Seit fast 70 Jahren gehöre ich zur Evangelischen Kirche, seit fast fünf Jahrzehnten bin ich Mitglied der SPD – zwei Institutionen, die wie kaum andere Grundwerte des Zusammenlebens verkörpern, Traditionen tiefgreifender Aufbrüche als großen Schatz bewahren und Bindungskräfte ausstrahlen. Zwei Institutionen, denen ich sehr viel zu verdanken habe: Orientierung, Beheimatung und ausreichend viele Reibungsflächen. Obwohl ich selbst sehr institutionenkritisch eingestellt bin, habe ich nie ernsthaft über einen Austritt aus der Kirche oder der SPD nachgedacht. Das gilt auch jetzt, da beide Institutionen in eine tiefe Krise geraten sind. Beide wirken derzeit wie aus der Zeit gefallen. Der Virus Bedeutungsverlust hat einen bedrohlichen Erosionsprozess in Gang gesetzt. Evangelischer Kirche und SPD mangelt es an Programmatik, einschließlich der Verankerung bzw. Rückbindung an ihre historischen Anfänge (darum war es ein so fatales Signal, dass die SPD die „Historische Kommission (HiK)“ aufgelöst hat). Beide tun sich schwer damit, ein Menschen aufrüttelndes, begeisterndes Zukunftsprogramm anzubieten. Beide haben erheblich an Menschennähe verloren. Kirche und SPD verkennen seit Jahren das Erfordernis, die Besetzung von Führungspositionen nicht dem Selbstlauf zu überlassen und enge Beziehungen zu gesellschaftspolitisch relevanten Gruppen aufzubauen. Zunehmend schlägt sich der quantitative Aderlass auch qualitativ nieder. Es fehlen die überzeugenden, charismatischen Persönlichkeiten und die Brückenbauer in andere gesellschaftliche Bereiche (wozu heute YouTuber genauso gehören wie Kleingärtnervereinigungen).
1973 war ich in Heidelberg als stellvertretender Ortsvereinsvorsitzender Mitglied in einem Vorstand, dem fünf Frauen und zwei Männer angehörten. Wir lösten damals eine Riege alter Parteimitglieder ab. Das ging nicht kampflos über die Bühne. Schon damals aber diskutierten wir über die Frage, ob die SPD das überleben wird: Nicht wenige Angehörige meiner Generation übernahmen – ohne berufliche Praxis – vom Studium aus Mandate und hauptamtliche Positionen in parteinahen Bildungsinstituten, um von dort aus ihre politische Karriere zu organisieren. Ein Grund für diese Entwicklung war, dass zum einen sich sehr viele Studierende – angezogen durch die charismatische Persönlichkeit Willy Brandts – in der SPD engagierten. Zum andern wurde 1974 durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes der Abgeordnete zum Beruf erhoben (statt einer Aufwandsentschädigung gab es nun ein festes Einkommen; damit sollten die Abgeordneten, die keine Beamten waren, finanziell abgesichert werden.). Vielen, die in den 70er Jahren in der und für die SPD Mandate errangen und Führungsposten übernahmen, ging aber schon in den 80er Jahren früher als gedacht politisch die Luft aus. Langfristig hat die SPD (gerade in Baden-Württemberg) diesen Aderlass nicht verkraftet.
Einen doppelten historischen Fehler hat die SPD 1989/90 gemacht: Sie hat zum einen die deutsche Einheit nur zögerlich begrüßt und dadurch ganz viel Vertrauen in der ostdeutschen Bevölkerung verspielt, die durchaus sozialdemokratisch dachte. Noch gravierender war aber, dass die SPD versäumt hat, den Parteiaufbau in Ostdeutschland systematisch zu fördern und zu unterstützen. Dadurch war die SPD der SED-Nachfolgepartei PDS und den alten Blockparteien von Anfang an logistisch (und auch programmatisch) unterlegen. Zu keinem Zeitpunkt konnte die SPD diese Schwäche wettmachen – vor allem nicht in Sachsen.
