Das Coronavirus zu entschlüsseln, seine Wirkweise zu verstehen und dann entsprechende Gegenmittel zu entwickeln, das ist Aufgabe der Viro- und Infektiologen. Den gesellschaftlichen, sozialen, wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus politisch zu begegnen und dieseorganisieren, ist Aufgabe der Parlamente und Regierungen, begleitet von einem öffentlichen, kritischen, gesellschaftlichen Diskurs. Jede/r einzelne/r Bürger/in aber steht in der Verantwortung und vor der Aufgabe, dem nachzuspüren, warum das Coronavirus gerade jetzt und global so erfolgreich sein kann und warum das Immunsystem von Individuen wie von Gesellschaften offensichtlich so schwach ausgeprägt ist. Wir werden jetzt in die Debatte darüber eintreten müssen, wie wir mit dem Covid-19-Virus leben wollen; wie unser gesellschaftliches Leben aussehen soll, wenn alle Beschränkungen aufgehoben sind und die unmittelbare Gefahr, die vom Covid-19-Virus ausgeht, eingedämmt werden konnte. Wie sollen sich Demokratie, Freiheit, Offenheit, europäisches Zusammenleben weiter entwickeln – nach der Erfahrung massiver Eingriffe in die Grundrechte? Soll dann möglichst alles so weitergehen wie bis vor acht Wochen? Soll spätestens ab 2021 genauso viel konsumiert, geflogen, gefahren werden wie noch Anfang des Jahres? Aber auch: Wie wird unsere Gesellschaft und die Demokratie die sozialen Verwerfungen verkraften, die in einem halben Jahr in ganz anderer Weise sichtbar werden – dann wenn der große „Gleichmacher“ Coronavirus aufhört zu wirken und die rumorenden Ungleichheiten stärker denn je zum Vorschein kommen?
Einige Maßnahmen und Vorschläge lassen befürchten, dass diesen Fragen schon jetzt aus dem Weg gegangen wird. Kann mir einer erklären, warum trotz des fast hundertprozentigen Stillstands im Flugverkehr das Nachtflugverbot aufgehoben und der Sonntagsverkauf im Einzelhandel zugelassen wurde? Wie sind die Forderungen einzuordnen, die Einführung der Grundrente und Bestimmungen für den Klimaschutz aufzuschieben? Dabei müssen wir in ganz andere Richtungen denken – nicht zuletzt aufgrund der Bereitschaft vieler Menschen, sich auf neue Lebensweisen einzustellen, um mit dem Virus leben zu können. Gott sei Dank nutzen viele Bürgerinnen und Bürger die Zeit der Entschleunigung, um sich einzustellen auf notwendige Veränderungen. In den letzten Wochen habe ich in vielen Gesprächen gehört: „Die Natur wehrt sich.“ Ja, Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Coronavirus, zwischen Turbokapitalismus und der globalen Zwangspause spüren viele Menschen instinktiv und lassen sich deswegen auf eine grundsätzliche Neuorientierung ein – jenseits der derzeit diskutierten Fragen, wie der Weg von den Einschränkungsmaßnahmen zur Normalität des Alltags aussehen soll. Denn vor einem verschließen viele Menschen nicht mehr die Augen: Mit einem neuen Medikament ist es nicht getan; und mit der sich in diesen Tagen dramatisch abzeichnenden Trockenheit und Dürre hat sich das nächste STOP-Schild in den Weg gestellt. Darum sollten wir jetzt mit einer offensiven Debatte über folgende Fragen beginnen:
- Wie können wir die positiven Erfahrungen der Entschleunigung verstetigen? Das sollte in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu einer kritischen Kontrollfrage werden, um dem krankmachenden Turbotempo und dem Gleichzeitigkeitsfaktor wirksam begegnen zu können. Ein ganz praktisches, überfälliges Signal wäre es, jetzt das Tempolimit auf Autobahnen und im Innenstadtbereich entschlossen umzusetzen: Tempo 130, besser wäre noch Tempo 120, bzw. 30 km/h. Wenn das viel beschworene Argument „Es geht um Leben und Tod“ ernst gemeint ist, dann muss es hier greifen.
- Wie können wir die Daseinsvorsorge im Gesundheitswesen stärken? Eine rein ökonomistische Betrachtungsweise wirtschaftlichen Handelns darf im Bereich der Krankenversorgung und Pflege keinen Platz haben. Denn diese vernachlässigt den Faktor der Vorsorge. Ebenso müssen die Berufe im Gesundheitswesen (aber auch bei der Polizei) profiliert werden – durch angemessene Arbeitsbedingungen und Entlohnung. Dabei wird es darauf ankommen einen Ausgleich zu finden zwischen staatlich kontrollierten Standards bei Ausstattung und Arbeitsbedingungen auf der einen und der durchaus gesunden Konkurrenz zwischen öffentlich-rechtlichen und freien bzw. privaten Trägern auf der anderen Seite. Wir brauchen nicht den Wettbewerb des kostengünstigsten Angebots, aber den Wettbewerb um die beste Versorgung.
- Was können wir tun, um das individuelle und kollektive Immunsystem zu stärken? In den inzwischen Dutzenden Sondersendungen zum Coronavirus kommt eines kaum vor: Anregungen dazu, wie wir unser Immunsystem stärken können – durch gesunde Ernährung, Bewegung, Sport und einer gezielten Verringerung des Angstfaktors. Also: Wie wird in Zukunft die Ernährung aussehen in Kitas, Schulen, Mensen, Kantinen, vor allem auch in den Krankenhäusern? Was kann jeder dazu beitragen, Ängste abzubauen, Anerkennung und Beachtung zu stärken, Vertrauen zu festigen?
- Wie können wir jetzt im Klimaschutz vorankommen? Eine Folge der Coronakrise ist: Die Natur erholt sich global. Der Preis dafür ist allerdings hoch, zu hoch. Darum ist es notwendig, dass jetzt alles dafür getan wird, dass das Erreichen der Klimaziele und der Wiederaufbau des wirtschaftlichen Lebens zusammengedacht werden: den Kohleausstieg jetzt vollenden; den Flugverkehr und die Kreuzfahrten zurückfahren; den Bau von Benzin- und Dieselmotoren weitgehend einstellen und durch alternative Antriebsmöglichkeiten ersetzen.
- Wie halten wir es mit Leben und Tod? Wie beziehen wir in die Debatte um Schutzmaßnahmen gegen Viren ein, dass unser Leben endlich und das Sterben Teil des Lebens ist. Wir benötigen für alle Maßnahmen eine Überschrift, einen Konsens: Leben bewahren, Sterben zulassen. Darum muss die Palliativmedizin ausgebaut werden.
