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Mehr als ein Schmierentheater

Ein Schmierentheater der besonderen Art spielte sich in der vergangenen Woche in Großbritannien ab. Da wurde Donald Trump, Präsident der Vereinigten Staaten, der dabei ist, in den USA die freiheitliche Demokratie systematisch zu zerstören und ein faschistisch-rassistisches System zu installieren, in Großbritannien von King Charles III. nicht nur mit Pomp und Glamour empfangen. Der britische Premierminister Keir Starmer umschleimte Trump mit einer angesichts der Brutalität, mit der Trump gegen Bürger:innen vorgeht, die ihm nicht passen, unerträglichen Unterwürfigkeit. Wäre das auf einer Theaterbühne inszeniert worden, hätte man für ein solches Spektakel noch Verständnis aufbringen können. Doch hier geht es nicht um Theater, sondern um die Zerstörung all dessen, was für ein friedliches Zusammenleben in einem Land unerlässlich ist: demokratische Glaubwürdigkeit, Freiheitsrechte und menschenwürde.

Um das ganze Ausmaß dieser unwürdigen Inszenierung zu erfassen, muss man bedenken: Der gleiche Donald Trump, der sich wie ein Halbgott auf Windsor Castle feiern ließ, schickt seine ideologischen Vasallen nach Großbritannien und in die Länder der EU, damit sie dort rechtsextremistische, rassistische Parteien und Gruppierungen unterstützen und die gleiche Zersetzungsarbeit an der Demokratie leisten wie in den Vereinigten Staaten. Steve Bannon, Stephen Miller, Elon Musk, JD Vance fördern europaweit und mit aller Macht rechtsradikale Parteien und Bewegungen. Auf der Mitte September vom rechtsextremistischen Aktivisten Tommy Robinson organisierten Kundgebung gegen Migration in London war Elon Musk per Video zugeschaltet. Er behauptete in seiner Rede, dass die Bevölkerung „Angst habe, ihre Meinungsfreiheit auszuüben“. Dem Sender BBC warf er vor, „an der Zerstörung Großbritanniens mitschuldig zu sein“. Dann rief er der Menge zu: „Ob ihr Gewalt wählt oder nicht, die Gewalt kommt zu euch. Entweder ihr wehrt euch oder ihr sterbt (…).“ Musk forderte dann noch, das Parlament aufzulösen, Neuwahlen vorzuziehen und einen Regierungswechsel herbeizuführen. Damit will er erreichen, dass Großbritannien so bald wie möglich von der rechtsextremen Reform UK Party des Nigel Farage regiert wird.

Damit ist die Agenda vorgezeichnet, derer sich seit über 100 Jahren Faschisten bedienen: die Delegitimierung demokratischer Institutionen und Organisationen und Aushebelung von Meinungsvielfalt, indem ohne jede Verschleierung die Umwertung aller Werte vorgenommen und skrupellos Lüge zur Wahrheit erklärt wird. Vor allem öffentlich-rechtliche Medien, seriöse Zeitungen, demokratische Parteien sowie Richter:innen werden pauschal bezichtigt, durch ihr Handeln die Meinungsfreiheit einzuschränken – um so einen Grund zu finden, die Medien, die für Meinungsvielfalt sorgen, durch Bedrohung, Einschüchterung und Klagen mundtot zu machen. In den USA ist dieser Prozess schon weit vorangeschritten – so weit jedenfalls, dass Experten dazu raten, nicht mehr von einer drohenden Abschaffung der Demokratie und des Rechtsstaates zu sprechen, sondern von einer faktischen Diktatur.

Und der Hauptverantwortliche für dieses Zerstörungswerk, Donald Trump, wird in Europa ohne Not gehuldigt wie ein römischer Kaiser; und es wird immer noch so getan, als sei Europa auf diesen Faschisten politisch, wirtschaftlich, militärisch angewiesen? Wann endlich wachen die europäischen Regierungsvertreter:innen auf und erkennen, dass mit einem Faschisten wie Donald Trump keine gemeinsame Politik zu verantworten ist! Im Gegenteil: Die Staaten der EU müssen sich nicht nur schützen gegen die Zersetzungspolitik des Putin-Russland. Mit gleicher Klarheit muss die EU dem Versuch der Trump-USA entgegentreten, Europa in nationalistische Einzelteile zu zerlegen, die sich in absehbarer Zukunft mit der gleichen Gewalt neutralisieren, wie sie derzeit schon in den USA wütet und von dieser ausgeht.

Jede:r, der:die solche Gedanken für überzogen hält bzw. jetzt wieder an die sog. Interessenspolitik versus Werteorientierung appelliert, sei daran erinnert: Aufgrund dessen, was sich in Europa vor 100-80 Jahren abgespielt hat, kennen wir sehr genau die Mechanismen dieser Politik und vor allem ihre verheerenden Folgen. Insofern wissen wir auch, was jetzt zu tun ist: keinen Zentimeter vor Faschisten zurückweichen und sich so schnell wie irgend möglich aus ihrer Abhängigkeit befreien. Das wird schwer genug sein. Aber wer jetzt nicht geistesgegenwärtig den Rechtsstaat und die Demokratie im Verbund der EU verteidigt, der:die wird über kurz oder lang die gesellschaftlichen Verwerfungen erzeugen, die jetzt schon in den USA für ein raues Klima von Angst und Gewalt sorgen. Wie die Trump-Vance-Bande die Ermordung des fundamentalistischen Rechtsextremisten Charlie Kirk nutzt, um demokratische Freiheitsrechte einzukassieren, die Opposition auszuschalten und den weißen Rassismus zu fördern, erinnert an die gigantischen Propagandaveranstaltungen der NSDAP am Ende der Weimarer Republik, zu denen Beerdigungen von ermordeten Nazis aufgeblasen wurden. Steve Bannon gibt die Tonlage vor: „Die Trump-Regierung muss die Antifa zur inländischen Terrororganisation erklären. Wir müssen hart werden, zeigen, dass wir es ernst meinen. Die Trump-Regierung muss Türen eintreten und all diese Leute verhaften.“ Trumps Vizestabschef Stephen Miller legt im Fernsehsender Fox News nach: „Die letzte Botschaft, die Charlie Kirk mir übermittelte, bevor er zu seinem Schöpfer im Himmel ging, war, dass wir die radikalen linken Organisationen in diesem Land, die Gewalt schüren, zerschlagen und bekämpfen müssen. Und wir werden das tun.“ Kein Zweifel kann darüber herrschen, wen Miller auch mit seinem Vorwurf der „heimischen Terroristen“ meint: Bürgerrechtsorganisationen und die Demokratische Partei. Diesen droht er: „Ihr wollt, dass wir in Angst leben? Wir werden nicht in Angst leben, aber ihr werdet im Exil leben.“ Trump selbst schürte in seiner Rede den abgrundtiefen Hass gegen jede:n, die:nicht seiner Meinung ist: „Ich hasse meine Gegner und wünsche ihnen nicht das Beste.“ Das ist keine Rhetorik – das ist die Marschroute seiner Politik.

