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Drexit statt Säxit – Offener Brief an die ZEIT-im-Osten-Redaktion

Auf der Titelseite der Wochenzeitung DIE ZEIT fragt Stefan Schirmer von der Dresdner Redaktion „ZEIT im Osten“ unter der Überschrift „Dann geht doch!“: „Ist es Zeit für einen Säxit?“. Das hat mich zu einem offenen Brief an die „ZEIT im Osten“ Redaktion veranlasst.

Sie plädieren auf der Titelseite der ZEIT vom 20. August 2015 für einen „Säxit“. Sie nehmen Ihr Plädoyer zum Anlass, all das aufzuzählen, wofür man sich in den anderen Bundesländern nur schämen kann. Als ich das las, dachte ich: Ein solches Bild ergibt sich, wenn man Sachsen ausschließlich von Dresden aus betrachtet. Leider tut das die ZEIT, vor allem „ZEIT im Osten“ schon so lange, wie es diese Sonderseiten gibt. Denn nur so ist zu erklären, dass von dem Teil Sachsens, in dem Vieles anders verläuft, nur relativ selten die Rede ist: Leipzig und Umgebung. Daran ändern auch die Politik entleerten Kolumnen von Clemens Meyer nichts. Zeitgleich zur Dresdner Zeltstadt und zu den Heidenauer Nazi-Krawallen lebt Leipzig trotz allem organisatorischem Chaos, das vom Dresdner Innenministerium zu verantworten ist, eine Willkommenskultur, wie sie eben nicht nur auf dem Papier steht: ehrenamtlich tätige Johanniter und Malteser nehmen die Flüchtlinge freundlich und mit viel Empathie in Empfang, Tausende Bürgerinnen und Bürger spenden, Hunderte vor allem junger Menschen engagieren sich täglich in den Erstaufnahmeeinrichtungen und der Leipziger Flüchtlingsrat koordiniert seit Jahren die konkrete Arbeit vor Ort. Die ärztliche Versorgung wird unbürokratisch organisiert. Keine Nazi-Aufmärsche vor den Unterkünften, dafür ganz viel Hilfsbereitschaft – nicht nur in Leipzig, auch in vielen Umlandgemeinden. Doch das ist der ZEIT keine Meldung wert. Woran das liegt? Vielleicht sind Sie schon so gefangen im Dresdner Kaninchen-Blick auf die Pegida-Schlange, dass Sie gar nicht merken, dass auch in Sachsen die Uhren nicht überall gleich ticken. Es ist eben nicht so, dass alle Sachsen „mehr oder weniger gut mit Pegida und Co. leben können“, wie Sie behaupten. In Leipzig hat Pegida/Legida keinerlei Zustimmung gefunden, weil die Stadtgesellschaft seit Beginn des Jahres Woche für Woche ein deutliches NEIN zu Fremdenhass und Demokratiefeindlichkeit an den Tag gelegt hat. Aber auch das fand so gut wie keine Resonanz in den Dresdner Redaktionsstuben. Nur als ein paar wildgewordene sog. Autonome marodierend durch die Leipziger Straßen zogen, geriet Leipzig wieder in den Redaktionsfokus. Darum mein Vorschlag: Vollziehen Sie doch wenigstens einen kleinen Säxit, den Drexit. Verlegen Sie den Redaktionssitz der ZEIT von Dresden nach Leipzig. Das wird nicht nur Ihr Sachsenbild differenzieren. Es wird auch einer kritischen Distanz zum deutsch- und nationaltümelnden Dresdner Politik-, Kultur- und Kirchendunst im Landtag, in der Staatskanzlei, in der Staatskapelle (Thielemann!) und auch in der Lukasstraße dienen. In diesem Sinn: Willkommen in Leipzig, einer weltoffenen Stadt der Vielfalt!

 

6 Antworten

  1. Zur kurzen Fragestellung des Kommentars: By hhseifert 24. August 2015 – 22:45 meinerseits das Fazit: Herr Schwertfeger braucht ganz offensichtlich die Kontroverse – sein Feindbild ist längst zementiert; Pf.i.R. Chr. Wolff ist sein Antipode. Nochmals: schade, denn so wird eine Debattenkultur niemals hygienisch. Ewig schreiben und sich mit Allgemeinplätzen gütlich tun ist das eine, sich praktisch engagieren ist etwas ganz anderes!

  2. Vielen Dank fuer den Leserbrief, hoffentlich wird er auch gedruckt! Auch ich war oft genug veraergert, wenn in den verschiedensten Medien Berichte ueber Pegida stets gleichgesetzt wurden mit den Situation in „Sachsen“ oder eben auch in Leipzig. Eine Klarstellung war/ist dringend erforderlich.

  3. „Dann geht doch!“ ich habe den Artikel in der „Zeit“ mit Entsetzen gelesen. Deshalb vielen Dank für den Leserbrief an die ZEIT-Redaktion.

    Franz Wolpert f

  4. Den Sachverhalt beurteile ich nicht, da ich die „Zeit im Osten“ nicht lese. Dem Inhalt dieses Leserbriefes kann man wohl nur zustimmen, wenn man von Ihrer mantrahaften und eher unsachlichen Kritik an den Dresdner Politikern etc absieht, die durchaus nicht alle so dumm und untätig sind, wie Sie sie gerne darstellen. Aber da haben Sie halt Ihr Feindbild lokalisiert.
    Besonders interessant an Ihrem Brief, lieber Herr Wolff, ist die durchaus berechtigte Presse- und Medienkritik, die Sie zu Recht auf dem Vorwurf aufbauen, dass unsere Medien eben nur die Sensation, den Krawall, das Negative und Populistische melden, nicht dagegen das unspektakuläre Positive. Dies von einem Mann, der noch vor kurzem sich vehement gegen den Begriff der „Lügenpresse“ wandte, ist doch schon ein Erkenntniswandel, der hoffen lässt. Es ist eben in der Tat das Problem unserer Medien, dass sie zwar nicht direkt lügen aber eben mittels Bildern und Texten und deren Auswahl ausschliesslich nach Sensations- und Quotengesichtspunkten auf Teufel komm‘ raus manipulieren.
    Andreas Schwerdtfeger

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