In den nächsten Monaten sind wir zwei großen Herausforderungen ausgesetzt: Zum einen die massiven sozialen Folgen des Shutdowns für diejenigen, die in diesen Wochen ihren Arbeitsplatz, ihr Einkommen, ihren Betrieb verloren haben, eindämmen. Zum andern müssen wir der Endlichkeit des Planeten gerecht werden und unsere Lebensweise entsprechend anpassen. Denn eines zeigt sich deutlich: Die Schöpfung verträgt nicht, dass alle Menschen weltweit den Lebensstandard haben, den wir hier (noch) pflegen. Wir benötigen mehr globale Solidarität. Wir sollten deutlich sehen: Dass bei uns die Anzahl der an oder mit dem Coronavirus Gestorbenen sehr viel niedriger ist als in anderen Ländern, hat vor allem damit zu tun, dass bei uns die Verarmung von Bevölkerungsschichten (noch) nicht so weit fortgeschritten ist wie in Italien, Spanien oder den USA. Dort trifft zu, was ein Sprichwort sagt: Wenn der Reiche hustet, hat der Arme eine Lungenentzündung. Darum wird es – unabhängig von einem Impfstoff – darauf ankommen, den sozialen Zusammenhalt als wichtigsten Schutz gegen aggressive Viren zu gestalten und auszubauen. Erst wenn wir das im Blick haben, beginnen wir, das Coronavirus zu verstehen.
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Hier der Link zum Gottesdienst am 1. Sonntag nach Ostern: https://youtu.be/E4e53sK2pTE
21 Antworten
Christian Wolff hat uns aufgefordert, den Wiederaufbau des wirtschaftlichen Lebens mit dem Erhalt der Schöpfung, weniger Konsum und einer neuen Lebensweise in globaler Solidarität zusammen zu denken. Die Zweifel in Johannes Lerchners letztem Beitrag sind berechtigt, denn die hier diskutierten Wirtschaftstheorien wurden für wachsende und nicht für schrumpfende Industriegesellschaften erdacht, drehen sich zentral um das Geld und helfen deshalb kaum weiter.
Achille Mbembe schlägt vor, wir sollen in einer großartigen Geste der Gegenseitigkeit gemeinsam nach verschiedenen Möglichkeiten suchen, die Erde als Voraussetzung für ihren Fortbestand unter all ihren menschlichen und nichtmenschlichen Bewohnern aufzuteilen. (Rede Schauspielhaus Düsseldorf, 12.5.19).
Wo beginnen wir diese Suche? Peter Glotz hat uns aufgefordert, „die letzten physikalisch verbindlichen Grenzen des Wachstums“ in den Blick zu nehmen: „Wenn erst alle „Brennstoffe“ verbraucht sein werden, so wird nicht mehr als 200 Watt wertvolle Sonnenenergie pro Quadratmeter zur Verfügung stehen, und zwar für alle meteorologischen, biologischen, ökologischen und ökonomischen Prozesse zusammengenommen“ („Die Linke nach dem Sieg des Westens, 1992,113).
Bevor wir eine neue Lebensweise beschreiben, sollten wir fragen: was möchten wir an diesem Tag X als menschliche Erdenbewohner mindestens vorfinden?
Trinkbares Wasser, fruchtbarer Boden, eine intakte Natur (wozu Artenvielfalt, Biodiversität ebenso zählt wie eine Anzahl an Mitmenschen, die die Tragfähigkeit dieser Systeme nicht überfordert), selbstverständlich.
Aber: brauchen wir Geld? Das Aufbringen von Geld auf fruchtbare Böden bringt nicht eine einzige essbare Pflanze hervor. Wir brauchen also kein Geld, sondern Bauern.
Nach dem notwendigen kommen wir zum Wünschbaren: Wohnungen, Möbel, Kleidung, Dinge, die wir wirklich brauchen und für deren Erhalt wir wiederum kein Geld, sondern Handwerker benötigen.
Alle anderen kurzlebigen Dinge, die unser Konsumentenherz heute für unverzichtbar hält, wären dann nichts als Schrott, bestenfalls Rohstoff für Nützliches.
Dann brauchen wir noch diejenigen Menschen mit den „systemrelevanten“ Berufen, die jetzt dank Corona ansatzweise, aber gegenwartsfixiert amtlich festgestellt sind.
Einige Technologien wären nützlich, soweit Sie die dann noch systemrelevanten Arbeiten erleichtern uns keine oder geringstmögliche externe Energie benötigen
Zuvor müssen, wir, wiederum als zwingende Voraussetzung, gelernt haben: Alle Menschen sind Brüder. Diejenigen Menschen, die Weisheit lehren statt Interessen zu vertreten, Bildung, Philosophie und Kultur, sind deshalb heute und für immer unverzichtbar. Dein Lehrer soll dein Befreier sein, wissen wir von Pestalozzi.
Brüderlichkeit zeichnet ein natürliches Bedürfnis nach sozialem Zusammenhalt aus. Also das, woran Konkurrenz, Geldwirtschaft und Märkte zwingend scheitern müssen.
In Europa wird wieder häufiger „Alle Menschen werden Brüder“ gesungen. Das fordert uns auf, daraus sofort Konsequenzen zu ziehen und nicht bis zum Tag X zu warten.
Der eigentliche Kern des Textes wird aber, die Grenzen belegen es, beim Singen eher verdrängt: Es heißt: „Alle Menschen“!
Umso wohltuender, dass dieses „Alle“ für Christian Wolff und die Teilnehmer in diesem Forum eine Selbstverständlichkeit ist. Das tut gut. Danke!!!
Sehr geehrter Hr. Dr Lerchner,
„Wenn ich fortschrittliche Ökonomen richtig verstehe, kommt es jetzt darauf an, hemmungslos (!) finanzielle Mittel einzusetzen……“
Hier bin ich ganz anderer Meinung:
Diese Ökonomen sind nicht „fortschritlich“ und die anderen reaktionär sondern sie vertreten eine bestimmte ökonomische Schule, wie auch die Monetaristen (Friedmann), die östreichische Schule (Mieses…)……
Der Keynesianismus (nach Keynes) und die auf Knapp beruhende MMT sind Nachfrage orientiert, aber nicht besonders neu oder modern.
Man glaubt über Geldschöpfung die Wirtschaft ankurbeln zu können – funktioniert hat das langfristig noch nie. Das Ergebnis war immer eine Inflation oder Hyperinflation. – Gerne können Sie ein einziges Gegenbeispiel bringen.
Zur Zeit haben wir das Problem, dass im Verhältni zur Gütermenge eine viel zu große Geldmenge existiert. Wie man das durch weiteres Aufblasen der Geldmenge lösen will , ist rätselhaft.
Worum geht es also in den nächsten Jahren?
Die Fehlbewertungen müssen abgebaut werden.
Wer muß bezahlen? Die <0,1% Oberschicht oder (wie gewöhnlich) der untere Rest. Das wird auf jeden Fall schmerzhaft und hart umkämpft werden! – Einen angenehmen Weg des Gelddruckens gibt es nicht – das wäre nur ein Zwischenschritt auf dem Weg der Übertragung der Lasten auf die "kleinen Leute".
Das letze Mal , als die Welt in dieser Situation war, bedurfte es eines 1. + 2. WK
einer Hyperinflation und mehrerer Wirtschaftskrisen, bis es 1948 zu einem bis heute anhaltenden Wirtschaftsaufschwung kam.
Die Adressierung der Verluste ist bereits in vollem Gange. Das Aufblasen der "Coronakrise" ist mMn ein Ablenkungsmanöver, um die Bevölkerung zu verängstigen und Grundrechte einzuschränken.
