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Nikolaus, das Teilen und der Sozialstaat

Am 6. Dezember ist Nikolaustag. Wer aber war dieser Nikolaus? Er wurde ca. 270 n.Chr. in Lykien geboren, einer Gegend in der heutigen Türkei. Schon mit 19 Jahren wurde Nikolaus zum Priester geweiht. Anfang des 4. Jahrhunderts wurde er Opfer der Christenverfolgungen, saß im Gefängnis und wurde auch gefoltert. Sein ererbtes Vermögen hat er an bedürftige Menschen verteilt. Dieser Wesenszug hat später dazu geführt, Nikolaus als besonderen Menschen, eben als einen HEILIGEN zu verehren.

Nikolaus wurde Bischof von Myra. Myra liegt in der heutigen Türkei. Jetzt heißt die Stadt Demre. Aus dieser Zeit stammt eine der schönsten Legenden von Nikolaus. Legenden sind Erzählungen, die einen wahren Kern haben, aber gleichzeitig die Besonderheit eines Menschen oder eines Vorgangs phantasievoll ausschmücken. Damit sollen herausragende Wesenszüge verdeutlicht werden.

Das Wunder von Myra

Die Bischofsstadt Myra wurde in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts von einer großen Hungersnot heimgesucht. Die Menschen wandten sich hilfesuchend an Nikolaus, den Bischof von Myra. Nun fügte es sich, dass im Hafen von Myra ein Schiff vor Anker lag. Es hatte Getreide für den Kaiser in Rom (andere Fassungen der Legende nennen Byzanz, das heutige Istanbul, als Ziel) geladen. Nikolaus bat die Seeleute inständig, einen Teil des Korns auszuladen. Damit könnten die Menschen vor dem Hungertod bewahrt werden. Doch die Seeleute wiesen die Bitte zurück. Das Korn sei genau abgewogen. Es dürfe nichts fehlen, wenn sie es beim Kaiser von Rom abliefern. Wenn doch, dann riskierten sie ihr Leben. Doch Nikolaus ließ nicht locker. Er versprach den Seeleuten: „Ich werde für euch beten – und wenn ihr in Rom ankommt, dann werdet ihr feststellen, dass kein Gramm fehlen wird.“ Das veranlasste die Seeleute, Nikolaus einige Getreidesäcke zu übergeben. Als das Schiff dann in Rom (oder Byzanz) ankam und die Ladung gewogen wurde, stellten die Seeleute verwundert fest: Es fehlt kein Gramm, obwohl sie Getreide in Myra gelassen hatten. Dort aber reichte das Korn, um die Menschen zwei Jahre lang zu ernähren. Sie konnten es als Saatgut einsetzen.

Die Mathematik des Glaubens

Diese Geschichte erzählt etwas von der besonderen Mathematik des Glaubens. Wer das, was er besitzt, mit anderen teilt, hat am Ende nicht weniger sondern mehr, als er vorher besaß. Ein Versuch lohnt sich: Du nimmst ein schönes, leckeres Stück Lebkuchen. Du hattest Dich so darauf gefreut, dieses Stück nur für Dich zu haben und allein essen zu können. Wenn Du nun den Lebkuchen in zwei Hälften teilst, dann hast Du zwei Stück Lebkuchen in der Hand, also das Doppelte von einem Stück. Wenn Du dann noch das eine von den zwei Stücken jemandem schenkst, dann gibst Du etwas ab, ohne etwas zu verlieren. Denn Du hast ja immer noch ein Stück Lebkuchen. Und zusätzlich hast Du einem anderen Menschen große Freude bereitet. Das führt dann auch dazu, dass Du Dich freuen kannst und zwar doppelt: darüber, dass Du einem Menschen geholfen hast, und über den Genuss des Lebkuchens. Am Ende haben alle gewonnen, weil auch die, die geteilt haben, nichts verloren haben.

