Eine wirklich gute Nachricht zu Beginn der Advents- und Weihnachtszeit: Die beiden Werke des Autozulieferers Halberg Guss in Saarbrücken und Leipzig bleiben erhalten (https://www.mdr.de/sachsen/leipzig/leipzig-leipzig-land/neue-halberg-guss-leipzig-verkauft-100.html). Das Werk wechselt den Eigentümer. Hunderte Arbeitsplätze können so vor dem Aus gerettet werden – in Leipzig sind es ca. 530. Was für ein Erfolg! Doch dieser ist nicht vom Himmel gefallen. Dafür waren 50 Tage Streik nötig, einer der längsten Arbeitskämpfe in Deutschland seit 1945, und harte Verhandlungen. Doch was sich hinter der nüchternen Zahl 50 verbirgt, ist mehr als eine Zeitspanne im heißen Sommer. 50 Tage haben die Arbeitnehmer/innen von Halberg Guss Leipzig zusammengehalten, haben sich nicht auseinanderdividieren lassen zwischen Ost und West, zwischen Betriebsangehörigen und Zeitarbeitern, zwischen einheimischen und ausländischen Arbeitnehmern, zwischen denen, die kein Problem haben, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, und denen, für die das Aus des Werkes eine persönliche und familiäre Katastrophe bedeutet hätte. 50 Tage Arbeitskampf haben gezeigt, wie wichtig es ist, dass Arbeitsnehmer/innen in einer Gewerkschaft, nein: nicht in irgendeiner, sondern in der zum DGB gehörenden IG Metall organisiert sind. Gerade in Ostdeutschland meinen noch viel zu viele Arbeitnehmer/innen, die Mitgliedschaft in einer DGB-Gewerkschaft sei nicht nötig. Zu viele Betriebe haben weder einen Betriebsrat, noch achten sie auf gewerkschaftliche Organisation. Doch diese ist überlebenswichtig. Wenn es bei Amazon den Organisationsgrad geben würde wie bei Halberg Guss (dort gehören über 90 Prozent der Arbeitnehmer/innen der IG Metall an!) – schon längst hätten die Arbeitnehmer/innen bei der Durchsetzung ihrer Interessen eine bessere Position und größere Erfolgschancen in diesem Großkonzern.
Das positive Ergebnis bei Halberg Guss ist aber auch ein Erfolg für die Demokratie, für das bürgerschaftliche Engagement, für die Macht und Einflussmöglichkeiten des Einzelnen. Wenn nicht annähernd jede und jeder Beschäftigte bei Halberg Guss von der Richtigkeit und Notwendigkeit des Arbeitskampfes überzeugt gewesen wären, wenn nicht jeder einzelne erkannt hätte: Jetzt kommt es auf mich an!, dann wäre nicht der Druck entstanden und vor allem: dann hätten die Beschäftigten bei Halberg Guss diesen langen Arbeitskampf nicht durchgestanden. Denn 50 Tage nicht arbeiten können, 50 Tage immer vor dem Betriebsgelände ausharren (und das bei der Hitze Juni-August), monatelange in Ungewissheit über den Erhalt des Arbeitsplatz bleiben – das erfordert viel innere Kraft und verlangt jedem größte Disziplin und politische Wachheit ab.
Natürlich hat sich auch als ganz wichtig erwiesen, dass Streikende Unterstützung in der Bürger- und Stadtgesellschaft finden – und zwar nicht in dem Sinn, dass gemeinsam auf die Verhältnisse geschimpft oder jeder soziale Missstand auf die „Migration“ und „Umvolkung“sabsichten anonymer Mächte zurückgeführt wird, wie das heute bei den Rechtspopulisten in Mode gekommen ist. Vielmehr ist wichtig, dass wir alle erkennen und darauf vertrauen: die Demokratie lässt es zu, dass nicht nur die Räder still stehen, wenn der Arbeiter es will – sie ermöglicht vor allem Veränderungen zum Schutz der Arbeitnehmerrechte. Voraussetzung ist aber: dass jeder seine gesellschaftspolitische Verantwortung wahrnimmt, seine Möglichkeiten nutzt, den Wert der Solidarität lebt und am Ende auch zum Kompromiss bereit ist. Das Beispiel Halberg Guss straft alle Lügen, die wie Pegida/AfD die Axt an die Wurzeln des sog. „Systems“ anlegen, an die Demokratie, an den Sozialstaat, an die Gestaltungsmöglichkeiten der Vielen. Darum ist es auch ein großer Erfolg, dass bei Arbeitskämpfen wie diesem die rechtsradikalen Großmäuler, die im Zweifelsfall Menschen fallen und sich vom Geldadel aushalten lassen, keinerlei Einfluss auf die Arbeitskämpfe gewinnen konnten. Es ist durchaus angemessen, diesen Arbeitskampf am Ende des Jahres als großen Erfolg zu feiern: Erfolg von Menschen, die sich auch am Arbeitsplatz als mündige Bürger/innen bewährt haben; Erfolg für die Demokratie und damit für uns alle. Großer Dank also an die Arbeitsnehmer/innen von Halberg Guss, an ihre Familien, an den Betriebsrat, die IG Metall und an alle anderen wie den neuen Eigentümer, die diese Lösung mit auf den Weg gebracht haben.