Man kann nur hoffen, dass sich die Bundesregierung und die gesamte Führungsriege EU sehr schnell von Trump-USA emanzipieren und nicht länger der Illusion anhängen, man könne mit Faschisten eine gemeinsame wertebasierte Politik in und für ein demokratisches Europa machen. Doch noch wichtiger sind zwei Dinge:

  • Jede:r potentielle:r Wähler:in möge endlich erkennen, wohin eine Stimme für die AfD führen wird: in den braunen Sumpf einer die Freiheit erstickenden Diktatur.
  • Auch wenn es jeden Tag ausreichend Anlass gibt, Fehlentwicklungen innerhalb des demokratischen Spektrums zu beklagen – nichts davon kann und darf das Treiben der Trumps und Orbáns und ihrer Organisationen rechtfertigen!

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Nachtrag: Natürlich tut es jedem, der die Vereinigten Staaten des Öfteren bereist hat, Begeisterung für Vieles entwickeln konnte und verwandtschaftliche und freundschaftliche Beziehungen in die USA unterhält, in der Seele weh zu sehen, wie rasant der Trump-Faschismus voranschreitet. Man hofft, dass es alles nur ein böser Traum ist. Doch eigentlich war nach der Inaugurationsrede von Donald Trump am 20. Januar 2017 sehr klar, wohin die Reise geht. Nur wollten das damals viele nicht wahrhaben. Sich von diesem politischen Albtraum befreien, können nur die Bürger:innen der USA. Wir allerdings sollten gewarnt sein, wie schnell sich eine Demokratie in eine Diktatur wandelt – aber dass wissen wir seit fast 100 Jahren …

27 Antworten

  1. Lieber Herr Wolff
    bei Menschen mit einem manichäischen Weltbild erinnert mich manches an den Maslowschen Hammer. So empfand ich auch Ihren Kommentar als zu grob.
    Ich denke, wir sollten hier differenzierter vorgehen. Ich verweise hierzu auf einen sehr ausgewogenen Podcast DER ZEIT

    https://podcasts.apple.com/de/podcast/sind-die-usa-auf-dem-weg-zum-faschismus/id1501725808?i=1000728501180

    In der neuen Ausgabe von „Das Politikteil“ sprechen Ileana Grabitz und Peter Dausend mit dem Historiker und Amerikanisten Volker Depkat über die fundamentalen Veränderungen der USA unter Donald Trump. Depkat untersucht, welche Kennzeichen faschistischer Systeme auf die USA zutreffen und welche nicht, erläutert, wie sich das Ausmaß der gegenwärtigen Illiberalität aus einer liberalen Verfassung entwickeln konnte und legt dar, was passieren muss, um die Entwicklung zu stoppen. Zudem bettet er die aktuellen Ereignisse in den kulturhistorischen Hintergrund der USA ein und macht somit klar, dass die Entwicklung unter Trump keine fundamental neue ist, sondern die radikale Zuspitzung von Verhaltensmustern, die in der US-Geschichte angelegt sind. Depkat hält folglich den Begriff Faschist für Trump für unzutreffend, er sieht im US-Präsidenten einen „autoritären Cäsaren. Auf einer Skala von 1-10 , wobei 1 die perfekte Demokratie und 10 die Diktatur steht, gibt Depkat die Note 5, weil noch nicht ganz entschieden ist, in welche Richtung es gehen kann und ob sich die amerikanische Gesellschaft auf Dauer das gefallen lässt, was gerade passiert.
    Ich denke, es ist nur fair, wenn auch wir das tun. Wenn man eine so radikale Politikumkehr machen will, gehört auch bange machen und eine Art Schocktherapie dazu, insbesondere in einem Amerika, wo es immer schon viel rauer zuging, als wir das kennen.
    Bedenken wir zudem, dass Trump in einem demokratischen Prozess zum Präsidenten gewählt wurde, was man auch immer in den USA als demokratisch bezeichnet. Darauf haben wir uns einzustellen. Er ändert nun die Politik des Multilateralismus und Weltpolizisten-Seins (mit gelegentlichem Unilateralismus, Beispiel Irak) zu einem klaren Unilateralismus mit gelegentlichem Multilateralismus. Das in brutalster Form.

    Vielleicht kann man bei uns aber auch etwas aus dem Prozess der USA lernen. Depkat sagt in dem zitierten Podcast: „Was ich nicht mehr hören kann ist, Trump ist ein Faschist. Weil das letztlich den Blick darauf verhindert auf die illiberalen Potentiale einer liberalen Demokratie zu schauen. Ich glaube was wir hier sehen ist eine aus der liberalen Demokratie und in Traditionen erwachsene Bedrohung und Unterminierung der eigenen Grundlagen und wir sollten, glaube ich in der Behandlung mit Trump ..und Amerika ……viel stärker darüber nachdenken, welche illiberalen Potenziale oder welches Potenzial für Illiberalismus in liberalen Demokratien gegeben ist…. Und es ist ja auch so ,dass alle diese Vorwürfe gegen Trump die Leute nicht daran gehindert hat für ihn zustimmen genauso wie in Deutschland auch niemand oder eine wachsende Zahl von Deutschen offenbar nicht davon irritiert ist , wenn die AfD in weiten Teilen als gesichert rechtsextrem gilt….“.
    Dieser Sicht, kann ich nur zustimmen. Den anderen zu verteufeln und auszugrenzen, reicht nicht. Man muss selber als Regierender die Leute von sich überzeugen.

    Trump kam nicht von Nirgendwo“. Andere haben offenbar vorher versagt, füge ich hinzu. Die USA sind mit der bisher betriebenen Politik in Wahrheit pleite und sind innerlich zerrissen. Das ist auch das Ergebnis der Demokratie.

