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Einstieg in die Bundesregierung – Ausstieg aus der Braunkohle

Um es vorweg zu sagen: Ich befürworte die schwarz-rote Koalition, die sich in Berlin anbahnt. Schon das Ergebnis der Sondierungsgespräche war für mich Anlass, mich für eine Regierungsbeteiligung der SPD auszusprechen. Entsprechend werde ich bei der Mitgliederbefragung votieren. Dabei interessieren mich die 150-plus-X Seiten des Koalitionsvertrages nur am Rande. Den möge die Bundesregierung – so gut es geht – in den nächsten zwei Jahren abarbeiten. Viel wichtiger ist etwas anderes:

  • Zum einen muss sich die SPD durch die Regierungs- und Parlamentsarbeit personell und inhaltlich neu aufstellen und darf deswegen keinen Konflikt und keine Debatte auch mit den beiden Regierungspartnern scheuen. Es wird genug Entscheidungsfelder geben, die jetzt noch gar nicht absehbar sind. Sozialdemokratische Geistesgegenwart ist gefragt!
  • Zum andern muss die SPD ihre grundlegende programmatische Ausrichtung in einem breit angelegten Diskurs neu bestimmen und sich vor allem den Themen zuwenden, die bis jetzt unzureichend behandelt worden sind oder zu wenig Berücksichtigung gefunden haben.

Eines dieser Themen ist der dringend gebotene Ausstieg aus der Kohleverstromung und damit der Ausstieg aus der Kohle-, insbesondere der Braunkohleförderung. Unabhängig von dem, was dazu im Koalitionsvertrag vereinbart worden ist: Die SPD muss ihre zögerliche Haltung aufgeben und für einen zeitnah und verbindlich terminierten Ausstieg streiten. Natürlich muss dieser mit einem glaubwürdigen Angebot neuer Industrieansiedlungen in den betroffenen Regionen und für die jetzt noch in der Kohleindustrie beschäftigten Menschen verbunden sein. Diese Forderungen sind angesichts des dramatischen, sich volkswirtschaftlich katastrophal auswirkenden Klimawandels und des Irrsinns, dass noch immer Ortschaften dem Braunkohleabbau geopfert werden sollen, in der politischen Auseinandersetzung täglich neu zu erheben. Warum gerade dies auch unter gesellschaftspolitischen Aspekten so wichtig ist? Weil die SPD dabei ist, wieder einmal ein Thema zu verlieren, zu verschlafen, sich schönzureden – unter der irrigen Annahme, Arbeitnehmerinteressen zu vertreten wäre vorrangiger als der Schutz des Klimas. Wer solchen Unsinn in Sachen Kohle noch verbreitet, der wird irgendwann auch Brandstiftungen legitimieren, weil so die Arbeitsplätze bei der Feuerwehr gesichert werden können.

Michael Kretschmer (CDU), der neue Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, sagte in seiner Regierungserklärung am 31. Januar 2018:

Um Vertrauen und Verlässlichkeit geht es auch beim Thema Energie. Ich bin nächste Woche mit meinem Brandenburger Kollegen Dietmar Woidke im Lausitzer Revier. Für uns beide steht fest: Wir brauchen die Braunkohle weiterhin für bezahlbare Energie und für ein Deutschland, das Industrieland und Standort für Zukunftstechnologien bleibt.