Die Reform des Sozialstaates

Selbst in der politischen Auseinandersetzung um die Reform des Sozialstaates kann es nicht schaden, sich an den Heiligen Nikolaus zu erinnern. Denn sein Werben dafür, das Ausreichende zu teilen, sowie das nicht gerade begeisterte, aber pragmatische Handeln der Seeleute zeugen davon, was umsichtiges und angstfreies Agieren bewirken kann. Die Seeleute teilen das, was ihnen nicht gehört,  was sie nicht selbst erwirtschaftet haben, mit denen, die Mangel leiden – ein schönes Bild für das, was im Blick auf Sozialgesetzgebung auch in den Parlamenten geschieht: Dort wird über Gelder entschieden, die sich nicht im Besitz der Abgeordneten befinden. Sie sind ihnen aber anvertraut. Ihnen liegen die Nikoläuse der Gesellschaft in den Ohren: Sorgt für gerechte Verteilung und fördert vor allem die, die nichts haben. Es liegt also in der Verantwortung der Abgeordneten (Seeleute), dass es zu einem gerechten Ausgleich kommt, der Teilhabe am Leben ermöglicht. Dieser Ausgleich fällt umso leichter, wenn das „Weniger“ für die, die sehr viel besitzen, nicht als Verlust, sondern als Gewinn, als ein „Mehr“ verstanden wird; und wenn denjenigen, denen jetzt wieder Teilhabe möglich ist, diese auch abverlangt wird: nämlich mit dem Saatgut für das eigene Einkommen zu sorgen.

17 Antworten

  1. Neulich lernte ich durch Internet-Recherche, was „ad nauseam“ meint und durch diesen Blog, dass es eine Strategie sei, die ins Unglück führe.
    Nun will ich selbstverständlich niemanden ins Unglück stürzen, wenn ich mich über die Nikolaus-Legende von Christian Wolff und daraus abgeleitete Gedanken gefreut habe, sie als sehr passend für die (Vor-) Weihnachtszeit und die aktuelle gesellschaftliche Debatte empfunden habe.

    Wenn Donald S. Mit-Blogger:innen als „peinlich“ und „einseitigen Unsinn verbreitend“ charakterisiert, empfindet er das sicher nicht „ad nauseam“; es zeigt allerdings einmal mehr, dass er wohl keine – gängigen Anstandsregeln folgende – Erziehung genossen hat.

    Dass „die Amerikaner“, „die Superreichen“, „die Abgeordneten“ in den Texten hier pauschal diskriminiert wurden, kann ich so nicht nachvollziehen.
    Kritik an Trump und seiner Entourage (man kann durchaus auch von „Bande“ sprechen), an der Moral von Muliti-Milliardären (bis hin zu Billionären), oder am Unvermögen von Abgeordneten, tiefgreifende Reformen anzugehen, um einer wachsenden Spaltung der Gesellschaft entgegen zu wirken, kann ich dagegen durchaus nachvollziehen.

    In meinen Augen ist Trump ein korrupter Psychopath und verurteilter Straftäter;
    Supervermögen können nicht von Einzelpersonen akkumuliert werden (abgesehen vielleicht vom Handel mit Derivaten oder „Windfall-Profits“);
    Abgeordnete unterliegen dem Fraktionszwang und der Dauer einer Legislaturperiode…

    Nach meinem Verständnis sind die Aussagen von Christian Wolff befriedend, können zum Nachdenken anregen und uns alle weiter bringen!

  2. Herr Schwerdtfeger – ist Ihnen denn nicht einmal ansatzweise klar, wie dieses derzeitig auch international heftig diskutierte Trumpsche Sicherheitspapier kontra EU zu verstehen ist und damit in (noch) bestehenden Demokratien außerhalb der US-amerikanischen MAGA-Niederungen die rechtspopulistischen und rechtsextremen Tendenzen eben in diesen unseren humanitär fundamentierten Gesellschaftsordnungen hoffähig macht, ja geradezu die Extremisten ermuntert, im trumpschen Un-Geist fortschrittliche Demokratien zu bekämpfen.
    Sie reklamieren mit Ihren Kommentaren permanent Scharfsinnigkeit und politische Weitsicht; hier (und eben leider nicht nur in diesem konkreten Fall) verlässt Sie offenkundig diese geistige Tugend. Und vielleicht erneut der Tipp meinerseits: versuchen Sie doch bitte IHRE Aggressionen zu zähmen – es ist Adventszeit, da könnte der nachdenkende Bürger doch einfach mal tolerant werden, es zumindest versuchen. Ich wünsche es Ihnen!
    Die globale Weltordnung zerbricht, wie ein CDU-Politiker jüngst meinte, eine zweite „Zeitenwende“ sei im Gange. Die verbalen Auswüchse verunsichern, polarisieren in gewaltigem Ausmaß, machen sprachlos, und die Dinge auch des politischen Lebens geraten ins gefährliche Abseits. Sollten wir da nicht im Allerkleinsten mal endlich beginnen, anständig zu debattieren? Jo.Flade

