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Trotz allem: Zukunft und Hoffnung

Kürzlich hörte ich im Radio einen interessanten philosophischen Gedanken: Vergangene Zukunft ist die Gegenwart. Ja, dachte ich, genauso ist es: Das einstmals Zukünftige bildet sich im gegenwärtigen Geschehen ab. Wenn ich auf die braungelb vertrocknete Rosentalwiese blicke, die verbrannten Wälder in der sächsischen Schweiz sehe, gleichzeitig Bilder von Überschwemmungen ungeahnten Ausmaßes über den Bildschirm flimmern, dann vergeht mir nicht nur die unbeschwerte Freude an lauen Sommernächten. Das, was vor 40, 50 Jahren als Zukunftsszenario an die Wand gemalt und schnell vergessen wurde, ist erschreckende Gegenwart geworden. Ja, es lohnt sich, die Gegenwart auf das abzuklopfen, was in ihr an einstmals Zukünftigem, oftmals Verdrängtem sichtbar wird.

Doch für Christen hat Zukunft noch eine andere Bedeutung. Der Glaube eröffnet uns eine Perspektive auf Gottes neue Welt. Sie geht weit über das Hier und Jetzt hinaus. In ihr sind Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft aufgehoben. Die Zukunft, auf die Christen hoffen, ist also etwas anderes als ein sich in der Gegenwart vollstreckender Schrecken. In ihr erfüllt sich all das, worauf wir hoffen: Gerechtigkeit, Frieden, Barmherzigkeit, Gewaltlosigkeit, versöhntes Miteinander von Mensch und Natur – so die biblischen Verheißungen. Im Prophetenbuch des Jeremia lesen wir: „Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.“ (Jeremia 29,11)

Wenn wir in diesem Sinn lebenswerte Zukunftsperspektiven entwickeln und anbieten, dann wird es möglich, unsere Gegenwart mit dem zu füllen, was wir erwarten und was sehr häufig konträr zur persönlichen, gesellschaftlichen, politischen Wirklichkeit steht: Frieden – und kein Leiden. Dann vermögen wir auch dem Schrecken zu begegnen, den vergangene Zukunft heute auslöst. Derzeit verunsichern Krieg, die dramatischen Folgen des Klimawandels und weitere Krisen viele Menschen zutiefst, machen sie mürbe und handlungsunfähig und lassen sie zweifeln an der Tragfähigkeit biblischer Hoffnungskraft. Als Christinnen und Christen, als Kirche können wir aber der tiefen Verunsicherung nur dadurch begegnen, dass wir kraftvoll und widerständig den einen Grundgedanken Gottes leben: Frieden. Ein Frieden, der durch Jesus Christus Gestalt angenommen hat. Ein Frieden, der zukünftiges Leben ermöglicht und Ängste überwindet. Ein Frieden, der jetzt schon Zeichen für Gottes neue Welt gegenwärtig werden lässt.

