässt sich lieber mit dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz ablichten – natürlich ohne Europafahne im Hintergrund. Stattdessen wird den Geflüchteten und den Engagierten von den Söders, Seehofers, Dobrindts täglich ungesagt eine doppelte Botschaft um die Ohren geschlagen: Eigentlich wäre es besser, wenn es euch, also die, die unser Land „geflutet“ (Originalton Ex-Innenminister Friedrich) haben und einer „Invasion“ gleich die Gesellschaft aufmischen, und euch „Gutmenschen“, die ihr denen noch Schutz und Anerkennung gewährt, gar nicht geben würde. Aber die Machos aus der CSU-Männerriege haben noch eine Botschaft auf Lager: Wir werden Deutschland, das angeblich am Abgrund des Staatsversagens, der „Herrschaft des Unrechts“ (Seehofer) steht, retten. Alles irgendwie absurd – und doch Realität. Warum die so reden? Warum Söder jetzt permanent vom „Asyl-Tourismus“ schwätzt, so, als ob es sich bei der Integrationspolitik um die Umleitung von Bussen in eine Sackgasse handele, die unberechtigterweise in die Innenstadt einer sehenswerten Stadt eindringen wollen? Sie wollen die AfD überflüssig machen, indem sie deren Diktion eins zu eins übernehmen. Dabei folgen sie der Strategie, die der Pegida/AfD-Versteher Werner J. Patzelt, ein Bayer in Dresden, schon seit Jahren vorgibt: Ihr müsst die AfD überflüssig machen, indem ihr ihre Programmatik übernehmt, und parallel dazu dann die AfD als rechtsradikal und nicht wählbar bezichtigen.
Es ist ein jämmerliches, widerliches Spielchen, was die Egomanen von der CSU aufführen. Sie befördern das, was sie scheinheilig beklagen: die Entfremdung zwischen Bürgerinnen und Bürgern und denen, die politische Ämter bekleiden. Dabei sind es die Bundesinnenminister der vergangenen 13 Jahre, alle der CDU oder CSU angehörend, die für die Flüchtlingspolitik die Hauptverantwortung tragen. Die Missstände im BAMF, das Versagen von Sicherheitsbehörden, bis heute kein Einwanderunggesetz – das geht alles auf das Konto derer, die jetzt so tun, als seien sie die „Aufräumer“. Doch statt zu erkennen, dass Integration nicht den als „Gutmenschen“ verunglimpften ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürgern allein überlassen werden kann und Sicherheit mehr ist als ein Reizthema bei bierseligen Auftritten am Aschermittwoch in Passau, versuchen sie, die Europa-Politik, Punkt 1 des Koalitionsvertrages, zu entsorgen, weil sie sich davon Vorteile für die Landtagswahlen und einen Anschluss an die Orbáns, Kaczyńskis, Salvinis versprechen. Dazu bedienen sie sich eines kleinkarierten Rachefeldzuges gegen die verhasste Angela Merkel und schüren Ängste bei und gegenüber allen Migranten, indem ihnen Heimatrechte propagandistisch abgesprochen werden. Wie armselig muss es in den Köpfen und vor allem Herzen dieser vor durch nichts gedeckter Selbstüberheblichkeit strotzenden Männerriege zugehen? Wie oberpeinlich, dass diese Herren, die sich offensichtlich gerne im Morast eifersüchtelnder Nickeligkeiten suhlen, auch noch selbst Kreuze aufhängen, die sie zum Kampfsymbol für des Volkes Stimmung umzudeuten versuchen. Wie absurd, dass sie sich bei ihrem unappetitlichen Treiben auch noch mit den Attributen „christlich“ und „sozial“ schmücken. Man kann nur eines hoffen: dass Innenminister Horst Seehofer bald seines Amtes enthoben, die CSU die Koalition spätestens am Montag verlässt und damit das widerliche und brandgefährliche Theater beendet wird. Dann ist der Weg frei für eine entschlossene Europapolitik und illusionslose, aber der Menschenwürde verpflichtete Integrationsarbeit. Beides ist die Voraussetzung dafür, dass unsere freiheitliche Demokratie verteidigt werden und sich weiter entwickeln kann. Die Bürgerinnen und Bürger in Bayern können dann im Herbst unbeschwert darüber entscheiden, dass der Freistaat auch ohne CSU-Regierung gut existieren kann.
