In einem aufschlussreichen Artikel erinnert Volker Weiß in der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ (http://www.zeit.de/kultur/literatur/2016-02/rechts-konservativ-nassehi-kubitschek ) an den Rechts-Intellektuellen Armin Mohler (1920-2003). Er forderte schon unmittelbar nach dem Ende des Faschismus die „Revolution von rechts“. Mohlers offen gezeigte Sympathie für den Faschismus, seine Propagierung eines völkischen Neuheidentums, seine Präferenz für autoritäre Präsidialverfassungen hinderte die konservative Szene in (West-)Deutschland nicht daran, ihn als Intellektuellen zu hofieren. Heute zeigt das Beispiel Mohler, dass ein Thilo Sarrazin, dass die Chefideologen und Strategen von Pegida und AfD, Götz Kubitschek und Jürgen Elsässer, Letzterer ist Herausgeber des rechtsradikalen Magazins „COMPACT“, nicht vom Himmel gefallene Sonderlinge der bundesrepublikanischen politischen Szene, sondern Produkte einer zu jeder Zeit nach 1945 sehr lebendigen rechten Szene sind, die in allen gesellschaftlichen Schichten, vor allem im Mittelstand und im sog. Bildungsbürgertum, vorzufinden ist und über erheblichen Einfluss verfügt. Doch noch etwas wird deutlich: Pegida und AfD sowie viele andere rechte Bewegungen in Europa verdanken ihren Erfolg nicht der Tatsache, dass sie sich nachhaltig um die Sorgen und sozialen Abstiegsängste von Bürgerinnen und Bürgern kümmern und neue Antworten auf die aktuellen politischen Entwicklungen geben. Sie knüpfen vielmehr an die alten rechten Strickmuster an, die man bei Armin Mohler studieren kann: (subtile) Relativierung der Nazi-Verbrechen, Demokratieverachtung, Präferenz für autoritäre Präsidialsysteme, Nationalisierung der Politik, Fremdenfeindlichkeit, Amerika-Kritik (Hort der Dekadenz) und Russland-Freundlichkeit, Religionsfeindlichkeit nicht nur gegenüber dem Islam, sondern vor allem gegenüber dem Glauben in der jüdisch-christlichen Tradition. Der Grund dafür ist ein klarer: die wesentlichen Glaubensüberzeugungen sind unvereinbar mit rechtem Denken. Gott sei Dank, dass wenigstens das die Protagonisten rechtsradikalen Denkens zu allen Zeiten erkannt haben. Leider dauert es in den Kirchen immer etwas länger, bis sie merken, dass rechtes Denken und biblischer Glaube nicht zusammengehen.
Diese Strickmuster werden nun seit ein paar Jahren durch Pegida und AfD, durch rechte Publikationen wie „Junge Freiheit“ und „COMPACT“ bedient, ohne dass die ideologische Auseinandersetzung mit den Protagonisten neufaschistischer Ideologien ernsthaft geführt wird. Das liegt auch daran, dass sich die Vertreter der rechten Szene verstecken können hinter gesellschaftlichen Entwicklungen, die die parlamentarische Demokratie auf den Prüfstand stellen: die soziale Spaltung in der Gesellschaft, die Bürger- und Interventionskriege vor allem in der arabischen Welt, die weltweite Flüchtlingsbewegung, die Verkrustung der europäischen Einigung. Auf dem Hintergrund dieser nationalen und globalen krisenhaften Entwicklung konnten sich Pegida und AfD anbieten als diejenigen, die durch Abschottungsforderungen gegenüber dem Islam, den Geflüchteten, den Vereinigten Staaten, der Europäische Union, anderen kulturellen Einflüssen Ruhe und Lösung sozialer Probleme verheißen.