6 Antworten

  1. Der Althistoriker Alexander Demandt hat es in seinem schon 2015 erschienenen Buch über die „Zeit“ etwas ausführlicher beschrieben:
    „Die Gegenwart ist die Zukunft der Vergangenheit und die Vergangenheit der Zukunft. Denn Zukunft ist künftige Vergangenheit; Vergangenheit ist vergangene Zukunft. Das ‚praesenz‘ hat keine ‚longitudo‘, es ist die ‚coniunctio‘ zwischen ‚praeteritum‘ und ‚futurum‘. Die Gegenwart wächst nicht wie die Vergangenheit, sie schrumpft nicht wie die Zukunft; sie vergeht nicht und kommt nicht wie die „Zeit“, sondern ist, wie der Name sagt, allzeit präsent und in diesem Sinne ewig. Die Ewigkeit ist ein Abbild der Gegenwart und umgekehrt.“
    Dieser Gedanke scheint mir plausibler als der, daß „Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft in Gottes neuer Welt aufgehoben“ seien. In ihm – dem Demandt’schen Konzept – wird nämlich klar, daß nur die Gegenwart als ewige Realität gestaltbar ist, daß wir Menschen nur in der Gegenwart unsere Ziele verwirklichen können, daß wir in UNSERER Zeit und orientiert an den Möglichkeiten DIESER Zeit Lösungen finden müssen. Daraus ergibt sich, daß es falsch ist, die Vergangenheit immer mit den Maßstäben der Gegenwart messen zu wollen; und es ergibt sich ebenfalls daraus, daß Zukunftsvisionen ohne reale Gestaltungsoptionen in der Gegenwart eben nichts anderes sind als Hirngespinste. Und deshalb ist es so wichtig, nicht immer vom Frieden zu reden, sondern ihn JETZT zu gestalten – im Angesicht der menschlichen (und staatlichen) Unzulänglichkeiten und in der demütigen (oder bescheidenen) Erkenntnis, daß das Werk einerseits immer unvollendet bleiben wird und andererseits stets einer starken Absicherung bedarf. Denn „der Friede, der durch Jesus Christus Gestalt angenommen hat“, wird immer etwas völlig anderes (und abstraktes) sein, als ein realer politischer Zustand in unserer Welt, in dem die Menschen möglichst ohne Gewaltanwendung miteinander auskommen.
    Ich habe mit Freude einige von Käfers Postulaten (21. August) gelesen: „Verbal abrüsten“, „tragfähige (!) Zukunftsvision“; „Spaltung verhindern“, „Empathie (und) Grundwerte akzeptieren“ (also auch die Meinung des anderen tolerieren). Ich habe seine anderen Forderungen mit Sympathie zur Kenntnis genommen, aber erkenne (im Gegensatz zu ihm?) die Problematik: Wer definiert „Populismus“, was kann die „Straße“ leisten und wo wird sie zur Belastung und zum Spaltpilz? Wie Gegensätze ausgleichen: Bürokratie abbauen einerseits, die berühmte „Gerechtigkeit“ herstellen andererseits, zB?
    Das Problem ist ja, daß eine solche Liste von wohlmeinenden Ratschlägen nur dann ihre Wirksamkeit entfalten könnte, wenn man nicht der Meinung wäre, der andere sei der Weltenerklärer, man selbst dagegen der tolerante Ideengeber. Das Problem entsteht ja da, wo dezidierte und bekennende Pazifisten die aggressivsten Beiträge schreiben (und dann auch noch ohne Sachkenntnis (was hat schon die Halbwertzeit mit der „Streckung“ von Brennstäben zu tun?).
    Und das Problem entsteht da, wo man mit doppelten Maßstäben mißt: Wenn eine Verbraucherorganisation sagt: „Kürzer duschen“, dann ist es hilfreicher Hinweis; sagt ein Politiker dasselbe, ist es bösartige Einmischung – welch‘ eine Heuchelei! Wenn Politiker in einem Privatflieger (denn das ist de facto ja der Regierungsflieger) keine Maske tragen, dann ist das schlechtes Beispiel; aber fahren wir unseren Privatautos mit Maske? Alles nur mediale und soziale Streitlust mit Besserwissercharakter!
    Also: Ich freue mich darüber, wenn hier im Blog die Gegenwart gestaltet werden soll, um eine bessere Zukunft als künftige Gegenwart zu erreichen. Realismus und Anerkennung von anderen als den eigenen Meinungen sind dazu vonnöten – und „verbale Abrüstung“ insbesondere auch von erklärten Pazifisten.
    Andreas Schwerdtfeger

  2. Lieber Christian,
    sehr schön hast Du den Grundgedanken christlichen Glaubens und christlicher Eschatologie entfaltet: der Glaube eröffnet uns eine Perspektive auf Gottes neue Welt. Dieser Glaube setzt uns in Bewegung, wie wir bald in Karlsruhe bei der 11. Vollversammlung des ÖRK hören werden: Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt. Ich hoffe, dass wir in den Kirchen diesen Glauben an uns geschehen lassen und dann voller Hoffnung uns einsetzten für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung – für die Freiheit der Kinder Gottes. Was heute als unmöglich gelten kann, kann in dieser Hoffnung Wirklichkeit werden. Wir können viel tun.
    Herzliche Grüße
    Hans Scheffel