    1. Die Themen „Sicherheitspapier“ und „Zeitenwende“ oder „globale Weltordnung“ sind in Wolffs Beitrag nicht angesprochen und also nach seiner Anordnung tabu! Und in Ihrem Beitrag kann ich kein ich einziges Argument zur Sache erkenne, denn es geht auch nicht um das, was ich Ihrer Meinung nach „reklamiere“, wenn ich in Wirklichkeit meine Meinung zum Thema argumentativ beitrage (womit sich gleichzeitig Ihre regelmäßigen Anmerkungen zum Anstand erledigen). Wolffs Beitrag handelte vom „Teilen“ – ich habe dazu eine Ergänzung zur amerikanischen Kultur des Teilens beigesteuert.
      Andreas Schwerdtfeger

  3. Die Legende von heiligen Nikolas besteht in Wirklichkeit ja aus der Kombination von zwei Personen!
    Der Staat hat Armut bestmöglich zu bekämpfen, es ist seine Aufgabe! Privaten Gönnern ist es unbenommen, etwas zu spenden oder sich zu engagieren, aber Armutsbekämpfung ist eine staatliche Aufgabe! Dies gilt auch im Hinblick auf den St. Martin!

  4. Danke, lieber Christian – im rechten Moment das rechte Wort, danke!
    Dir und uns allen eine lichthelle und hoffnungsvolle Adventszeit und auf ein Wiedersehen bei Dir; es wird wohl erst im Januar 26. Herzlichst aus DD- Dein Jo (und ein Sondergruß geht auch an Dich, Nico!!)

  5. Es grenzt schon ans Peinliche, wenn die Hundertprozentigen hier ihren einseitigen Unsinn verbreiten – wie zB „Milliardäre haben per se unmoralisch gehandelt, sonst wären sie nicht so reich.“ Ja, es gibt ein paar sehr reiche Leute, die wenig getan haben, um reich zu werden, und wenig tun, um ihren Reichtum sinnvoll zu nutzen. Aber alle per se in diese Kategorie zu schieben, zeigt Neid und Dummheit in erschreckendem Maße. Es gibt nämlich doch zu viele mit Gemeinsinn ausgestattete reiche Leute und zu viele Körperschaften aller Art, um ein solches Pauschalurteil auch nur annähernd zu rechtfertigen.
    Interessant an dieser Frage ist ja etwas anderes: Gibt der Staat Geld aus für die vom Parlament festgelegten Ziele, so kommen diese rechthaberischen Leute nur allzu oft zu dem Urteil der Verschwendung, der Korruption und Vetternwirtschaft und also zu großartig besserwisserischer Kritik. Geben Privatleute ihr Geld für von ihnen bevorzugte und festgelegte Ziele aus, weil sie vielleicht eine Prise Wahrheit in diesen Vorwürfen oder einfach andere Schwerpunkte sehen, so sind sie ebenfalls korrupt und eigensüchtig, weil sie es ja nur zur Steuerersparnis und fürs Image tun. Dies wohlgemerkt, obwohl der Staat ja offensichtlich ein Interesse daran hat, denn sonst hätte er ja keine Steuervorteile festgelegt, dieses Verhalten also legalisiert und damit jedem Vorwurf entzogen.
    Wir neigen dazu, das Trump-Amerika so darzustellen, als sei es das typische und schon immer so gewesene Amerika, was zur ungerechten Einseitigkeit führt. Amerika ist auch ein Land privat geförderter Stipendiaten, privat geförderter Kultur, von Patenschaften für die Sauberkeit der Umgebung und Natur und der Caritas in aller Welt. Wir meckern über den augenblicklichen MAGA-Kurs, durchaus zu Recht, wir stellen die Amerikaner gerne als die brutalen und unmoralischen Vertreter ihrer eigenen Interessen und globalen Unterdrücker dar (was Unsinn ist) – und zugleich aber beschimpfen wir sie jetzt, wo Trump Ernst macht, dafür, dass sie ihre Hilfsprogramme in aller Welt (USAid, WHO, UNESCO, Klima, etc) einstellen und die Welt also ihre wichtigen Programme des Lebensrettens und-erhaltens nicht mehr finanzieren kann. Die Erkenntnis also, dass die unglaublich bösen Amerikaner seit dem 2. Weltkrieg die halbe Welt mildtätig über Wasser gehalten haben, die kommt uns nicht; stattdessen haben wir jetzt einen neuen und zusätzlichen Grund, sie heuchlerisch zu beschimpfen.
    Private Hilfsbereitschaft ist staatlicher sozialer Fürsorge über ein Minimum hinaus vorzuziehen, denn es ist nicht Aufgabe des Staates, den Menschen ihre Verantwortung abzunehmen, aber es ist durchaus Anliegen und Praxis der Begüterten, im Rahmen ihrer Möglichkeiten und entsprechend ihren Prioritäten zu helfen, wo es sinnvoll ist und auf entsprechende Reaktionen (des Fleißes, nicht unbedingt des Dankes) stößt. Die neueste Statistik, dass mehr als die Hälfte der Bürgergeldempfänger sich gar nicht aktiv um Arbeit bemühen, der Schwachsinn im neuen Bürgergeldplan der Regierung, dass das Arbeitsamt sich mehrfach um Kontakt zum Empfänger bemühen muss (wo also der Beschenkte sein Geschenk auch noch nachgetragen bekommen muss), das ist nicht sozial, das ist das Tor zum Missbrauch. Und diesen vermeiden die privaten Stifter.
    Bischof Nikolaus in Ehren, obwohl das Beispiel wohl in vieler Hinsicht hinkt. Aber wenn man es schon anführt, dann muss man wohl zugeben, dass unser Staat geradezu im Übermaß dem guten Nikolaus nacheifert – und die USA es bisher weltweit ebenso getan haben. Aber, lieber Herr Wolff, Sie haben ihren Beitrag sicherlich mehr als Appell an uns alle als an den Staat geschrieben!
    Andreas Schwerdtfeger