    Es ist üblich geworden – schon als die Wiederwahl von Trump am Horizont erschien, in Deutschland und in anderen liberalen Gesellschaften Europas – vor diesem Trump zu warnen und gar alles von uns aus zu unternehmen, was die Biden Regierung stützte. Wenn wir nun mal ehrlich zu uns selbst sind, muss man sich doch Fragen stellen, z.B.
    1) Wieso hat die Presse gefühlt mehrheitlich den Gesundheitszustand des Präsidenten so verheimlicht und weggelächelt?
    2) Wieso sind die verantwortlichen liberalen Politiker, die den Zustand hätten merken oder ahnen müssen, einem Biden so blindlinks gefolgt?
    3) Wieso hat man es zugelassen, dass wir in den Ukraine-Krieg so tief durch die USA hereingezogen wurden, wo es vor allem im Interesse der USA lag?
    4) Wieso haben wir den angefangenen Prozess des Baus des gemeinsamen Hauses Europas in unserem europäischen Interesses nicht stabilisieren können. Selbst ein Obama sprach schon vor dem Annexion der Krim von einer Regionalmacht Russland.
    5) Wieso bitte fangen wir mit der Aufarbeitung der Ukraine eigentlich immer 2022 an, allenfalls mit der Invasion auf der Krim? Denken wir an die Vorgeschichte und den 21.2.2014, als die Ukraine sozusagen in dunkler Nacht auf die westliche Seite sprang und 3 Tage später offiziell eine Regierung der Straße mit Nationalisten von der EU anerkannt wurde? Am 21.2. hatte man gemeinsam und im Beisein Russlands über freie Wahlen in 2014 mit Janukowitsch verhandelt.
    6) Warum haben sich die USA unter Biden 2022 so verhalten, wie sie sich verhalten haben. Sie waren doch Garantiemacht zusammen mit GB nach dem Budapester Memorandum? Schreiben von Dezember 21 von Putin wurden von oben herab behandelt.
    7) Ist eigentlich definitiv klar, dass es nicht die USA waren, die in der einen oder anderen Weise in der Sprengung der Nord-Stream 2 Pipeline involviert waren?

    Erkenn wir das doch wenigstens an, dass da Fragen bleiben, Herr Wolff. Es war nicht gut, was Biden da hinterlassen hat. Und es waren die demokratischen Parteien Deutschlands, die, so scheint mit, in Ihrer Angst vor Trump, die diesem gefolgt sind und jetzt aus dem Schlamassel nicht mehr rauskommen. Sie haben dabei nicht kühl genug unsere Interessen bedacht.

    Nun kommt ein Trump, setzt sich dafür ein, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Was tun wir, was tut das „vereinte Westeuropa der Willigen“. Sie machen das Konzept Trumps durch zu viele Wenn und Abers kaputt, zumindest arbeiten sie nicht konstruktiv daran mit ,sondern folgen strikt der alten Strategie Bidens: Das Recht muss wieder hergestellt werden. Egal was es an Menschenleben und uns finanziell kostet. Wie können Sie auch anders reagieren, wie ständen sie da, wenn sie ihrer Fehler anerkennen würden? Oder sollte es gar eine Hinhaltetaktik zu Lasten der Ukraine sein, um Zeit zu gewinnen, bis man selbst etwas zustande gebracht hat?

    Wie sich Vertreter der Trump Regierung in diversen Auftritten präsentieren und einmischen in unsere Politik, ist schon befremdlich und schockierend. Da gebe ich Ihnen Recht. Aber um was geht es im Wesentlichen?
    Es sind die Themen Migration, links-grüne Ausrichtung der EU und Handlungsunfähigkeit in der Umsetzung, Verteidigungsfähigkeit, Ausgrenzung des rechten Spektrums (in Regierungen durch Blockbildung verhindert). Sie fügen noch die Zerstörung der EU hinzu.
    Ich erspare es mir zu den einzelnen Punkten meine Sicht der Dinge darzulegen. Die Kritikpunkte am Istzustand wären sehr lange.

    Wenn Sie, lieber Herr Wolff, dazu auffordern sich so schnell wie möglich aus der Abhängigkeit von den USA zu befreien kann ich nur zustimmen. Offenbar fehlen auf unserer Seite nur die richtigen Leute und/oder die Möglichkeit diese Politik umzusetzen. Über die Gründe lohnt sich nachzudenken. Das ist die Folge der Art, wie in westlichen Demokratien Politik gemacht wurde, als es uns noch gut ging.

    Sie hoffen, dass sich die Bundesregierung und die gesamte Führungsriege der EU sehr schnell von Trump-USA emanzipieren und nicht länger der Illusion anhängen, man könne mit Faschisten-wie Sie meinen- eine gemeinsame wertebasierte Politik in und für ein demokratisches Europa machen.
    Ich denke, dass sich da keiner Illusionen macht. Trump will mit uns keine gemeinsame Politik machen, schon gar keine wertebasierte wie wir uns das vorstellen. Er vertritt jetzt einen klaren Unilateralismus. MAGA oder Amerika First. Er geht nur dann Deals ein, wenn Sie den USA etwas bringen, ganz ökonomisch.

    Auch wenn es jeden Tag ausreichend Anlass gibt, Fehlentwicklungen innerhalb des demokratischen Spektrums zu beklagen- nichts davon kann und darf das Treiben der Trumps und Orbáns und ihrer Organisation rechtfertigen, schreiben Sie. Meine Antwort wäre: Überlassen wir das den Wählern der USA und Ungarns. Ändern wir die Spielregeln in der EU derart, dass keine Blockade durch ein Land wie Ungarn möglich ist. Wir haben in der EU keinen Zentralstaat, sondern eine Summe von Nationalstaaten. Reformieren wir die EU. Aber wurschteln wir so nicht weiter. Und hauen wir nicht mit der Keule auf Entwicklungen, die aus der Schwäche von Demokratien erwachsen können.

    Zum Schluss: Wie wir wissen, ist Trump wie du und ich. Also bringen wir ihm den gebotenen menschlichen Respekt entgegen, auch wenn´s schwerfällt. Seien wir sicher, auch er wird seiner gerechten Strafe nicht entgehen, wissen und glauben die Christen !

    1. Nein, lieber Herr Tesche, Trump ist Gott sei Dank nicht „wie du und ich“. Auch ist das Wort Respekt an dieser Stelle unangebracht. Was allerdings zu beachten ist, das hat der heemalige Bundespräsident bei seiner Rede bei der Trauerfeier für die bei einem Massaker ermordeten Schüler:innen und Lehrer:innen zum Ausdruck gebracht: „Was immer ein Mensch getan hat: Er bleibt ein Mensch.“

      1. Und ich dachte immer, es gälte Lev 19,18 . Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Martin Buber machte daraus: …denn er ist wie du. Das halte ich für vernünftig und einleuchtend. Was ist vor diesem Hintergrund falsch an meiner Aussage ?
        Habe ich nicht jedem Menschen den menschlichen Respekt zu erweisen?