Doch nun hat die Entscheidung über den sog. Brexit in Großbritannien am 23. Juni 2016 etwas offenbart, was zum Wesen des sog. Rechtspopulismus gehört – was also jeder wissen kann: Rechtradikales Treiben folgt keinem menschenfreundlichen Wertesystem, sondern spielt arrogant mit den Ängsten der Menschen in der Attitüde des Revolutionären. Ängste werden mit allen Mitteln geschürt, um Menschengruppen innerhalb einer Gesellschaft, aber auch um Völker gegeneinander aufzubringen. Doch wenn es zum Schwur kommt, wenn diese revolutionären Spieler Macht gewinnen, indem sie Menschenmassen zu dem bringen, was sie ihnen als Fata Morgana verheißen, machen sie sich aus dem Staub – übrigens auch dadurch, dass sie untereinander genau diese Methode anwenden. Lutz Bachmann praktiziert dieses schon seit zwei Jahren auf provinzieller Ebene. Boris Johnson und Nigel Farage haben dies auf europäischer Ebene vorgeführt. Ohne jedes Gewissen, ohne Scham und Skrupel treiben sie Menschen an den Abgrund politischer Entscheidungen, um sich kurz vor dem Absturz zurückzuziehen – und denen, die sie wie Rattenfänger verführt haben, eine lange Nase zu zeigen.
Nun folgen die Spieler nicht einem einfachen Drehbuch. Dass ein Jörg Meuthen in Baden-Württemberg versucht, die AfD zu einer „staatstragenden Partei“ zu machen, indem er die Zusammenarbeit mit einem bekennenden Antisemiten aufkündigt, erscheint zunächst als nobler Klärungsprozess. Doch wenn man dann genauer hinsieht, stellt man fest: Hintergrund dieser Aktion war nicht eine unmissverständliche Distanzierung von jeder Form des Antisemitismus, sondern ein Machtkampf im Bundesvorstand der AfD. Dass sich dann ein Björn Höcke, der völkischen Nationalismus in Reinkultur predigt, auf die Seite von Jörg Meuthen schlägt, macht klar: Hier geht es nur um ein schmutziges Spiel, nicht um Überzeugung. Ein Blick in die ideologische Hauspostille der AfD, der rechtsradikalen Zeitschrift COMPACT klärt die Verhältnisse. Dort schreibt Jürgen Elsässer, auch ein Armin-Mohler-Jünger: „Eine Abgrenzung von Antisemitismus und Rassismus in JEDER Form ist vernünftig und geboten. Zuallererst ist es aber Aufgabe einer Partei, die Alternative für Deutschland sein will, sich gegen den antideutschen Rassismus zu stellen.“ Die scheinheilige Relativierung, von den Granden der AfD inzwischen zur Perfektion getrieben, soll vor allem eines suggerieren: Die Deutschen sind eine Rasse. Das hätten wir doch fast vergessen! Spätestens hier wird deutlich, dass wir mit Pegida, AfD, COMPACT mitten drin sind im braunen Sumpf. Dorthin wollen sie uns führen, die selbsternannten Revolutionäre des Volkszorns, damit die demokratischen, freiheitlichen Errungenschaften im Schlamm der Unerreichbarkeit versinken. Noch einmal Originalton Elsässer: „COMPACT bleibt die überparteiliche Stimme der Volkssouveränität und wird die AfD nur solange und insofern stützen, wie sie nicht zur Beute partikularer oder persönlicher Interessen wird, sondern der Parole folgt: ‚Alle Macht dem Volke‘.“ Da wird Jörg Meuthen aufpassen müssen, dass ihn, den angeblichen Anwalt einer „staatstragenden“ AfD, die „Macht des Volkes“ nicht wegspült. Doch diese Macht entspringt lediglich der gefährlichen Hybris derer, die alle Grundwerte menschlichen Miteinanders mit Füßen treten, um an ihre Stelle den „Volkssouverän“ zu setzen, was im Zweifelsfall sie selbst sind – aber nur bis zur Grenze des Abgrunds.
P.S. Den sog. Verfassungsschutz auf die AfD anzusetzen, wie dies der Baden-Württembergische Innenminister Thomas Strobel (CDU) vorgeschlagen hat, ist ziemlich sinnlos. Man kann Feuer nicht mit Öl löschen. Diese Auseinandersetzung müssen schon die Bürgerinnen und Bürger führen. Nach dem Brexit-Fanal sollte es nicht so schwerfallen, sich bei den nächsten Wahlen der Spieler zu entledigen.
