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Revolutionäre Spieler

In einem aufschlussreichen Artikel erinnert Volker Weiß in der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ (http://www.zeit.de/kultur/literatur/2016-02/rechts-konservativ-nassehi-kubitschek ) an den Rechts-Intellektuellen Armin Mohler (1920-2003). Er forderte schon unmittelbar nach dem Ende des Faschismus die „Revolution von rechts“. Mohlers offen gezeigte Sympathie für den Faschismus, seine Propagierung eines völkischen Neuheidentums, seine Präferenz für autoritäre Präsidialverfassungen hinderte die konservative Szene in (West-)Deutschland nicht daran, ihn als Intellektuellen zu hofieren. Heute zeigt das Beispiel Mohler, dass ein Thilo Sarrazin, dass die Chefideologen und Strategen von Pegida und AfD, Götz Kubitschek und Jürgen Elsässer, Letzterer ist Herausgeber des rechtsradikalen Magazins „COMPACT“, nicht vom Himmel gefallene Sonderlinge der bundesrepublikanischen politischen Szene, sondern Produkte einer zu jeder Zeit nach 1945 sehr lebendigen rechten Szene sind, die in allen gesellschaftlichen Schichten, vor allem im Mittelstand und im sog. Bildungsbürgertum, vorzufinden ist und über erheblichen Einfluss verfügt. Doch noch etwas wird deutlich: Pegida und AfD sowie viele andere rechte Bewegungen in Europa verdanken ihren Erfolg nicht der Tatsache, dass sie sich nachhaltig um die Sorgen und sozialen Abstiegsängste von Bürgerinnen und Bürgern kümmern und neue Antworten auf die aktuellen politischen Entwicklungen geben. Sie knüpfen vielmehr an die alten rechten Strickmuster an, die man bei Armin Mohler studieren kann: (subtile) Relativierung der Nazi-Verbrechen, Demokratieverachtung, Präferenz für autoritäre Präsidialsysteme, Nationalisierung der Politik, Fremdenfeindlichkeit, Amerika-Kritik (Hort der Dekadenz) und Russland-Freundlichkeit, Religionsfeindlichkeit nicht nur gegenüber dem Islam, sondern vor allem gegenüber dem Glauben in der jüdisch-christlichen Tradition. Der Grund dafür ist ein klarer: die wesentlichen Glaubensüberzeugungen sind unvereinbar mit rechtem Denken. Gott sei Dank, dass wenigstens das die Protagonisten rechtsradikalen Denkens zu allen Zeiten erkannt haben. Leider dauert es in den Kirchen immer etwas länger, bis sie merken, dass rechtes Denken und biblischer Glaube nicht zusammengehen.

Diese Strickmuster werden nun seit ein paar Jahren durch Pegida und AfD, durch rechte Publikationen wie „Junge Freiheit“ und „COMPACT“ bedient, ohne dass die ideologische Auseinandersetzung mit den Protagonisten neufaschistischer Ideologien ernsthaft geführt wird. Das liegt auch daran, dass sich die Vertreter der rechten Szene verstecken können hinter gesellschaftlichen Entwicklungen, die die parlamentarische Demokratie auf den Prüfstand stellen: die soziale Spaltung in der Gesellschaft, die Bürger- und Interventionskriege vor allem in der arabischen Welt, die weltweite Flüchtlingsbewegung, die Verkrustung der europäischen Einigung. Auf dem Hintergrund dieser nationalen und globalen krisenhaften Entwicklung konnten sich Pegida und AfD anbieten als diejenigen, die durch Abschottungsforderungen gegenüber dem Islam, den Geflüchteten, den Vereinigten Staaten, der Europäische Union, anderen kulturellen Einflüssen Ruhe und Lösung sozialer Probleme verheißen.