        1. Das Gebot der Nächstenliebe bedeutet nicht, dass alle Menschen gleich sind im Sinne von „Nachts sind alle Katzen grau“. Was für alle Menschen gilt: dass sie ein Geschöpf Gottes sind, mit Recht und Würde gesegnet. Eine andere Frage ist, ob der einzelne Mensch seiner Bestimmung gerecht wird. Darüber wird es immer Auseinandersetzungen geben. Diese dürfen aber nicht dazu führen, dem anderen sein Menschsein abzuerkennen; aber es schließt ein, deutlich zu machen, wo ein Mensch seiner Bestimmung zuwiderhandelt. Im Fall Trump oder Putin muss deren Handeln einer scharfen Kritik unterzogen werden, weil dieses allen biblischen Grundwerten widerspricht. Diese Kritik kann und darf keinen Moment dadurch entschärft werden, dass Nächsten- und Feindesliebe reklamiert wird. Denn das führt zu einer Relativierung und Verharmlosung ihres schändlichen Handelns. Respekt bedeutet eben auch: die Verrwerflichkeit des Handelns einer Person klar zu benennen, ohne das Lebensrecht dieser Person zu bestreiten.

          1. Wie sollte ich dem widersprechen?
            Wir müssen nur bedenken, dass wir christlich-moralische Ansprüche nicht mit politisch-weltlichen gleichsetzen und dass dem Anderen mehr als das Lebensrecht zusteht. Er muss in seiner Andersartigkeit ernst genommen werden. Dabei gilt auch Matthäus 7,1-2: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden, und nach dem Maß, mit dem ihr messt, wird euch zugemessen werden.“
            Das Verbot richtet sich gegen eine selbstgerechte, verurteilende Haltung, die andere Menschen nach eigenen Maßstäben bewertet, aber die eigenen Fehler übersieht (Bild vom Balken und Splitter im Auge). Es ist eine Warnung vor Doppelmoral und Heuchelei.
            Dieser Hinweis betrifft nicht Ihren in Sorge geschriebenen Beitrag, sondern ist generell zu beachten.
            Ich wollte zumindest daran erinnert haben. Auch diesem Grunde habe ich einige Aspekte der Entwicklung des Ukraine Krieges in meinem Beitrag in Erinnerung gerufen. Vielleicht haben auch wir biblischen Grundwerten widersprochen., Mt 7,12 zum Beispiel

        2. Lieber Herr Dr Tesche,
          ich beglückwünsche Sie zu Ihrem Beitrag, der durchaus die richtigen Fragen stellt, die richtigen Einsichten darlegt und ganz und gar den Anspruch Wolffs bezüglich Inhalt und Stil in seinem Blog erfüllt. Es bleibt – leider – das Geheimnis Wolffs, dass er immer wieder in seinen Antworten mehr auf Rechthaberei als auf demokratischen Diskurs setzt und andere Meinungen nicht anerkennen will und kann. Und es bleibt der üble Geschmack, dass er feierliche Sätze zitiert – „egal was ein Mensch tut, er bleibt ein Mensch“ – und dann genau dies in seinen Beiträgen bezüglich seiner politischen Feindbilder grob verletzt und eben eine beleidigende Sprache der gebotenen sachlichen Auseinandersetzung vorzieht (siehe den Ausdruck „Bande“). Wolff wird es nicht mehr lernen. Dennoch hoffe ich, trotz berechtigter Zweifel, auf einen positiven Beitrag am 3. Oktober.
          Andreas Schwerdtfeger

    2. „3) Wieso hat man es zugelassen, dass wir in den Ukraine-Krieg so tief durch die USA hereingezogen wurden, wo es vor allem im Interesse der USA lag?“
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      War das so? Heute bettelt Europa bei den USA, dass sie ihre Ukraine-Hilfe nicht drosseln.

      1. …und die Trump-USA tut so, als sei das alles nicht ihre Sache, sondern ein Privat-Krieg Bidens und der Europäer. Und wir nehmen das ohne Mucken hin.

    3. Unter 5) sprechen Sie, Dr. Tesche, vom 21.2.2014, an dem die Ukraine „auf die westliche Seite gesprungen“ und eine „Regierung der Straße mit Nationalisten“ anerkannt worden sei. Dabei habe man gerade gemeinsam und im Beisein Russlands über freie Wahlen in 2014 mit Janukowitsch verhandelt.

      Somit bezeichnen Sie die Hunderttausende des Euromaidan, von denen der Kleptokrat Janukowytsch an die 100 erschießen ließ, als „Straße“. Freie Wahlen seien zu erwarten gewesen ausgerechnet mit dem Segen Russlands – dessen Präsident Putin Wiktor Janukowytsch im November 2013 gezwungen hatte, das Assoziierungsabkommen EU-Ukraine abzusagen. Die verhandelte Vereinbarung zur Beilegung der Krise in der Ukraine, an deren Zustandekommen am Nachmittag des 21. Februar die Außenminister Polens und Deutschlands und der Russe Lukin mitgewirkt haben, hat – ja, Russland nicht unterzeichnet.

      Was bitte bringt Sie dazu, sehr geehrter Herr Dr. Tesche, Fakten so zu verfälschen?

      1. Sehr geehrter Herr Hoellger,
        gemach, gemach bitte.
        Tun wir bitte nicht so, als wären das alles nur Freiheitskämpfer ukrainischer Herkunft gewesen, die auf dem Maidan demonstrierten. Es ist wiederholt berichtet worden, dass sehr wohl ausländische Geheimdienste in der ein oder anderen Form mitgewirkt haben, sowohl russische als auch der USA und des MI6. Aber das wird natürlich unterschiedlich von westlicher und östlicher Seite dargestellt. Keiner bekennt sich dazu, alles lief sauber ab. Wer glaubt das, bei dem, was auf dem Speil stand? Das auch der Westen über NGO´s tätig war, ist ja nicht zu leugnen und ist belegt. Dass gerade die USA besonders involviert waren, scheint unstreitig. Ich erinnere an den Ausspruch der amerikanischen damaligen US-Vizeaußenministerin Victoria Nuland und dem US-Botschafter in Kiew, Geoffrey Pyatt: Fuck the EU. Die Ukraine war (?) eines der korruptesten Länder dieser Welt zur damaligen Zeit.
        Eine Aufklärung der Wahrheit , wird heute uns Außensteheden nicht mehr möglich sein. Man muss sich nur die diversen Versionen zu diesem Ereignis auf Wikipedia im Zeitablauf anschauen, wie um die Meinungsführerschaft gerungen wird.

        https://de.wikipedia.org/wiki/Vereinbarung_%C3%BCber_die_Beilegung_der_Krise_in_der_Ukraine

        (Da liest man auch, wer unterschrieben hat, welche Rolle er hatte und was Russland dazu erklärte.