Spätestens seit den 2005 in Nordrhein-Westfalen und dann auf Bundesebene verlorenen Wahlen wurde offenbar, dass es der SPD an einer Programmatik mangelt, die Regierungshandeln überlagert, aber nicht konterkariert. Sie hat nicht erkannt, dass angekündigte oder durchgesetzte soziale Errungenschaften für bestimmte Bevölkerungsgruppen kein wahlentscheidender Faktor sind. Der Fehler der SPD in der rot-grünen Bundesregierung waren nicht die Hartz-Gesetze – also der Ansatz, Arbeit zu finanzieren, anstatt Nichtarbeitendürfen zu alimentieren. Der Fehler war, dass die SPD zu keinem Zeitpunkt versucht hat, dieses Reformprogramm programmatisch zu unterfüttern und gegen die Verwässerung durch die CDU im Bundesrat offensiv zu verteidigen. Doch als politisch verheerend hat sich herausgestellt, dass sich die SPD seit 2005 an Hartz IV abarbeitet – und es hat ihr nichts genutzt. Es ist eine programmatische Groteske, dass die SPD auch 15 Jahre nach der Agenda 2010 immer noch so tut, als ob sie schuldhaft etwas Falsches veranlasst hat. Niemand nimmt ihr das ab und niemand honoriert diese Haltung.
Die SPD hat versäumt, ihre sozialpolitischen Vorhaben als Fortentwicklung der Agenda 2010 zu kommunizieren. Aber wie gesagt: wahlentscheidend ist dies nicht. Es sei denn, die Vorhaben sind eingebettet in einen gesellschaftlichen Zukunftsentwurf. Den aber hat die SPD weder entwickelt noch kommuniziert. Stattdessen wird nach jeder Wahlniederlage die Erneuerung der SPD bemüht. Tatsächlich hat sich aber nur wenig bewegt – übrigens unabhängig davon, ob die SPD sich in der Opposition (2009-2013) oder in der Regierungsverantwortung (2005-2009, ab 2013 bis heute) befand bzw. befindet.
Jetzt ist die SPD in einen Zustand geraten, in dem sie nur wenig vorzuweisen hat, was junge Menschen begeistern und Alte mitreißen könnte. So richtig die Grundrente ist – sie ist kein Thema, dass generationsübergreifend Menschen politisch in Bewegung setzt. Schon gar nicht hat sie sich geeignet als Ersatz für eine fehlende Europa-Vision. Als in den 80er Jahren die Friedens- und Ökologiebewegung in Westdeutschland Hunderttausende Menschen auf die Straße trieb, waren es Leute wie Willy Brandt und Erhard Eppler, die zum zweiten Mal eine Brücke schlugen zwischen SPD und politisch engagierten Bürgerinnen und Bürgern. Von einem solchen Brückenschlag war in den vergangenen Jahren wenig zu sehen und zu spüren. Stattdessen machten Andrea Nahles oder Sigmar Gabriel die Grünen als Hauptgegner aus. Es wird nicht einfach, aus dieser Sackgasse herauszukommen. In Ostdeutschland ist sie so eng geworden, dass kaum Platz für Umkehr ist. Was kann in einer solchen Lage helfen? Patentrezepte gibt es nicht. Aber ich bin überzeugt davon, dass die SPD sich auf drei Grundthemen konzentrieren muss: Europa und eine aktive Friedenspolitik, sozial ausgerichteter Klimaschutz, Bildung und Demokratie im digitalen Zeitalter. Dabei geht es darum, für die drei Bereiche Zukunftsperspektiven zu entwickeln, die die Bürgerinnen und Bürger emotional bewegen und aus denen sich eine Politik der kleinen Schritte ableiten lässt (umgekehrt geht es eben nicht!). Der SPD fällt die wichtige Aufgabe zu, die Grundthemen von den Menschen her zu denken, die aufgrund ihrer sozialen Lage kaum Möglichkeiten haben, sich aktiv an Veränderungen zu beteiligen – nicht um sie vor Veränderungen zu schonen oder diese einzuschränken, sondern um sie dort beginnen zu lassen und so Teilhabe zu ermöglichen. Auf Sachsen bezogen bedeutet dies, dass die SPD mit drei Grundbotschaften vor die Wähler/innen treten muss: Klimaschutz und Kohleausstieg jetzt (Willy Brandt trat in den 60er Jahren im Ruhrgebiet mit der Botschaft auf: Der Himmel über der Ruhr wird blau!); mit den Menschen vor Ort das städtische und dörfliche Leben gestalten; Demokratie und kulturelle Vielfalt entwickeln.