Nachtrag: Die SPD sollte sich jetzt aller AfD/CSU kompatiblen Parolen enthalten – von „Wir können nicht alle aufnehmen“ bis hin zu „Wer zu uns kommt, hat sich gefälligst anzupassen“. Stattdessen gilt es, die Flüchtlingspolitik in die Europapolitik einzubetten, konkrete Integrationspolitik vor Ort durch sozialdemokratische Mandatsträger voranzutreiben und dies breit zu kommunizieren.
19 Antworten
Ja, und viele sind ja auch noch gespannt auf Ihre angekündigte Antwort – „alles weitere später“. Denn Ihr neuer Beitrag ist dies ja wohl nicht sondern nur Fortsetzung schon bekannter und bisheriger Polemik und dies auch im bisherigen Stil.
Andreas Schwerdtfeger
Ja, dieser Blog-Beitrag ist die Antwort auf Fragen, die eigentlich keine sind. Und wie eine Antwort aussieht, bestimmt derjenige, der antwortet. In diesem Sinn: ertragreiches und anregendes Nachdenken an einem kühlen Wochenende. Beste Grüße Christian Wolff
Ach, nee, verehrter Christian Wolff….bei aller verschmähten Liebe, so wird das nix mit Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.
Und wie wird’s? Ich bin gespannt auf die Antwort. Christian Wolff
Der gesellschaftliche Schaden, den Sie befürchten, Lieber Herr Wolff, entsteht vorrangig nicht durch eine sinnvolle, notwendige und sachliche Auseinandersetzung über die Bewältigung eines oder mehrerer politisch aktueller Probleme. Er entsteht vielmehr durch die unglaubliche Spaltung und Unaufrichtigkeit, wie Sie sie in Ihrem Beitrag hier betrieben und hinterher in alterssturen Äußerungen auch noch bestätigt haben.
Lassen Sie uns, da Sie ja so sehr auf die „inhaltliche Auseinandersetzung“ – was verstehen Sie wohl darunter angesichts Ihres Beitrages? – bestehen, mal diese führen:
1. In der Methode (denn auch die Methode ist Teil des Inhalts und der Sachlichkeit):
– erklären Sie Ihren Lesern die Diskrepanz zwischen den von mir angeführten Zitaten aus Ihrem DLF-Beitrag und den von Heydebreck zitierten Äußerungen aus Ihrem Beitrag;
– erklären Sie uns, wie es kommt, daß selbst Ihre Unterstützer bis hin zu kritiklosen Bewunderern sich abweisend bis ablehnend äußern.
2. In der Sache (die Meinungsunterschiede ebenso zuläßt wie sie logischerweise in der Demokratie die Anerkennung der gegnerischen Meinung als möglich erfordert):
– Was ist prinzipiell schlecht daran, wenn das zuständige Regierungsmitglied zu einem politischen Problem einen „Masterplan“ ankündigt? War es nicht Ihre Partei, die in der ganzen Frage der Zuwanderung immer die Zusammenfassung aller Bestimmungen in EINEM Gesetz gefordert hat? Daß der Inhalt dann diskutiert werden muß, ist klar.
– Was ist falsch daran, wenn der Innenminister ankündigt, sich an bestehende Gesetze und Verträge halten zu wollen, d.h. legal ausgewiesene Personen an der Wiedereinreise zu hindern?
– Was haben Sie dagegen, daß der Minister – solange es keine europäische Einigung gibt, und diese ist leider nicht in unmittelbarer Sicht – die immer noch geltende Dublin-Regelung anwenden will?
