Nun gibt es das Wort der sächsischen Landeskirche, besser: des Landesbischofs. Zusammen mit Andreas Kutschke vom katholischen Bistum Dresden-Meißen hat Landesbischof Dr. Carsten Rentzing am vergangenen Freitag die Aktion „Licht an für Menschlichkeit“ (www.lichtanfuermenschlichkeit.de) eröffnet. Sonntagabends sollen die Bürgerinnen und Bürger eine Kerze ins Fenster stellen – als Zeichen für Versöhnung und Friedfertigkeit. In einem Interview mit dem MDR Hörfunk sagte Rentzing dazu (und das ist die einzige Äußerung des Landesbischofs seit dem Aufruf Leipziger Pfarrerinnen und Pfarrer http://wolff-christian.de/wo-bleibt-das-wort-der-landeskirche/ ):
Mir macht Sorgen das gesellschaftliche Klima. Ich glaube, dass sich das verschlechtert. Und da gibt es verschiedene Gründe dafür. Es heizt sich die Stimmungslage auf, gegenseitig heizt sich die Stimmungslage auf und das raubt unserer Gesellschaft die Kraft, die sie braucht, um das, worum es eigentlich geht, nämlich die Menschlichkeit und Würde der Flüchtenden, die in unser Land kommen, zu bewältigen. Die Aktion, die wir jetzt gestartet haben, ist dann aber noch mal etwas darüber hinaus, wenn man so will. Da geht es nicht nur um die Analyse der Situation, sondern da geht es tatsächlich darum, etwas zu unternehmen, dass sich dieses geistige Klima auch wieder aufhellen kann, denn wir brauchen diese Aufhellung, wie gesagt, um die Probleme zu lösen. http://www.mdr.de/mediathek/suche/mediatheksuche102.html?q=Rentzing&x=0&y=0
Ist es das, worauf viele Menschen gewartet haben? Ganz gewiss nicht! So wichtig das Symbol des Lichtes für den christlichen Glauben ist – es bleibt ein schwaches, ein armseliges Signal, solange es für sich allein steht. Und die Kerzen stehen für sich allein – im Fenster. Während der Friedlichen Revolution 1989 wurde bei den Demonstrationen nach den Friedensgebeten die Kerze in der Hand gehalten, durch die Straßen getragen, war verbunden mit einer Botschaft: Keine Gewalt! Denn mit der freien Hand wurde die Flamme geschützt. Und jetzt? Jetzt steht sie da, die Kerze, im Fenster – und der Bürger/die Bürgerin kann weiter das Geschehen hinter den Gardinen betrachten. Ist niemand auf die Idee gekommen, mit dem Kerzenlicht montagabends in Dresden ein Zeichen zu setzen? Wenn Pegida auf dem Neumarkt oder Theaterplatz ihre demagogischen Hasstiraden ablässt und die Frauenkirche oder Hofkirche als Kulisse für Fremdenfeindlichkeit und Deutschtümelei missbraucht, versammeln sich Menschen in den Kirchen und treten mit den brennenden Kerzen hinaus und umzingeln Pegida (oder verhindern, dass diese auf diesen Plätzen aufmarschieren können). Aber so und mit diesen unbeholfenen Worten, mit denen der Landesbischof auch noch eine unerträgliche Äquidistanz aufbaut zu den Hetzern von Pegida und den Bürgerinnen und Bürgern, die sich dem rechtsradikalen Gedankengut und Terror entgegenstellen, hat Rentzing nichts aufgehellt und schon gar kein Problem gelöst. Diese Aktion ist nicht ein „darüber hinaus“, sondern schlicht daneben und ein weiterer Beitrag dazu, kirchliches Handeln bis zur Unkenntlichkeit zu verdunkeln.
Derweil setzen Bachmann, Festerling, Höcke und Co mit ihren Hasstiraden rechtsradikale Gewalt frei, werden Flüchtlingsunterkünfte angezündet, blockieren „besorgte“ Bürger Asylsuchenden die Zugänge zu ihrem neuen Zuhause – und die Landeskirche schweigt und ergeht sich hilflosen Zeichen, die nur eines signalisieren: Wir wollen nicht auffallen – und haben keine Ahnung von gesellschaftspolitischen Zusammenhängen (was für eine lutherisch ausgerichtete Landeskirche eigentlich verbietet!). Wo bleiben die klaren, hellen, leuchtenden Zeichen der Solidarität mit denen, um die es vor allem geht: die Flüchtlinge? Warum setzen sich die Verantwortlichen in der Dresdner Lukasstraße nicht wenigstens mit denen an einen Tisch, die vor Ort für die Kirche den Kopf hinhalten, um den wuchernden, Jesus-widrigen, rechtsradikalen Treiben von Pegida, NPD, AfD zu widerstehen? Wo bleibt die spürbare Rückenstärkung für all diejenigen Kirchenmitglieder, die sich Tag für Tag ehrenamtlich für Flüchtlinge engagieren? Gibt es niemanden in der Landeskirche, der diesem peinlichen Trauerspiel ein Ende bereitet?