        Jedenfalls ist das Abkommen vom Maidan Rat durch Unterschrift akzeptiert und die Verfassung gemäß der Vereinbarung geändert worden (siehe obiger Link, Diskussion vor 11 Jahren). Diese Änderung wurde aber nicht rechtskräftig, weil die Straße des Maidan dagegen opponierte und Janukowitsch floh/fliehen musste.
        Details sind nebulös.
        Man kann das natürlich als „gut gelaufen“ abtun und sich freuen, dass wir die Ukraine seit dem im Einflussbereich des Westens haben.
        Gut nachbarschaftlich war es jedenfalls nicht 3 Tage später nach der dunklen Nacht das neue Regime formell anzuerkennen seitens der EU und gegenüber Russland zur Tagesordnung überzugehen.
        Wenn Sie das Thema November 2013 ansprechen, und der Rückzug von der Unterschrift zum Assoziierungsabkommen mit der EU nur folgendes: 1) Das Assoziierungsabkommen mit der EU war nach den bisherigen Erfahrungen stets der 1. Schritt zur NATO-Mitgliedschaft . Das dies Russlands nicht wollte und davor warnte, war bekannt. 2) Das Abkommen selbst war wirtschaftlich ein schwerer Schlag gegen das von Putin betriebene Projekt der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) und eine Gefahr für Russland selbst. 3) was hätte ein deutscher Bundeskanzler der Neuzeit getan, wenn Biden zum Gespräch gebeten hätte?

        Wie es läuft, wenn man nur dem Buchstaben des Gesetzes in eigener Interpretation folgt, erlebt man heute.

        1. „Wie es läuft, wenn man nur dem Buchstaben des Gesetzes in eigener Interpretation folgt, erlebt man heute.“ – ein rätselhafter Satz.

          Warum Russland den Maidan-Vertrag nicht unterschrieben hat, steht an der zitierten Stelle eben nicht. Dort steht nur, Lukin habe erklärt, es bedeute nicht, dass Russland nicht an einem Kompromiss interessiert sei. An anderer Stelle bei Wikipedia steht, dass Russland den Westen dafür (!) kritisiert habe, die Vereinbarung aufgegeben zu haben.

          Den Euromaidan, den Aufstand gegen das aus Moskau diktierte Verbot einer Westorientierung, mit dem Wirken von Geheimdiensten zu erklären – das ist „Lüge zur Wahrheit erklären“. Ich nehme zur Kenntnis, Herr Dr. Tesche, dass Sie der Darstellung der östlichen Seite folgen, um nicht zu sagen, der russischen Propaganda.

          Worüber man sachlich streiten kann, das ist die NATO-Osterweiterung und deren Auswirkung, objektiv bzw. in einer von Russland subjektiv wahrgenommenen Bedrohung, ob berechtigt, ob nicht. Frage: Aufgrund welcher „Erfahrungen“ sollte das Assoziierungsabkommen erster Schritt der Ukraine-NATO-Mitgliedschaft sein? Die Lösung hätten vertrauensbildende Maßnahmen sein können. Der NATO-Russland-Rat war ein Ansatz. Allerdings wurde die vom ukrainischen Volk gewollte Westorientierung zum Problem für die immer reaktionärere russische Führung, weil sie kollidierte mit der Vorstellung Putins, Hausherr in der Ukraine zu bleiben – ohne diese westeuropäische Lebensart direkt an der Grenze.

          1. Erlauben Sie folgende Klarstellung der Fakten:
            • Steinmeier war in der Eigenschaft als deutscher Außenminister und als Gesandter der EU-Verhandlungsführer. Lukin war als Gesandter Russlands zugegen, aber als Zeuge, nicht als Verhandler. Dto.
            Insoweit kam es auf seine Unterschrift nicht an. Was ihn genau gehindert hat, als Zeuge zu unterschreiben, ist unklar.
            • Dass das Abkommen nach Unterzeichnung durch den Maidan-Rat zum Teil umgesetzt wurde, letztlich aber von der Straße des Maidan torpediert und gestoppt wurde, ist wohl auch von Ihnen nicht bestritten.
            • Sie haben etwas wahrgenommen, was ich nicht behauptet habe, nämlich habe ich nicht gesagt, dass der Putsch durch die Geheimdienste ausgelöst wurde. Der Stopp der Umsetzung des Vertrages erfolgte aber auf der Straße. Ausgeschlossen kann es aber nicht werden, dass Geheimdienste eine Rolle gespielt haben. Lesen Sie bitte meinen Text. Ich schrieb, dass ..eine Aufklärung der Wahrheit, wird heute uns Außenstehenden nicht mehr möglich ist…und…Details sind nebulös.
            • Dass die USA schon sehr früh daran dachten die Ukraine (ggf. Russland) in eine veränderte Nato aufzunehmen, entnehmen Sie einem Dokument der Staatssekretärin für internationale Sicherheitsfragen Lynn Davis aus 1993 (hier S. 21) unter folgerndem Link : https://nsarchive.gwu.edu/document/16374-document-02-strategy-nato-s-expansion-and
            Der Beitritt der Ukraine war für 2005 vorgesehen.
            Spätestens 2008 wurde das Thema seitens der USA aktiv betrieben.
            Damals gab es keinen Maidan und keine Freiheitskämpfer diesen Ausmasses in der Ukraine.
            • Der Eklat mit Russland beschäftigte mich schon 2014. Ich habe mich schon 2014 mit dieser Frage befasst, habe an das Außenministerium und die EU geschrieben, um zu erfahren, was man unternommen habe, um mit Russland nach dem Eklat ins Gespräch zu kommen. Fehlanzeige.
            • Wenn Sie die Mitgliedschaft von Polen, Litauen und Estland anschauen, werden Sie feststellen, dass in allen Fällen dem NATO-Beitritt ein Europa-Abkommen voraus gingen, Polen 1991, die beiden übrigen 1995. Der NATO-Beitritt Polens erfolgte 1999, die beiden anderen Länder folgten 2004. So viel zum Muster. Im übrigen
            • Mit dem letzten Satz meinte ich : Die glasklare Position des Westens, dass eine NATO-Erweiterung rechtlich auch die Ukraine umfassen könne, auch gegen den Willen und die langjährigen Warnungen Russlands. Der Punkt ist nur, dass diese Auffassung nicht rechtlich geklärt wird, sondern faktisch.
            • Ihre Meinung ist Ihnen natürlich unbenommen.

