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Von Interessen und Werten

Zwei Bemerkungen in Kommentaren zum letzten Blog-Beitrag haben mich mehr als hellhörig gemacht – zumal sie etwas zum Ausdruck bringen, was sich in unzähligen Kommentaren zum gegenwärtigen Geschehen wiederfindet.

  • In der internationalen Politik geht es niemals um Werte oder Demokratie, sondern immer um Interessen. (Hans Schneider, 28.08.2025)
  • Was bringt es z. B., in Donald Trump ausschließlich den tumben Faschisten zu sehen, und nicht zu versuchen, die innere Logik seines Tuns zu erfassen? Und dadurch vielleicht zu erkennen, dass hinter seinen (sicherlich dilettantisch) betriebenen Friedensbemühungen auch ernstzunehmende US-amerikanische Staatsinteressen stehen? (Johannes Lerchner 24.08.2025)

Beide Bemerkungen klagen eine Rationalisierung der Argumentation ein mit dem Hinweis darauf, dass es in der internationalen Politik ausschließlich um „Interessen“ gehen würde. Auffällig ist: Immer dann, wenn in der politischen Argumentation auch Wertvorstellungen und moralische Maßstäbe angeführt werden, wird gerne auf „Interessen“ hingewiesen – so, als ob diese wertfrei seien. Das soll zum einen suggerieren, als seien moralische Wertvorstellungen hinderlich, ja schädlich im politischen Diskurs, weil zu emotional. Zum andern soll dies die Vorstellung untermauern, als seien Staatsmänner und -frauen kühl kalkulierende, rational handelnde Personen.

Letzteres allerdings halte ich für ein Ammenmärchen. Gerade autokratisch herrschende Staatenlenker:innen weisen zumeist stark egomanische Züge auf und befeuern im eigenen Machtbereich gezielt Emotionen. Staatlich verordnete und entsprechend inszenierte Huldigungszeremonien unterstreichen dies auf grosteske Art und Weise – sei es der Sieben-Meter-Tisch Putins, seien es die „Gesprächsrunden“ im Weißen Haus, in denen Trump – bewundert von seiner, ihn anhimmelnden Encourage – Staatsgäste wie Schulbuben aussehen lässt. Wenn solche Inszenierungen dann nach Jahren in Erinnerung gerufen werden, werden sich die meisten Menschen an den Kopf fassen und sich fragen: Wie konnten hoch gebildete Menschen auf solches Theater hereinfallen? Wie ist es möglich, dass man zu Lebzeiten solch Karikaturen ihrer selbst huldigt und ihr Treiben ständig zu rationalisieren versucht? Darum muss die angebliche Entemotionalisierung im politischen Diskurs ihre Grenzen dort finden, wo es darum geht, absurdes Polit-Theater zu normalisieren, sozusagen dem nackt agierenden Kaiser seine Kleidung anzudichten.

Doch die Rede von den „Interessen“ ist noch aus einem weiteren Grund höchst verräterisch. Diejenigen, die dies als Argument für nüchternes Argumentieren anbringen, gehen wie selbstverständlich davon aus, dass die „Interessen“ legitim, begründbar sind, eventuell sogar auf einer irgendwie gearteten Mehrheitsentscheidung beruhen. Doch welche und vor allem wessen Interessen verfolgen denn ein Wladimir Putin oder ein Donald Trump, ein Recep Tayyip Erdoğan oder ein Benjamin Netanjahu? Was sind denn die „ernstzunehmenden US-amerikanischen Staatsinteressen“, von denen Johannes Lerchner spricht? Welche Rationalität soll ich im Dauerbombardement der russischen Armee auf die Ukraine in der Nacht vom 27. auf den 28. August oder im Aufbau einer Bürgerkriegsarmee durch Trump in den USA oder in der Totalzerstörung des Gaza durch die Armee Israels erkennen? Vor allem aber: Verbirgt sich hinter dem Wort „Interessen“ nicht ein großes Ablenkungsmanöver von all den auch moralischen Werten wie Demokratie, Gleichberechtigung, Frieden, Abrüstung, Menschenrechte, durch die die Aktionen der Autokraten delegitimiert werden? Soll dies nur den Weg dafür ebnen, dass alle möglichen STOP-Schilder moralischer, demokratischer Werte aus dem Weg geräumt werden?

Machen wir uns nichts vor. Die Rede von den „Interessen“ lenkt vor allem davon ab, was ist: Mit der sog. „… first“-Politik soll weltweit ein neuer Nationalismus mit imperialem Anspruch (= Interessen) implementiert werden. Diesem werden jetzt schon Völker und Länder (Ukraine, Palästinenser) geopfert werden. Innenpolitisch entpuppt sich die „… first“-Politik als Pendent eines immer weiter um sich greifenden Indivudual-Egoismus „Ich bin das Volk“. Dieser lässt jeden kritischen Diskurs, jede demokratische Partei, jeden demokratischen Entscheidungsvorgang als unfähig aussehen, weil diese auf Ausgleich der Interessen, auf Kompromiss, auf Frieden setzen. Trump-Amerika und Putin-Russland wollen aber mit allen Mitteln das, was ihren Machtinteressen zuwiderläuft, zerstören – so auch die Europäische Union. Darum ist ihre Politik militant gegen Beteiligung, Vielfalt, Ausgleich im eigenen Land wie weltweit gerichtet. Gleichzeitig versuchen sie im Innern wie nach außen formierte, nationalistisch ausgerichtete Gesellschaften zu begründen. Wer vor dieser Strategie die Augen verschließt, der redet derzeit gerne von „Interessen“. Er beschönigt gefährlich-skurril agierende Autokraten als Fassade für knallharte, egomanische Interessenspolitik. Am Ende bedient das die Agenda der Rechtsnationalisten und das Bedürfnis vieler Menschen nach den ganz einfachen Antworten.