11 Antworten
Es ist doch zu komisch, lieber Jo.F, wie es immer wieder gelingt, Sie nach jedem Ihrer dramatischen Abschiede wieder zu einem Beitrag, meist in Frageform, zu provozieren. Aber ich erkläre es Ihnen gerne:
Sie hatten, ich glaube am 24.6., den bemerkenswerten Satz über sich selbst geschrieben: „Bekannt bin ich seit Jahren, mich mit vielen ganz direkt und auf gleichem Niveau zu diffizilen Themen unserer Zeitläufte auseinanderzusetzen“, um dann fortzufahren, daß ich zu den vielen nicht gehöre. Scheint aber irgendwie doch so zu sein, nur eben ohne Argumente, was? Und Sie haben ja richtigerweise zwar von „gleichem“ Niveau gesprochen, die Höhe desselben aber nicht definiert. Jedenfalls war das der Anlaß für mein Warten auf Ihren Beitrag.
Seien Sie herzlich gegrüßt,
Andreas Schwerdtfeger
Frage an den ewigen Antipoden Schwerdtfeger, was die Reflexionen und die beachtenswerte Person des Pf.in Unruhe Chr. Wolff betrifft: was meinen Sie mit / Zitat aus der Entgegnung vom 15.07.16: „Jetzt warten wir noch auf Jo.Flade. Dies alles mit einem Schuss Humor und der Bitte um Entschuldigung für MEINE Polemik!“ / ?
Zumindest interessant, dass Schwerdtfeger seine Einlassungen als MEINE Polemik qualifiziert und von „wir“ spricht. Bemerkenswert; Jo.Flade
Wer sich aufregt, hat wohl Unrecht! Bleiben Sie gelassen im demokratischen Diskurs!
Schön, daß Sie glauben, sich für Minderheiten in anderen Ländern einsetzen und dort einmischen zu müssen – und die Minderheiten im eigenen Land allesamt als Faschisten verteufeln und immer nur draufschlagen. Sehr glaubhaft.
Und schön, daß Sie so tapfer „erste Schritte“ machen – warum nur reden Sie dann dauernd über die anderen Schritte, die Sie nicht machen, die aber doch trotzdem Ihr Dauerthema sind.
Ja, und Sie haben Recht. Ich habe in „einer Institution“ gelernt, wie Demokratie funktioniert.
Wenn Sie sich mal die Mühe machen, im Soldatengesetz (SG) nachzulesen, wie es mit den Rechten und Pflichten der Soldaten der Bundeswehr steht, dann müssten Sie sich wünschen, daß die evangelische Kirche Deutschlands ähnliche Regelungen hätte, zB bzgl der politischen Betätigung (nämlich NICHT Mißbrauch der Uniform / des Talars oder der (Dienst-)Stellung/des Amtes zum Ausdruck der eigenen politischen Meinung). Man kann (und muß) sehr wohl die Freiheit der Meinung auch dann verteidigen, wenn sie offensichtlich dumm, polemisch, einseitig, moralisch überheblich und feige bezgl der Anerkennung von Realitäten ist. Und nur deshalb überhaupt beteilige ich mich ja an Ihrem Diskurs – weil ich Ihre Meinung und Ihren Diskussionsstil für wert zu einer Stellungnahme halte.
Ich grüße Sie,
Andreas Schwerdtfeger
Dazu nur zwei Anmerkungen im demokratischen Diskurs:
– Erklären Sie mir, wie Ihre zweifelsohne hevorragenden Bemühungen vor Ort in Leipzig zur politischen Herstellung des Friedens im Nahen Osten beitragen oder auch zur Re-integration von AfD- und Pegida-Verführten in unsere demokratische Gesellschaft;
– ich sehe förmlich die, die „in diesen Ländern massiv benachteiligt werden“ und mit denen Sie Solidarität zu üben glauben, wie sie alle zur Wahl gehen und mehrheitlich die Regierungen wählen, gegen die Sie dauernd polemisieren. Deutsche Überheblichkeit pur!