Doch nun hat die Entscheidung über den sog. Brexit in Großbritannien am 23. Juni 2016 etwas offenbart, was zum Wesen des sog. Rechtspopulismus gehört – was also jeder wissen kann: Rechtradikales Treiben folgt keinem menschenfreundlichen Wertesystem, sondern spielt arrogant mit den Ängsten der Menschen in der Attitüde des Revolutionären. Ängste werden mit allen Mitteln geschürt, um Menschengruppen innerhalb einer Gesellschaft, aber auch um Völker gegeneinander aufzubringen. Doch wenn es zum Schwur kommt, wenn diese revolutionären Spieler Macht gewinnen, indem sie Menschenmassen zu dem bringen, was sie ihnen als Fata Morgana verheißen, machen sie sich aus dem Staub – übrigens auch dadurch, dass sie untereinander genau diese Methode anwenden. Lutz Bachmann praktiziert dieses schon seit zwei Jahren auf provinzieller Ebene. Boris Johnson und Nigel Farage haben dies auf europäischer Ebene vorgeführt. Ohne jedes Gewissen, ohne Scham und Skrupel treiben sie Menschen an den Abgrund politischer Entscheidungen, um sich kurz vor dem Absturz zurückzuziehen – und denen, die sie wie Rattenfänger verführt haben, eine lange Nase zu zeigen.

Nun folgen die Spieler nicht einem einfachen Drehbuch. Dass ein Jörg Meuthen in Baden-Württemberg versucht, die AfD zu einer „staatstragenden Partei“ zu machen, indem er die Zusammenarbeit mit einem bekennenden Antisemiten aufkündigt, erscheint zunächst als nobler Klärungsprozess. Doch wenn man dann genauer hinsieht, stellt man fest: Hintergrund dieser Aktion war nicht eine unmissverständliche Distanzierung von jeder Form des Antisemitismus, sondern ein Machtkampf im Bundesvorstand der AfD. Dass sich dann ein Björn Höcke, der völkischen Nationalismus in Reinkultur predigt, auf die Seite von Jörg Meuthen schlägt, macht klar: Hier geht es nur um ein schmutziges Spiel, nicht um Überzeugung. Ein Blick in die ideologische Hauspostille der AfD, der rechtsradikalen Zeitschrift COMPACT klärt die Verhältnisse. Dort schreibt Jürgen Elsässer, auch ein Armin-Mohler-Jünger: „Eine Abgrenzung von Antisemitismus und Rassismus in JEDER Form ist vernünftig und geboten. Zuallererst ist es aber Aufgabe einer Partei, die Alternative für Deutschland sein will, sich gegen den antideutschen Rassismus zu stellen.“ Die scheinheilige Relativierung, von den Granden der AfD inzwischen zur Perfektion getrieben, soll vor allem eines suggerieren: Die Deutschen sind eine Rasse. Das hätten wir doch fast vergessen! Spätestens hier wird deutlich, dass wir mit Pegida, AfD, COMPACT mitten drin sind im braunen Sumpf. Dorthin wollen sie uns führen, die selbsternannten Revolutionäre des Volkszorns, damit die demokratischen, freiheitlichen Errungenschaften im Schlamm der Unerreichbarkeit versinken. Noch einmal Originalton Elsässer: „COMPACT bleibt die überparteiliche Stimme der Volkssouveränität und wird die AfD nur solange und insofern stützen, wie sie nicht zur Beute partikularer oder persönlicher Interessen wird, sondern der Parole folgt: ‚Alle Macht dem Volke‘.“ Da wird Jörg Meuthen aufpassen müssen, dass ihn, den angeblichen Anwalt einer „staatstragenden“ AfD, die „Macht des Volkes“ nicht wegspült. Doch diese Macht entspringt lediglich der gefährlichen Hybris derer, die alle Grundwerte menschlichen Miteinanders mit Füßen treten, um an ihre Stelle den „Volkssouverän“ zu setzen, was im Zweifelsfall sie selbst sind – aber nur bis zur Grenze des Abgrunds.

P.S. Den sog. Verfassungsschutz auf die AfD anzusetzen, wie dies der Baden-Württembergische Innenminister Thomas Strobel (CDU) vorgeschlagen hat, ist ziemlich sinnlos. Man kann Feuer nicht mit Öl löschen. Diese Auseinandersetzung müssen schon die Bürgerinnen und Bürger führen. Nach dem Brexit-Fanal sollte es nicht so schwerfallen, sich bei den nächsten Wahlen der Spieler zu entledigen.

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