MfG
ErwinBreuer
Auch wenn es vielleicht nicht unbedingt den Intentionen des Veranstalters dieses Blogs entspricht, finde ich es gut, ab und zu auch hier ökonomische Sachverhalte gründlicher anzusprechen. Der Clinton-Spruch „It’s the economy, stupid“ ist sicherlich nicht ganz falsch. Nicht zuletzt deswegen danke ich Ihnen für Ihre Entgegnung. Die Tatsache, dass ich mich dabei auf ein von meiner eigenen Tätigkeit ziemlich entferntes Gebiet wage (der Anspruch, die Weltfinanzkrise 2007 und die daraus folgende Euro-Krise zu verstehen, hatte mich seinerzeit dazu getrieben ), passt vielleicht nicht immer zu dem zuweilen apodiktischen Sound meiner Äußerungen. Ich bitte da um Nachsicht. Letztendlich zählt natürlich das Argument. Das nur am Rande.
Ob „fortschrittlich“ oder nicht, die von den genannten Schulen vertretenen Wirtschaftstheorien kann man nicht nur in Hinblick auf deren Erklärungsmächtigkeit beurteilen (manche können z. B. den Zusammenhänge von Arbeitslosigkeit und Löhnen oder von Sparen und Investieren realitätsnah beschreiben und andere eben nicht), sondern man sollte auch nach den mit den Theorien assoziierten Interessen fragen. Als im April 1947 neununddreißig Intellektuelle unter der Leitung von August von Hayek am Mont Pelerin in der Schweiz über Strategien und Theorien berieten, wie dem damals dominierenden Keynesianismus der Garaus gemacht werden könnte, stand gewiss nicht nur wissenschaftlicher Erkenntnisdrang dahinter. Es war übrigens das erste Mal in der Wissenschaft, dass alte Theorien wieder hervorgeholt wurden (man sprach jetzt von Neo-Liberalismus).
Aber zum eigentlichen Punkt: Die Ängste, wie es nach Corona wirtschaftlich weitergehen wird, inwieweit bis dahin massiv Existenzen vernichtet sein werden und ob rigorose Sparmaßnahmen die Wirtschaft auf lange Zeit hin fesseln werden , gefährden zunehmend die Akzeptanz medizinisch bedingter Maßnahmen. Jeder spürt, wie sich die Konflikte aufbauen. Dem kann nur durch gewaltige finanzielle Maßnahmen seitens des Staates begegnet werden.
Gegen die Vorstellung, dass eine zu hohe Staatsverschuldung die Gefahr einer Staatspleite mit sich bringt oder dass eine Staatsverschuldung übermäßige Lasten für zukünftige Generationen anhäuft, kann wie folgt argumentiert werden: Die Angst vor Kapitalmärkten ist unbegründet, weil die EZB durch Interventionen am Kapitalmarkt (Aufkauf von Staatsanleihen) die Zinsen beliebig niedrig halten kann. Wenn die Zinsen nahe Null liegen, hat die Staatsschuldenquote keine besondere Aussagekraft. Die Staatspapiere können hundert Jahre in den Händen der Zentralbank liegen, ohne dass das volkswirtschaftliche Folgen hat. Außerdem fließen die EZB-Zinsen in die Haushalte der Euroländer zurück. Das hat während der Euro-Krise funktioniert und Japan praktiziert es bei exorbitant hohem Schuldenstand (240 % des BIP) seit Jahrzehnten. Mal sehen, wie sich die Direktfinanzierung des Staatshaushalts in Großbritannien durch die Bank of England auswirken wird.
Die Inflationsgefahr nur an der Geldmenge festzumachen, ist falsch. In den zwanziger Jahren kam es zur Hyperinflation, weil die expansive Ausgabenpolitik der Reichsregierung die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen anfachte, dem aber infolge der Kriegswirtschaft nur ein beschränktes Angebot gegenüber stand. Die Situation ist heute genau andersherum. Die Kapazitätsauslastung der Wirtschaft weltweit ist niedriger als jemals seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges (Flassbeck und Spiecker, Makroskop 24.04.2020). Das heißt, ein Nachfragezuwachs nach der Krise wäre leicht zu bedienen oder würde zu neuen Investitionen führen. Auch interessant: Als zu Zeiten des Goldstandards die Zentralbanken nicht in der Lage waren, den Regierungen Geld zur Verfügung zu stellen, waren die konjunkturellen Ausschläge viel größer. Man sagt ja, dass der Goldstandard wesentlich dazu beigetragen hat, dass aus dem Börsencrash 1929 eine verheerende Weltwirtschaftskrise werden konnte (Mark Schieritz, Die Inflationslüge, Knaur 2013).
Dass die lockere Geldpolitik der europäischen Zentralbank das Spekulationsfieber im Bereich des Finanzkapitals anheizt, ist eine andere Geschichte. Die von manchen geäußerte Befürchtung, dass hier eventuell der Boden für die nächste Finanzkrise bereitet wird, ist für mich nachvollziehbar.
Meine Intention, lieber Herr Lerchner, ist, mit dem Blog einen möglichst vielseitigen, demokratischen Diskurs zu fördern. Darum freue ich mich, wenn Menschen mit sehr unterschiedlichen Kompetenzen ihr Wissen und ihre Ansichten einbringen. Danke also für Ihre Beiträge! Christian Wolff
Sehr geehrter Herr Dr. Lerchner,
historisch betrachtet kann man feststellen, dass das Geldsystem (fast) immer dazu benutzt wurde, die Bevölkerung durch Ausweiten der Geldmenge zu betrügen. In den Zeiten, als noch mit Edelmetallmünzen bezahlt wurde ist das auch klar ersichtlich.
Im Römischen Reich wurde der Silbergehalt des Denar 100% auf 0 gesenkt.
Friedrich 2 finanzierte den Schlesischen Krieg durch systematische Münzverschlechterung. Es wurden die sogenannten Ephraimiten geprägt.
Es gibt noch unzählige weitere Beispiele.
Das Volk erkannte den Betrug. Die verschlechterten Münzen hatten spezielle Namen:
Böse Halser, Roter Seufzer, Schinderling, Schwarz Pfennig…
Teilweise wurden diese „schlechten“ Münzen nicht angenommen bzw. nur mit vermindertem Wert.
Von Zeitgenossen wurden diese Zeiten mit Pest und Krieg verglichen – damit will ich nur sagen, dass starke Auswirkungen auf das Leben der Bevölkerung bestand.
Hier ist der Betrug offensichtlich: aus 1 Münze werden mehrere gemacht – leicht verständlich.
Wo ist nun der Unterschied zum Gelddrucken der Zentralbanken – auch hier wird die Geldmenge erhöht.
Allerdings merkt das keiner, aber der von Trichet unterschriebene 50 € Schein müsste in Analogie zu den Münzen wertvoller sein als der von Draghi herausgegebenen. (Bei den Scheinen kann man diesen minimalen Unterschied noch erkennen – beim Giralgeld nicht mehr.)
Ich möchte mich nicht zu allen Punkten äußern. Hier noch kurz zu der von Ihnen angenommenen problemlosen Dauerverschuldung der Staaten und der damit zusammenhängenden Dauerniedrigzinspolitik der Zentarlbanken:
Es ist richtig, dass die EZB die Zinsen wegen der hohen Staatsverschuldung nahe 0 gesenkt hat. (Bei normalen Zinsen wären alle Euroländer kurzfristig pleite.)