    1. Da haben wir es wieder einmal: Im Blog-Beitrag geht es mit keinem Wort um die USA. Aber Herr Schwerdtfeger ergeht sich in seinem Kommentar über die Segnungen des Privaten in den Vereinigten Staaten, um von da aus alle möglichen kritischen Einwände sofort des Antiamerikanismus zu zeihen. Tja, und dann hebt er auch noch an zur Verteidigung der MAGA-Bewegung. Das ist schon abenteuerlich angesichts des neuesten Papiers zur Sicherheitsstrategie aus dem Weißen Haus, in dem Europa quasi zur ideologischen Kampfzone erklärt wird.

      1. Lieber Herr Wolff, ich verstehe ja Ihre ständige Aggression gegen mich und Ihr zwanghaftes Suchen nach Angriffspunkten in meinen Beiträgen. Sie sind eben im Gegensatz zur Meinung Viertmanns über Sie sehr empfindlich, wenn man nicht mit Ihnen übereinstimmt.
        Ich habe mit meinem Beitrag ersichtlich auf die Intervention von Plätzsch geantwortet und ER hat die USA ins Gespräch gebracht. Und ich „zeihe“ nicht alle kritischen Beiträge über die USA des Antiamerikanismus – ich hatte geschrieben, dass wir den MAGA-Kurs „zu Recht“ kritisieren –, sondern ich stelle halt auch die positiven Aspekte Amerikas dar. Ausgewogenheit mit Aggression zu überziehen, ist vielleicht bei objektiver Sicht nicht nötig.
        Ihr Beitrag lobt zu Recht die Kultur des Teilens – es ist nicht schlimm, wenn man diesen richtigen Aspekt dadurch ergänzt, dass Amerika diese Kultur lange Zeit vorbildlich gezeigt hat und dass umgekehrt diese Kultur nicht zu Missbrauch führen sollte.
        Ich grüße Sie,
        Andreas Schwerdtfeger