Nachtrag vom 08.11.2015: Ziemlich versteckt, aber immerhin findet man unter dem Link „Nachrichten“ auf der Homepage der sächsischen Landeskirche diesen Hinweis: http://www.evlks.de/aktuelles/nachrichten/27918.html. Es scheint sich etwas zu bewegen.
10 Antworten
Wenn es ganz schlimm kommt, wird es heute am 9. November auf dem Dresdner Theaterplatz erneut einen weiteren Pegida-Aufmarsch geben. Im sozialen Netzwerk Change.de gibt es eine Bitte an den OB Hilbert, diese Veranstaltung zu verhindern; reichlich 80.000 Unterzeichner solidarisierten sich bis heute Morgen mit diesem dringlichen Aufruf. Und: gestern, zum drittletzten Sonntag des Kirchenjahres stand als Losung: „Wie ein Einheimischer soll euch der Fremde gelten, der bei euch lebt.“ Den vermeintlichen Rettern des christlichen Abendlandes empfehle ich, vorausgesetzt, sie sind der Heiligen Schrift kundig, dies einfach mal in ihren Herzen zu bewegen. Und OB Hilbert sollte jetzt Courage zeigen. Jo.Flade
eine kleine Anmerkung zum Kommentar von Frau Elke Siebert: beim „Unwort“ ASYLANTEN zucke ich immer zusammen; bitte sensibler sein – es wurde in den 70èr Jahren von der NPD „kreiert“ (nachzulesen im „Netz“) – ich weiß auch nicht, wen meine Kerze im Fenster erschrecken sollte – das gab es schon ainmal vor Jahrzehnten für die „Brüder und Schwestern“ im Osten – auch damals musste ich nur müde lächeln!!
„Die Kirche kann die Suche nach den richtigen Mitteln einstellen, Pegida und der Flüchtlingskrise zu begegnen. Die Mittel wurden bereits gefunden von den vielen Iniativen und Menschen, die Flüchtlingen vor Ort konkret helfen – auch viele Christen und Ortsgemeinden sind darunter. Die Mittel wurden bereits gefunden von den Menschen, die sich der braunen Suppe in Leipzig, Dresden und anderswo auf der Straße lautstark entgegenstellen, ihnen den Weg versperren und so klare Zeichen in die ganze Gesellschaft aussenden: Ihr seid nur eine Minderheit und wir wollen eure Hetze nicht! Die Kirche muss sich nur einmal – in ihrer Gesamtheit – zu diesen anderen Akteuren umdrehen und sich an ihnen ein Beispiel nehmen, sich unmissverständlich an ihre Seite stellen.“
entnommen von hier: http://www.theologiestudierende.de/2015/11/06/unter-heiden-13-wo-bist-du/
Als Lesehinweis:
http://www.evlks.de/aktuelles/nachrichten/27918.html
Wir folgen dem Christuswort: „Fürchtet Euch nicht!“ Unser christlicher Glaube verpflichtet uns, Flüchtlinge aufzunehmen. Die Hilfe für Notleidende und Schutzsuchende ist ein Herzstück christlicher Glaubenspraxis und ein Gebot der Menschlichkeit. Fremdenfeindlichkeit, Hass oder Rassismus sind mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar.
Positiv denken – es ist zumindest ein Anfang – eine symbolische Geste der Solidarität – nicht mehr und auch nicht weniger — und zumindest brauchen wir Christen unser Licht nicht unter einen Scheffel zu stellen 🙂
Natürlich reicht das nicht aus – die sich immer weiter aufheizende Stimmung erfordert deutlichere Worte und Handlungen der Landeskirche. Pfarrer (i.R.) Wolff, werden Sie bitte nicht müde, diese konsequent einzufordern.
…Kerzen ins Fenster? Wie töricht ist das denn? Da werden sich die Rechtspopulisten und Neofaschisten aber fürchten … Herzlichen Gruß –
Prof. Dr. Peter Winterhoff-Spurk
Wie wäre es denn aber, wenn man den Pegida-Leuten einmal laut zurufen würde: Vertreibt den Hass aus euren Herzen und die Angst, ihr könntet zu kurz kommen, und habt Mitleid mit den Flüchtlingen und zeigt euch solidarisch mit den Schwachen? Vielleicht würde das wenigstens bei einigen ein Umdenken bewirken. Die Pegida-Mitläufer nur mit negativen Attributen zu versehen, bessert wahrscheinlich nichts.
Dem stimme ich voll zu. Verteufelung und Gegendemos überzeugen nicht, sondern führen zu Weimarer Verhältnissen!