Bleibt die Frage: Soll die SPD auf Bundesebene in der Koalition bleiben? Ja, natürlich. Denn die programmatische und organisatorische Neuaufstellung wird nicht einfacher, wenn die SPD die Bundesregierung verlässt. Die Partei muss endlich ihre Hausaufgaben machen – auf allen Ebenen.
Nachtrag: Ob die SPD in der Regierung bleibt, ist für mich ebenso zweitrangig wie das Prozedere der Wahl eines/einer neuen Vorsitzenden oder einer Doppelspitze. Wichtig ist, dass die SPD endlich und überzeugend programmatische Zielsetzungen vornimmt. Das verstehe ich unter „Hausaufgaben“.
16 Antworten
Du sagst es,
lieber Christian – Visionen! Und man muss wahrlich nicht krank sein, diese zu haben, im Gegenteil!!
Ich denke, wir sind da gar nicht so weit auseinander, vor allem im Leiden, was die gegenwärtige Situation betrifft.
Gerade deswegen:
Gesegnetes Pfingsten Dir und uns allen; Dein Jo
Zu Herrn Käfers Reaktion:
Waffenexporte, Klimaproblematik, Autoindustrie, ja auch Bildungspolitik, Flüchtlingsthema – in vielen höchst brisanten Bereichen schwächelte die SPD und stand unter dem Druck der lautstarken, oftmals konfus und auftrumpfend agierenden CDU/CSU, ganz abgesehen davon, dass die jetzige SPD die Grundpfeiler ihres politischen Credos von einst nicht mehr zelebriert.
Nicht gern, aber dieses Mal widerspreche ich Chr. Wolff, was die GroKo betrifft. Giovanni di Lorenzo analysiert und schlussfolgert völlig richtig mit seinem Titel „Lieber ein Ende mit Schrecken…“ in der aktuellen ZEIT-Ausgabe, dass ein Weiterso den dringendst nötigen, politischen Neuanfang unmöglich machen würde. Es ist hohe Zeit mit rhetorischen Allgemeinplätzen aufzuhören; Klartext und Aufrichtigkeit ist jetzt gefragt. Nicht nur ein Ruck muss durch die Gesellschaft gehen, sondern ein gesundmachendes, konstruktives und wahrhaftiges Aufrütteln in der gesamten SPD. Die einschläfernde, lähmende Sedierung der Regierungs-Politik, wie von Frau Merkel annähernd 14 Jahre praktiziert darf nicht länger diese SPD gefangen halten. „Raus mit dem Arsch an die Frühlingsluft“ – Mut fassen, aufrechter Gang ist jetzt dran (!) und endlich keine miesen Machtspielchen mehr. Ansonsten läuft die kommenden Generationen weg – es wäre ein Jammer!!!
Ich bin sofort für ein Ende der Koalition (die nie eine GroKo war), wenn ich die Gewähr hätte, dass das die programmatische Neuausrichtung der SPD befördert. Aber da bin ich sehr, sehr skeptisch. Solange die SPD nicht zuerst ihre programmatischen Zukunftsziele formuliert und kommuniziert und sie dann erst auf kleine Schritte herunterbricht, wird sie auch in der Opposition untergehen. Warum hört man in keiner Rede/keinem Statement von führenden Sozialdemokrat/innen: das ist unsere Vision, dafür streiten wir – und deswegen versuchen wir jetzt in der Koalition (im Bund, im Land, in der Stadt) diese und jene Maßnahme umzusetzen. Christian Wolff
Einer der besten Analysen zur Entwicklung der SPD. Und die richtige Empfehlung für die zukünftige Fokussierung der Partei …
Dazu benötigt es aber charismatische Personen an der Spitze, die auch die notwendige kommunikativen Kompetenzen haben. Und dann muss die Organisation und das Willy-Brandt-Haus mal kritisch unter die Lupe genommen werden. Da bestehen Schwachstellen. Die Wahlkämpfer bekommen keine wirkliche Unterstützung. Da muss wieder Herzblut rein.