– Wieso ist es falsch, von zu uns kommenden Menschen zu fordern, daß sie unsere Gesetze und Bestimmungen einhalten und wenn sie dies nicht tun, sie nach entsprechender Einhaltung des Rechtsweges auszuweisen und zur Ausreise zu zwingen?
– Warum soll es richtig oder auch nur human sein, Menschen dazu anzuspornen, sich freiwillig in Seenot zu begeben, indem man sie vor der Küste Nordafrikas abholt?
– Wieso ist es „gegen Europa gerichtet“, wenn man, da eine Einigung zu dieser Frage über drei Jahre keine Fortschritte macht und die Frage selbst inzwischen krisenverschärfend wirkt, sich notgedrungen so verhält wie alle anderen, bis eben in einem offensichtlich langen Verhandlungsprozess Kompromisse gefunden werden können?
– Wieso machen Sie sich so viele Sorgen um das angebliche Austragen von Problemen auf dem Rücken der armen Flüchtlinge, wenn Ihnen die Sorgen eines Großteils, wenn nicht der Mehrheit der Deutschen völlig egal zu sein scheinen?
Nun bin ich gespannt auf Ihre sachliche und inhaltliche Antwort zu diesen konkreten Diskussionsanregungen in der Methode und der Sache. Aber ich weiß doch: Sie werden ausweichen.
Ich grüße Sie,
Andreas Schwerdtfeger
Wenn der Kommentator schon weiß, was ich auf seine Fragen antworten werde, erübrigt sich zunächst eine detaillierte Reaktion. Die Fragen kommen mir so vor: Da beschwert sich einer über das schlechte Wetter an dem Tag, an dem er eine open-air-Veranstaltung ausrichten wollte. Ein anderer fragt: Was hast du gegen Regenwetter? Alles weitere später. Christian Wolff
Man kann es drehen und wenden, wie man will, ein Akt geistiger, geschweige denn geistlicher, Abrüstung ist „Widerlich und brandgefährlich“ nicht, sondern vielmehr eine Zurüstung zu kommenden Auseinandersetzungen, von denen ich mir nicht vorstellen mag, mit welchen Mitteln sie schließlich geführt werden werden, wenn es nicht gelingt, unsere Gesellschaft wieder zu befrieden, die Gräben, die sich täglich, auch hier, noch vergrößern, zumindest zu verkleinern.
Es ist in gewisser Hinsicht rührend, wie sich etliche Kommentare um mich sorgen. Vielleicht aber wäre es angemessener sich einmal zu fragen, was es für die Hunderttausende Migranten bedeutet, wenn auf ihrem Rücken kalt und unbarmherzig eine Auseinandersetzung um Macht und Einfluss geführt wird und sie dafür instrumentalisiert werden. Da entsteht ein gesellschaftlicher Schaden, der uns noch lange beschäftigen wird. Christian Wolff
Liebe, den Wolff`schen Blog, kommentierende Leute:
warten Sie doch mal etwas ruhiger werdend die nächsten 14 Tage ab. Und wir dürfen durchaus gespannt sein, was Frau Dr. Merkel zum EU-Gipfel (wo das bundesrepublikanische Flüchtlingsdrama per se primär nicht Tagesordnung sein dürfte) an übereinstimmende Flüchtlingsregeln unabhängig von nationalen Alleingängen tatsächlich erreichen wird (oder eben nicht). Und wie sich bis dahin und dann in Folge die Herren Dobrindt/Seehofer mit ihrem „Masterplan“ tatsächlich positionieren – warten wir es mal ab! Eine unter vielen derzeit debattierten Fragen ist zunehmend zu vernehmen: warum macht Frau Dr. Merkel von ihrer Richtlinienkompetenz keinen Gebrauch und lässt ihren Innenminister seine parteipolitisch