Der Wurm steckt drin im Freiheits- und Einheitsdenkmal, bevor es überhaupt errichtet ist. Immer deutlicher wird: Sowohl der gewählte Standort wie auch das bisherige Prozedere werden den Anforderungen an ein Denkmal, das den nächsten Generationen etwas vom Aufbruch zur Demokratie erzählen soll, nicht gerecht. Man meint mit dem Leuschnerplatz einen „neutralen“ Ort gefunden zu haben für ein Denkmal, das keine Neutralität verträgt. Und man hat eine Ausschreibung getätigt, der es an historischer Zuspitzung und zukunftsträchtiger Botschaft mangelt. Schließlich war vor dem Wettbewerb nicht klar, wer wann welche Entscheidung trifft und wie diese umgesetzt wird. Und als dann die öffentliche Diskussion die Hobby-Gestalter in den Gremien auf den Plan rief, fühlte sich jeder bemüßigt, an den Entwürfen herumzudoktern. Damit aber war nicht nur rechtlich die Sackgasse des Scheiterns beschritten.
Gibt es einen Ausweg? Ja. Man muss den Wettbewerb neu beginnen: neuer Standort, neuer inhaltliche Ausrichtung, neue Entwürfe. Dabei sollte ein Sachverhalt eine besondere Bedeutung erlangen: Wenn keiner der historischen ’89er-Plätze zum Denkmal erklärt werden soll (Nikolaikirche, Augustusplatz, Runde Ecke), wenn also diese Orte als authentische, lebendige Erlebnisräume bleiben, dann sollte das Freiheits- und Einheitsdenkmal sich ganz lösen vom Ringbereich und dort errichtet werden, wo Leipzig dringend ein Pendant schaffen und sich zu einem tiefgreifenden historischen Wandel, eben der Friedlichen Revolution, bekennen muss: am Völkerschlachtdenkmal. Das würde uns davor bewahren, dieses Kriegsdenkmal aus vordemokratischen Zeiten krampfhaft umdeuten zu wollen. Dass mit der Gestaltung des Völkerschlachtdenkmals das Soldatische heroisiert wird, lässt sich nicht wegdiskutieren. Die in der Ruhmeshalle des Völkerschlachtdenkmals so monumental dargestellten Tugenden: die Tapferkeit, die Glaubensstärke, die Volkskraft, die Opferfreudigkeit, sollen suggerieren, dass sich darin der deutsche Mann verwirklicht. Und schließlich baut sich auf der Stirnseite des Monuments ein riesiger Erzengel Michael auf, bekränzt mit dem Spruch, der auch die Koppelschlösser der Soldaten im 1. Weltkrieg zierte:„Gott mit uns“.
Dieser zu Stein gewordenen Ideologie sollte mit dem Freiheitsdenkmal widersprochen werden. Platz genug ist vorhanden, das Freiheits- und Einheitsdenkmal an dieser Stelle zu bauen und damit zu signalisieren, dass wir heute und in Zukunft in der Tradition der Friedlichen Revolution stehen und leben wollen und darum Abschied nehmen von der grausamen Mär, als sei nur mit militärischer Gewalt und mit Diktatur und Bevormundung Erneuerung, Frieden zu schaffen. Der Ruf „Keine Gewalt“ und die Bitte „Dona nobis pacem“ (Gib uns Frieden) gilt es, dem als Schutzpatron der Soldaten und des heiligen römischen Reiches deutscher Nation missbrauchten Erzengel Michael entgegenzusetzen. Das könnte zu einem Denkmal für die nächsten Generationen, zu einem Treffpunkt zur Feier der Freiheit, eine Verankerung des Geschehens von 1989 in der Tradition von 1949 (Verabschiedung des Grundgesetzes), 1919 (Ausrufung der deutschen Republik) und 1848 (bürgerliche Revolution) werden. Ein solches Denkmal im Gegenüber zum Kriegs-Koloss Völkerschlachtdenkmal könnte den Geist symbolisieren, der aus Verlierern Gewinner, aus Schwachen Starke macht – aber nicht mit Heer und nicht mit militärischer Gewalt, sondern durch den Geist Gottes, den Geist der Freiheit. Wer hat den Mut, jetzt entschlossen die Sackgasse zu verlassen und damit dem Freiheits- und Einheitsdenkmal eine Chance zu geben?
4 Antworten
Der Kritik am Verfahren stimme ich zu. Denn „Offenen Brief“ habe ich dennoch nicht unterschrieben. Denn ich bin nicht der Meinung, dass das Denkmal „für die Leipziger“ ist. Die Zeitzeugen sind für ein solches Denkmal auch nicht die besten Ratgeber, weil sie zu sehr im Geschehen „befangen“ sind. Das Denkmal aber soll denen etwas sagen, die keine Zeitzeugen waren – und dies auch noch möglichst in 100 Jahren. Darum muss die Botschaft sehr klar sein und auch der Ort. Da ich nach wie vor ein Befürworter eines Denkmals bin, bringe ich auch wenig Verständnis für die auf, die auf ein solches ganz verzichten wollen – wozu ja auch die LINKE gehört. Das zeigt ja nur: unter denen, die Zeitzeugen sind, also 1989 erlebt haben, sind nach wie vor viele, die nicht an 1989 erinnert werden wollen. Das aber muss sein! Darum plädiere ich für ein Denkmal – möglichst auf dem Areal des Völkerschlachtdenkmals, das dann einmal anders heißen wird: Freiheitsdenkmal.
Und was meinen Sie zum offenen Brief des früheren Bundestagsabgeordneten Weißgerber an OBM Jung vom 06.03.2014? Nachzulesen auch hier: https://www.facebook.com/FreiheitsdenkmalLeipzig
Die Friedliche Revolution von 1989/90 ist ein herausrragendes Ereignis. Das sollte auch im Stadtbild sichtbar sein – durchaus an mehreren Stellen. Natürlich muss ein Freiheitsdenkmal so gestaltet sein, dass es von denen verstanden wird, die zum Zeitpunkt 1989 noch nicht gelebt haben. Darum ist es es so wichtig, das Denkmal in einen historischen Zusammenhang einzufügen.
+++Einwohneranfrage V/EF 301 –Freiheits- und Einheitsdenkmal ODER Einheits- und Freiheitsdenkmal?++++
Der Ältestenrat wird in seiner Beratung am 05.03.2014 über die Form der Beantwortung entscheiden!
Meine Fragen an Herrn Jung:
1. Wie ist diese „Bürgerumfrage“ in das weitere Verfahren eingeflossen?
2. Welchen Stellenwert hatte diese „Bürgerumfrage“ bei der Erarbeitung des Pflichtenheftes und wo kann man dieses einsehen?
3. Werden Sie anstreben, eine erneute Bürgerumfrage mit einem Quorum >50% zu beauftragen?
Eine persönliche Anmerkung:
Lassen wir unsere Enkel und Urenkel darüber entscheiden, ob sie es würdig finden, dass Leipzig den Menschen von 1989 ein Denkmal setzen sollte.