  2. Christian Wolff spricht zu Recht von „Mehr als ein Schmierentheater“; das gilt nicht nur für den  Staatsbesuch von Donald T. in Großbritannien letzte Woche, sondern auch (vielleicht sogar noch deutlicher) jetzt für seine „Rede“ anlässlich des Jubiläums der UN!
    Darin beschimpft er die UN, bezeichnet den menschengemachten Klimawandel als die größte Lüge aller Zeiten, sieht die Welt durch Flüchtlinge bedroht, die noch dazu oft/meist direkt aus Irrenhäusern kämen…

    Wie schön, gäbe es Jemanden, der/die die Unverschämtheiten und Lügen des POTUS kommentierte/sanktionierte, so wie Trump/Vance die Kleidung von Wolodymyr Selenskyj bei dessen Besuch im Weissen Haus zum Anlass für dessen Demütigung und Rauswurf nutzten…

    Auch ich empfinde es als große und verdiente Anerkennung für Christian Wolff,  dass er eingeladen wurde,  beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit am 3.10. in der Paulskirche in Franfurt zu sprechen!
    Herzlichen Glückwunsch dazu, lieber Christian.

    Nachtrag 1: Anders als die Weinkönigin, die derzeit das Präsidium des BT leitet, griff die Präsidentin der Generalversammlung der UN gestern leider nicht in das unwürdige (und überlange) Schmierentheater des Trump’schen Auftritts ein!

    Nachtrag 2 zu Anselm Görres und Gisela Kallenbach: Man (zumindest meine Frau und ich) kann im „Osten“ sogar sehr viel besser,  erfüllender, teilhabender leben,  als wir es zuvor  Jahrzehnte lang in Westdeutschland erlebt haben.
    Ich kenne viele andere Freund:innen/Bekannte,  die das genauso empfinden!

  3. „Faschistisch-rassistisch, umschleimte, unerträgliche Unterwürfigkeit, unwürdige Inszenierung, ideologische Vasallen“ – das ist die politische Sprache Wolffs.
    „Und der Hauptverantwortliche (dem Hauptverantwortlichen?) für dieses Zerstörungswerk, Donald Trump, wird in Europa ohne Not gehuldigt wie ein römischer Kaiser; und es wird immer noch so getan, als sei Europa auf diesen Faschisten politisch, wirtschaftlich, militärisch angewiesen?“ – das ist die politische Bilanz Wolffs, die dann am Ende nochmal in anderer Variation anklingt.
    Da freut man sich doch über die sachliche Sprache unseres Bundeskanzlers, wie sie heute wieder in seinem Beitrag zur Generaldebatte aufschien: Innen- und Außenpolitik sind zunehmend verzahnt; die Regierung verfolgt das Ziel des wirtschaftlichen Aufschwungs und nicht der Verteilung; Technologieoffenheit und Innovation sind der Weg zum Klimaschutz und nicht ideologische Ressourcenverschwendung; Reform des Sozialstaates ist Voraussetzung zu seiner Erhaltung. Selbst der Beitrag Chrupallas – auch wenn er inhaltlich nicht bedeutend war – wurde sachlicher vorgetragen, als Wolff es hier schafft.
    Will sagen: Lieber Herr Wolff, wenn Sie sich beherrschen könnten, wären Sie glaubwürdiger. Wenn Sie ihre nachvollziehbare Abneigung gegen Trump, Orban, Netanjahu und Weidel (und Co) mit Inhalt anstelle von Beleidigung unterfüttern würden – Sie würden nicht nur weniger Menschen in die Arme der AfD treiben, Sie würden auch einen Beitrag zur Förderung Ihres Zieles des demokratischen Diskurses leisten und damit weniger zerstörerisch an unserer Demokratie wirken.
    Ich gratuliere Ihnen zur Einladung als Hauptredner in die Paulskirche am 3. Oktober. Ich habe Ihre Überzeugungskraft von der Kanzel selbst erlebt und wünsche Ihnen zu dieser Rede die Größe, positiv zu wirken im Gegensatz zu Ihren allzu vielen Äußerungen hier im Blog.
    Inhaltlich stimme ich Ihnen mit Ausnahme einiger Nuancen zu – sowohl zu Ihrem Israelbeitrag als auch zu diesem. Aber es ist eben leider zu leicht, die Welt immer im Schwarzweiß-Format darzustellen: Unsere Sicherheit hängt noch auf lange Zeit von den USA ab – es ist also unklug, den dortigen Entscheidungsträger mit moralischer Besserwisserei oder auch mit berechtigter Sorge um die Demokratie dort vor den Kopf zu stoßen; das Klima braucht dringend Besserung – es ist als unklug, die dafür notwendige wirtschaftliche Basis zu zerstören; der Sozialstaat muss erhalten werden – es ist also unklug, ihn zu überfordern, und das gilt auch für die Frage der Migration; vor allem: Unsere Demokratie muss erhalten werden und wir brauchen dazu zwei entscheidende Voraussetzungen: erstens die Erkenntnis, dass „Politik“ nur erreichen und durchsetzen kann, was die Gesellschaft in ihrer Mehrheit mitträgt – und dazu ist es notwendig, dass die Gesellschaft kompromissfähig bleibt, den Politikern grundsätzlich Vertrauen entgegenbringt und jedenfalls deren Inhalte und nicht deren Persönlichkeit angreift, die Konkurrenz verschiedener Ziele anerkennt und dass einzelne Interessen nicht aus ideologischen Gründen immer auf 110% bestehen. Und zweitens eine Sprache, die eben genau abweicht von dem, was uns hier ständig geboten wird in der Überbietung verbaler Superlative persönlicher Abwertung im Stile dieses Beitrages (was wohlgemerkt nicht heißt, dass klare Sprache und Wertung falsch wären: Echos sind nunmal hirnlos!).
    Ergänzen will ich noch meinen Respekt für Herrn Fersterra. Der Beitrag Moldts „lässt mich erschaudern“. Eine schöne Formulierung über eine geschichtliche Darstellung, die wohl so ziemlich „daneben“ ist.
    Andreas Schwerdtfeger

    1. Seit wann ist eine „politische Sprache“ oder „eine politische Bilanz“ per se unsachlich, lieber Herr Schwerdtfeger? Was ich in meinem Blog-Beitrag versucht habe zu beschreiben, ist die Wirklichkeit, wie sie auch wahrgenommen werden kann. Im Übrigen geht es nicht um persönliche „Abneigung“. Die hege ich durchaus auch gegenüber manchem politischen Weggefährten. Es geht um die Wahrnehmung und Beschreibung von Wirklichkeit und darum, die politischen Gefahren für die freiheitliche Demokratie zu erkennen, die derzeit von der Trump-Vance-Bande und ihren Unterstützer:innen ausgehen, darunter leider und vor allem auch evangelikale Gruppierungen, die den offenen Faschismus und Rassismus noch mit einer religiös-ideologischen Schokoladensause übergießen und damit den christlichen Glauben in den Dreck ziehen.
      Dass ein Bundeskanzler anders redet als ein Bürger, der einen Beitrag zur politischen Debatte leistet, liegt in der Natur der Sache. Und es würde ja nicht einer gewissen Komik entbehren, wenn ein Bürger wie ich versuchen würde, wie ein Bundeskanzler zu reden. Vielmehr geht es darum, die Chance größter Unabhängigkeit zu nutzen, um einen Debattenbeitrag zu leisten. Nur dadurch lässt sich die Notwendigkeit der freien Rede, der offenen Diskussion und des Kompromisses bedienen.