Dieses hat aber in der Realwirtschaft folgende Auswirkungen: Ca. 70% der Erträge der Geschäftsbanken kommen aus dem Kreditgeschäft. Dort ist auf Grund der niedrigen Zinsen kein Geld mehr zu verdienen. Daher machen die Banken Verluste. Diese senken das Eigenkapital der Banken. Das Eigenkapital ist aber der limitierende Faktor für Kredite , die an Firmen und Verbraucher vergeben werden können.
Es wird also durch die niedrigen Zinsen zu Bankpleiten und /oder Pleiten von Firmen kommen. Wenn die Firmen pleite gehen – ist auch das Produktionspotential weg.
MfG
ErwinBreuer
Vieles des hier gesagten ist mir einleuchtend. Insbesondere könnte ich die meisten der von Michael Käfer angeführten Punkte unterschreiben. Anderes kommt mir aber ziemlich weltfremd vor.
Wenn ich fortschrittliche Ökonomen richtig verstehe, kommt es jetzt darauf an, hemmungslos (!) finanzielle Mittel einzusetzen, damit die existierende industrielle Basis und das umgebende kulturelle und Dienstleistungsumfeld keinen nachhaltigen Schaden erleidet und die Masse der Bevölkerung schnellstmöglich wieder in Lohn und Brot kommt. Das allein erfordert schon erhebliches Umdenken bei den verantwortlichen Eliten. Dann muss wahrscheinlich nach Überwinden der Corona-Krise energischer Widerstand gegen Sozialleistungskürzungen mobilisiert werden, die wie nach der Wirtschaftskrise 2008/2009 unter dem Vorwand erforderlicher Schuldentilgung wieder auf die Tagesordnung kommen werden. Die bereits vor der Corona-Krise zunehmende Diskussion, dass sich Deutschland die gegenwärtigen Sozialleistungsstandards wegen der vermeintlichen Beeinträchtigung seiner Wettbewerbsfähigkeit eigentlich nicht leisten kann, wird wohl weiter an Fahrt gewinnen.
Obwohl Corona- und Klimakrise nichts direkt miteinander zu tun haben und auch die Stilisierung der Pandemie zu einem Menetekel für zu erwartende Unbilden m. E. wenig sachliche Substanz hat, ist es richtig, beide Krisen zusammen zu denken. Vordergründig deshalb, weil die Bemühungen interessierter Kreise offensichtlich sind, die bisher erfolgten ersten Schritte beim klimagerechten Umbau der Wirtschaft im Zuge des Neustarts der Wirtschaft zu behindern oder rückgängig zu machen (man lese die Interviews mit Managern der Autoindustrie im Wirtschaftsteil der FAZ). Mittel- und langfristig, weil die sozialökonomischen Gründe für die suboptimale Beherrschung der Corona-Krise erst recht Wirkung zeigen werden, wenn die von den Physikern als notwendig erkannten Klimaziele ernsthaft verfolgt werden.
Dann kommt mir in der Diskussion auch manches zu undifferenziert und blauäugig daher. Gilt der Aufruf zur Selbstbegrenzung auch für Hartz-IV-Empfänger? Klar, man findet seinen Weg zur Arbeit vielleicht auch zu Fuß. In den Favelas Brasiliens ist das das Schicksal Tausender. Von welcher die Macht beschränkenden Demokratie ist die Rede? Ich habe gehört, wir leben in einer marktkonformen Demokratie, in der nur das zulässig ist, was die freie Entfaltung der Marktkräfte nicht behindert. Das Problem der Manipulation auf Produktwerbung zu beschränken, erscheint mir zu dürftig. Wer trichtert uns tagtäglich das Märchen von „Deutschland, das Wunderland“ ein? Die Leipziger hier auf diesem Blog haben vielleicht den unsäglich penetranten und ans Nationalistische grenzenden Leitartikel von Mattias Koch in der LVZ vom 11./12. April gelesen. Die Beurteilung der Digitalisierung wie von Herrn Schneider hier dargelegt empfinde ich als Maschinenstürmerei. Und die Verteilungsfrage ist nicht so simpel zu lösen, schon weil der Umfang des Finanzvermögens und damit die Einkommensgenerierung ohne (!) Arbeit den des Realvermögens besonders in Deutschland erheblich übersteigt (im Jahre 2016 210 % bzw. 150 % der gesamten volkswirtschaftlichen Netto-Wertschöpfung).
Nicht um Pessimismus zu verbreiten, sondern um die Größe der Herausforderung beim „Aufbau einer Wirtschaft des Lebens“ (H. Schneider) anzudeuten, zum Abschluss noch ein Zitat von Warren Buffett, dem bekannten Großinvestor aus den USA: „Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen.“ (https://beruhmte-zitate.de/zitate/126606-warren-buffett-es-herrscht-klassenkrieg-richtig-aber-es-ist-mei/).
Ihren Beitrag habe ich Gewinn gelesen, wir stimmen im Wesentlichen überein. Was die Maschinen betrifft, ist mein Anspruch: es muss klar sein, dass die Maschine der Sklave des Menschen ist. Das faustische Zeitalter sollten wir hinter uns lassen. Die verständliche Freude über die bunten Datenfluten verstellt dafür noch den Blick. Einstweilen wallt es also weiter.
Die erste Voraussetzung einer Wirtschaft des Lebens hat Christian Wolff klar benannt: Weltweite Verständigung auf einen Lebensstandard, den die Schöpfung erträgt. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit global reicht im Prinzip aus. Aber wie kommen wir dahin?
Der einzig denkbare demokratische Weg dorthin wäre: one man, one vote, selbstverständlich global. Das wäre das Ende von 20:80. Deshalb ist das, da haben Sie Recht, mindestens blauäugig.
Zu dieser Frage haben sich Freimut Duve und Wolfgang Harich ein spannendes Buch lang auseinandergesetzt (Kommunismus ohne Wachstum,1975). Duve verteidigt den demokratischen Weg über das ganze Buch, um im Vorwort zu resümieren: „Die Freiheit, Einsicht zu haben in die globalen Notwendigkeiten – wie Harich sie sieht -ist keine mehr. Ob allerdings die (westliche) Hoffnung auf eine freiheitliche Lösung der Verteilungskämpfe Aussicht auf Erfolg hat, erscheint auch dem optimistischen Demokraten fraglich“ (10).
Auch mit Ihrer Anmerkung zum Geld haben Sie Recht. Harichs Sicht: „Ja, der Weltmarkt muss abgeschafft und durch ein globales System der gerechten Verteilung ersetzt werden. Anders ist weder den Völkern der Dritten Welt noch uns zu helfen“(165).
Unvermeidbar ist freilich ein Schaden an der existierenden industriellen Basis. Nicht nur angesichts der realistisch möglichen regenerativen Energieerzeugung, der definitiv nicht vermehrbaren Landfläche und der Begrenztheit der für die Industriegesellschaft unverzichtbaren Ressourcen ist Regis Debrays Schlussfolgerung zwingend: „Gestern hieß Emanzipation, sich von den Geiseln der Natur zu befreien, heute besteht sie darin, sich vom Presslufthammer zu befreien, um sich der Photosynthese anzuschmiegen“ (Lettre Inernational,128,7). Franziskus weiß dass, deshalb fordert er das natürliche Recht jedes Campesinos darauf, ein angemessenes Stück Land zu besitzen, um sich und seine Familie zu ernähren, müsse garantiert werden (laudato si, 94).