  6. Lieber Herr Wolff,
    Ich stimme mit Ihnen, denke ich, völlig überein:
    Beim Christen steht der Glaube im Vordergrund, dann können Berge versetzt werden beim Einzelnen.
    Meine Erkenntnis ist auch, dass persönliches Glück, Gerechtigkeit und Frieden nur möglich ist, wenn jeder an den Anderen nicht nur denkt, sondern auch danach handelt. Einig sind wir vielleicht nicht über den Weg und das Maß.
    Was nun Ihren Text anbelangt, so finde ich diese Prinzipien zum Teil wieder. Aber Sie gehen weiter:

    Vorausschicken möchte ich: Da ist zunächst diese wunderschöne Legende vom Bischof Nikolaus (4. Jahrhundert), die Sie referieren. Nikolaus war Mönch, dann Bischof. Er gilt als milde und er soll nach 2 Belegen (Wikipedia) sein ererbtes Vermögen unter den Notleidenden verteilt haben. Um ihn ranken sich verschiedene Legenden, u. a. die von den mutigen Seeleuten, die erstmalig im Jahre 1000 aufgekommen, aber nicht belegt ist.
    Zum inhaltlichen der Legende:
    Da ist zunächst die bewundernswerte Haltung des Bischofs. Er schenkt sein ererbtes Vermögen den Armen. Das ist der entscheidende Grund, warum er heiliggesprochen wurde, wie sie schreiben. Er wird dabei die glücklichen Augen gesehen haben, wenn er etwas abgab oder das Feedback der Menschen, die dankbar waren, ob dieser Gaben. Darin sehe ich mit Ihnen die Mathematik des Glaubens. Das ist die Geschichte vom Teilen des Lebkuchens, die ich teile.
    Dieser Effekt geht in der heutigen Zeit aber verloren. Durch den Sozialstaat heutiger Art geht er verloren.
    Nikolaus handelt hier, wie Jesus es uns lehrt, weil es für den Christen nicht auf das weltliche Gut ankommt, sondern stattdessen das Verhältnis zu Gott und der Menschen untereinander im Vordergrund steht und dabei die Barmherzigkeit Gottes auf der Erde entstehen soll. Einschlägig ist dabei u. a. Mt 19.

    Ich denke auch heute gibt es eine Vielzahl solcher Leute, die keine Erben haben und deswegen froh sind, etwas Gutes zu tun, für andere da zu sein und dann letztlich karitative Organisationen oder die Kirchen mit Ihrem Vermögen beschenken. Ihnen werden die glücklichen Augen und die Dankbarkeit allerdings nur selten unmittelbar begegnen. Sie haben ggf. auch keine anderen Möglichkeiten, sorgen für sich bis zuletzt aus Unsicherheit vor. Sie erhalten dann eine Spendenbescheinigung, anonym.
    Es gibt Menschen, die bewusst in einfachsten Verhältnissen leben und Mt 6,26 ernst nehmen. All das passiert heute ja auch.
    Nikolaus war ein Bischof, der, wie man liest, wirkmächtig war, auch hinsichtlich seines theologischen Auftrages. Wenn er nach der Legende fremde Seeleute überreden konnte in einer absoluten Notsituation und sie zu einer Handlung verleitete, die ihr Leben kosten konnten alleine mit „Ich werde für euch beten- und wenn ihr in Rom ankommt, dann werdet ihr feststellen, dass kein Gramm fehlen wird“ und das dann tatsächlich das Wunder geschah, dass nichts fehlte, wie (unbelegt) berichtet wird, dann erkennt man, wie der Glaube wirken kann, zumindest bei den Seeleuten, die vielleicht, so muss man annehmen, Christen waren oder zumindest auf dem Weg dahin. In Rom war zur damaligen Zeit nämlich auf dem Weg zum Christentum als Staatsreligion. Es zeigt auch, welchen Stellenwert die geistlichen Würdenträger hatten.