Ich hoffe nur, daß jemand die Schüler, denen Sie den demokratischen Diskurs beizubringen glauben, anschließend wieder auf den rechten Weg führt.
Alles Gute,
Andreas Schwerdtfeger
Schön, dass jetzt die Differenzen sich klarer herauskritallisieren:
1. Es gibt das schöne Sprichwort: Auch der Marathonlauf beginnt mit dem ersten Schritt. Das müsste als Antwort reichen. Was die von Ihnen als Pegida- und AfD-Verführte und deren „Re-Integration“ angeht, so möchte ich nur darauf hinweisen, dass es sich dabei nicht um „verlorene Schafe“, sondern eher um Leute handelt, die bewusst und gezielt die pluralistische und demokratische Gesellschaft ablehnen. Mit ihnen ist eine politische Auseinandersetzung zu führen – zumal die Strategen dieser Gruppierungen aus der Mitte der Gesellschaft kommen.
2. Offensichtlich haben Sie nicht begriffen, dass Demokratie aus Mehrheit und Minderheit besteht und dass in der Demokratie die Minderheit immer mit Rechten augestattet ist. Mehrheit in der Demokratie bedeutet auch nicht, dass damit über „richtig“ und „wahr“ eine Entscheidung getroffen ist. Mehrheitsentscheidungen zeigen an, dass so die Mehrheit einer Bevölkerung denkt oder eben von einer bestimmten Partei regiert werden will. Das bedeutet aber nicht, dass damit die Minderheit zu schweigen habe oder sich nicht für Veränderungen engagieren kann. Also: Leider werden in Polen und Ungarn derzeit Minderheitsrechte massiv beschnitten. Mit denen, die davon betroffen sind, übe ich gerne Solidarität.
3. Wie sich ein Herr Schwerdtfeger demokratischen Diskurs vorstellt: da ist also ein politischer Ideologe, der jungen Menschen eine Meinung aufzwingt (ich frage mich nur, wie Sie auf eine solche Idee kommen können – außer vielleicht durch eigene Erfahrung in einer Institution, deren Funktionieren von Befehl und Gehorsam abhängig ist?). Nein – demokratischer Diskurs bedeutet: Meinungsbildung betreiben, Kontroversen aushalten und unterschiedliche Positionen begründen und abwägen. Leider im gesamten Bildungsbereich sehr unterentwickelt. Sicher habe ich den einen oder anderen Jugendlichen geprägt, aber niemals zu einer bestimmten Überzeugung gezwungen.
So – nun reicht’s von meiner Seite.
Beste Grüße Christian Wolff
Wie Sie doch immer wieder ausweichen, lieber Herr Wolff:
1. Ich identifiziere nicht linke Politik mit Steinewerfern. Ich identifiziere linke und rechte Gewalt als gleichartig und deshalb als gleichermaßen zu verurteilen, und da hapert es eben bei Manchen.
2. Wie schön, daß Sie wiederholen, daß es „eine ganze Menge Alternativen zu militärischen Aktionen gibt“. Das Problem ist nur, daß Sie wieder mal versäumen, diese in politisch realer Handlungsweise aufzuzählen und zu erläutern. Es geht hier um Politik zum Schutz des Friedens, der Freiheit der Menschen, des Zusammenlebens der Nationen, zu der neben vielen anderen Mitteln der Politik eben auch das militärische gehört. Und solange es Ihnen reicht, zu den ewig Moralischen zu gehören – das heißt zu denen, die vor lauter gutmenschlicher Moral vergessen, daß der Realpolitiker die Welt unter realen Bedingungen führen und verbessern muß – solange Sie also nur fordern, man müsse „was“ tun, ohne dies zu definieren, solange heucheln Sie! Kommen Sie also mit konkreten Maßnahmen über, wie man unmilitärisch ISIS besiegt – ich würde mich freuen, hier belehrt zu werden, und mit mir sicherlich fast alle Politiker der westlichen Welt.