Es geht also die Überwindung der Geldwirtschaft durch die Landwirtschaft. Die Geldvermögen entwerten sich von allein, das Land ist die wirklich relevante Eigentumsfrage. Nicht nur, weil die Hälfte der weltweit Hungernden ihres Landes beraubte Kleinbauern sind. Es ist das Einfache, das schwer zu machen ist.
Ihre Sichtweise ist interessant. Sie wirft bei mir aber viele neue Fragen auf. Bitte bedenken Sie, dass einem, dessen vermeintliche Gewissheiten vor dreißig Jahren umstandslos entsorgt wurden und der heute stolz darauf ist, die Feinheiten der Marktwirtschaft zunehmend zu verstehen glaubt, Hemmungen hat, die kapitalistische Wirtschaftsweise wieder grundlegend in Frage zu stellen. Ich verstehe Ihre Beiträge aber so. Wäre nicht schon viel geholfen, wenn es die ständig beschworene Marktwirtschaft tatsächlich gäbe und statt mit Finanzkapital Gewinne durch Schaffung realer Werte erzielt würden?
Spontan eine Gegenfrage: Hilft es, von G-G´ wieder zur G-W-G´ zu kommen, wenn ´ das Problem ist?
Gern will ich Ihnen antworten, nach der Arbeit.
Es wäre wohl eine Verbesserung, auch wenn möglicherweise Grundprobleme ungelöst blieben.
Mit dem Verlust Ihrer vermeintlichen Gewissheiten wären Sie in guter Gesellschaft. 1992 hielt Fukuyama die Geschichte mit dem Sieg Idee des Westens und der Niederlage von Marxismus und Faschismus für beendet. Aber Heiner Müller schrieb: „Der Sozialismus war eine Notbremse. Solche Versuche wird man heute wohl positiv bewerten: die totale Beschleunigung führt in den Nullpunkt, in die Vernichtung.
Es ist die einzig vernünftige Entscheidung, die Notbremse zu ziehen, meint Greta Thunberg in Katovice,26 Jahre später. Man müsse eben das System ändern, wenn die Klimaziele anders nicht erreichbar sind.
Ich bin also bei Müller und Thunberg. Wir brauchen keine neuen Gewissheiten, aber trotz aller Risiken eine Notbremse für das Leben. Die wird gerade praktiziert, wir erfahren, dass die Regierungen sie einleiten können.
Ich denke nicht, dass der Kapitalismus die Notbremse überleben kann. Offenkundig konnte er ja noch nicht einmal den Verlust des Systemgegner verkraften und ist in einen Prozess der Selbstzerstörung eingetreten. Der könnte allerdings zu lange dauern, um unsere Lebensgrundlagen noch erhalten.. Denn eine Nebenwirkung der Entsorgung des Sozialismus besteht in dem Verlust des Glaubens an die menschliche Fähigkeit, eine bessere Gesellschaft gestalten zu können, also in der Selbstdegradierung des Menschen zum Objekt des Marktes, der Maschinen, der künstlichen Intelligenz.
Wir sollten also entschieden dafür eintreten, die Notbremse zu verlängern, bis die Wirtschaft wieder in das globale Ökosystem hineingeschrumpft ist.
Am Schluss bleibt die Hoffnung, das Yosh Tandon (Handel ist Krieg) recht hat: Wenn das kapitalistische Schiff zu sinken beginnt, sollten wir alle in unseren Booten sitzen. An diesen wird in aller Welt gezimmert.
Hallo Herr Schneider,
der heutige Beitrag auf Telepolis https://www.heise.de/tp/features/Corona-und-Klimakrise-Von-Nachhaltigkeit-keine-Spur-4711505.html trifft m. E. die von Ihnen angesprochene Problematik ganz gut.
Beste Grüße,
Johannes Lerchner
Hans Joachim Schellnhuber weist darauf hin, was wir brauchen: Die Bereitschaft, das Leben über das Geld zu stellen (Danke für Hinweis und Link zum Artikel). Franziskus fragt, „was das Gebot „Du sollst nicht töten“ bedeutet, wenn 20% der Weltbevölkerung Ressourcen in einem solchen Maße verbrauchen, dass sie den armen Nationen und den kommenden Generationen das rauben, was diese zum Überleben brauchen“ (laudato si,95). Diese Formel, 20% der Weltbevölkerung verbrauchen 80% der Ressourcen, galt schon in meiner Kindheit. Seitdem hat sich die globale Wirtschaftsleistung verzehnfacht.
Und nun fordert uns Christian Wolff auf, den Wiederaufbau des wirtschaftlichen Lebens mit dem Verzicht auf Kreuzfahrten, dem Ende des Verbrennungsmotors und dem Kohleausstieg zusammenzudenken. Diesen Gedanken finde ich faszinierend und möchte ihn am Beispiel des Automobils verfolgen.
1.: Da die natürlichen Kapazitäten doppelt übernutzt sind, bedeutet die 80:20 Formel: Unser Ressourcenverbrauch muss auf 10% des jetzigen sinken. Friedrich Schmidt-Bleek rechnet für das Automobil im Stadtverkehr vor: Das Auto wird an den tatsächlichen Bedarf angepasst (1,3 Personen nutzen es im Schnitt), dass Gewicht von heute 2 Tonnen auf 700 kg reduziert, die Motorleistung bedarfsgerecht angepasst, die Nutzungsdauer von 200 auf 500.000 km verlängert.
Ergebnis: der Ressourcenverbrauch sinkt auf 10%, die Durchschnittsgeschwindigkeit steigt von 15 auf 20 km/h, der Flächenverbrauch sinkt auf 60%.
2.: Ende des Verbrennungsmotors sofort. Nichts ist logischer, denn länger als 8 Jahre darf kein Öl mehr auf heutigem Niveau verbrannt werden. Jedes Neufahrzeug ist reine Ressourcenverschwendung. Der vorhanden Bestand reicht bis zum Ende des Jahrhunderts, verlängerte Nutzungsdauer, mehr Arbeit für die Werkstätten. Wo ist das Problem?
3.: Elektromobilität: Deutschland deckte im Jahr 2018 13.2% des Primärenergieverbrauchs regenerativ, davon mehr als die Hälfte durch Biomasse und Biosprit. 3% durch Wind, 1,1% durch Photovoltaik. Um die fehlenden 86,8% zu decken, brauchen wir das 22-fache. Warum genau bauen wir in dieser Lage Elektroautos mit 600 PS und 40 kw/h Stromverbrauch? Warum keine Begrenzung auf max. 10 kw/h, keine Verpflichtung zum Recycling der Batterie und auf eine Fahrzeuglebensdauer von 100 Jahren? Sollten wir nicht mehr zu Fuß gehen? Überflüssige Wege einsparen?
Letztes Beispiel: Güterverkehr in Deutschland 1970: 42 Mio. tonnenkilometer, 2019: 451 Mio tkm, Planung EU: Verdoppelung bis 2050, wie auch im Flugverkehr.
Die Natur hat uns die Stoppschilder schon lange gesetzt. Wir müssen sie der Verschwendungswirtschaft, dem Egoismus, uns selbst setzen. Wir brauchen die Fähigkeit zur Selbstbegrenzung. Sie ist Voraussetzung für künftige Lebensqualität, ja für das Fortbestehen des menschlichen Lebens überhaupt.