Lieber Herr Wolff,
wie wäre es, wenn sich die SPD wieder stärker ihrem Kernthema Gerechtigkeit zuwenden würde, ohne dabei mit DER LINKEN zusammen zu arbeiten? Insbesondere in den Neuen Bundesländern, wo sich viele Menschen seit der Wende ungerecht behandelt fühlen, könnte sie damit punkten und der AfD Stimmen abnehmen, die diese vor allem wegen der Benachteiligung Ostdeutscher bekommt. Hier sind einige Gedanken von mir dazu, die ich aus anderem Anlass neulich einmal niedergelegt habe:
Ich habe mich heute Morgen (Himmelfahrtstag 2019) herausgefordert gefühlt, auf den Kommentar von Christian Bangel in DIE ZEIT vom 27.05.2019 mit dem Titel „Ernstfall Ost. Wieder hat die AfD bei einer Wahl in Ostdeutschland abgeräumt. Nichts hat die Radikalisierung von Cottbus bis Chemnitz aufgehalten. Ist der Osten noch zu retten?“ zu reagieren und dem Autor einen Brief zu schreiben:
Sehr geehrter Herr Bangel,
ja, der Osten ist zu retten und zwar dadurch, dass Westdeutsche etwas dafür tun.
1. Noch immer waren viele Westdeutsche nicht ein einziges Mal in den Neuen Bundesländern, dafür aber schon viele Male mit dem Flugzeug an den entlegensten Orten der Welt. Reisen bildet. Wie wäre es, wenn diejenigen, die das Wahlverhalten von Ostdeutschen beklagen, sich einmal im Urlaub zu ihnen auf den Weg machen würden. Das wäre außerdem ein Betrag zum Klimaschutz.
2. Wer im Osten glücklich und zufrieden leben möchte, benötigt auch die entsprechenden Mittel. Noch immer bekommen Menschen in den Neuen Bundesländern weniger Geld für die gleiche Arbeit. Wie wäre es, wenn man Betriebe mit Steuererleichterungen fördern würde, die sich im Osten ansiedeln und gleiche Löhne bezahlen. Das Geld für die Förderung könnte von den Betrieben kommen, die das nicht tun. Diese Umverteilung würde für mehr Gerechtigkeit sorgen und außerdem die wirtschaftliche Entwicklung in den Neuen Bundesländern voran bringen.
3. Die geringen Wohnungsmieten in der DDR haben dazu geführt, dass viele wertvolle historische Gebäude erhalten blieben, allerdings in einem bedauernswerten Zustand. Wie wäre es, wenn man die Erhaltung und Nutzung dieser wertvollen historischen Gebäude stärker als bisher fördern würde und den Menschen, die diese Gebäude wieder aufbauen möchten, finanziell und fachlich stärker als bisher hilft. Dazu gehört auch eine schnellere, kompetentere und unbürokratischere Arbeit der entsprechenden Behörden.
4. Die überfällige Abschaltung der Braunkohlekraftwerke macht den Menschen in den betroffenen Gebieten in der Lausitz verständlicherweise große Angst. Schließlich sind sie gerade wegen dieser Arbeitsplätze einmal u.a. nach Hoyerswerda oder Cottbus gezogen. Diesen Menschen müssen neue berufliche Perspektiven geboten werden, indem man gezielt die Ansiedlung neuer Industrien in diesen Gebieten fördert. Solartechnologien und auch die Produktion von Solarstrom wären geeignete Themen, die an die Lebenswelt der Menschen anschließen und ihr Selbstbewusstsein als Energie-Arbeiter stärken können. Wie wäre es, wenn man die Braunkohle produzierende Lausitz zum besonderen Wirtschaftsfördergebiet erklären würde, wo zu besseren Konditionen als anderswo produziert werden kann.
5. Es wird jetzt viel und in großen Lettern über die 10% der Reichen in Deutschland gesprochen, denen mehr als die Hälfte des Vermögens gehört, das sie ohne Abgaben vererben können. Interessanter- oder auch bezeichnenderweise sind aus dieser Rechnung die Ostdeutschen heraus gerechnet worden (DIE ZEIT Nr. 23,2019, 21). Wie wäre es, wenn man das vererbbare Vermögen der Menschen aus den Alten Bundesländern einmal mit dem der Menschen aus den Neuen Bundesländern vergleicht und einen Ausgleich herstellt, indem man die oben genannten Maßnahmen von einer entsprechenden Erbschafts- oder Vermögenssteuer mitfinanziert.