allzu durchsichtigen, leichtfertigen Spielchen mit ggf. verheerenden Folgen für unser Land und Europa einfach so weiter spielen ? Warum trennt sich die CDU nicht von ihrer „Schwesterpartei“ CSU ? Ist wie immer auch jetzt das narkotisierende Aussitzen des schwerwiegenden Problems „Umgang mit Flüchtlingen“ – wie in den letzten Jahren – nicht ziemlich gefährlich und die Kräfte stärkend, die grinsend in der Warteschleife sitzen und im Bundestag Reden halten, die einem das Blut gefrieren lassen ? Einer sagte kürzlich, dass es nicht nur Tendenzen zum Auseinanderbrechen dieser Demokratie kommen könnte – nein: es bricht bereits! Und (fast) ganz nebenbei – der Fußball rollt in Russland und lenkt das Volk fröhlich ab – beschließt der Bundestag eine erheblich aufgestockte Parteienfinanzierung; sehr bemerkenswert vor allem derzeit, wo die öffentlich geführten Parteikämpfe an Qualitätsaufgabe und Staatsräson und menschlichem Anstand extrem zu wünschen übrig lassen. Wann endlich wird der Ernst der gegenwärtigen Situation erkannt und begriffen, dass machtpolitische Fehden alles andere als gut sind. Leute: werdet vernünftig im Umgang miteinander, auch in diesem Blog-Debatten-Feld! Jo.Flade
Ob Christian Wolff hier nun polemisch ist oder nicht – „Hass“ ist das nicht. Aber offensichtlich ruft er solcherlei Gefühle mit seinen Äußerungen hervor. Die Kommentatoren beklagen dabei eine Verweigerung über eine sachliche Diskussion – und verweigern sich selbst der sachlichen Diskussion. So mein Eindruck.
Es ging doch um das Handeln der CSU und des Bundesinnenministers, oder nicht?
Mich zürnt die Borniertheit, mit der die CSU 15 Bundesländer und die Bundesregierung für ihren eigenen Wahlkampf missbraucht. Ach nein, 16 Bundesländer – Die CSU ist nicht gleich Bayern! “
Mit Erpressern verhandelt man nicht“ würde ich gerne rufen, verfehlt aber die politischen Realitäten.
Und was wären die Folgen von Seehofers Plänen? Wiedereinführung der Grenzkontrollen an allen Grenzen? Schluss mit Schengen? „Passeports, s’il vous plaît“, an den Grenzen zu Luxemburg, Belgien und Frankreich? Oder kontrollieren wir nur die, die irgendwie südländisch aussehen?
Die Folgen dieser populistischen Politik halte ich für ebenso dramatisch wie Christian Wolff. Wie Populismus wirkungsvoll zu begegnen ist, weiß ich leider nicht. Polemik ist immerhin ein Versuch …
Sie irren, Herr Wolff. Ich frage nicht, ob ein Pfarrer polemisch argumentieren darf (er darf). Ich frage, ob ein Pfarrer um der eigenen Glaubwürdigkeit willen eine derart gespaltene Persönlichkeit darstellen sollte, die als Pfarrer von der Liebe Gottes redet (siehe Ihre Zitate) und als politischer Kommentator (so man Ihre Beleidigungen in dieser Art einordnen kann) seine Frömmigkeit und Nächstenliebe zunichte macht und als Heuchelei offenbart. Sie fordern die „inhaltliche Debatte“ – lesen Sie Ihren Beitrag nochmal nach: Nichts Inhaltliches, nur Beleidigung, wie nicht nur ich Ihnen vorhalte. Ihre Antworten gerade in diesem Beitrag auf die Reaktionen Ihrer Leser zeigen doch nur allzu deutlich, daß Sie in Ihrem Haß zur inhaltlichen und sachlichen Auseinandersetzung gar nicht mehr fähig sind. Man kann sich nur um Sie sorgen.