Hannah Arendt spottete, für unsere Wirtschaft sei es das Beste, die Produkte sofort nach ihrer Herstellung wieder zu verschrotten. Nur: mit Ökonomie, mit Oikos, hat das rein gar nichts zu tun.
Was steht vernünftigen Entscheidungen entgegen:
1. Macht, aber: wir haben Demokratie, nutzen wir sie!
2. Manipulation: die Werbeindustrie blockiert die Vernunft, ohne ihre Abschaffung ist keine Welt zu gewinnen.
3. Digitalisierung als neuer Heilsbringer. Ihre bisher messbaren Effekte: Steigerung der Werbung ins absurde, für eine Überweisung via Blockchain schaffen wir es, den monatlichen Energieverbrauch eine Durchschnittshaushalts zu verpulvern. Ihr wesentliches Potential: Steigerung der technologischen Arbeitslosigkeit, Ihr Preis: die digitale Unterwerfung des Menschen.
4.: Angst der 20% vor dem Verlust ihrer Privilegien. Bei genauerer Betrachtung ist es eher die Angst um die eigene Existenz. Diese wäre unbegründet, weil ein Verzicht auf die Produktion von Überflüssigem Kräfte für die Produktion von wichtigem freisetzt, der Rest ist eine simpel zu lösende Verteilungsfrage: Bezahlung der Arbeit nicht nach Marktpreisen, sondern nach Leistung und gesellschaftlichem Nutzen.
Gründe für Hoffnung:
1. 1975 hat der Porsche-Vorstand beschlossen, keine Pkw mit mehr als 75 PS mehr zu produzieren. Einsicht ist möglich.
2. 1970 war die Lebenszufriedenheit in Deutschland höher als heute. Ich kann das nachvollziehen, weil mein Vater und mein Großvater damals mit dem Auto zur Arbeit in die Kreisstadt fuhren. Im Auto saßen immer, wenn nicht einer im Urlaub war, 4 Menschen. Sie stiegen in der Regel plaudernd und zufrieden am Abend aus, und Zweitwagen waren überflüssig.
Der Wiederaufbau des wirtschaftlichen Lebens wäre der Aufbau einer Wirtschaft des Lebens. So habe ich Christian Wolff verstanden.
Zunächst ein grundsätzliches Dankeschön, lieber Christian, für diesen Blog, für viele Inspirationen, die Themenbreite und Offenheit des Blogs gegenüber verschiedensten Meinungen und die Weiterführung des Blogs – trotz schwieriger persönlicher Monate!
Ich stimme Dir absolut zu, wenn Du schreibst:
„Wir werden jetzt in die Debatte darüber eintreten müssen, wie wir mit dem Covid-19-Virus leben wollen; wie unser gesellschaftliches Leben aussehen soll, wenn alle Beschränkungen aufgehoben sind und die unmittelbare Gefahr, die vom Covid-19-Virus ausgeht, eingedämmt werden konnte. Wie sollen sich Demokratie, Freiheit, Offenheit, europäisches Zusammenleben weiter entwickeln – nach der Erfahrung massiver Eingriffe in die Grundrechte?“
Nach meiner Einschätzung werden wir mit dem Covid-19-Virus noch sehr lange leben müssen – wohl bis weit ins Jahr 2021, oder sogar darüber hinaus. Wichtig wird dabei werden, dass sich einzelne gesellschaftliche Gruppen nicht von anderen separieren (lassen) – Alte/Junge, Arme/Reiche, Stadt/Land, Einheimische/Migranten ….
Seit Anfang des Jahres wurde die Pandemie immer realer, Mitte März dann mit einschneidenden Maßnahmen bekämpft, die unser Zusammenleben grundlegend verändert haben – mit einer kaum für möglich gehaltenen Akzeptanz in der Bevölkerung. In Notsituationen, zumindest solchen, die eine Mehrheit als unmittelbar bedrohend empfindet, sind also auch radikalste Veränderungen des Alltags möglich.
Die Einführung/Verkündigung des „Notstands“ war noch relativ einfach mit einer Fernsehansprache der Bundeskanzlerin möglich, die Beibehaltung bzw. Lockerung scheint dagegen ungleich schwieriger. Ich stimme daher Christian zu, dass wir dazu verschiedene Überlegungen anstellen sollten:
Erfahrungen aus der Entschleunigung:
• Geschwindigkeitsbeschränkungen sind m.E. überfällig (mein Vorschlag: 120 km/h für BAB, 80 km/h außerhalb und 50 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften).
• Innerdeutsche Flugverbindungen (davon viele als lediglich Zubringerflüge für internationale Ziele), oder das Geschäftsmodell der Billigairlines (viele Leute fliegen nur, wenn Tickets für 20-30€ für ein Ziel angeboten werden) sollten kritisch hinterfragt, bzw. stark eingeschränkt werden.
• Wollen wir Massentourismus auf Kreuzfahrtschiffen weiter medial („Traumschiff“) und werblich (Hochglanzprospekte für „AIDA“ o.ä.) anheizen, oder – in Analogie zum Tabakkonsum – reduzieren?
• Brauchen wir immer mehr „Mega-Events“ im Sport oder in der Kultur? Können bestehende/etablierte Mega-Events (Oktoberfest, Karneval, Ballermann…) auf ein im Sinne des Gesundheitsschutzes beherrschbares Maß zurückgefahren werden?
Daseinsvorsorge im Gesundheitswesen (und anderen systemrelevanten Bereichen) stärken:
• Die Privatisierungs-Euphorie im Gesundheitswesen sollte überdacht werden – im Fußball akzeptieren wir in Deutschland die sogenannte 50+1 Regel, warum nicht auch im wesentlich bedeutsameren Gesundheitswesen?
• Reservekapazitäten in der medizinischen Versorgung sollten gesamtgesellschaftlich geplant und vorgehalten werden und nicht nach den Kriterien der „Just-in-Time-Produktion“ und der Gewinnmaximierung.
• Die Pharmaindustrie sollte verpflichtet werden, Wirkstoffe nicht nur von einer Bezugsquelle oder aus einer bestimmten Region zu beziehen.
• Der Betreuungsschlüssel im Gesundheits- und Pflegebereich sollte überprüft, transparent gemacht und im internationalen Vergleich im oberen Drittel etabliert werden.
• Die Bezahlung für Berufstätige im Gesundheits- und Pflegebereich sollte ebenfalls überprüft, transparent gemacht und im internationalen Vergleich im oberen Drittel etabliert werden. Entsprechendes gilt für andere systemrelevante Beschäftigungen, die wir im „Lockdown“ neu kennen gelernt haben; ein abendliches Klatschen oder Balkonkonzerte werden da nicht dauerhaft genügen.
Individuelles und kollektives Schutzsystem stärken:
• Als ich mir die empfohlene Pneumokokken-Impfung holen wollte, habe ich festgestellt, dass ich seit Jahren keinen Impfausweis mehr habe; entsprechend muss ich alle relevanten Schutzimpfungen auffrischen, sobald sich die Situation wieder etwas entspannt hat.
• Meine Frau und ich haben lange das Thema Organspende-Ausweis und Patientenverfügung vor uns her geschoben; auch das werden wir schnellstmöglich ändern.