Ich bin entsetzt – das soll alles sein, was die Landeskirche in diesen Tagen der Radikalisierung und der Zunahme von Fremdenfeindlichkeit entgegenzusetzen hat? Herr Bachmann, Frau Festerling und ihre Anhänger werden von dem vor-adventlichen Geleucht schwer beeindruckt sein. Und die Asylanten und die vielen freiwilligen Helfer, von denen schon viel zu viele Angriffsfläche radikaler Gruppen geworden sind? Wird ihnen sonntagabends das Herz überlaufen angesichts der hinter Glas gezeigten Solidarität?
So nett eine Kerze im Fenster wirken mag: sie ist viel zu defensiv! Sie mag ein probates Mittel sein in Zeiten, in denen es keine anderen Möglichkeiten gibt, Protest zu äußern oder Solidarität zu zeigen. Aber wir können und müssen andere Zeichen wählen: wir als Kirche (und nicht nur einzelne Glieder und Gemeinden) müssen deutlich und laut den Raum einnehmen, den eine Kirche in unserer Gesellschaft jetzt braucht. Und die Kirche ist nicht gut aufgehoben, wenn sie es sich in den warmen Stuben gemütlich einrichtet. Nein, bei mir kommt leider an: die Kirche gesteht sich ein, dass sie weder Mut, Kraft noch Interesse hat, Position zu beziehen. Schon befremdlich, wo uns Jesus doch eine klare Linie vorgegeben hat.
Angesichts dieser peinlichen Aktion wünschte ich mir sogar fast, Landeskirche und Landesbischof hätten in guter Tradition weiter geschwiegen. Die von der Aktion zitierten „deutlichen“ Worte Dr. Rentzings: „Wir werden als Kirche Jesu Christi nicht stumm danebenstehen, wenn geistige Brandstifter durch unser Land ziehen und eine Stimmung des Unfriedens und der Unversöhnlichkeit sich ausbreitet.“ werden durch diese Aktion konterkariert: wir stehen nicht nur stumm daneben, sondern schauen hinter unseren Fenstern zu.
Dass ich auf meinen Brief an Landesbischof Dr. Rentzing (vom 26.10.2015/Intervention) noch keine Antwort habe, verstehe ich schon aus zeitlichen Gründen. Seine nachzulesende Haltung zum Thema: Kerzen in die Fenster der Bürgerinnen und Bürger, was eine nette Idee sein mag, demonstriert nach meiner Wahrnehmung jedoch nicht nur Hilfslosigkeit, sondern in Anbetracht der sich seit über einem Jahr (!) montags ständig wiederholenden, grauenvollen Situation mit noch grauenvolleren “Reden” auf dem Theaterplatz (der sich mehr und mehr selbst isolierenden “Residenz Dresden”) erschreckende Realitätsferne und Angst, endlich mit einer tatsächlich vernehmbar lichthellen, starken Haltung der unsäglichen Verkommenheit in Gedanken, Worten, Werken durch die sogenannten “Zukurzgekommenen, Ungehörten, Alleingelassenen“ mit aufrechtem Gang entgegen zu treten. Und ich verhehle nicht, dass mich die Sprache des allerhöchsten Repräsentanten der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens (!!) Dr. Rentzings ein ganz klein wenig schockiert; da ist offenbar einige Unordnung im Denken. Gern gebe ich zu, dass sich allmählich an der Basischristenheit (und dazu möchte ich mich zurechnen), vernimmt man solcherart Banalitäten, Resignation mehr und mehr breit macht. Und die Wortmeldungen des Psychoanalytikers Hans-Joachim Maaz schleifen sich ab und bringen keine Lösungen, abgesehen von Irrungen, die Dinge überzeugend zu erklären, was Voraussetzung wäre, Lösungen zu praktizieren.
Und verfolgt der Hörer auf dem DLF (nach wie vor hörenswert) wie soeben zum Vormittag auf “Länderzeit” eine Liveübertragung aus der Sächs. Zentrale für Politische Bildung Dresden, diesmal mit MdL/CDU (Herr Hartmann), Frank Richter (Direktor), Herr Jahn (ehem. Gründer von Pegida + Vize von Bachmann/) und einer Sozialwissenschaftlerin (die zugeschaltet war und dezidiert der schleichenden Verharmlosung der Gegenwärtigkeiten vehement widersprach!), teilweise auch gewürzt durch Publikumsanwesende mit Wortmeldungen zur lfd. Debatte – ja dann wird leider noch immer Ohnmacht, gepaart mit immer wieder wortreich vorgetragenen theoretischen Abwägungen, erkennbar. Vertreter von Kirche und “Dresden ist bunt” oder “Dresden nazifrei” oder anderen aufrecht gehenden, demokratisch fundamentierten Bürgern waren nicht dabei – wie ich meine ein journalistischer Fauxpas seitens DLF (schade!).
Brevi manu: Bleiben wir allesamt im Gespräch und wagen wir immer wieder den Aufstand der Anständigen und beibehalten wir unser Drängeln, ansonsten nehmen wir großen Schaden.
Jochen Flade