Andreas Schwerdtfeger
„Der Auftrag ist, dass wir die wunderbare biblische Botschaft mit der Grundaussage, jeder Mensch ist ein Geschöpf Gottes und mit Recht und Würde gesegnet, dass wir diesen Auftrag und diese Botschaft keinem Menschen vorenthalten.“
„Wir werden nur gemeinsam einen Weg finden und nicht gegeneinander im Sinne von, wenn der andere nicht da wäre, dann geht es mir besser.“
„Der schwierige Weg ist, dass ich mich den Problemen stelle und dass ich immer in dem Bewusstsein bin und rede und handle, ich werde das Leben nur dann sinnvoll gestalten können, wenn ich den Menschen, der mir nicht passt, den ich am liebsten nur von hinten sehe, mit einbeziehe.“
Alle drei Zitate: Pfarrer Wolff im DLF am 22.12.2017.
Wie sehr haben doch Frau Binder und Herr von Heydebreck Recht! Und wie traurig die völlige Uneinsichtigkeit unseres Pfarrers, der mit seinen emotionalen Haßtiraden das Zerrbild eines Politikers abliefert und andererseits in seinen Predigten uns die Barmherzigkeit Gottes und seine Gerechtigkeit gegenüber Jedermann vorhält. Wie nur kommt man aus solcher Schizophrenie heraus? „Es geht nicht um mich“, schreibt er und merkt dabei nicht, daß es auch seine Freunde sind, die ihn nicht mehr verstehen angesichts des so gar nicht zu einem Christenmenschen passenden Stils und der kontraproduktiven politischen Hetze, die weder Gegner noch Befürworter überzeugen kann, weil sie den „Diskussionsstil“ der Strasse und den Geist der späten 20er und frühen 30er Jahre des letzten Jahrhunderts in Deutschland widerspiegelt. Lieber Herr Wolff: Unterwerfen Sie sich der Therapie eines Grundkurses in Demokratie, bitte.
Die politischen Fragen, die sich uns stellen – und die unsere Politiker im Widerstreit zunehmender Polarisierung, Rechthaberei und Intoleranz, in einer Atmosphäre populistischer Simplifizierung und ausgeprägten individualistischen Egoismus‘ (alles Wolff’sche Taktiken) lösen müssen –, sind zu kompliziert für emotionalen Haß. In solcher Lage brauchen wir Leute, die die Probleme sachlich beschreiben (und zwar im Gegensatz zu einigen unsäglichen NGOs und auch zu moralisierenden Gutmenschen in allen ihren Aspekten), die dann jeweils in aller Deutlichkeit ihre eigene Meinung oder Lösungsvorschläge äußern (aber in einer Tonlage, die dem Gegenüber nicht die Würde nimmt und seine Meinung anerkennt) und die dann mit der Bereitschaft zum Zuhören, zur Toleranz, zum Kompromiß um die beste Lösungsmöglichkeit streiten (und dies in der Erkenntnis, daß ein Kompromiß immer auch nachgeben bedeutet). Nichts von all diesem findet sich in dieser schrecklichen Polemik unseres Pfarres.
Die beiden großen Fragen unserer Zeit, die ja eng miteinander verknüpft sind, nämlich die gewaltigen Migrationsbewegungen in aller Welt (ausgelöst durch Armut und Kriege) und die zunehmende Spaltung der Menschheit (innerhalb einzelner Staaten als auch zwischen diesen) in Arm und Reich erkennt wohl jeder als Schicksalsfragen an. Niemand hat dafür ein Patentrezept. Jeder, der – egal aus welcher politischen oder ideologischen Richtung – mitdiskutiert, bietet Argumente an, die neben persönlichen Präferenzen auch polemische Übertreibungen und Formulierungen enthalten. Ein schönes Beispiel ist Seehofers „Herrschaft des Unrechts“ – die Kontrolle an den Grenzen war (gesetzwidrig) ausgesetzt, das Parlament war (gesetzwidrig) nicht einbezogen, europäisches Recht (Dublin) wurde ohne Beschluß mißachtet, etc. Die Formulierung war dumm; die Aussage war inhaltlich richtig. Ein weiteres Beispiel ist Gaulands Aussage zur Nazi-Herrschaft: 12 Jahre schlimmster Verbrechen, der Gewalt nach außen und innen, des Verlustes jeglicher Würde, sind dennoch nur ein Ausschnitt deutscher Geschichte (wie übrigens alle anderen Länder um uns herum auch anerkennen); man muß diese Jahre als Mahnung und zur Lehre im Kopf und im Gewissen bewahren, aber man darf sie nicht zur ewigen Selbstverkleinerung auch künftiger Generationen heranziehen. Die Formulierung war im üblichen Gauland-Stil provozierend (wie alle Wolff-Formulierungen auch); die Aussage ist inhaltlich mindestens diskussionswürdig.