Wenn dies getan wird, bin ich überzeugt, dass im Osten fast keiner mehr die AfD wählt. Die Umsetzung ist vor allem eine Aufgabe von Westdeutschen, weil sie sowohl das entsprechende Geld dafür haben als auch die politisch und wirtschaftlich einflussreichen Positionen in der Gesellschaft, die sie in die Lage versetzen, entsprechend zu entscheiden. Also bitte, liebe Westdeutsche, bewegt euch.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Schuster
Herr Denecke schreibt, dass die Alten „weg vom Fenster seien“ und bezieht sich selbstkritisch mit ein in der Kohorte der Alten. Konstruktiv ist sein leidenschaftliches Eintreten, für die Jüngeren aktiv die Politik mitgestalten zu können. Doch die ältere Generation, die sich aktiv – wie Christian Wolff – in die Politik einbringen, ist von unschätzbaren Wert. Dadurch wird der Generationenvertrag politisch mitbedacht: Die Gesellschaft wird immer älter und damit auch die Wähler. Im übrigen Christian Wolff als „scheintoten Funktionär“ zu bezeichnen ist aus meiner Sicht ehrabschneidend und damit verletzen Sie auch seine Integrität.
Nach 50 Jahren als SPD- Zweitstimmen-Junkie habe ich mir vorgenommen, das bis auf Weiteres nicht mehr sein zu wollen, und es, wenn auch schweren Herzens, bei der Europa- und Kommunalwahl auch geschafft.
Diese Partei, die erst unter größten Anstrengungen eine Agenda 2010 erarbeitet, dann auch umsetzt, hat bis heute keine schlüssige Einstellung und schon gar keine schlüssige Kommunikation zu den Hartz-Reformen gefunden.
Die Partei, die einmal den Mut hatte, dem amerikanischen Kriegsdrängen nicht nachzugeben, hat seither eine um keinen Deut bessere Einstellung zum Wischi-/Waschi- Umgang mit Waffenexporten in Krisengebiete gefunden wie die CDU.
Die Partei, die einen glühenden Europaparlaments-Präsidendenten innerhalb von etwas mehr als 12 Monaten in die Bedeutungslosigkeit heruntergewirtschaftet hat und als „Antwort“, bzw. deutschen Ansprechpartner für Macron die dauerlächelnde Katarina Barley nach Brüssel schickt.
Die Partei, die sich von ihrem nach wie vor Mitglied Thilo Sarrazin andauernd am Nasenring durch die Arena führen lässt.
Die Partei, die sich bei keinem klimapolitischen Blödsinn (Kohleausstieg 2038, Verfehlen der eigenen Klimaziele 2020, Hätscheln/Hofieren der teilweise kriminellen Automobilindustrie….) auflehnt oder dagegen hält, und…. und…. und…
Diese Partei ist für mich (derzeit) nicht wählbar!
Und da widerspreche ich auch Christian, nach meiner Meinung muss die SPD noch in 2019 raus aus der Groko; sie sollte mutig Neuwahlen im Frühjahr 2020 unterstützen – auch wenn sie da vermutlich nochmals ein historisch schlechtes Ergebnis hinnehmen muss; erst danach besteht die Chance, mit neuen inhaltlichen und kommunikativen Konzepten, last but not least auch mit neuen Köpfen, die Sozialdemokratie „neu zu erfinden“
„Wir Alten sind weg vom Fenster (der Kirche, der SPD) „unserer Enkel sollten es wirklich besser ausfechten“ und wir sollten auf gute wohlfeile Ratschläge verzichten.“
Axel Denecke
Verehrter Herr Denecke – Chr. Wolff reagierte völlig richtig auf Ihren Kommentar, der insofern nicht falsch ist, als er uns „Alte“ (ich bin Jahrgang 1950) relativieren sollte. Aber:
weg von Fenster sind wir noch lange nicht, vor allem diejenigen nicht, die sich engagiert einbringen mit ihren Erfahrungen, dann allerdings mit der angezeigten Zurückhaltung und mit Sorgfalt, eben der aufbrechenden nachfolgenden Generationen nicht reinzuquatschen! Keine Ratschläge, sondern sich mit einbringen in die „Neue Zeit“, die zweifelsohne endlich angebrochen zu sein scheint. Das gestrige Interview mit O. Scholz war für die SPD und überhaupt eine Katastrophe und offenbarte, dass die SPD noch immer nicht verstanden hat, dass sie schleunigst diesen ermüdenden Politjargon beiseite lassen sollte. Ob es gut ist, die GroKo weiter zu strapazieren, wird sich zeigen; ich bin da wenig hoffnungsvoll. Aber warten wir mal den Montag ab…Kurz: Wolffs Analyse trifft zu, und was Kirche betrifft, erschütterte das Kanzelwort (dies nur nebenbei) zu den bevorstehenden Wahlen zum 26.Mai19 (EU + Kommunalwahlen) des sächs. Landesbischof Dr. Rentzing jeden, der hellwach die Realitäten sowohl in dieser Demokratie als auch in unserer Kirche verfolgt und zur Kenntnis nimmt, wegen der armseligen Dürftigkeit. Ich sah Leute aus der Kirche gehen, die nur noch mit dem Kopf schüttelten (mein Kopf war ebenfalls in Bewegung). Bedenklich vor allem, dass Ohnmacht und Hilfslosigkeit immer deutlicher werden, in Kirche wie in Politik.