  4. Vielen Dank. Die Lage in Amerika ist bedrückend und zutreffend beschrieben. Besonders erschütternd ist es, zu sehen, wie schnell die amerikanische Demokratie in die Knie geht und wie wenig Widerstand es scheinbar gibt. Ich befürchte, dass so etwas bei uns auch passieren wird. Bereiten wir Demokraten uns also jetzt schon auf Widerstand vor für den Tag, wenn auch bei uns die Mauern brechen. Kämpfen wir nicht nur noch entschiedener gegen das Erstarken des Autoritarismus, sondern schaffen wir jetzt schon Netzwerke und erarbeiten wir Strategien, um widerstehen zu können, wenn die AfD an der Macht ist. Die „Verlockung des Autoritären“ ist noch nicht an ihr Ziel gelangt und sie wird ihre verführerische Kraft noch sehr lange behalten. Bereiten wir uns darauf vor! Machen wir uns darauf gefasst!
    Was in dem Blog-Beitrag zu kurz kommt ist die Tatsache, dass sich zur Zeit in den USA (und auch bei uns) die Demokratie ja selber abschafft. Natürlich wird das alles auch durch den hybriden Krieg Russlands manipuliert und vorbereitet. Und dennoch: Was Trump bedeutet, konnte jedem US-Wähler klar sein. Und dennoch wurde er mit Mehrheit gewählt. Auch hier befürchte ich, dass bei uns dasselbe möglich ist. Auch bei uns befürchte ich, dass vielen unserer Mitbürger unsere Demokratie und ihre Freiheiten herzlich egal sind, wenn nur die persönliche Kasse stimmt.
    Etwas größeres Verständnis habe ich mit dem Verhalten der englischen Regierung bei dem Besuch von Trump in England. Natürlich ist das alles ein würdelose Schmierentheater, was uns da geboten wurde. Und ich bin sicher, dass sowohl Starmer als auch Charles das alles mit größtem inneren Widerwillen abgewickelt haben. Aber leider ist es nun mal Tatsache, dass wir in der Hand der Amerikaner sind. Zur Zeit sind wir eben auf Gedeih und Verderb auf deren Unterstützung angewiesen. Man denke nur, die USA beendeten die militärische (insbesondere die logistische) Unterstützung für die Ukraine. Die Verteidigung der Ukraine würde in Kürze zusammenbrechen und der Sieg Russlands wäre dann tatsächlich möglich. Europa ist ja nicht einmal zu einer konsistenten Sanktionspolitik in der Lage. Oder man denke nur, die USA würden die digitalen Dienstleistungen für Europa beenden. Europa stünde im Dunkeln. Leider haben unsere Politiker und wir alle uns darauf verlassen, dass das Bündnis mit den USA unerschütterlich ist. Und tatsächlich ist es ja auch ein historisch beispielloser Verrat, den die US-Regierung an ihren Verbündeten in Europa vollzieht. Aber nun ist es eben trotzdem so gekommen. Und wir in Europa stehen in einer sehr, sehr prekären Lage dar.
    Das Ziel ist zutreffend beschrieben: die hervorragende Aufgabe der europäischen Politik ist es ‚sich so schnell wie irgend möglich aus der Abhängigkeit der USA zu befreien‘, sich also ‚sehr schnell von Trump-USA zu emanzipieren‘. Aber das wird nach der Einschätzung aller Experten lange dauern! Und es ist sehr fraglich, ob es bei all den Geburtsfehlern der Europäischen Union, die jetzt in ihrer ganzen Tragweite erkennbar werden, überhaupt gelingt. Da wir aber ohne die USA blank dastehen, müssen die europäischen Regierungen diesen Präsidenten und seine Regierung leider Gottes bei Laune halten. Danken wir den Engländern also dafür, dass sie dieses demütigende Geschäft für uns übernommen haben. Das ist für den Beobachter wirklich unerträglich aber nach meinem Dafürhalten noch auf lange Zeit unumgänglich. Und machen wir uns auf weiteres Schmierentheater gefasst.

    1. Lieber Rolf Fersterra, ich gehöre nicht zu denen, die „das Bündnis mit den USA für unerschütterlich“ halten. Seit dem Vietnamkrieg hat die auch bei mir vorhandene Bewunderung für und der Respekt vor den Vereinigten Staaten Risse bekommen. Dabei habe ich nicht zu denen gehört, die deswegen einem Antiamerikanismus gefrönt haben. Jedoch war und bin ich ein strikter Gegner militärischer Interventionspolitik. Jetzt allerdings ist etwas fundamental anderes eingetreten (was sich allerdings unter der Bush junior Administration schon abzeichnete: Die Transformation der USA in eine Diktatur und dies sehr strategisch angelegt. Bei aller unbestrittenen ökonomischen wie militärischen Abhängigkeit – die EU muss sich fragen, ob sie mit der Trump-USA weiter kooperiert so, als wäre nichts geschehen. Das ist mE nicht möglich, wollen wir nicht schweren politischen Schaden in Kauf nehmen. Darum kann es nicht darum gehen, einen Faschisten „bei Laune zu halten“. Vielmehr muss die EU verdeutlichen, was ihr Fundament ist und was sie zusammenhält.
      Noch eines: Das Argument, dass Europa „im Dunkeln“ stehen würde, wenn die USA die digitalen Dienstleistungen aufgeben würde, ist insofern überholt, weil Europa gerade dabei ist, sich aus der Gas- und Öl-Abhängigkeit Russlands zu befreien. Das hätte vor dem Februar 2022 auch niemand für möglich gehalten.

    2. “ Aber leider ist es nun mal Tatsache, dass wir in der Hand der Amerikaner sind. Zur Zeit sind wir eben auf Gedeih und Verderb auf deren Unterstützung angewiesen.“
      _________________________________________________________________________________
      Hinzu kommt, dass Trump seine Meinungen wechselt wie seine Unterhose. Plötzlich ist er wieder mit Selenskyi dicke und warnt „Wladimir“. Schon morgen kann Trump jemand einflüstern was für gigantische Geschäfte man mit Rußland machen könne, und er dreht sich wieder.

    1. Man/Frau kann in Ostdeutschland auch sehr engagiert, sehr inspiriert, ausgewogen, fröhlich und sich wohlfühlend leben- warum sollte es eigentlich in Westdeutschland leichter sein?!