    Realistisch gesehen, muss man sagen: Der Bischof hat in seiner Not das Risiko genommen und die Seeleute dem Risiko ausgesetzt, dass sie ihr Leben verlieren konnten. Ob ihm das bewusst war, weiß man nicht. Selbst wenn, wäre er zwar schuldig geworden, aber Gott hätte es ihm sicherlich vergolten (folgt man der Bibel). Wahrscheinlich hat er es selbst geglaubt. Etwas was man heute wohl auch kaum finden wird.
    Wie wir lesen, hat er mit dem „gestohlenen“ Saatgut soviel Korn wachsen lassen können, dass die Menschen zwei Jahre lang zu ernähren und damit der Hungersnot entkamen.
    Ich denke, damit hätte man es bewenden lassen können.
    Dass Sie, lieber Herr Wolff, diese schöne erfundene Geschichte auf den heutigen Sozialstaat übertragen, scheint mir im zeitlichen Zusammenhang mit der vor der Veröffentlichung bereits bekannten Abstimmung der Parteien im Bundestag über die Rente zusammenzuhängen zu stehen und Ihrer Freude darüber. (Schließlich hätten Sie auch das Thema Brandt im Hinblick auf den 7.12. als Thema wählen können). Aber egal:

    Dass Sie dann mit religiösen Aspekten der „wahren Nikolaus Geschichte“ die Abgeordneten des Sozialstaates den gläubigen Seeleuten der Legende nahe zu bringen versuchen, für die der Bischof gebetet hat (zumindest versprach er es), geht mir entschieden zu weit und ist religiös und faktisch nicht gedeckt.
    1) Bei den Abgeordneten handelt es sich sicherlich in der Mehrzahl nicht um Menschen, die an Wunder glauben. Sie kalkulieren genau, was auch Ihnen nützt.
    2) Die Abgeordneten müssen auch nicht das christliche Gebot der Lebenssicherung im christlichen Sinne sichern. Das ist kraft Gesetzes durch die Garantie des Existenzminimums gesichert, durch das BVG bestätigt.
    3) Die Abgeordneten haben auch keine Umverteilungspolitik zu betreiben, solange Pkt. 2 gesichert ist. Die beste Hilfe besteht darin, eine Politik zu betreiben und Voraussetzungen zu schaffen, damit Notlagen nicht entstehen.
    4) Im Übrigen fordert die christliche Ethik das auch nicht. Jesus hat nicht nur die Reichen zur Umkehr aufgefordert, sondern alle. Er hat aber sehr wohl den Menschen klargemacht, wenn sie nicht nach den göttlichen Regeln sich verhalten. Insoweit ist jeder informiert. Wenn nicht, kann die Kirche klarstellen und lehren, wie es der Auftrag ist. Auch der Reiche weiß, was ihm passieren wird. Jesus hat sie nicht verdammt, nur die Konsequenzen aufgezeigt. Entscheiden wird nach der Lehre Gott alleine darüber. Das ist nicht Sache der Abgeordneten.
    Sie haben alles im Blick zu haben (3).
    5) Sie blenden völlig aus, dass der Bischof Nickolaus in einer einmaligen Notlage zu diesem einmaligen Schritt gegriffen hat. Er hat auch nicht das ganze lagernde Korn entwenden lassen, sondern nur so viel, damit es weiter gehen konnte mit dem normalen Wirtschaften. Er hat auch keine Notleidende dazu gebeten oder kommen lassen und
    6) Er hat sicherlich die glücklichen, dankbaren Menschen gesehen, die allem im selben Boot waren, arm und reich. Sie hatten nichts zu essen und sie alle erlebten das Wunder des Glaubens. Weit weg von heute. Heute kann man nur darüberschreiben und anraten, so zu denken, zu fühlen. Das klappt aber nicht.

    Vielleiht sollten wir vor diesem Hintergrund der Unpersönlichkeit mehr dafür tun, aus der Anonymität herauszukommen, wie das in den USA der Fall, wo sogenannte Superreiche eigene Stiftungen errichten, weil sie den staatlichen Eingriff ablehen und wir sollten das Christentum und die Lehre nicht zu einem Kampf Arm gegen Reich umdeuten und uns streng an dem orientieren, was Jesus wohl gesagt hat, nicht an dem was Jahrhunderte später daraus gemacht wurde.

    1. „wie das in den USA der Fall, wo sogenannte Superreiche eigene Stiftungen errichten, weil sie den staatlichen Eingriff ablehen“
      ___________________________________________________________________________________
      Milliardäre haben per se unmoralisch gehandelt, sonst wären sie nicht so reich. Gerade in den USA unter Trump nimmt der staatliche Eingriff drastisch ab. Die Stiftungen der Superreichen dienen in erster Linie einer positiven
      Public Relations.