22 Antworten

  1. Ich bin überrascht, dass mein Verweis auf Brandt und Bahr in diesem Forum eine derart kontroverse, aber zum Glück qualifizierte Debatte zur Folge hat.
    Besonders Ihnen, Herr Wolff, empfehle ich den Aufsatz von Ute Finckh – Krämer „Moral oder Interessen“ (NGFH 10/23), in dem Sie anhand des von Herrn Lerchner benannten Zitats die Dilemmata der Außenpolitik beschreibt. Außenpolitik vertrage handelnde Personen, die nicht nur Interessen, sondern auch Moral als handlungsleitende ansehen, heißt es dort. aber auch: “ Die Erhaltung des Friedens war im Verständnis Bahrs die oberste moralische Pflicht des Staatspersonals“.
    Sie verweist auf den brasilianischen Wissenschaftler Giorgio Romano Schulte und dessen Kritik an der moralisch argumentierenden Außenpolitik in Bezug auf den Ukrainekrieg, die moralische Überheblichkeit des Westens, dessen Doppelmoral und die Missachtung der Interessen des globalen Südens: »Es geht um die moralische Verpflichtung, das Leben und die Gesundheit von Menschen möglichst zu bewahren.«

    Zu Diskussion an dieser Stelle möchte ich nur folgendes ergänzen: Zu den Grundprinzipien des Völkerrechts gehört das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheit eines anderen Staats. Das Interventionsverbot resultiert aus der Anerkennung der staatlichen Souveränität und verbietet auch die Anwendung oder Androhung von Zwang. Deshalb sind insbesondere Sanktionen oder (Zwangs)zölle völkerrechtswidrig. Daran ändern moralische Argumente, seien sie geheuchelt oder ernst gemeint, nichts Sie bleiben verboten.
    Brandt und Bahr haben sich daran gehalten. Ob das heutige außenpolitische Personal in der EU dies mangels Qualifikation nicht vermag, oder das Völkerrecht bewusst missachtet, lasse ich dahingestellt.

  2. Streitenden Juristen ist gelegentlich der „Blick ins Gesetz“ zu empfehlen. Herrn Lerchner und Herrn Schwerdtfeger der Blick in Egon Bahrs Buch „Deutsche Interessen – Streitschrift zu Macht, Sicherheit und Außenpolitik“, 1998. Im Kapitel „Eine Vision“ heißt es (offenbar hatte Bahr gegenüber Helmut Schmidt den Mut zu wenigstens einer Vision):
    „Wir wollen eine europäische Sicherheitsgemeinschaft erreichen, in der es zwischen Lissabon und Wladiwostok Kriege zwischen den Staaten nicht mehr gibt. Das verlangt ein Ordnungssystem, in dem nationale Macht durch die Stärke des Rechts ersetzt wird. Die nationale Verfügbarkeit militärischer Kraft gegen ein anderes Mitglied der Gemeinschaft ginge auf die Organe der Gemeinschaft über, mit Mehrheitsentscheidungen, Schiedsgerichtsbarkeit und – falls erforderlich – Sanktionen gegenüber solchen, die sich dem Recht nicht beugen. . . . Eine europäische Sicherheitsgemeinschaft bedeutet Zivilisierung der Macht. . . . Die Vision von der Macht des Rechts in Europa ist die Lehre der Geschichte, in der Deutschland zu oft erprobt hat, anderen die Macht seiner Stärke zu zeigen. Sie wäre auch die historisch richtige Antwort auf die Rückkehr der gefährlichen Normalität nach dem Ende der bipolaren Welt: Der Egoismus der Nation. . . . Der nüchterne Blick auf die Realität zeigt, dass die Welt für den wünschbaren und nötigen Qualitätssprung nicht reif ist, auch nicht Europa. Man muss von der Wirklichkeit ausgehen, ohne die Vision zu verlieren.“

  3. Da die Mail bei mir im Spam Ordner gelandet ist, lese ich diesen Diskurs erst jetzt. Er ist für einen Spät-Einsteiger in seiner Aggressivität nicht nachvollziehbar. An Herrn Lerchner habe ich einige Fragen:
    Sind „Staatsinteressen“ etwas Objektives? Offenbar kommen in den USA zwei aufeinanderfolgende Regierungen zu gegensätzlichen Einschätzungen, was im amerikanischen Staatsinteresse ist und was nicht. Siehe den Wechsel in der Ukraine Politik. Die Biden-Regierung sah das amerikanische Staatsinteresse durch diesen Krieg berührt und hat die Verteidigungsbemühungen der Ukraine massiv unterstützt. Trump tut nun das genaue Gegenteil. Was ist denn nun das US-amerikanische Staatsinteresse? Sollten hier nicht doch gewisse Werte eine Rolle gespielt haben?
    Lerchner schreibt: „Es ist klar, dass Staatsinteressen in der Regel vorherrschende Gruppeninteressen widerspiegeln.“ Das kann man in Russland sehen. Dort ist das Land in den Händen einer kleptokratischen Oligarchie. Diese verfolgt ihre materiellen Interessen und ordnet diesen das Staatsinteresse unter. Wie kann die gegenwärtige russische Kriegspolitik Ausdruck des Interesse des russischen Staates sein? 100-Tausende werden da geopfert. Und das soll in irgendeiner Weise Ausdruck eines Staatsinteresses sein? Dieser Krieg hat doch erkennbar eine ganz andere Funktion: Er soll das Putin Regime absichern.
    Lerchner schreibt: „In Europa wurde Russland zunehmend in die strategische Defensive gedrängt, vor allem durch die NATO-Osterweiterung.“ Setzt wohl voraus, dass dadurch das Staatsinteresse Russlands verletzt wurde. Diese Erweiterung aber war Ergebnis des massiv geäußerten Staatsinteresses der ehemaligen Sowjetrepubliken, die Schutz vor Russland suchten. Welche Staatsinteresse ist dann ernst zu nehmen und welches darf man einfach übergehen?
    Lerchner: „So liegt die Schwächung des strategischen Rivalen Russland im Hegemonial-Interesse der USA.“ Ich bestreite, dass Russland noch hegemonialer Rivale der USA ist. Die USA könnten den Niedergang Russlands in Ruhe beobachten. Deswegen verzichtet Trump ja jetzt auch auf jeden Versuch, Russland zu schwächen. Was soll dann die Rede von amerikanischen Staatsinteresse im Blick auf Russland?
    „Die Verteidigung der Dominanz des Politischen Westens wird schöngeredet als ‚Kraft des Guten‘, die der ganzen Welt zugutekommt.“ Wer hat in diesem Blogg jemals ein so einfältiges Schema vertreten? Hier wird die Gegenposition völlig verzerrt.
    „Der Versuch, die Welt ausschließlich durch die Linse von liberaler Demokratie und Autoritarismus zu interpretieren, dient lediglich dazu, den westlichen Dominanzanspruch zu verschleiern.“ Dem Satz mit „ausschließlich“ kann ich zustimmen. Allein, dass der Streit zwischen Demokratie und Autoritarismus einer der geheimen Motoren ist, der die gegenwärtige Weltpolitik bestimmt, kann man doch wohl kaum bestreiten.

