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Höchste Zeit Alarm zu schlagen – das transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP)

Sie beherrschen die Schlagzeilen: die Freiheits- und Demokratiebewegungen in der arabischen Welt, in der Türkei, in der Ukraine; aber auch die widersprüchlichen Entwicklungen, die sie nach sich ziehen und die uns in Atem halten. Alles, was sich den Bewegungen in den Weg stellt, steht zunächst unter dem Generalverdacht, der Diktatur Vorschub zu leisten: Putins Machtgehabe auf der Krim, die Muslimbrüder auf der einen, und die Militärs auf der anderen Seite in Ägypten, die Rachegelüste eines Erdogan. Immer wird mehr offen als versteckt, mehr auftrumpfend als abwägend die Frage erörtert: Müssen die demokratisch regierten Länder, die sich den Menschenrechten verpflichtet sehen, nicht viel öfter militärisch, ökonomisch intervenieren, wenn wieder einmal eine Demokratiebewegung unter die Räder zu kommen droht?

Einmal abgesehen davon, dass wir eigentlich keinen Anlass haben, uns im demokratischen Hochmut zu ergehen – im Windschatten dieser Debatten vollzieht sich derzeit ein Vorgang, der mit Demokratie nichts, mit ihrer Gefährdung aber ganz viel zu tun hat: das transatlantische Freihandelsabkommen. Offiziell heißt es: Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, auf Englisch: Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP). Dieses wird seit Monaten zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten ausgehandelt – aber nicht von parlamentarischen Gremien, sondern allein auf der Ebene der Europäischen Kommission. Vielen, die diese Zeilen lesen, wird es so ergehen wie mir selbst bis vor einigen Wochen: Noch nie etwas von TTIP gehört, geschweige denn, dass ein Wissen über das geplante Freihandelsabkommen vorhanden ist. Wie auch, wenn man sich nicht im Verteiler von www.campact.de befindet, dieser so wichtigen online-Initiative „Demokratie in Aktion“. Denn das Thema wurde weder von den Medien gepusht, noch wird es in den Parteien debattiert. In der öffentlichen Diskussion kommt es so gut wie nicht vor. Dabei verbirgt sich hinter diesem geplanten Abkommen ein massiver Angriff auf die demokratischen Grundfesten unseres Gemeinwesens. Das wird allein schon daran sichtbar, dass die Verhandlungen über TTIP nichtöffentlich geführt werden und keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegen – weder in Brüssel noch in Berlin. Alles geschieht im Verborgenen. Doch wenn das Abkommen einmal beschlossen ist, dann besteht kaum eine Möglichkeit dieses zu verändern.

Und worum geht es bei TTIP? Es soll durch ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen zwischen EU und USA eine sog. Freihandelszone geschaffen werden. Durch das Abkommen sollen Investoren vor staatlichen und rechtlichen Einschränkungen in einzelnen Ländern „geschützt“ werden. Konkret: die in Deutschland gültigen Standards im Umweltschutz, beim Patentrecht, in der Bildung können so auch auf dem Klageweg von Konzernen ausgehebelt werden. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, dass dann in Zukunft durch dieses Abkommen die kommunale Grundversorgung in private Hände geht, dass der Zugang zum Wasser kommerzialisiert wird, dass amerikanische Gesellschaften bei uns Universitäten gründen und ihren Bildungskanon durchsetzen können, dass Rüstungskontrolle kaum noch möglich ist.

Mit diesem Abkommen, aber auch mit seinem Zustandekommen, wird die parlamentarische Demokratie auf gefährliche Weise unterhöhlt – und man beginnt zu ahnen, was Bundeskanzlerin Angela Merkel mit der verräterischen Parole von einer „marktkonformen Demokratie“ meinte: eine Demokratie, die nachgibt, wenn es darum geht, demokratisch legitimierte Regelwerke außer kraft zu setzen, die der ökonomischen Willkür Einhalt gebieten und das Wohl des Bürgers und der Bürgerin im Auge haben. Was jetzt nötig ist: Auf allen Ebenen muss dieses Abkommen debattiert und aus dem Dunstkreis nichtöffentlicher Experten- und Kommissionszirkel gezogen werden. Am 23. Mai 2014 feiern wir 65 Jahre Grundgesetz – aber nicht, um dieses in die Rente zu schicken, sondern um mit ihm einen demokratischen Prozess für das TTIP einzuklagen. Am 24. Mai 2014 wird das Europäische Parlament gewählt. Machen wir TTIP zum Wahlkampfthema und zum Kriterium für unsere Wahlentscheidung. Alle Parteien müssen TTIP auf die Tagesordnung ihrer Ortsvereine und Versammlungen setzen. Alle Stadtparlamente müssen sich gegen die Möglichkeit wehren, dass irgendwann per gerichtlicher Verfügung die Daseinsvorsorge in die Hände multinationaler Konzerne fällt. Alle Universitäten müssen Sturm laufen gegen dieses Abkommen, das einen massiven Eingriff in die Bildungshoheit der einzelnen Länder ermöglicht. Und alle Aktivitäten müssen ein Ziel haben: Dieses geplante Abkommen, TTIP, muss unbedingt verhindert und damit unsere Demokratie geschützt werden. Es ist höchste Zeit, Alarm zu schlagen.

P.S. Ich danke meinem Freund Stefan Hüneburg, der mich gedrängt hat, mich mit TIPP auseinanderzusetzen. Ich möchte alle, die dies lesen, bitten, sich in die Debatte einzumischen. Im Internet kann man viel dazu lesen und sich sachkundig machen.

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