Und es wird auch Zeit, daß Sie zur Kenntnis nehmen, daß das „Desaster“ im Nahen und Mittleren Osten von den dort ansässigen Völkern, getrieben von ihren religiösen, fanatischen und intoleranten Instinkten, verursacht worden ist und nicht vom Westen, der sich verzweifelt bemüht, dort ein Minimum an Frieden herzustellen.
3. Ihre UK-Kenntnis kann ich nur bewundern. Ich habe, alles zusammengenommen, viele Jahre in dem Land gelebt und dort viele Verwandte und Freunde. Und da wollen Sie mir erzählen, wie Großbritannien tickt. Sie sind ein Witzbold! Aber ich nehme nach wie vor zur Kenntnis, daß nach Ihrer Auffassung die „Lügenpresse“ in UK sitzt.
4. Ich hätte ja gerne gehört, wie Sie sich zu meinem Angebot an konkreten Handlungsvorschlägen stellen und mit Ihnen darüber diskutiert. Aber … Nichts!
Mit herzlichem Gruß,
Andreas Schwerdtfeger
Gerne verweise ich auf das Buch von Michael Lüders „Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient angerichtet hat“. Lüders ist ein ausgewiesener Kenner der arabischen Welt und der Konfliktlage im Nahen Osten.
Was die Ihre konkreten Handlungsvorschläge angeht: Da verweise ich liebr auf das, was ich Tag für Tag zu tun pflege anstatt allgemeine Ratschläge zu erteilen – nämlich mich konkret für die Grundwerte, die ich vertrete, einzusetzen und diese – mit aller Unzulänglichkeit – zu praktizieren:
– für Integration, indem ich mich um ein paar Geflüchtete kümmere,
– für Demokratie, indem ich in den Bereichen, in denen ich tätig bin, auf Kommunikation auf Augenhöhe und Beteiligung achte sowie den demokratischen Diskurs insbesondere mit Schüler/innen pflege;
– für ein friedliches Miteinander in der Stadtgesellschaft, indem ich zusammen mit vielen anderen den Verfeindungsaktivitäten der Rechtsradikalen von Pegifa/Legida/AfD entgegentrete;
– für das europäische Zusammenleben, indem aktiv eintrete für den Ausbau und die Demokratisierung der EU. Dazu gehört dann auch die Kritik an Regierungen wie der in Ungarn oder Polen. Das hat mit deutscher Überheblichkeit nichts, aber mit Solidarität mit denen, die in diesen Ländern massiv benachteiligt werden, ganz viel zu tun.
Das sollte genügen und aufzeigen, dass jedenfalls so kein „Vakuum“ entsteht.
Beste Grüße Christian Wolff
Ein bemerkenswerter Beitrag, zu dem zuerst einige Fragen einfallen:
– „die wesentlichen Glaubensüberzeugungen sind unvereinbar mit rechtem Denken“, schreiben Sie richtigerweise. Sind die wesentlichen Glaubensüberzeugungen mit linkem Denken vereinbar? Deckt die Religion also beispielsweise Autoverbrennungen in Berlin durch linke Autonome? Sie haben wohl wieder eine Chance verpasst, etwas Richtiges zu schreiben, nämlich: die wesentlichen Glaubensüberzeugungen sind unvereinbar mit radikalem Denken (und damit übrigens auch mit Ihren blog-Beiträgen).
– „die soziale Spaltung in der Gesellschaft, die Bürger- und Interventionskriege vor allem in der arabischen Welt, die weltweite Flüchtlingsbewegung, die Verkrustung der europäischen Einigung“ – diese Faktoren machen Sie richtigerweise aus als Prüfungen der (unserer) parlamentarischen Demokratie und bezeichnen sie als „gesellschaftliche Entwicklungen“. Wenn dem so ist, dann müssen diese Entwicklungen also bekämpft werden. Wo sind denn dazu Ihre Lösungen? Der Beitrag bietet nichts dergleichen an. Stattdessen verfallen Sie in die Rhetorik der ewig Moralischen, die die politische Realität nicht sehen wollen: Sie sprechen zB von Interventionskriegen (was ja wohl kritisch gemeint ist) und gehören gleichzeitig zu denen, die bei jeder Krise doch so weitsichtig und präzise fordern, man müsse „was“ tun. (Ich habe ja mal den Vorschlag gemacht, ein paar evangelische Pfarrer mit der Bergpredigt statt Soldaten zu ISIS zu schicken – Sie sind leider nicht drauf eingegangen).