    1. „Allein, dass der Streit zwischen Demokratie und Autoritarismus einer der geheimen Motoren ist, der die gegenwärtige Weltpolitik bestimmt, kann man doch wohl kaum bestreiten.“

      Demokratie vs. Autokratie : In keinem anderen Medium (nach meinen Beobachtungen) ist dieses Problem derart gehypt. Es scheint wohl eher ein Steckenpferd von Herrn Wolff zu sein – gefühlt in jedem 2. Blogbeitrag wird das von Herrn Wolff thematisiert und vor dem Untergang durch Autokraten gewarnt.
      Was die Welt wirklich bewegt, ist der Konflikt zwischen der alten Welt , also dem Westen (NATO and friends) und den BRICS Staaten. – Da passt das Demokratie Autokratie Schema einfach nicht. Wir haben im Westen Demokratien , aber auch Autokratien, wie z.B. Türkei, Ungarn, Slowakei, neuerdings die USA… und bei den BRICS Staten auch Demokratien wie z.B. Indien, Südafrika, Brasilien…

    2. Lieber Herr Fersterra,

      entschuldigen Sie bitte die späte Reaktion auf Ihre Fragen. Der Arbeitsdisziplin wegen vermeide ich in der Regel, mich unter der Woche vom Geschehen auf diesem Blog ablenken zu lassen. Vielleicht können Sie trotzdem meine Antworten noch zur Kenntnis nehmen:
      1. Staatsinteressen sind sicherlich weitgehend objektiv, insbesondere wenn es sich um Sicherheitsinteressen handelt. Sie lassen sich klar benennen. Dass Staatsinteressen in sich widersprüchlich sein können, habe ich am Beispiel der Haltung der USA zum Ukrainekrieg gezeigt. Die beiden von mir angeführten RAND-Dokumente belegen das nachdrücklich. Die USA würden nicht einen so hohen Aufwand zur Schwächung Russlands treiben, wenn sich das Problem von selbst erledigen würde.
      2. Beispiele dafür, dass Staatsinteressen Gruppeninteressen widerspiegeln, sind auch in den USA zu finden. Eine Politik gegen die Wallstreet ist dort undenkbar. Inwieweit Russland sich in den Händen einer „kleptokratischen Oligarchie“ befindet, müsste gezeigt werden. Der geringe Einfluss der Kriegsaufwendungen auf den Lebensstandard der russischen Bevölkerung spricht dagegen. Die wirtschaftliche Macht der russischen Oligarchen ist sicherlich beträchtlich, sie nimmt sich aber nichts im Vergleich zu denen in den USA oder der Ukraine.
      3. Die Interessen Russlands im Ukrainekrieg sind mit dessen vorrangigen Kriegszielen konsistent: Keine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine, keine Stationierung von Truppen aus NATO-Staaten in der Ukraine, Abtretung der Krim und von vier Oblasten, Begrenzung für ukrainische Streitkräfte. Damit soll ein hochgerüstetes westliches Bollwerk vor Russlands Haustür verhindert werden. Das ist überwiegend gesellschaftlicher Konsens in Russland.
      4. Besonders der Ukraine-Fall zeigt, dass die NATO-Erweiterung vor allem von den USA forciert wurde. Der Ukraine 2008 in Bukarest eine NATO-Perspektive zu offerieren, geschah unter dem Druck von Georg W. Bush, obwohl es zu dieser Zeit noch keine Mehrheit unter der ukrainischen Bevölkerung für einen NATO-Beitritt gab.
      5. Staatsinteressen (der anderen) sind ernst zu nehmen, wenn diese durch ausreichend Macht gestützt werden. Das bezüglich Russland trotz vielfältiger Warnungen (G. Kennan, Henry Kissinger, William Perry) nicht berücksichtigt zu haben, war ein tödlicher Fehler. Der 24. Februar 2022 ist nicht vom Himmel gefallen.
      6. Welche wesentlichen Vorgänge oder Zustände in der Welt lassen sich denn mit der Demokratie-Autokratie-Dichotomie erklären? Weder die Kriegswilligkeit noch die Gemeinwohlorientierung in den Ländern korreliert mit dem Grad von Demokratie oder Autokratie (s. auch E. Bräuer).

      Dieser Tage fand in der Berliner Zeitung ein interessanter Disput zwischen Hellmut Hoffmann, 2009-2013 Leiter der deutschen Abrüstungsmission in Genf und Brigadegeneral a. D. Klaus Wittmann, Universität Potsdam statt: https://www.berliner-zeitung.de/open-source/hoffmanns-replik-auf-wittmanns-replik-er-hat-meinen-ansatz-nicht-verstanden–li.2352867

      Beste Grüße,

      Johannes Lerchner

  4. “Am Ende bedient das (die Interessen-Debatte) die Agenda der Rechtsnationalisten und das Bedürfnis vieler Menschen nach den ganz einfachen Antworten“ (Wolff). Da wäre sie wieder, die einzig wahre Formel für die Erklärung dieser Welt. Die Geschichte erinnert allerdings eher an das Sprichwort von „Maslows Hammer“, als dass sie der zugegeben komplexen Materie von den konkurrierenden Staatsinteressen gerecht wird (Abraham Maslow, 1966: „Wenn man nur einen Hammer hat, sieht alles wie ein Nagel aus”). Selbstverständlich nehme ich nicht für mich in Anspruch, Erfinder einer Theorie von der Dominanz der Interessen in der internationalen Politik zu sein. Dazu haben sich schon weitaus Klügere geäußert. So Egon Bahr 2013 zu Gymnasiasten in Heidelberg: „In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“ Oder an anderer Stelle: „Wenn ein Politiker anfängt, über ‚Werte‘ zu schwadronieren, anstatt seine Interessen zu benennen, wird es höchste Zeit, den Raum zu verlassen.”