Und die AfD bekommt alles bestens serviert auf dem Silbertablett und versteht sich mehr und mehr als die Heilsbringer. Leute – wacht endlich auf ! Die jungen Menschen sind aufgewacht – Gott sei Dank !
„das größte Problem der SPD …: Es gibt nur noch wenige, die das politische Handwerk beherrschen.“
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Hans-Jochen Vogel, Klaus von Dohnanyi und Henning Scherf an die Front!
Bitte ihre Enkel und Urenkel.
Ein wenig Nostalgie sei gestattet: Gedenken dem brillanten Intellektuellen Peter Glotz und seinem Gegenteil Holger Börner („Ich bedauere, daß es mir mein hohes Staatsamt verbietet, den Kerlen selbst eins auf die Fresse zu hauen. Früher auf dem Bau hat man solche Dinge mit der Dachlatte erledigt.“ ); Horst Ehmke, der den depressiven Willy Brandt aus dem Bett holte („Willy, wir müssen regieren“) oder Schmidt-Kosmos („Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen.“) oder Egon Bahr, der noch 5 Tage nach dem Fall der Mauer sagte, es sei „Lebenslüge, über Wiedervereinigung zu reden“. Oder der mit der Pfeife in der schiefen Fresse, Herbert Wehner, der 77 Ordnungsrufe in seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter kassierte („Wer herausgeht, muss auch wieder hereinkommen“), Ernst Reuter („Ihr Völker der Welt… Schaut auf diese Stadt!“), Hans Koschnick, Karl Schiller, Peter Struck, Annemarie Renger, Günter Gaus, Hans Apel, Gustav Heinemann, Uli Klose, Ben Wisch und, und – perdu!
Da fallen mir auch noch ganz viele ein: Johannes Rau, Erhard Eppler, Hugo Brandt (einer der besten Parlamentsredner), Renate Schmidt. Nur hat es wenig Sinn, denen nachzutrauern. Vielmehr ist es unsere Aufgabe, denen Raum und Zeit zu geben, die das Zeug haben, zu solchen zu werden, die dafür sorgen, dass die nächsten Generationen denen nicht nachtrauern, weil sie guten Nachwuchs kreiert haben werden. Es gibt sie sicher unter den 440.000 Mitgliedern.
Eine SPD, die soziale Gerechtigkeit darin sieht, die Mittelschicht für die Unterprivilegierten zahlen zu lassen, aber die Wurzeln der Ungerechtigkeit – die Macht der Konzerne und den überbordenden Reichtum Weniger – unangetastet lässt, verfehlt ihren Auftrag und wird dann auch nicht mehr gebraucht. Die AfD steht für die Rückkehr in die Vergangenheit; die CDU verwaltet die Gegenwart; die Grünen weisen in die Zukunft. Wofür steht die SPD?