Wir werden die beiden o.a. großen Fragen nicht im Wolff’schen Stil lösen können. Dieser Stil vergrößert im Gegenteil den Graben – und insofern geht es doch um Herrn Wolff, der anstatt zur Mäßigung und Sachlichkeit aufzurufen, mithetzt und mitverunglimpft und mitspaltet. Sie sind eigentlich ein zu intelligenter Mann, um nicht mit ein bißchen Bereitschaft zur Selbstkritik dies selbst zu erkennen. Und jeder weiß, wie schwer der Weg zur Umkehr und zum Eingeständnis auch der eigenen Fehlbarkeit ist. Aber nach ihren letzten drei Beiträgen, lieber Herr Wolff, erfordert es Ihre Glaubwürdigkeit als Pfarrer – wenn Sie schon ein politischer Dilettant sind, – daß Sie sich besinnen – im wahren Sinn des Wortes : daß Sie zurückfinden zu Ihrem Verstand.
Ich grüße Sie.
Andreas Schwerdtfeger
Irgendwie sehr merkwürdig: Da demoliert eine Partei Europa, die Regierung und die Integrationspolitik – und Sie haben als Hauptthema, ob ein Pfarrer polemisch argumentieren darf oder nicht, bzw. ziehen über „unsägliche NGOs“ und „moralisierende Gutmenschen“ her. Das können Sie so machen, aber es trägt nicht sehr viel zum Diskurs bei. Der ist da vonnöten, wo es konkret um die Menschen geht, die durch eine gute Integrationspolitik sich möglichst bald als Teil der Gesellschaft verstehen können. Lassen Sie uns also inhaltlich debattieren. Christian Wolff
Sehr geehrter Dr. von Heydebreck- auch ich möchte Ihnen danken für die obige Zusammenstellung. Auch ich empfinde die Wortwahl von Christian als wenig hilfreich und sachdienlich- jedoch als zutiefst einseitig und polemisch. Und richtiggehend Aua möchte ich schreien- wenn ich Christians Replik auf Ihren Kommentar lese. Gibt es da noch Platz für Differenzierung?(“ Ein bisschen nur übt Selbstkritik – das reichte mir dann schon“.Jerzsy Suchi) Oder kehren wir wieder in alte Zeiten mit dem Motto: Zwischentöne sind Krampf im Klassenkampf- in dem Fall in der Flüchtlingsfrage und in der Politik- zurück?
Genau aus diesem Grunde habe ich mich mit Kommentaren im Blog schon seit langem zurückgehalten- nichts mehr geschrieben. Würde ich mich outen mit meiner Meinung, würde ich mich im Angesicht dieser Töne unversehnds in die rechte Ecke gestellt sehen. Übrigens : da gehöre ich so ganz und gar nicht hin und die AfD ist mir ein Graus.- Jedoch- ich sehe die Flüchtlingszahlen als Problem.Weit und breit sehe ich keine Lösungsvorschläge, die uns weiterbringen. Und dieses Problem wird nicht kleiner sondern größer. Es spaltet unsere Gesellschaft und gefährdet unsere Demokratie.
Und vor allem -es ist auch eine Stilfrage- wie man seine Meinung-wie Christian seine Meinung- vertritt. Und weil mir Christians Stil -wenn ich an zahlreiche politische-ich betone: die politischen Kommentare denke-so ganz und gar nicht gefällt- schweige ich lieber. Denn wenn der Stil schon so ist- welche Töne schlägt Christian dann an, wenn ich viele seiner Ansichten nicht teile?