    Es geht mithin um die Interessen von Staaten, insbesondere um deren Sicherheitsinteressen. Sicherheitsinteressen bedeuten, das Überleben des Staates zu gewährleisten, d. h. seine physische Basis und seine Fähigkeit beizubehalten, das eigene politische Schicksal zu bestimmen. Darüber hinaus liegt es im Interesse von Staaten, den ungehinderten Zugriff zu Rohstoffen und Märkten zu sichern. Wie zahlreiche Regime-Change-Aktivitäten bestimmter Staaten zeigen, gehört es wohl ebenfalls zur Wahrung staatlicher Interessen, in relevanten Ländern für eine genehme politische Ordnung zu sorgen. Es ist klar, dass Staatsinteressen in der Regel vorherrschende Gruppeninteressen widerspiegeln. Wegen des Fehlens übergeordneter Autoritäten führt die Wahrnehmung von Sicherheitsinteressen (durch konkurrierende Großmächte) zu einem Sicherheitswettbewerb, der allerdings nicht ein Mehr an Sicherheit liefert, weil die Sicherheitsvorkehrungen der einen Seite von der Gegenseite als Bedrohung wahrgenommen werden und die resultierende Rüstungsspirale die internationalen Verhältnisse destabilisiert (Sicherheitsdilemma). So erklärt es die Realistische Theorie der internationalen Beziehungen (John J. Mearsheimer). Die Architekten der Entspannungspolitik in den 1960er und 1970er Jahren hatten erkannt, dass ein ruinöser und friedensgefährdender Sicherheitswettbewerb abgemildert werden kann durch Maßnahmen wie Rüstungskontrolle, Herstellung von Transparenz, Vertrauensbildung, Kooperation, friedliche Konfliktlösung und langfristiger Aufbau von Sicherheitsstrukturen. Der Erfolg dieser Politik hatte sich in einer deutlich verringerten Kriegsgefahr gezeigt, auch wenn weiterhin zahlreiche Stellvertreterkriege stattfanden.

    Die Anerkennung der Interessen politischer Gegner hat nichts mit deren moralischer Bewertung zu tun. Es geht auch nicht darum, ob deren Interessen legitim sind oder nicht. Die Benennung dieser Interessen lenkt auch nicht ab von dem, was ist (Wolff). Sondern das, was ist, sind die Interessen, die in der Außenpolitik zu berücksichtigen sind, soll diese erfolgreich sein. Maßgebliches Kriterium für eine erfolgreiche Außenpolitik ist, inwieweit sie die Voraussetzungen für den Frieden in der Welt verbessert. So ehrenwert die Motive für eine „wertebasierte“ oder „feministische“ Außenpolitik auch sein mögen, erfolgreich ist eine solche Politik offensichtlich nicht. Besonders dann nicht, wenn sie begleitet wird von einer Diplomatie in pädagogischem Format.

    Welche Auswirkungen die Vernachlässigung von Interessen hat, zeigen die Fehlentwicklungen der letzten 30 Jahre. Entwicklungen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass der Politische Westen (Glenn Diesen) es nicht mehr für nötig erachtet hat, die Interessen der politischen Gegner zu respektieren. Wie man sieht, in Überschätzung der eigenen Möglichkeiten. Nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums hatten z. B. die Neocons haben sofort damit begonnen, unter Inkaufnahme hunderttausender Toten den Rest sowjetischen/russischen Einflusses in der arabischen Welt zu eliminieren. In Europa wurde Russland zunehmend in die strategische Defensive gedrängt, vor allem durch die NATO-Osterweiterung. Bis zu dem Punkt, an dem die Aufnahme der Ukraine in die NATO akut wurde und Russland die Beeinträchtigung seiner Sicherheitsinteressen nicht mehr hingenommen hat. Es ist völlig unwesentlich, ob der Westen die vermeintliche Verletzung der russischen Sicherheitsinteressen korrekt als Paranoia einschätzt. Entscheidend ist, was die russischen Eliten darüber denken. Wie der damalige US-Botschafter in Moskau, William Burns nach Washington berichtete, war die Ablehnung des NATO-Beitritts der Ukraine keine Einzelmeinung, sondern eine konsolidierte russische Position. Diejenigen, die das nicht kapieren oder nicht wahrhaben wollen, reden weiterhin (wenig intelligent) von einem Putin-Russland.

    Keiner bestreitet, dass die Persönlichkeit der jeweiligen Staatsführer erheblichen Einfluss auf die konkrete Ausprägung der Politik eines Landes hat. Ständig von einem Trump-Amerika zu reden, ist jedoch oberflächlich, genauso wie das Gerede von einem Putin-Russland. Ignoriert es doch Grundlegendes. So liegt die Schwächung des strategischen Rivalen Russland im Hegemonial-Interesse der USA. Russland in den Ukraine-Konflikt zu treiben, war deshalb vorteilhaft (RAND 2019, “Overextending and Unbalancing Russia, Assesing the Impact of Cost-Imposing Options“). Andererseits bedroht der durch den Ukraine-Krieg stattfindende Ressourcenverschleiß die amerikanischen Kapazitäten, die für die vorgesehene Konfrontation mit China benötigt werden (RAND 2023, „Avoiding a Long War“). In diesem Sinne handelt Trump in amerikanischem Staatsinteresse, wenn er zumindest einen partiellen Rückzug aus dem Ukraine-Krieg anstrebt.