  5. Lieber Herr Wolff, jedes Ihrer Worte kann ich unterschreiben. Leider sind Sie hier fast ein Mahner in der Wüste.
    Wo sind denn die Stimmen der Kirchen, die der Intellektuellen, auch der Menschen, die ihre Stimme erheben
    könnten, es aber, weil es anstrengend ist, nicht tun. Auch habe ich Erfahrungen gemacht, die verdeutlichen,
    dass sich eine große Bequemlichkeit breit macht (aber beim nächsten Mal reden wir mal nicht schon wieder über
    Politik…..)
    Ich möchte noch etwas ergänzen: wir haben das Angebot Russlands zur Beendigung des Kalten Krieges nach der Wende ausgeschlagen. Der Grund war die Forderung der USA, mit ihnen und nicht mit Russland zusammen zu arbeiten. Wir würden heute gegenüber den USA ganz anders auftreten und wären ein Partner auf Augenhöhe.
    Dass die Beziehung zu den Russen schlecht sind, liegt m.E. auch daran, dass weder der Erste noch der Zweite Weltkrieg aufgearbeitet wurde. Die Verletzungen, die die Deutschen erlebten, ob an der Front oder im eigenen Land, wurden den Russen zugeschoben, ohne sehen zu wollen, dass wir den Krieg ausgelöst haben. Der damalige Bundeskanzler Adenauer sprach bereits 1952 im Bundestag: „die Russen sind und bleiben unsere Erzfeinde, wir müssen uns auf die Gefahr, die von ihnen ausgeht, vorbereiten“. Diese Erzählung hält sich bis heute fest in den Köpfen der Deutschen, auch weiter bzgl. des Ukrainekrieges. Ich sage damit nicht , dass Russland ein demokratisches Land ist. Aber wir würden Russland vielleicht dabei auf dem Weg zu einer Demokratie unterstützen und damit einen Schritt zu einer ausgeglicheneren Weltordnung gehen.
    Natürlich spielte hier auch die Diktatur in der SU eine verstärkende Wirkung. Aber ich glaube, wir sollten die
    Bilder, die sich bei Vielen im Kopf eingebrannt haben, neu bewerten, zumal im Angesicht der von Ihnen aufgezeichneten Entwicklung in den USA etwas sehr Bedrohliches auf uns zukommt.
    Noch etwas Anderes: wir haben uns riesig gefreut, als wir erfuhren, dass Sie die Rede in der Paulskirche am
    03.10.25 halten werden. Wer, wenn nicht Sie, als „Wanderer zwischen Welten“, sollte da reden. Politikersprache
    ist abgeschliffen, macht müde!
    Herzliche Grüße
    Peter Moldt

    1. Ihr Geschichtsbild lässt mich erschaudern. Als ob es nach der Wende eine freie Entscheidung zwischen den USA und Russland gegeben hätte. Als ob nicht die USA als Hegemonialmacht für Jahrzehnte den Frieden in Europa gesichert hätte. Und in der Tat ist die Geschichte aufgearbeitet worden. Ich selbst war in der Initiative Frieden mit den Völkern Sowjetrusslands aktiv und zu Begegnungen in der damaligen Sowjetunion. Und gab es keine Friedens und Entspannungspolitik? Und ihre unerträgliche Einengung des Blickwinkels auf Russland. Was ist mit den anderen osteuropäischen Staaten, die nicht schnell genug in die NATO kommen konnten, weil sie wussten, mit welchen Kräften sie es in Russland zu tun haben.

    2. „Der damalige Bundeskanzler Adenauer sprach bereits 1952 im Bundestag: „die Russen sind und bleiben unsere Erzfeinde, wir müssen uns auf die Gefahr, die von ihnen ausgeht, vorbereiten“.“
      _______________________________________________________________________________________
      Adenauer sagte aber auch vor dem Bundesparteivorstand der CDU am 3. 6. 1955 das:

      „Der entscheidende Punkt für Sowjetrußland ist doch der, daß Sowjetrußland irgendwie das Gefühl bekommt, es wird nicht angegriffen werden von den Vereinigten Staaten. Erst wenn es das Gefühl bekommt, dann wird es bereit sein, mit sich reden zu lassen und zu einer Verständigung zu kommen.“

    3. Lieber Herr Moldt, vielen Dank für Ihre Reaktion. Dem, was Sie zu Russland schreiben, kann ich nur bedingt folgen. Ich stimme Ihnen zu, dass der Antikommunismus nach 1945 insbesondere in Westdeutschland in vielerlei Hinsicht ein Ablenkungsmanöver von den ungeheuerlichen Verbrechen war, die Deutschland in der Sowjetunion, insbesondere in der Ukraine, in der Nazizeit verübt hat. Da hat Adenauer mit seiner Rhetorik eine unselige Rolle gespielt. Die dadurch geschürten Ängste und Vorbehalte konnten durch die Friedens- und Ostpolitik Willy Brandts teilweise überwunden werden. Allerdings haben die Entwicklungen in Europa nach 1989/90 nicht dazu geführt, dass sich Russland zu einem demokratischen Land entwickelt hätte. Verschiedene Faktoren haben eine Rolle gespielt. Ich denke an (ohne Gewichtung): der Verlust der in der Sowjetunion vereinten Länder und der verschwundene Einfluss auf die Länder, die einstmals zum Warschauer Pakt gehörten; die NATO-Osterweiterung und die Abwesenheit einer strategisch angelegten europäischen Friedenspolitik seit 1990; der russische Nationalismus; der brutale Autokratismus Putins; dazu gehört der Versuch, die EU zu zerstören und Länder Europas zu destabilisieren. Jetzt ist die EU dem Zangengriff zwischen Trump-USA und Putin-Russland ausgeliefert. Darum bin ich der festen Überzeugung: die EU muss sich jetzt endlich als demokratischer Staatenverbund zeigen und zu einer Eigenständigkeit finden. Beste Grüße, Christian Wolff

  6. “ Steve Bannon gibt die Tonlage vor: „Die Trump-Regierung muss die Antifa zur inländischen Terrororganisation erklären. “
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    „Die Antifa“ ist gar keine Organisation. Mithin kann sie auch nicht zur inländischen Terrororganisation erklärt werden.

    @Ulrich Aeschbach, die Formulierung „Deutschland, erwache!“ stammt sowohl vom „Sturmlied“, einem um 1920 von Dietrich Eckart verfasster Text, der durch nationalsozialistische Propaganda Bekanntheit erlangte https://ogy.de/5u2n als auch einem antifaschistischen Gedicht von Kurt Tucholsky. https://ogy.de/7ngv.

    Es existiert hierzu eine umfangreiche Rechtsprechung https://ogy.de/mxao.

    Ich würde diese Parole nicht verwenden.

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