• Seit uns unsere Tochter Masken genäht hat, gehen wir nicht mehr „ohne“ vor die Tür; hoffentlich wird das schnell für alle selbstverständlich.
• Uns sind Konzerte, Theater, Kino und Museen wichtig. Aktuell haben wir aber alle Abonnements für die kommende Saison gekündigt; wir können nur hoffen, dass Gewandhaus, Oper, Theater, Kabaretts usw. bald Angebote für Risiko-Gruppen unterbreiten können.
• Wir sind auch gespannt, ab wann und wie wir wieder sicher an Diskussionsforen, Vorträgen, Gottesdiensten und anderen gesellschaftlichen Veranstaltungen teilnehmen können; private Feiern werden wir auf alle Fälle noch für viele Monate nach „Social-Distancing-Regeln“ organisieren.
Beim Klimaschutz vorankommen:
• Die Probleme, die wir uns durch die selbst-verursachte Erderwärmung schon geschaffen haben und stetig vergrößern, wiegen sicher deutlich schwerer als die jetzt durch die Corona-Pandemie verursachten. Weil sie uns aber nicht so unmittelbar, sondern eher langfristig beeinträchtigen, führen sie zu keiner unmittelbaren Handlungsbereitschaft und sind auch leichter zu leugnen.
• Eine relevante und kontinuierliche Reduzierung der Nutzung fossiler Brennstoffe erscheint mir notwendig und sollte auch weit über die bisher vereinbarten Ziele hinausgehen.
• Wir müssen uns individuell und kollektiv Gedanken über unseren Mobilitätsmix machen – weg von der Dominanz des Individualverkehrs mit Verbrennungsmotoren, hin zur klimaneutralen (zumindest verbrennungsarmen) Mobilität.
• Förderung nachhaltiger Produkte und des Einsatzes von „Green Energy“ in Produktionsprozessen.
Darüber hinaus sollten wir alle genau überlegen, wie wir zukünftig
• auf Rufe wie „All Cops Are Bastards“ oder „Bullenschweine“, dumme Witzchen über Friseusen, Supermarkt-Kassiererinnen oder Müllmänner reagieren wollen
• die Macht von Lobbyisten einschränken können, die es schaffen, jetzt z.B. Autohäuser statt Kirchen, Bibliotheken oder Hotels öffnen zu lassen
• den teilweise erbärmlichen Zustand vieler Schulen verbessern wollen, der eine zügigere Wiedereröffnung teilweise verhindert
• unsere Infrastruktur auf-/ ausbauen und erhalten wollen, um digitales Arbeiten, verlässlichen Nah- und Fernverkehr auf die Anforderungen des 21. Jahrhunderts zu bringen
• zum gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den Kosten für Qualitätsjournalismus stehen wollen angesichts immer weiter verbreiteter Verschwörungstheorien und Fake-News
Zum Thema Fake News und Corona:
Immer mehr Menschen hegen den Verdacht, Donald Trump könnte nicht zufällig entstanden, sondern in einem chinesischen Labor gezüchtet worden sein, um den USA schweren Schaden zuzufügen. „Die chinesische Regierung tut jetzt so, als habe sie mit den Zuständen in den USA nichts zu tun“, erklärt etwa ein User auf der Facebookseite Corona Truthers. „Aber ist es wirklich Zufall, dass wir jetzt im Weißen Haus einen Mann haben, der kaum Englisch kann und alles unternimmt, um eine einheitliche Reaktion auf die Krise zu unterwandern?“
Auch das optische Erscheinungsbild Trumps facht Spekulationen an: So vermuten einige, der unrealistische Teint und die wirre Frisur des US-Präsidenten seien darauf zurückzuführen, dass chinesische Wissenschaftler keine genaue Vorstellung davon haben, wie Menschen aus westlichen Kulturkreisen tatsächlich aussehen.
Schon werden erste Forderungen an China nach Schadenersatz laut – Forderungen, die die Volksrepublik entschieden von sich weist.
Seriöse Wissenschaftler zeigen sich eher vorsichtig: „Bislang gehen wir davon aus, dass Trump auf natürliche Weise entstanden ist. Eine Entwicklung in einem chinesischen Labor können wir allerdings auch nicht zu 100 Prozent ausschließen“, erklärt Biochemikerin Celine Smith-Garcia von der Universität von Washington.
(aus Der Postillon, 20.04.2020)
Hier der Link zu dem von Herrn Lerchner erwähnten bemerkenswerten Artikel von John Schellnhuber:
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/seuche-im-anthropozaen-die-lehren-der-corona-krise-16726494.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2
Von der auch auf diesem Blog häufig zitierten Neuen Züricher Zeitung wurde neulich der bekannte Harvard-Psychologe Steven Pinker gefragt, welche langfristigen gesellschaftlichen und politischen Folgen die derzeitige Pandemie haben wird. Steven Pinker: “Darauf habe ich eine klare Antwort: das meiste, was nun gesagt und geschrieben wird, wird sich als falsch herausstellen“.
Wenn man die Stimmen zur Kenntnis nimmt, die zunehmend die öffentliche Debatte dominieren, kommt man wahrscheinlich nicht umhin, dem Mann Realismus zu attestieren. Gegen die Hoffnung auf einen Paradigmen-Wechsel von einer Ökonomie ewig steigender Profite um jeden Preis hin zu einem dem Gemeinwohl verpflichtenden Wirtschaften formiert sich erheblicher Widerstand. Einem Paradigmen-Wechsel, der mehr fiskalischen Spielraum für den Staat eröffnet, nicht nur für eine langfristige Bewältigung der aktuellen ökonomischen Einbrüche, sondern auch Spielraum für die für einen „Green New Deal“ erforderlichen gewaltigen Infrastrukturmaßnahmen.
Besonders augenfällig ist die jüngst veröffentlichte Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Nicht nur, dass das FDP-Steuersenkungsmantra durch den absurden Vorschlag bedient wird, den Rest-„Soli“ abzuschaffen. Es heißt dort auch „… die in der Krise getroffenen wirtschaftlichen Maßnahmen müssen sobald wie möglich zugunsten eines nachhaltigen Wirtschaftens im Rahmen einer freiheitlichen Marktordnung rückgeführt oder angepasst werden“. Von „sozialer“ Marktwirtschaft ist gar nicht mehr die Rede. Eine solche Begrifflichkeit wäre möglicherweise einer angestrebten Austeritätspolitik hinderlich. Der wirtschaftspolitische Teil der Leopoldina-Stellungnahme wurde übrigens wesentlich geprägt von den wirtschaftsliberalen Ökonomen Clemens Fuest (ifo-Institut) und Lars Feld (Sachverständigenrat). Es ist nur zu hoffen, dass allein das schiere Ausmaß der vorgesehenen finanziellen Stützungsmaßnahmen auch dem letzten Bürger klar macht, dass die Logik einer südwestdeutschen Hausfrau im volkswirtschaftlichen Denken nichts zu suchen hat. Denn hunderte Milliarden Euro ohne gravierende Folgeschäden aus der Volkswirtschaft wieder herauszuziehen (Schuldenrückzahlung durch Sparen), können sich wahrscheinlich nur sehr hartgesottene Ideologen vorstellen. Zumal die Erfahrungen mit der Wirtschaftskrise 2008/2009 noch tief im Bewusstsein haften sollten.