    Die Verteidigung der Dominanz des Politischen Westens wird schöngeredet als „Kraft des Guten“, die der ganzen Welt zugutekommt. Nur sehen das nicht alle so. Der Versuch, die Welt ausschließlich durch die Linse von liberaler Demokratie und Autoritarismus zu interpretieren, dient lediglich dazu, den westlichen Dominanzanspruch zu verschleiern. Wird in der Öffentlichkeit das ideologische Stereotyp akzeptiert, dass jeder Konflikt ein Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen liberalen Demokratien und autoritären Staaten ist, werden Kriege wieder tugendhaft und wird Diplomatie verräterisch (Glenn Diesen). Diesem Zustand scheinen wir uns sukzessive zu nähern. Das penetrante Trommeln der Medien für eine militärische „Friedensmission“ der Koalition der Willigen in der Ukraine ist dafür symptomatisch. Offenbar wird übersehen, dass manche Leute drauf und dran sind, aus der ukrainischen Tragödie eine gesamteuropäische werden zu lassen. Alles Reden über moralische Werte, Demokratie und Menschenrechte wäre dann gegenstandslos. Um aus der Sackgasse herauszukommen, in der vor allem die Politik der europäischen NATO-Staaten derzeit verharrt, ist ein grundsätzliches Umdenken erforderlich. Hin zu einem Denken, in dem wieder Interessenausgleich und Kompromisse eine prominente Rolle spielen. Sich dafür energisch einzusetzen, halte ich für wichtiger als sich z. B. in nutzlosen Phantastereien über die „Vereinigten Staaten von Europa“ zu ergehen.

    1. Lieber Herr Lerchner, vielen Dank, dass Sie noch einmal in aller Ausführlichkeit Ihre Sicht dargelegt haben. Da werden dann die Differenzen sehr deutlich. Das Zitat von Egon Bahr erklärt in meinen Augen auf ziemlich dramatische Weise, warum internationale Politik ohne Rücksicht auf die Menschen im eigenen Land, aber vor allem rücksichtslos gegenüber Bevölkerungen und ihren Interessen, agiert – einmal abgesehen davon, dass die europäische Einigungspolitik vor allem im Blick hatte (und hoffentlich hat), die von Machthabern zu nationalen Interessen erklärten Ziele dem friedlichen Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Nationen unterzuordnen – was nur funktioniert, wenn man sich auf gemeinsame Werte und demokratische Verfahrensweise zu verständigen versucht. Aber ein solcher Gedankengang ist Ihnen offensichtlich fremd. Das Gefährliche daran ist: Wer in der internationalen Politik Grundwerte und freiheitliche Demokratie für hinderlich erachtet – wieso wird er sie dann im eigenen Land noch wertschätzen und wahren? Mich schaudert’s also, wenn ich zur Kenntnis nehme, mit welcher analytischen Kälte Sie über Vorgänge schreiben, die alles Humane zerstören, und mit welcher Verächtlichkeit Sie reden über Ziele, die überlebenswichtig sind wie die Vereinigten Staaten von Europa. Diese „nutzlose Phantasterei“ ist jedenfalls ein wesentlicher Grund dafür, dass wir in Mitteleuropa seit 1945 die Interessenskonflikte ohne Krieg austragen konnten. Leider ist diese „Phantasterei“ auch ein Grund dafür, dass sowohl Putin-Russland wie Trump-Amerika derzeit alles unternehmen, um die EU zu zerstören. Beste Grüße, Christian Wolff

      1. Lieber Herr Lerchner,
        willkommen zurück im Lager der Vernünftigen und politisch Denkenden. Ihre Anmerkungen beschreiben genau, was „Politik“ ist und sein muss im Gegensatz zu gutmenschlichen Phantasien und ideologischen Träumereien; was Verantwortung ist im Gegensatz zu individueller Schönrednerei.
        Und: Bahr hat die Realitäten erkannt! Seine Partei heute ist ein unsicherer Verein verschiedentlicher Minderheiten, der die Bedürfnisse der Mehrheit übersieht.
        Andreas Schwerdtfeger

  5. Mit diesem Ihrer Feststellung:
    „Man lese die Reaktionen () der Kritiker (des Kritikers): Sie sind überwiegend inhaltslos im Sinne des Themas, sie sind ständig persönlich beleidigend, sie erkennen das simple demokratische Prinzip der Meinungsunterschiede nicht an und sie sind mimosenhaft empfindlich im Einstecken und wuchtig im Austeilen.“
    konnten Sie Ihre eigenen Kommentare wahrhaftig nicht besser beschreiben – danke für diese Selbstkritik… Ich hoffe, es wirkt und bringt irgend wann Besserung…Schönen Sonntag Ihnen in Ihrer Wut-Kemenate!

  6. Man erkennt an einigen Reaktionen hier, lieber Dr. Tesche, woran die permanenten Aufregungen sich dann in Aggressionen wandeln: Da schreibt einer, der sich selbst häufig als „fassungslos“ beschreibt, er verstünde meine „permanente Kritik“ nicht. Er erkennt nicht, dass ich einfach eine andere Meinung habe und diese mit demselben Nachdruck vertrete wie andere, auch Wolff, die ihre. Dem Schreiber „ohne Fassung“ geht es nicht um Meinungen, es geht ihm um Rechthaberei und Huldigung. Da schreibt ein anderer, es ginge mir nur ums Durchsetzen meiner Meinung und Parteienpräferenz. Dabei bin ich derjenige hier, der immer mal wieder nicht nur die eigene Parteienpräferenz kritisiert, sondern ausdrücklich auch den Andersdenkenden häufig zustimmt. Da schreibt mir Wolff, ich könne mich wohl nicht auf „einen Gedanken konzentrieren“, was doch nur aufzeigt, dass er leider die Komplexität heutiger Probleme und deren Zusammenhänge über viele Felder nicht begreift – einer meiner Hauptkritikpunkte.
    Man lese die Reaktionen meiner Kritiker: Sie sind überwiegend inhaltslos im Sinne des Themas, sie sind ständig persönlich beleidigend, sie erkennen das simple demokratische Prinzip der Meinungsunterschiede nicht an und sie sind mimosenhaft empfindlich im Einstecken und wuchtig im Austeilen.
    Lassen Sie uns doch lieber über „Interessen und Werte“ diskutieren: Über die Tatsache also, dass Jeder in unserer Welt, auf staatlicher wie individueller Ebene, seine Interessen verfolgt und diese im Zweifelsfall angesichts menschlicher Fehlerhaftigkeit in Krisen- und Mangelsituationen sich immer stärker und aggressiver äußern. Richtig ist an Wolffs Feststellung, dass Typen wie Trump oder Putin zusätzlich durch Gier oder Machtstreben motiviert sind, aber sie werden von Menschen gewählt, bzw unterstützt, die dies aus egoistischen Gründen des eigenen Vorteils tun – beide haben in ihren Ländern eine solide öffentliche Basis. Und auch unsere westliche „Werte“-Betonung ist doch in der Realität durch Egoismus (also Interesse) gesteuert, denn ansonsten würden wir ja anerkennen, dass die Schwäche unseres Staates augenblicks in der individuellen materiellen Überforderung desselben liegt.
    Aber das ist ja nach Wolffs enger Ansicht „mangelnde Konzentrationsfähigkeit“.
    Andreas Schwerdtfeger