– „Doch diese Macht entspringt lediglich der gefährlichen Hybris derer, die alle Grundwerte menschlichen Miteinanders mit Füßen treten, um an ihre Stelle den „Volkssouverän“ zu setzen, was im Zweifelsfall sie selbst sind – aber nur bis zur Grenze des Abgrunds“ – besser kann man Kommunismus eigentlich nicht definieren – oder?
– „Doch nun hat die Entscheidung über den sog. Brexit in Großbritannien am 23. Juni 2016 etwas offenbart, was zum Wesen des sog. Rechtspopulismus gehört – was also jeder wissen kann: Rechtradikales Treiben folgt keinem menschenfreundlichen Wertesystem, sondern spielt arrogant mit den Ängsten der Menschen in der Attitüde des Revolutionären“ – stellen Sie in Ihrer inzwischen ja auch erkennbaren Ignoranz über das Vereinigte Königreich fest. Der Brexit – noch nicht vollzogen – „offenbart“ nämlich alles andere als Rechtsradikalismus. Er offenbart das englische traditionelle, einerseits gegenüber dem Kontinent insulare und andererseits geostrategisch globale, also andere Denken bezüglich jeglicher Bündnisfrage, das es lange vor Farage und in allen politischen Lagern dort immer gegeben hat. Der Brexit ist insofern keine „Revolution“, schon gar keine rechtsradikale, sondern er folgt britischem jahrhundertealtem politischem Denken. Es ist eher erstaunlich, daß dieses Denken heutzutage nur noch von gut der Hälfte der Briten geteilt wird – immerhin ein großer Erfolg für Europa. Und was nun Johnson angeht, haben Sie sich auch noch geirrt- er ist wieder da, wenn auch auf unwichtigem – aber doch sehr sichtbaren – Posten!
Ihre Antipathie gegen Rechts ist ja nachvollziehbar. Sie wird unglaubwürdig durch Ihre Blindheit gegenüber Links einerseits und durch Ihre völlige Unfähigkeit andererseits, einer durchaus teilweise richtig beschriebenen Lage ein POLITISCHES Handlungskonzept zur Veränderung dieser Lage auch nur annähernd zu entwickeln, darzustellen und selbst vorzuleben. „Man kann Feuer nicht mit Öl löschen“ stellen Sie zum Thema des von Ihnen wie üblich zu Unrecht verunglimpften Verfassungsschutzes fest – genau das aber tun Sie ständig gegenüber dem Rechtsradikalismus in unserem Lande, denn was anderes ist es denn, wenn man immer wieder ordentlich draufhaut, jede Gesprächsbereitschaft verweigert, kein einziges Gegenargument anerkennt und selbst kein einziges Argument bringt. Sie predigen die Liebe der Kirche und säen den Hass radikaler Polemik – das alles aber im „Friedensgebet“ und auf der Straße.
Die Lösung für das, was Sie anprangern liegt in folgenden Wegen:
– Gespräch und inhaltliche (nicht polemische) Auseinandersetzung mit denen, die AfD und ähnliche Gruppierungen wählen;
– Anerkenntnis der Probleme und anderer Meinungen in anderen Staaten (zB Ungarn, Polen) ohne deutsche Überheblichkeit, Besserwisserei und unentwegter Belehrung ex cathedra (der unerträgliche Schulz ist hier ein schimmes Beispiel);
– Stolz auf die eigene Rechts- und Werteordnung und Forderung an diejenigen, die zu uns kommen, daß sie sich diese erarbeiten und dafür einstehen müssen, wenn sie bleiben wollen;
– Bei aller Richtigkeit eines wohlverstandenen Sozialstaates Anerkenntnis und Betonung der Tatsache, daß das Verhältnis Staat – Bürger keine Einbahnstrasse ist: Es ist eben falsch, wie Gabriel es jetzt wieder getan hat, zu betonen, die EU müsse „näher zum Bürger“ kommen. In Wirklichkeit kann jeder, der will, sehen, wie unendlich gut die EU für jeden Einzelnen ist, und die Frage ist also umgekehrt im Kennedy’schen Sinne: Was kann der Bürger für Europa tun? Und für Deutschland gilt das genau so;
– Insbesondere: Vermeidung eines moralischen Vakuums, wie es ausgeprägt durch die evangelische Kirche in Deutschland (und andere insbesondere linke Prediger) in ihrer völligen Beliebigkeit in allen wesentlichen Fragen gefördert wird – denn Vakuen ziehen an!