      1. Erlauben Sie bitte eine Anmerkung:
        Nehmen wir die Familien Gates und Buffett. Beide haben bislang rund 120 Milliarden US-Dollar in die gemeinnützige Gates Foundation eingebracht. Davon wurden bereits etwa 100 Milliarden für wohltätige Zwecke ausgegeben; weitere 200 Milliarden sollen in den kommenden 20 Jahren folgen. Beide Familien haben sich verpflichtet, mehr als 95 Prozent ihres Gesamtvermögens für gemeinnützige Zwecke einzusetzen. Diese Dimensionen gehen weit über reine Öffentlichkeitsarbeit hinaus – hier wird professionell und langfristig gehandelt.

        Die Gates Foundation ist derzeit die größte Einzelstiftung der Welt, jedoch nur eine von vielen großen privaten Stiftungen in den USA. Besonders prägend ist sind private Stiftungen seit langem im amerikanischen Gesundheitswesen: Rund zwei Drittel aller Krankenhäuser werden von privaten Stiftungen oder gemeinnützigen Organisationen betrieben. Damit kompensieren sie einen erheblichen Teil der Lücken, die das unvollständige amerikanische Krankenversicherungssystem hinterlässt. Dieses Modell unterscheidet sich deutlich vom deutschen Ansatz.

        Gerade deshalb halte ich eine stärkere Förderung ähnlicher Strukturen auch in Deutschland für sinnvoll – nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung des bestehenden Systems. Ich bin zuversichtlich, dass leistungsfähige Vermögende hier durchaus zu freiwilligen Beiträgen bereit wären. Wir sollten es ausprobieren.

        Meine Empfehlung lautet zudem: Wir sollten auf moralisierende Pauschalurteile wie „Milliardäre handeln ohnehin unmoralisch“ verzichten. Denn die Systeme sind sehr unterschiedlich in der Welt. Das Vermögen der Milliardäre steckt zum großen Teil im Wert ihrer Unternehmen. Diese Unternehmen versteuern ihre in Deutschland erzielten Gewinne bei einer Kapitalgesellschaft mit etwa 30 Prozent oder mehr. Auf Ebene des Unternehmers summiert sich die Steuerlast auf rund 48 bis 50 Prozent, zuzüglich der Arbeitgeberbeiträge zu Löhnen und Gehältern. Zudem unterliegen diese Werte erheblichen Schwankungen in der Zeit.

        Zudem handelt es sich bei erfolgreichen Unternehmen (die haben Sie ja im Auge..), um funktionierende Organisationen, die Menschen beschäftigen, marktgerecht entlohnen und berufliche Perspektiven schaffen. Sie wirken außerdem auf zahlreiche andere Branchen, etwa die Zulieferindustrie, und schaffen dort ähnliche positive Effekte. Im Fall von kreativen Unternehmern wie Elon Musk etwa, sorgen seine Unternehmen für einen erheblichen Innovationsschub, der der gesamten Wirtschaft zugutekommt und – über Mitarbeiterbeteiligungen – auch dort Wohlstand schafft.

        Im Übrigen gilt: Am Ende eines Lebens wird Rechenschaft abgelegt. Wir sehen es am Beispiel Gates und Buffett.

  7. Lieber Christian, was für ein schöner Text zum Nikolaustag- ein echtes Geschenk, nicht nur für den geputzten Stiefel.Und die Parallele zum Sozialstaat ist offensichtlich- möge das Wunder bewirkt werden, dass die Seeleute auch heute auf das Gebot der Nächstenliebe vertrauen und ihre Güter teilen.

  8. Geizig werden wir ja nicht aus der realen Not heraus , geizig werden wir aus Angst , etwas, das wir für notwendig halten , haben zu müssen, um Anerkennung zu gewinnen, zu verlieren. Nikolaus steht für‘s Sein statt Haben, er ist davon beseelt . Und so kann er die Seeleute ansprechen und anrühren , sich auf die Verhungernden innerlich einzulassen, deren Angst vor dem Hungertod und ihre Bedrohung selbst spüren zu können… und sich selbst als möglicherweise Bedrohtem spüren zu können. Ich stelle mir Nikolaus als einen jungen, noch anrührbaren Menschen vor, der noch nicht machtbesessen und überzeugt davon ist, trotz seiner Bischofsfunktion , sich mächtig zeigen zu müssen, um Geltung und Wirkung zu bekommen….

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