  7. Natürlich verstehe ich, dass man ein Interesse daran haben kann, einen, in meinen Augen, qualitativ hochwertigen Blog, mit dreisten Beschimpfungen immer wieder zu diskreditieren. Wenn man davon besessen ist, alles vor allem besser als Andere zu wissen, ist es nur schwer hinnehmbar, wenn diese der eigenen Meinung, der eigenen Parteien-Präferez nicht hinreichend huldigen.

    Ich bezweifle, dass z.B. Donald Trump oder Wladimir Putin bei ihren politischen Entscheidungen die Interessen ihres Landes im Sinne haben; sie folgen eher ihrer ganz persönlichen Agenda (maximale persönliche Bereicherung, historische Bedeutung erlangen durch Etablierung als internationale Großmacht).
    (Christliche) Werte, wie insbesondere die Nächstenliebe und die Würde jedes einzelnen Menschen zu achten, haben mit Interessen-Politik zunächst einmal überhaupt nichts gemein, können im Idealfall allenfalls sich nicht gegenseitig ausschließen.

    Vielleicht ist das Buch von Julia Reuschenbach „Defekte Debatte“ hilfreich, die leider auch im Blog zunehmende Schärfe auf ein konstruktives Niveau zurückzuführen…

  8. Schade, dass Sie sich beide so persönlich beharken in den Kommentaren. Es mag dazu einen Hintergrund geben, der sich mir nicht erschließt, aber: Für mich als Außenstehendem ist das für mich mit dem Respekt vor dem Anderen als gleichwertigem Menschen nicht vereinbar.

    Was die Sache selbst anbelangt, neige ich der Auffassung von Herrn Schwerdtfeger zu, wenn er Interessen als eine neutrale Bezeichnung und ohne Wertung nimmt. Ob diese Interessenverfolgung irgendwelchen Werten folgt, ist eine völlig andere Sache. Damit ist auch nicht gesagt, ob diese Interessen moralisch gut sind oder verwerflich. Die Bewertung kommt erst, wenn man wirklich versteht, was dahinter steckt. Meistens wird das erst später verstanden oder auch nie. Auch dem meisten, was er zur Lage bei uns angeht, kann ich zustimmen.

    Der Begriff Interessen hat auch nichts damit zu tun, wie diese Interessenverfolgung nach außen verkauft wird. Das da Tricksen und Täuschen dazu gehört, halten ich für normal. Derjenige, der die Interessen verfolgt, stellt sich auf diejenigen ein, die er für seine guten oder bösen Ziele zur Durchsetzung gewinnen oder ruhigstellen will, wird aber niemals seine „bösen Ziele“ öffentlich machen. Sonst erzeugt er Widerstand. Es ist eine Kunst der Beeinflussung und Manipulation.
    Das damit natürlich Emotionen im Spiel sind, auch das ist normal, sonst klappt das nicht. Im einen Fall zeigt man sich mit der Bibel in der Hand, im anderen Fall organisiert man Demos und macht Bange vor der Zukunft oder ähnlichem, das Erzählen/Erfinden und Aufrechterhalten von Narrativen zur Zielerreichung.
    Diese Verhaltensweise gilt für alle Regierungen, ob autokratisch oder demokratisch.

    Als Beobachter des Geschehens, also als normale Bürger, sind wir uns dieses Spiels der Macht hoffentlich bewusst. Da unsere Einsicht beschränkt und ggf. interessengesteuert ist (z. B. wenn es um die Ursachen eines Krieges und deren Hintergründe geht), halte ich mich mit Urteilen und Abstemplungen möglichst zurück und fordere das von anderen auch. Man muss beide Seiten wirklich kennen und deren Argumente und Verletzungen. Je mehr man ins Detail geht, desto mehr erkannt man: Wer bitte werfe den ersten Stein. Im persönlichen Leben finde ich in der Regel einen Ausgleich, ohne meine Interessen zu verletzen. Das fordere ich von der Politik auch.
    Bei Trump kommt ergänzend hinzu, dass er natürlich vorgibt, gute Ziele zu verfolgen und das vor dem Hintergrund eines Rechtsstaates zu tun. Er ändert nicht das Gesetz (nur im Ernstfall) , sondern ersetzt die Personen. Der Einfallsreichtum ist enorm. Widerstand bricht er durch Dreistigkeit, Überrumpeln durch Brutalität und persönliches Unter-Druck setzen einem Mittel, das wir aus der Zeit nach der Machtergreifung gelernt haben sollten. Danach war das eine erfolgreiche Strategie, was das gefügig machen des deutschen Volkes angeht.