  3. Ich habe noch einen schönen Hinweis für all die unter uns die noch mehr Freude und Zuversicht in turbulenten Zeiten benötigen: Mission Joy – einen wunderbaren Film über ein gemeinsames Interview von Desmond Tutu und dem Dalai Lama. Warmherzigkeit, Lebensweisheit, Lernbereitschaft und viel ansteckendes Gelächter prägen diesen Film, aus dem ich beglückt heraus gekommen bin.

  4. Hallo Herr Wolff,

    Gottes neue Welt voll Gerechtigkeit und Frieden ist, wie Sie selbst schreiben, jenseits dieser Welt im Aufgehobensein von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Das ist Ihr Glaube und darüber möchte ich mit Ihnen nicht streiten.
    Ich bekenne mich ebenfalls zum christlichen Glauben. Aber anders als Sie, möchte ich „der Erde treu“ bleiben. Ich brauche keine Vorstellung vom Jenseits, um Hoffnung in diese Welt tragen zu wollen, aus zwei Gründen:
    Erstens sehe ich, dass Jesus selbst in seinen Gleichnissen stets sehr irdisch und mit irdischen Möglichkeiten argumentiert hat.
    Und zum Zweiten habe ich mit meiner Haltung eine andere Sicht auf die Welt: In der Welt selbst ist Grund zur Hoffnung. Ihr Blick auf die Welt ist hingegen allzu negativ, fast eine Weltuntergangsstimmung, wenn Hoffnung für die Welt nur noch von außen kommen kann.
    Das ist nicht mein Weltbild.
    Ich sehe soviel Menschen und Anstrengungen in der nahen und fernen Umgebung, die Grund zur Hoffnung und zur Lebensfreude sind. In der Welt ist genug Hoffnung. Es ist in vielfacher Hinsicht eine kritische Zeit, ja, aber in einer Krise stärkt sich auch die Hoffnung, der positive Antrieb, der in der Welt ist. All jenen/m fallen Sie in den Rücken, vermutlich auch sich selbst, wenn Sie die Hoffnung von einer Jenseitsvorstellung gewinnen wollen.

    Positive Antriebe in der Welt sind da, in Hülle und Fülle, an unendlich vielen Ecken und auf unendlich vielen Ebenen. Dem möchte ich unbedingt treu bleiben, weil sie es verdient haben, gestärkt zu werden, uns allen zugute, um der Hoffnung der Welt willen.

    Wenn ich Ihre Zeilen lese, dann werde ich fast depressiv: Nur noch von Christinnen und Christen kann via Jenseitshoffnung etwas Licht in unsere dunkle Welt getragen werden.
    Das unterschätzt bei Weitem die Hoffnung der Welt und das überschätzt bei Weitem, was Christinnen und Christen zu tun in der Lage sind.

    Ich stelle mir vor, dass Gott auf alle positiven Antriebe in der Welt lächelnd und wohlwollend blickt. Das ist mir sehr wichtig und zugleich ist es mir, aus besagtem guten Grund, völlig genug.

    Wieso sollte Gottes Welt keine Hoffnung mehr in sich haben?

    Martin Haberland

  5. Wer einen NETFLIX-Zugang hat, dem empfehle ich den Film „Die zwei Päpste“.

    Der Film handelt vom überraschenden Rücktritt von Papst Benedikt XVI. im Jahr 2013 und der darauf folgenden Wahl des ersten Papstes aus Lateinamerika, Papst Franziskus.
    Beide treffen vor dem Rücktritt Benedikts zu langen Gesprächen zusammen.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Die_zwei_P%C3%A4pste

    Der Film lebt von den großartigen Darstellern Jonathan Pryce und Anthony Hopkins.

    Hier der Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=wbUYjfr5wR8

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