Sein Vize, Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD), sagte in seiner am gleichen Tag abgegebenen Regierungserklärung dazu: nichts. Offensichtlich stimmt er Kretschmers Linie zu: Wir belassen es bei der Braunkohleförderung; wir werden auch in den nächsten Jahrzehnten Ortschaften mit Jahrhunderte alten Traditionen abbaggern; wir werden weiter Kulturgüter wie Kirchen einer Energie opfern, von der man heute weiß, dass es sie schon gestern nicht mehr hätte geben dürfen. Soll so eigenständige, profilierte SPD-Regierungspolitik aussehen? Ist es der SPD nicht Warnung genug, dass sie 1982, damals noch den Bundeskanzler stellend, schon einmal die Zeichen der Zeit nicht verstanden und mit fatalen Folgen auf die falsche Energie, nämlich Atom, gesetzt hat? Damals riefen SPD und Gewerkschaften im Schulterschluss zu einer Großkundgebung für die Atomenergie im Gelsenkirchener Parkstadion auf. Hauptredner: der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD), ein glühender Verfechter der friedlichen Nutzung der Atomenergie. Die Arbeitgeber bezahlten den Arbeitnehmern den „arbeitsfreien“ Tag samt Lunchpaket. Wenige Monate später war Schmidt nicht mehr Bundeskanzler. 16 Jahre später wurde der Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen – unter einem Bundeskanzler, der der SPD angehörte. 2011 wurde der Ausstieg aus der Atomenergie endgültig beschlossen: als Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg, ein Milliarden Euro teurer Umweg.

Heute sind die Fakten: Braunkohle ist der umweltschädlichste Energieträger. Das angeblich „modernste“ Braunkohle-Kraftwerk Lippendorf bei Leipzig ist eine Dreckschleuder. Dennoch behaupten immer noch führende Politiker wie Kretschmer (CDU), Braunkohle sei unverzichtbar. Man muss diesen Politikern fairerweise unterstellen: Sie behaupten dies wider besseres Wissens. Denn alles andere würde ja bedeuten, dass man sie für minderbemittelt erklärt. Sie wissen ganz genau: Kein Licht wird in Sachsen und anderswo ausgehen, wenn keine Braunkohle gefördert wird – so wie es auch in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen nicht dunkel und kalt wurde, als man die Atomenergie-Anlagen in Kalkar und Wackersdorf stillgelegt und Whyl erst gar nicht gebaut hat. Es gibt genügend Alternativen zur Kohleverstromung – leider aber viel zu wenig alternatives Denken in den Köpfen derer, die in den Regierungen sitzen und noch auf die Kohle setzen. Diese Alternativen müssen aber zur Regierungspolitik werden: in Dresden, Potsdam, Düsseldorf und Berlin. Die Aufgabe der SPD ist, damit jetzt auf Landes- und Bundesebene anzufangen. Macht sie dies nicht, dann allerdings nutzen auch die voll beschriebenen Seiten des Koalitionsvertrages nichts. Denn dann wird die SPD wieder einmal an ihrer eigenen Ideenlosigkeit und der Verleugnung der Wirklichkeit scheitern.

Eines allerdings sollte jedem klar sein: Wer jetzt noch ernsthaft das Abbaggern von Ortschaften wie Pödelwitz plant und dieses durchzusetzen versucht, der sollte Worte wie „Vertrauen und Verlässlichkeit“ nicht in den Mund nehmen. Zerstörung von Lebensräumen hat mit Vertrauen eben so wenig zu tun wie das sinnlose Beharren auf einen unhaltbaren Energieträger mit Verlässlichkeit. Also werden die Befürworter der Braunkohle mit dem entschiedenen politischen Widerstand vieler Menschen rechnen müssen. Pödelwitz wird jedenfalls nicht dem Braunkohleabbau weichen. Darum muss gerade von der sächsischen SPD erwartet werden, dass sie sich hier klar positioniert, sich auf die Seite des Klimaschutzes stellt und darum den Ausstieg aus der Braunkohle auf allen Ebenen tatkräftig betreibt.

Nachtrag: Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat gestern (07.02.2018) in der Lausitz erklärt, dass das Ende der Braunkohleverstromung „irgendwann 2040 und später“ erfolgen werde. Damit hat er sich als energiepolitischer Hasardeur erwiesen. Denn in einem kann man relativ sicher sein: Die Bevölkerung Sachsens, die EU, vor allem aber die Notwendigkeiten des Klimaschutzes werden diesem unverantwortlichen Vabanquespiel vorher ein politisches Ende bereiten. Allerdings müssen sich Martin Dulig und die sächsische SPD überlegen, welche Rolle sie hier spielen wollen.

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