    1. Ich hatte bewusst darauf hingewiesen, dass Wort „ Interessenvertreten“ von deren Bewertung zu unterscheiden ist..
      Nach Kant soll man sich aus Vernunftgründen und zur Erhaltung des Friedens sich so verhalten, dass alle Mitglieder der Gesellschaft diese Verhaltensweise als Prinzip und gültige Regel für sich akzeptieren würde.. Das kommt der christlichen Beurteilung sehr nahe.
      Dieses Prinzip gilt für das Verhalten des einzelnen Menschen wie auch das Verhalten der Staaten untereinander.
      Wenn es nun um staatliches Handeln, (hier USA unter Trump) geht, folgendes:
      Ich denke, man sollte dabei die einzelnen Fälle der Interessenvertretung im Auge haben und nicht perse allem zustimmen oder alles verteufeln, was von dort kommt.
      Mir scheint es kommt sehr auf den Einzelfall an und uns mit den Gegebenheiten einstellen und und unseren Kompass nicht verlieren.

      Zu Sagen, es werde die gesamte Rechtsordnung zerstört ist mir zu pauschal und einseitig, zumindest problematisch.Was macht man, wenn die Apparate nicht oder kaum handlungsfähig sind und sich permanent gegenseitig blockiert? Haben wir Ideen und die Macht das zu ändern? Leider nicht.

      Schauen wir exemplarisch einige konkrete Fälle der Interessenvertretung an:

      Wenn also z.B.im Budapester Memorandum zugesagt und der Öffentlichkeit erklärt, dass die USA UND GB UND RUSSLAND die Souveränität der Ukraine garantieren und das feiert und anschliessend das nicht umsetzt ( sondern rechtliche Argumente ins Feld führt und als nicht werthaltig bezeichnet) ist das eindeutig im Widerspruch zu dem Kant‘schen Imperativ und abzulehnen. Das sollte man auch sagen.

      Anders sehe ich es z.B.wenn ein Land wie die USA klar erklärt bzw. deutlich macht, dass man finanziell konsolidieren muss ( weil man de facto Pleite ist )und die Refinanzierung der Staatsschulden gefährdet ist. Dass dann durch Erpressung durchzusetzen, ist ein Weg, der ethisch nicht vorgesehen ist, weil die Einsicht des Anderen unterstellt wird. Was macht man aber, wenn die Anderen hinhalten, über Jahre und nicht ihren angemessenen Teil (was ist das genau) zahlen aber gleichzeitig weiter schmarotzen wollen?
      Die faire Abwägung ist schwierig, kommt es doch auch auf den Betrachtungszeitraum an. ( handelt es sich um eine nachtträgliche Korrektu, was genau ist angemessen)

      Gleiches gilt, wenn die Trump Regierung sich nicht dafür verantwortlich sieht, was in der Ukraine geschah und geschieht und sich an den aktuellen Kosten nicht mehr beteiligt und auch keine -allenfalls sehr weiche Garantien zu geben bereit ist. Ein gegebenes Wort muss gelten, sonst wird Vertrauen gestört. Auf Vertrauen basiert unsere die Gesellschaft.

      Anders sehe ich es, wenn die UKRAINE mit den Europäern eine andere Strategie fahren wollen als man als USA jetzt mitträgt . Dann hat die Trump Regierung prinzipiell sehr wohl das Recht zu sagen: OHNE UNS! Ob sich dann später herausstellen sollte, das niedere Beweggründe dahinter steckten, erfahren wir dann leider zu spät!
      Deswegen müssen wir zur Vertretung unserer Interessen so schnell wie möglich verteidigungsfähig und konzeptionsstark werden.

    2. „Schade, dass Sie sich beide so persönlich beharken in den Kommentaren. Es mag dazu einen Hintergrund geben, der sich mir nicht erschließt, aber: Für mich als Außenstehendem ist das für mich mit dem Respekt vor dem Anderen als gleichwertigem Menschen nicht vereinbar.“
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      Ihre Formulierung finde ich kritikwürdig, weil Sie damit Herrn Wolff auf eine Stufe mit Herrn Schwerdtfeger stellen. Dieser ist von Obessionen gegenüber Herrn Wolff geradezu besessen; und jener sieht sich gezwungen, darauf zu reagieren – in angemessener Art und Weise, wie ich meine.

  9. Es ist dies wieder ein Beitrag, der die ganze Widersprüchlichkeit dieses Blogs kennzeichnet – dass nämlich um irgendwelche Worte herum ein vermeintlich wichtiges Anliegen kommuniziert wird und es sich in Wirklichkeit um Banalitäten insofern handelt, als man das Problem nur durch die eigene Brille betrachtet akzeptieren will.
    „Interessen“ ist jetzt das böse Wort. Vorher war es „Waffen“ oder „Hochrüstung“, davor waren es alle die klugen Anmerkungen zu „Kriegsvölkerrecht“ und „Kriegsverbrechen“, gar „Vertreibung“, und davor die vielartigen Umschreibungen der sozialen Kälte und sogenannten Gerechtigkeit bei uns.
    Nehmen wir ein Beispiel: Wolff schrieb uns den eher inhaltslosen Satz „Schwerter zu Pflugscharen“ – beides gibt es gar nicht mehr und schon im Mittelalter – siehe Wolffs richtige Hinweise auf den Bauernkrieg – wären Schwerter wohl eher zu Mistgabeln umgeformt worden, weil man diese eben besser zur Verteidigung nutzen konnte. Der Mensch hat sich noch immer in seiner Geschichte bewaffnet, um sich zu schützen oder um seine Aggression zu leben – es wird sich daran nichts ändern, auch nicht durch die klugen „Philosophien“, die man hier lesen konnte. Das wahre Abwägen geschieht wohl weniger zwischen Werten (die auch Interessen sind) und Interessen, sondern zwischen Idealen, die im menschlichen Umfeld nicht erreichbar sind, und Realitäten, die an der „Drecksarbeit“ nicht vorbeiführen.
    Jetzt also „Interessen“. Wolff teilt uns durch den Schleier seiner Vernebelung mit, dass er keine „Interessen“ verfolgt, denn diese sind ja böse. Aber ist nicht die Anmahnung von Werten und Demokratie, der Versuch der weltweiten Belehrung mit Moral, die Durchsetzung von „Werten“ mit Sanktionen – ist das alles also nicht Interessenverfolgung? Ist nicht der zu Recht kritisierte, aber bei uns völlig selbstverständliche „Individual-Egoismus“ – nicht nur staatlicher, sondern insbesondere auch individueller, wie das Wort richtig ausdrückt – nichts anderes als „Interesse“?
    Wir sind dabei, unsere Demokratie ganz ohne Trump oder Putin zu ruinieren, indem wir keine Eigenverantwortung mehr kennen, sondern nur nach „der Politik“ schreien; wir ruinieren derzeit unsere Demokratie, indem wir, wie der Kanzler richtig feststellte, einen Sozialstaat fordern, den zu erarbeiten wir nicht bereit sind; wir zerstören unsere Demokratie, indem wir Freiheit missbrauchen – das nächste Beispiel hierfür zeichnet sich entlang der Castor-Route ab – und Gesetzlosigkeiten wie Hausbesetzungen (Frankfurt) gesellschaftlich hinnehmen. Das alles ist die von Wolff hier angeklagte „Interessen“-Vertretung. Warum also Trump und Putin heranziehen, Öl und Wirtschaft, Interessen gegen Werte (die nicht „Interessen“ sind?)?
    Das politische Problem derzeit in Europa ist nicht die Abwehr böser „Individual-Interessen“ anderer Staaten. Das Problem Europas ist, dass wir im wirtschaftlichen und sozialen Sinne über unseren Verhältnissen, im sicherheitspolitischen Sinne unter unseren Verhältnissen und im moralischen Sinne in einer Phantasiewelt leben und dass wir mit unserer individuellen Rechthaberei deutlich sichtbar an Toleranz und Kompromissfähigkeit verlieren – was wohl dem „Interesse“ WERTE klar zuwiderläuft. Da haben es dann die „Autokraten“ recht leicht mit uns.
    Andreas Schwerdtfeger