Übrigens lohnt sich derzeit auch aus ökonomischer Sicht ein Blick nach Großbritannien, ins Mutterland des Neoliberalismus (Margaret Thatcher: „There is no society“). Der Defizit-Falke Saijd Javed wurde als Finanzminister gefeuert. Es wurde die Aussetzung von Mietzahlungen angeordnet. Es gibt die Zusage, allen 80 % der Löhne und Gehälter bis zu einer Höhe von 2.500 Pfund zunächst für die Dauer von drei Monaten zu zahlen. Eine Erhöhung der Sozialleistungen in der Höhe von 7 Mrd. Pfund wurde beschlossen. Und man höre und staune: die Bank of England wird das ganze umstandslos und direkt finanzieren (Lee Jones, Makroskop, 17.04.2020)! Die deutschen Neoliberalen werden Zustände bekommen!
Auch die Diskussion über die Gründe bzw. Voraussetzungen für die Ausweitung einer Epidemie zur Pandemie sollte geführt werden. Der Spruch „Die Natur wehrt sich“ ist mir zu nebulös. Dass die fortschreitende Zerstörung von Naturräumen Zoonosen befördert, ist, wie man lesen kann, unter Fachleuten umstritten. Selbstverständlich haben Pandemien etwas mit der Globalisierung zu tun. Der Schwarze Tod erreichte Europa im Jahre 1347 auf genuesischen Handelsschiffen. Die Cholera hat sich auf den Handelswegen des britischen Empires verbreitet. Heute geht es eben schneller. Andererseits gibt es gute Argumente dafür, dass die Weltgesellschaft im 21. Jahrhundert widerstandsfähiger gegen Pandemien ist denn je (sehr zu empfehlen: „Die Seuche im Anthropozän“, John Schnellnhuber, FAZ 16.04.2020). Zumindest im Prinzip. Wenn heutzutage mittelalterliche Methoden wie das Wegschließen ganzer Bevölkerungsteile erforderlich sind, hat jemand keine Vorsorge betrieben oder zu spät gehandelt. Dass es anders geht, zeigt das Beispiel Südkorea. Eine andere Frage ist, dass Armut weltweit beseitigt werden muss, damit alle am bestehenden Resilenzpotenzial unserer Zivilisation teilhaben können.
Der eingangs angedeutete Pessimismus, dass sich trotz vieler guter Gedanken und Ideen so schnell nichts ändern wird, rührt auch aus dem Bewusstsein existierender harter Interessenkonflikte, wobei die Beharrungskräfte sehr effizient eine erdrückende mediale Dominanz aufgebaut haben. Umso mehr halte ich alternative Medien und Blogs wie diesen für eine breitere Meinungsbildung für sehr wichtig.
Danke für Ihren tollen Beitrag Herr Wolff. Mit diesen Gedanken treffen Sie genau den Nerv der Zeit. Die Welt kommt nicht umhin sich jetzt damit zu beschäftigen und auseinander zu setzen. Welche Fragen am dringlichsten, und somit in naheliegender Zeit prioritär beantwortet werden müssen lässt sich mit indoktrinativen Machtspielchen nicht mehr verhindern. Übrigens gibt es im Vorwärts dazu auch noch einen anderen lesenswerten Beitrag von Marc Saxer (s.Link) zu lesen, in dem er schon im März aufzeigte wo die Menschen stehen, und nur darauf warten mitgenommen zu werden. Das wird sich noch verstärken. Allen voran müssen die ohnehin maroden Finanzsysteme ökologisch neu ausgerichtet, und wieder demokratischer Kontrolle unterstellt werden. Die Sozialdemokratie könnte noch einmal die Welt retten! Packen wir es an.
https://www.vorwaerts.de/artikel/corona-steht-welt-neustart
Was Mark Saxers und Christian Wolffs Beitrag fundamental unterscheidet, ist die Frage nach unserer Lebensweise und unserem Verhältnis zu Natur.
Beispiel: Mark findet es traurig, dass der Flugverkehr zum Erliegen kommt, Christian findet es wünschenswert. Mark möchte auf den Wachstumspfad zurück und die Digitalisierung vorantreiben, Christian mahnt eine Beschränkung des Konsums in den reichen Ländern an und sorgt sich um das Wasser.
Christian regt uns an, nach einer global verallgemeinerbaren und die Schöpfung bewahrenden Lebensweise zu streben, Mark geht es eher um die Revitalisierung der Industriegesellschaft.
Die Unterschiede sind fundamental, vergleichbar denen zwischen aktuellen SPD-Positionen und der laudato si. Oder denen zwischen Erhard Eppler und Helmut Schmidt.
Deshalb denke ich, dass die Sozialdemokratie zur Rettung der Welt nur beitragen könnte, wenn Sie endlich bei Papst Franziskus Positionen ankommen würde. Die Kirchen sind uns in dieser Frage weit voraus. Auf sie wird es ankommen. Und auf die Fähigkeiten der reichen Gesellschaften zur Selbstbegrenzung.
„Der zwanghafte Konsumismus ist das subjektive Spiegelbild des techno-ökonomischen Paradigmas“, schreibt Franziskus, „dieses Modell wiegt alle in dem Glauben, frei zu sein. …Während das Herz des Menschen immer leerer wird, braucht er immer nötiger Dinge, die er kaufen, besitzen und konsumieren kann. In diesem Kontext scheint es unmöglich, dass irgendjemand akzeptiert, dass die Wirklichkeit ihm Grenzen setzt.“ (laudato si, 204)
Ich erlaube mir, meinen Beitrag im „Vorwärts“ zu diesem klugen Artikel hier einzustellen, die SPD-Bezüge bitte ich mir nachzusehen:
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Danke für diesen Beitrag, zu dessen Vertiefung ich die Mainzer Botschaft der Oekumenischen Versammlung (2014) und die „laudato si“ empfehle.
Zur ökonomischen Frage: wir haben die Wahl zwischen dem sanften Tod des Rentiers und dem unsanften Tod der Menschheit. Einzig die Frage, wie wir den Turbokapitalismus auf die Palliativstation bekommen, ist nicht abschließend geklärt.
Zur SPD: hier finden wir zwei Welten: für die bislang erste steht der Beitrag von Heiko Maas und Olaf Scholz, für die leider noch zweite stehen Christian Wolff und Hans Jürgen Burchardt.
Die Mehrheit, auch im Vorwärts, zeigt sich unentschlossen.
Die erste Welt, in der SPD wie in der Realität, wähnt sich immer im Recht. Sie möchte wieder einmal Billionen verteilen, und abermals wird anschließend kein Geld für anständige Schultoiletten vorhanden sein. Hände waschen für Schüler fällt aus, die Verantwortlichen waschen ihre Hände gründlich, in Unschuld. Also Liquidität für die Märkte statt Wasser für Kinderhände, alles für den Wachstumspfad. Folgerichtig: Digitalisierung statt Wasser.
Die zweite Welt hat begriffen, dass diese Wirtschaft tötet.
Es wäre ein wirklich gutes Ergebnis der gegenwärtigen Situation, wenn wir sie als Chance für eine breite gesellschaftliche Debatte für die Zeit danach nutzen würden. Ob das gelingt?! Ein Weiterso oder ein simples „reset“ wäre fatal. Gibt es eine kritische Masse wie 1989?