Genau um diese Frage geht es. Dazu muss die SPD programmatische Ziele entwickeln, an die nicht das Kriterium angelegt werden darf: Ist das zu bezahlen? Ist das zu erreichen? sondern: dient das einer lebenswerten Zukunft. Dabei halte ich es für unerlässlich, dass wir sowohl als Kirche wie in der SPD in der tagespolitischen Auseinandersetzung sehr klar und unmissverständlich sind in der Verteidigung und Weiterentwicklung der Grundwerte des Glaubens und der Verfassung. Ohne dieses verkommt jede politische Debatte. D.h. konkret: AfD steht nicht für „Vergangenheit“, sondern für Rechtsnationalismus und Demokratieverachtung. Damit knüpft sie bewusst an den Nationalsozialismus an. das müssen wir jeden Sonntag, in jeder Gemeindegruppe, in jedem Unterricht, in jedem Seelsorgegespräch gerade in Sachsen angemessen kommunizieren! Christian Wolff
Lieber Herr Wolff,
ich bin Wähler der SPD, auch schon vor Wily Brandt. Ihre Analyse ist zwar totrichtig, aber eben auch Tot-richtig, also nur z.T. richtig. Wenn Sie am Ende schreiben „Die Partei muss iher Hausaufgaben machen- auf allen Ebenen“, so ist das das unverbindliche Politiker-Sprech, dass knanllend abgewählt worden ist. Solch eine Aussage ist eine Nicht-Aussage. Deshalb wird die Partei von jungen Leuten zurecht nicht mehr gewählt. Es liegt an den Themen, es liegt an den alten scheintoten Funktionären (sie sind ja leider auch so einer), die die SPD verkörpern. Wer kann schon einen Aufbruch von Nahles, diese Bätsche-Frau, Scholz, diesen in Stein gehauenen dauerlächelnden Funktionär, Schulz, der seine ehemaligen 100% fahrlässig verschlafen hat, und Co erwarten? Niemand. Das ist totes Bla-bla-Funktionärsgehabe. Ich sehe trotz der dummen Äußerungen zum BMW Kevin Kühnert als Einzigen, der da echte Bewegung rein bringt und junge digitale Menschen erreichen kann. Man sollte ihn zusammen mit einem alten Hasen (oder Häsin) zur Doppelspitze wählen mit der klaren Vorgabe, dass er irgendwann übernimmt. Und raus aus der Groko, dieser Totgeburt. Radikale Erneuerung links von der Mitte mit klaren inhaltlichen Positionen, die aber auch Personen glaubhaft repräsentieren. dass die SPD jetzt (letzte Umfrage ) bei 12% liegt, die Grünen bei 27 %, ist nun wirklich – eigentlich für jeden sichtbar – ein Zeichen dafür, dass Ihre alte gute SPD mausetot ist, kein larmayantes Beschwören der ehemaligen Solidarität von oben kann da helfen, nur Neuanfang von unten.
Also ihre alte 50-jährige Analyse gut und schön, aber im Grunde langweilig, liest kein junger Mensch und hält sich natürlich auch nicht daran. Wir Alten sind weg vom Fenster (der Kirche, der SPD) „unserer Enkel sollten es wirklich besser ausfechten“ und wir sollten auf gute wohlfeile Ratschläge verzichten.
Axel Denecke
Nun gut, lieber Herr Denecke, ich wollte weder einen Abgesang noch einen Nachruf schreiben. Auch wollte ich nicht mit „wohlfeilen Ratschlägen“ altväterlich daherkommen, sondern aus meiner Sicht ein paar Gedanken zur Diskussion stellen. Noch sitze ich nicht auf der Zuschauertribüne (bzw. liege mit Häkelkissen im Fenster, insofern trifft Ihre Aussage zu, dass wir „weg vom Fenster“ gehören), sondern setze mich derzeit mit den mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten dafür ein, dass zum einen die rechtsnationalistische AfD eingegrenzt wird, zum andern die SPD wieder Boden unter den Füßen bekommt. Heute Abend gehe ich zum Ortsverein (die meisten Mitglieder sind unter 30 Jahre alt) – und bin gespannt, wie die Diskussion verläuft. Recht gebe ich Ihnen in der Einordnung meines letzten Satzes. Der ist wenig originell – und doch bleibt uns ja nichts anderes übrig, als vor Ort das Beste aus der Situation zu machen. Die Verantwortung nur auf die nächste (Generations-)Ebene zu verschieben, reicht mE nicht aus – zumal das größte Problem der SPD derzeit von mir gar nicht erwähnt wurde: Es gibt nur noch wenige, die das politische Handwerk beherrschen. Das beunruhigt mich am meisten (übrigens gilt das auch für die Kirche). Beste Grüße Ihr Christian Wolff