6 Antworten
Das verstehen Sie falsch, lieber Herr Wolff: Es gibt eben kein Wort, das so gut, kurz und bündig Menschen beschreibt, die aus naiver, ideologischer und meistens kenntnisloser Weltsicht heraus das Beste wollen und gleichzeitig aus Realitätsverlust Schlimmes anrichten, wie das des „Gutmenschen“. Man könnte genauso, wie Sie jetzt argumentieren, bei Leuten, die dauernd die Begriffe „rechtsradikal“ oder „populistisch“ zur Stigmatisierung ihrer Gegner anführen, sagen, sie disqualifizierten sich – ein bequemer Weg, um der inhaltlichen Diskussion auszuweichen, mehr nicht.
Seien Sie herzlich gegrüßt,
Andreas Schwerdtfeger
Nein, lieber Herr Schwerdtfeger, das Wort „Gutmensch“ dient dazu, die Grundwerte, nicht zuletzt diejenigen, die der biblischen Glaubenstradition entspringen, wie Barmherzigkeit, Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit, Ehrfurcht vor dem Leben, Gewaltlosigkeit, zu diskreditieren, um sie als kritischen Maßstab aus dem Diskurs zu eliminieren. Darum ist das Wort für mich nicht akzeptabel. Beste Grüße Ihr Christian Wolff
Ihr Optimismus, lieber Herr Wolff, und auch Ihr Siegesgefühl in Ehren. Und die Managerschelte des Herrn Erben auch, wenngleich sie ja wieder übliche Clichés stärkt und auch stärken soll. In der Realität – siehe Holtzmann zu Zeiten Kanzler Schröders, siehe jetzt die Fusion Karstadt/Kaufhof, siehe viele andere Beispiele (Opel, etc) – ist der jetzige „Erfolg“ vermutlich eher Aufschub als Durchbruch. So wenig wie man in der Politik gegen die Gesetze der Physik, der Mathematik und der Logik handeln kann, so wenig kann man in der Wirtschaft auf Dauer gegen die Gesetze des Marktes handeln (können) – und deshalb wird man vermutlich in wenigen Jahren andere Nachrichten über diese Firma zur Kenntnis nehmen müssen. Wer clever ist bei Halberg Guss, der setzt sich besser jetzt schon ab.
Und bevor nun „der Markt“ von allen Gutmenschen verteufelt wird, wie das hierzulande so gerne geschieht: Er sichert uns den Wohlstand und die hohe Plattform, von der aus diese Kritik besserwisserisch geäussert wird und auf den eben auch diese Kritiker nicht verzichten wollen, weshalb ihre Kritik so hohl ist.
Mit herzlichem Gruß,
Andreas Schwerdtfeger
Wer noch immer das Wort „Gutmensch“ benutzt, sollte sich darüber im Klaren sein, dass er damit nicht nur das gesellschaftliche, zumeist ehrenamtliche Engagement von Millionen Menschen bewusst diskreditiert – er entwertet auch seine eigenen Argumente. Christian Wolff
Das Problem der Hybris unserer „Premium“-Hersteller, Zulieferer gnadenlos zu drücken bis es quietscht und teilweise bis in die Insolvenz zu treiben, ist damit aber nicht gelöst.
Da hat sich eine teilweise moralisch schwerst verkommene Mangerkaste gebildet.
Ca. im Jahre 2011 hatte ich mit dem Chef vom Projekt i von BMW zu tun. Er war dann später zum Plattformstrategiechef aufgestiegen. Ich fragte ihn nach den Aktivitäten bezüglich der Batteriezell-Kompetenz für die E-Autos: „Wenn Sie E-Autos machen wollen, müssten Sie doch Batterieizellforschung betreiben und eine Zellfabrik aufbauen, das ist doch das Kern-Know-How beim E-Auto!“ Antwort: „Ach Herr Erben, das ist gar kein Problem. Wir stärken zwei Hersteller und spielen sie dann gegeneinander aus.“ Wörtlich! Das hat sich bei mir eingebrannt! Ansonsten war das ein liebenswürdiger Familienvater mit 5 Kindern. (Soll auch eine Replik auf den liebenswürdigen Braunkohledurchsetzer Prof. Pinkwart sein.) Wie das Ausspielen von LG gegen Samsung oder Panasonic so läuft und welche Folgen das noch zeitigen wird, kann jeder im Managermagazin Heft April 2018 nachlesen!
Der deutsche Automobilkrug geht so lange zu Wasser, bis er bricht!
Da musste aber auch entsprechend viel Zeit vergehen, bis der Unterschied zwischen FDGB und den DGB-Gewerkschaften sicher erkannt wurde?!
Nach 60 Jahren IG-Metallmitgliedschaft weiß ich wovon ich rede; auch in Ba-Wü haben Mitarbeiter von Metallbetrieben Zeit benötigt zu erkennen, das Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft und Solidarität untereinander solche Erfolge möglich macht bzw. zur Voraussetzung haben.