    1. Zunächst ist es ja begrüßenswert, dass Herr Schwerdtfeger den Beitrag überhaupt gelesen hat. Dann jedoch habe ich den Eindruck, dass Herr Schwerdtfeger schon vorher wusste, was er zu diesem Beitrag schreibt, und ihn darum nur sehr oberflächlich zur Kenntnis genommen hat. Denn dann hätte er gesehen, dass an keiner Stelle davon die Rede ist, dass Interessen per se „böse“ sind (was ja auch ein ziemlicher Blödsinn wäre). Mir ging es vielmehr darum, die sehr häufig benutzte Aussage, dass es in der internationalen Politik ausschließlich um „Interessen“ gehe, zu hinterfragen – vor allem, weil mit diesem Begriff immer Rationalität versus Wertebezogenheit in der Argumentation includiert ist. Aber Herrn Schwerdtfeger fällt es schwer, sich auf einen Gedanken zu konzentrieren. Stattdessen schafft er es wieder einmal, alle Themen vom Bauernkrieg über Castor-Transporte bis zu Hausbesetzungen und Sozialstaat mit einander zu verrühren – und das mit der Attitüde einer „individuellen Rechthaberei“. Es sei ihm gegönnt.

      1. Es ist schön, dass Sie mir eine eigene Meinung gönnen – und natürlich sehr großzügig. Ich habe festgestellt und begründet, passend zu Ihrem Thema, dass „Werte-Vertretung“ auch „Interessenvertretung“ ist.
        Und schön auch, dass Sie „Interessen“ keineswegs „per se als Böse“ ansehen. Ihr Absatz, beginnend mit: „Doch die Rede von den „Interessen“ ist noch aus einem weiteren Grund höchst verräterisch. Diejenigen, die dies als Argument für nüchternes Argumentieren anbringen, gehen wie selbstverständlich davon aus, dass die „Interessen“ legitim, begründbar sind, eventuell sogar auf einer irgendwie gearteten Mehrheitsentscheidung beruhen. Doch welche und vor allem wessen Interessen verfolgen denn ein Wladimir Putin oder ein Donald Trump …“ ließ mich wohl kaum zu Unrecht eine andere Meinung bei Ihnen vermuten. Wie schön, wenn ich mich geirrt habe.
        Ihre sonstigen eher gehässigen Kommentare zu meinem Beitrag lassen wir mal außen vor – Sie können halt nicht anders in Ihrer verqueren Interpretation des demokratischen Diskurses.
        Andreas Schwerdtfeger

    2. Welches Interesse, Herr Schwerdtfeger, verfolgen Sie eigentlich mit Ihrer permanenten Kritik an den Wolffschen Beiträgen, sowohl inhaltlich als eben auch mit persönlichen Angriffen? Sie sehen die Demokratie in unserem Land gefährdet; gehört da nicht – leider auch durch Ihre ununterbrochene Verbal-Gewalt gegenüber Andersdenkenden – zi den Ursachen dieses Demokratieverlustes dazu? Also welches Interesse treibt Sie seit Bestehen dieses Blogs, immer und immer wieder so brachial anzugreifen? Schmieden Sie doch mal Ihre Schwerter zu Pflugscharen, Mistgabeln gibt es in der Auseinandersetzung schon genug, wie alle Leser dieses Blogs durch Ihre Einlassungen erkennen müssen. Jo.Flade

      1. Ich denke Herr Wolff hat das doch gut durchschaut…. Das mit den „Interessen“ ist nur Cover für das Suspendieren der Moral und der Demokratie.

    3. Ich gebe Ihnen völlig Recht, Herr Schwerdtfeger: Ganz ohne Trump und Putin ruinieren wir unsere Demokratie, indem wir einen Sozialstaat fordern, den zu erarbeiten wir nicht bereit sind; wir zerstören unsere Demokratie, indem wir Freiheit missbrauchen.
      Erarbeiten wir also den Sozialstaat mit wirksamer Zurückverteilung des Vermögens von über 100 Milliardären, die es auch bloß geerbt haben, und ihre Freiheit missbrauchen, indem sie es frei von Vermögenssteuer fünf mal schneller vermehren als das Bruttosozialprodukt steigt. Die Demokratie ist gefährdet, wenn 1000 Leute über das Dreifache des Bundeshaushalts verfügen.

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