Zum Hut-ziehen oder zur Bewertung des „über den Tellerrand schauens“ also trotz gegenteiliger Behauptung wieder mal leider kein Anlaß. Jetzt warten wir noch auf Jo.Flade. Dies alles mit einem Schuß Humor und der Bitte um Entschuldigung für MEINE Polemik!
Mit herzlichem Gruß,
Andreas Schwerdtfeger
Nur einige Bemerkungen zu diesem Kommentar:
1. links-rechts: Wie man auf die Idee kommen kann, linke Politik mit Steinewerfern oder Autoanzündern zu identifizieren, bleibt mir auch nach vielen Jahrzehnten solcher Polemik ein Rätsel. Aber offensichtlich gehört dies zum Arsenal konservativer Politik. Aber vielleicht bringt es Sie, lieber Herr Schwerdtfeger, doch etwas zum Nachdenken, wenn Sie sich einfach daran erinnern lassen, dass in Großbritannien wesentliche Wurzeln der Labour Party in der Methodistischen Kirche liegen. Diese sich an der Bergpredigt ausrichtende Freikirche hat wichtige Impulse für die Arbeiterbewegung und für die Labouparty gegeben. Es ist also nicht so weit hergeholt, dass es zwischen den Grundaussagen der biblischen Botschaft und linker Politik ein Affinität gibt. Da hat ein Armin Mohler durchaus etwas Richtiges verspürt.
2. Lieber gehöre ich zu den „ewig Moralischen“ als zu denen, die nach wie vor auf militärische Interventionen setzen. Das Desaster, dass die militärische Interventionspolitik gerade im Nahen Osten angerichtet hat, müsste Ihnen eigentlich beim Schreiben Ihres Kommentars die Hand erstarren lassen. Na ja, und die alberne Wiederholung Ihrer Empfehlung, evangelische Pfarrer sollten zum IS gehen, zeigt eigentlich nur, dass Sie nicht begreifen wollen, dass es Gott sei Dank eine ganze Menge Alternativen zu militärischen Aktionen gibt.
3. Brexit: Die Entscheidung und ihr Zustandekommen ist leider nicht „typisch britisch“. Vielmehr zeigt die Entscheidung, wie wirkungsvoll derzeit rechts gerichtete Politik ist und wie sie Ressentiments schürt. Denn die Brexit-Entscheidung basiert vor allem auf Fremdenfeindlichkeit, ist aber auch Ergebnis einer Lügenkampagne und dem Schüren von Ängsten. Insofern verbietet es sich, diese Entscheidung zu einem Musterbeispiel der britischen Demokratie zu deklarieren.
So viel in aller Kürze.
Beste Grüße Chrstian Wolff
Lieber Christian,
ich habe diese Stelle ja schon gelegentlich genutzt,um meine Kritik zu äußern. Heute nutze ich sie, um meinen Hut zu ziehen. Eine hervorragende Analyse! Ich habe mir erlaubt, sie über Facebook zu teilen. VG Michael
Lieber Christian!
So selten und überaus notwendig ist Dein Blick über den tagesaktuellen Tellerrand. Auch Dein Beitrag in Publik-Forum Nr. 13/2016, S. 23 sollte in die politischen Debatten eingehen.
Denn die erforderliche Wachsamkeit gegen „Nationalismus, moralentleerten Zynismus und autoritäre Strukturen“ ist leider nur schwach entwickelt.