Schade!
Liebe Adelheid, es geht nicht um mich. Es geht auch nicht um mögliche Meinungsunterschiede zwischen uns. Es geht in dem Blog-Beitrag darum, dass die CSU daran geht, Europa zu demontieren und einen Keil in die Gesellschaft zu treiben, indem sie durch ihre Diktion allen Menschen mit Migrationshintergrund deutlich zu verstehen gibt: so richtig gehört ihr nicht zu uns. Allein Söders nun ständig gebrauchter Begriff vom „Asyltourismus“ delegitimiert alle, die Zuflucht suchen. Das ist verwerflich und hat nichts mit Integration zu tun. Dass diese eine große Herausforderung und mit vielen Schwierigkeiten verbunden ist, das habe ich auch geschrieben. Beste Grüße Dein Christian
Ja, man muss konstruktiver über unübersehbare Probleme der Fluchtbewegung nach Deutschland und deren mögliche Lösungen reden. Das haben m. E. Richard Arnold und Boris Palmer, Bürgermeister von Schwäbisch Gmünd bzw. Tübingen, dieser Tage in vorbildlicher Weise getan: http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/kriminalitaet-und-fluechtlinge-wir-muessen-nicht-alle-integrieren-15636465.html.
Das sehe ich genauso.
Warum verlassen Sie wieder Ihren bei der innerparteilichen Kritik geübten sachlichen Stil und feinden Ihre Widersacher der CSU nur unflätig und gehässig an? Nachstehend habe ich mal die Tribute zusammen gestellt, mit denen Sie wohl hoffen; Ihre Leser überzeugen zu können: Dauergrinsend, geheimes Machwerk, geheuchelte Prinzipientreue, jämmerliches, widerliches Spielchen, die Egomanen von der CSU; scheinheilig, bierselige Auftritte am Aschermittwoch, verunglimpfend, Anschluss an die Orbáns, Kaczyńskis, Salvinis, kleinkarierter Rachefeldzug gegen die verhasste Angela Merkel,durch nichts gedeckte Selbstüberheblichkeit, Herren, die sich offensichtlich gerne im Morast eifersüchtelnder Nickeligkeiten suhlen, unappetitliches Treiben, das widerliche und brandgefährliche Theater.
Alles Original-Zitate aus Ihrem obigen kurzen Text. Vielleicht finden Sie damit noch den Beifall einiger alter 68er, aber so können Sie doch nicht aufgeklärte Menschen im Jahre 2018 überzeugen! Mit derartigen unflätigen und populistischen Hasstiraden tragen Sie als SPD-Mitglied leider dazu bei, dass Ihre Partei immer weiter an Zustimmung in der Bevölkerung verliert. Dass Sie so als pensionierter Pfarrer sprechen, dessen Pension ich mit meiner Kirchensteuer mit finanziere, macht mich traurig und sehr nachdenklich.
Sehr geehrter Herr von Heydebreck, vielen Dank für Ihre Replik. Eines eint uns ja: Wie Sie finanziere auch ich über die Kirchensteuer mein Ruhestandsgehalt. Aber nicht nur das: Wir finanzieren auch die engagierte Arbeit in Tausenden Kirchengemeinden für eine menschenwürdige Behandlung von Geflüchteten und wir finanzieren die sonntägliche Möglichkeit, in den Gottesdiensten Fürbitte zu halten für diejenigen, die politische Verantwortung tragen. Danken möchte ich Ihnen auch für die Zusammenstellung meiner Beschreibung der derzeitigen CSU-Politik. Da wird doch deutlich, dass deren politisches Agieren wenig zu tun hat mit einem Regierungshandeln, das „aufgeklärte Menschen“, aber nicht nur die im Jahre 2018 erwarten und überzeugen kann. Beste Grüße Christian Wolff